Beschluss vom 29.11.2021 -
BVerwG 8 B 33.21ECLI:DE:BVerwG:2021:291121B8B33.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.11.2021 - 8 B 33.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:291121B8B33.21.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 33.21

  • VG Greifswald - 19.04.2021 - AZ: VG 5 A 230/20 HGW

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. November 2021
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 19. April 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Rechtsvorgänger des Klägers waren Eigentümer von Grundstücken in Mecklenburg-Vorpommern, die im Zuge der Bodenreform entschädigungslos enteignet wurden. Der Kläger beantragte deswegen im Jahr 2001 die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung, welche der Beklagte mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 15. Oktober 2002 ablehnte. Die Anträge des Klägers auf Wiederaufgreifen dieser Verfahren lehnte der Beklagte ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hiergegen abgewiesen, da die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG nicht gegeben seien.

2 Die gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil gerichtete, auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht die Bescheide vom 15. Oktober 2002 nicht als nichtig im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG angesehen hat, zeigt die Beschwerde keinen Revisionszulassungsgrund auf, sondern beschränkt sich darauf, die verwaltungsgerichtliche Anwendung der genannten Vorschrift im vorliegenden Einzelfall zu kritisieren. Namentlich die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe eines Verstoßes der Vorinstanz gegen Art. 1 Abs. 1 GG und einer Perversion des verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes entbehren jeder Grundlage und führen nicht auf einen Zulassungsgrund.

4 2. Hinsichtlich der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor, legt die Beschwerde ebenfalls keinen Zulassungsgrund dar. Ist die angefochtene Entscheidung selbstständig tragend auf mehrere Begründungen gestützt, ist die Revision nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG mit den beiden selbstständig tragenden Begründungen verneint, dass die vom Kläger zur Begründung des Wiederaufgreifensantrags herangezogenen Unterlagen nicht geeignet seien, eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen, und außerdem ganz überwiegend keine neuen Beweismittel darstellten. Zu dieser zuletzt genannten Erwägung der fehlenden Neuheit, die das Verwaltungsgericht lediglich hinsichtlich des SMAD-Befehls Nr. 139 nicht ausdrücklich heranzieht, lässt sich dem Vorbringen des Klägers kein Zulassungsgrund entnehmen.

5 3. Unabhängig davon ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Dies würde voraussetzen, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

6 Die vom Kläger formulierten, aus seiner Sicht grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen üben im Wesentlichen in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels Kritik an der Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Einzelfall, namentlich an der Würdigung der Reichweite und des Regelungsgehalts der vom Kläger als neue Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG herangezogenen Normen und Verwaltungsmaßnahmen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache folgt aus diesem Vorbringen nicht.

7 Sie ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Beschwerde - der Sache nach - gegen die dem Urteil der Vorinstanz zugrunde liegende Rechtsauffassung wendet, § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwRehaG stehe der vom Kläger begehrten verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung entgegen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist seit Langem geklärt, dass die genannte Vorschrift Enteignungen im Rahmen der Bodenreform in verfassungsgemäßer Weise von einer verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausschließt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Oktober 2020 - 8 B 21.20 - juris Rn. 6 m.w.N.). Weiteren oder erneuten Klärungsbedarf hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf.

8 4. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Eine Divergenz ist nicht dargelegt. Der Kläger benennt nicht, wie es hierzu erforderlich wäre, einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hätte. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. So aber liegt der Fall hier. Der Kläger bezeichnet keine divergierenden Rechtssätze, sondern beschränkt sich darauf, dem Verwaltungsgericht eine unzureichende Berücksichtigung verschiedener Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vorzuhalten.

9 5. Die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Revision, da sie jeglicher Begründung im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ermangelt.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.