Beschluss vom 29.08.2023 -
BVerwG 1 B 16.23ECLI:DE:BVerwG:2023:290823B1B16.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2023 - 1 B 16.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:290823B1B16.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 16.23

  • VG Magdeburg - 24.08.2020 - AZ: 8 A 228/19 MD
  • OVG Magdeburg - 08.03.2023 - AZ: 2 L 102/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 8. März 2023 wird geändert.
  2. Die Revision wird zugelassen, soweit die Beklagte verpflichtet worden ist, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG zu erteilen.
  3. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten verworfen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf jeweils 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde der Beklagten hat in dem im Tenor bezeichneten Umfang Erfolg.

2 1. Soweit die Beklagte verpflichtet worden ist, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, ist die Beschwerde unzulässig. Sie macht insoweit Zulassungsgründe weder geltend noch legt sie solche den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar.

3 2. Die Revision ist aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, soweit die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet worden ist, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG zu erteilen. Die Revision kann dem Senat Gelegenheit geben, die Anwendbarkeit des § 104c Abs. 1 AufenthG sowie die Bedeutung des in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorausgesetzten Bekenntnisses zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bei minderjährigen Antragstellern näher zu klären.

4 3. Die Teilzulassung der Revision ist zulässig, weil dem Ausgangsverfahren unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde liegen, die nicht in einem der Teilzulassung entgegenstehenden Abhängigkeitsverhältnis voneinander stehen. Die Klage ist mit dem Hauptantrag auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG und mit dem Hilfsantrag unter anderem auf die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c Abs. 1 AufenthG gerichtet. Hierbei handelt es sich ungeachtet dessen, dass beide Vorschriften humanitäre Aufenthaltserlaubnisse nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes regeln (vgl. § 104c Abs. 3 Satz 2 AufenthG), wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen um verschiedene Streitgegenstände (zu vergleichbaren Fallgestaltungen BVerwG, Urteile vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 - BVerwGE 138, 336 Rn. 19 f. und vom 18. Dezember 2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 211 Rn. 17). Das befristete Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG soll die Gelegenheit zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG geben (BT-Drs. 20/3717 S. 2, 17), unterscheidet sich aber von diesen Aufenthaltstiteln in den Voraussetzungen und in den Rechtsfolgen.

5 Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Soweit die Revision zugelassen worden ist, wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 13.23 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.