Beschluss vom 29.08.2019 -
BVerwG 2 B 73.18ECLI:DE:BVerwG:2019:290819B2B73.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2019 - 2 B 73.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:290819B2B73.18.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 73.18

  • VG München - 20.03.2009 - AZ: VG M 21 K 07.5964
  • VGH München - 27.08.2018 - AZ: VGH 14 B 18.478

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. August 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30 070,92 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Der 19.. geborene Kläger war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Monats April 2007 Baudirektor bei der Beklagten. In der Zeit von Januar 1986 bis Dezember 1992 hatte ihn die Beklagte unter Wegfall der Dienstbezüge für eine Verwendung bei der NATO ... (...) beurlaubt. Mit Ablauf der Verwendung hatte der Kläger eine Rückzahlung der aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen bestehenden Beiträge für das Pensionssystem der NATO in Höhe von 89 818,40 € erhalten, die er an seinen Dienstherrn nicht abführte.

3 Die Beklagte setzte die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Mai 2007 fest. Dabei legte sie einen Ruhegehaltssatz von 75 v.H. zugrunde. Mit weiterem Bescheid verfügte die Beklagte im Hinblick auf den von der ... erhaltenen Kapitalbetrag das Ruhen der Versorgungsbezüge ab dem 1. Mai 2007 in Höhe von monatlich 683,43 € (13,84 % von 4 938,08 €). Das dagegen geführte Vor- und Klageverfahren ist erfolglos geblieben.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, das Ruhegehalt ruhe u.a. dann kraft gesetzlicher Anordnung in bestimmter Höhe, wenn ein Ruhestandsbeamter bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung anstelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag als Abfindung oder als Zahlung aus einem Versorgungsfonds erhalte. Bei Zeiten, die bis zum 31. Dezember 1991 zurückgelegt worden seien, ruhe das Ruhegehalt in Höhe des Betrags, der einer Minderung des Hundertsatzes von 2,14 für jedes im zwischen- oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspreche. Bei Zeiten ab dem 1. Januar 1992 betrage die Minderung des Vomhundertsatzes 1,0.

5 Das Bundesverfassungsgericht habe eine vergleichbare zeitlich unbegrenzte Ruhensregelung als verfassungskonform beurteilt. Soweit der Kläger im Hinblick auf das "Günstigkeitsprinzip" die Anwendung einer später eingeführten Kappungsgrenze oder eine Vergleichsberechnung entsprechend der später geltenden Gesetzeslage fordere, widerspreche dies der strengen Gesetzesbindung der beamtenrechtlichen Versorgung.

6 2. Die Sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde des Klägers beimisst.

7 Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

8 Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache der Sache nach in der Frage,
ob gesetzliche Regelungen über die Anrechnung eines Kapitalbetrags auf das Ruhegehalt nach dem Grundsatz der Einheit öffentlicher Kassen durch Regelungen zum Endzeitpunkt für die Anrechnung enthalten muss, um sicherzustellen, dass der erdiente Versorgungsstandard nicht absinkt.

9 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist nicht gerechtfertigt, weil die damit aufgeworfene Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Ruhensregelung für Versorgungsbezüge von Berufssoldaten nach durchgeführter teilweiser Kapitalabfindung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abschließend geklärt ist.

10 Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 und 2 BvL 28/14 - (BVerfGE 145, 249) entschieden, dass es weder einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) gibt, der die Ruhegehaltfähigkeit von Zeiten im Dienste einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung zwingend anordnet oder untersagt, noch einen solchen Grundsatz, nach dem sich der Umgang mit Kapitalabfindungen aus dem Dienst in zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen bestimmt. Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht u.a. ausgeführt: Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber durch Anrechnungs- und Ruhensvorschriften das Ziel verfolgen darf, eine Doppel- oder Überversorgung eines Beamten zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 1980 - 2 BvL 7/76 - BVerfGE 55, 207 <239>), sowie darauf, dass Alimentationsverpflichtungen des Dienstherrn durch Anrechnungs- oder Ruhensregelungen eingeschränkt sein können, sprechen keine systematischen Gründe des Alimentationsprinzips gegen eine Ruhensregelung, die im Ergebnis dazu führt, dass an die Stelle der - verfassungsrechtlich nicht gebotenen - Ruhegehaltfähigkeit von Auslandsdienstzeiten eine von der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgungsleistung tritt (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 82). Auch die möglicherweise nachteiligen Konsequenzen einer ohne zeitliche Begrenzung ("Deckelung") ausgesprochenen Ruhensanordnung führt nicht zu einem Verstoß der Ruhensvorschrift gegen Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG und verletzt im Übrigen auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine am Ende der Auslandsdienstzeit ausgezahlte Kapitalabfindung im Hinblick auf die damit verbundenen vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten für ihren Empfänger einen wirtschaftlichen Wert haben oder erreichen kann, der bei typischem Verlauf auch durch eine zeitlich nicht eingeschränkte Addition von Ruhensbeträgen nicht überschritten wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Betroffene die Wahl hat, die Abfindung an seinen Dienstherrn auszukehren und sich auf diese Weise einen ungekürzten Versorgungsanspruch zu sichern.

11 An diesem generalisierenden Maßstab des Bundesverfassungsgerichts orientiert, bleibt für die von der Beschwerde geforderte Überprüfung einer versorgungsrechtlichen Ruhensregelung für Kapitalabfindungen aus dem Dienst in zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen im Einzelfall kein Raum. Die strikte Bindung an die gesetzlichen Bestimmungen des Versorgungsrechts schließt eine solche am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte Einzelfallprüfung gerade aus. Soweit sich die Beschwerde zur Begründung auf die abweichenden Ausführungen in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Sache vom 27. Januar 2011 - 2 C 25.09 - (Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 21) und vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - (Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 8) stützt, kann sie damit nicht durchdringen, weil diese Überlegungen infolge der vorstehend aufgeführten neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholt sind und der Senat deshalb an ihnen nicht festhält (vgl. so auch bereits BVerwG, Beschluss vom 29. März 2019 - 2 B 50.18 - juris Rn. 12). Insbesondere für eine von der Beschwerde angenommene Auslegung des einfachen Rechts, unabhängig von den verfassungsrechtlichen Überlegungen der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, aber mit demselben Ergebnis, ist kein Raum. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruhte gerade auf den durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholten verfassungsrechtlichen Überlegungen.

12 3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

13 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann i.S.d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 28. August 2018 - 2 B 4.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 59 Rn. 30). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

14 Die Beschwerde legt keine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar. Sie beschränkt sich auf den Vortrag, das Berufungsgericht weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - (Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8) ab, indem es entgegen dieser Entscheidung nicht beachtet habe, dass der erdiente Versorgungsstandard nicht abgesenkt werden dürfe und das Versorgungsgesetz Regelungen enthalten müsse, nach denen ein Endzeitpunkt für die Anrechnung eines als Abfindung gezahlten Kapitalbetrags bei Verwendung in einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung zu bestimmen sei. Das von der Beschwerde - wie bereits ausgeführt - in Bezug genommene Urteil des Senats vom 5. September 2013 ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 und 2 BvL 28/14 - (BVerfGE 145, 249) überholt, sodass eine Zulassung wegen Divergenz schon deshalb nicht in Betracht kommt.

15 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 63 Abs. 3 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Streitwert ist in der Höhe des dreifachen Jahresbetrags der Differenz zwischen dem innegehabten und dem erstrebten Teilstatus - hier: zwischen dem von der Beklagten festgesetzten und dem von dem Kläger erstrebten Ruhensbetrag - festzusetzen.