Beschluss vom 13.12.2021 -
BVerwG 2 B 1.21ECLI:DE:BVerwG:2021:131221B2B1.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.12.2021 - 2 B 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:131221B2B1.21.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 1.21

  • VG Münster - 04.04.2016 - AZ: VG 13 K 68/15.O
  • OVG Münster - 07.10.2020 - AZ: OVG 3d A 998/16.O

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Dezember 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 1. Der 1968 geborene Beklagte ist Studienrat im Dienst des klagenden Landes und war als Lehrer an einem Berufskolleg tätig. Zwischen 2009 und 2014 beging er zahlreiche Straftaten. Er ist u.a. in fünf rechtskräftigen Urteilen und in sechs rechtskräftigen Strafbefehlen zu Geldstrafen, in einem Fall auch zu einer kurzen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. In vier Fällen hatte der Beklagte in betrügerischer Absicht die Leistungen von Prostituierten in Anspruch genommen, ohne willens und in der Lage zu sein, das vereinbarte Entgelt zu bezahlen. Die weiteren Straftaten betrafen Diebstähle, Beleidigungen, das Erschleichen von Leistungen, eine versuchte gefährliche Körperverletzung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort sowie das Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis und unter Einfluss von Kokain. U.a. diese Straftaten waren Gegenstand des im Jahr 2011 eingeleiteten und seither mehrfach erweiterten Disziplinarverfahrens.

2 Auf die im Jahre 2015 erhobene Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht, welches den Gegenstand des Disziplinarklageverfahrens auf die genannten Straftaten beschränkt hat, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht im Jahr 2017 zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2018 (Beschluss vom 19. Februar 2018 - 2 B 51.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 56) den Rechtsstreit wegen eines Verfahrensfehlers zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Es hat darauf abgestellt, dass das Berufungsurteil auf dem vom Beklagten geltend gemachten Verstoß gegen die Aufklärungspflicht beruhen könne. Dem Oberverwaltungsgericht hätte sich eine weitergehende Sachverhaltsermittlung dahingehend aufdrängen müssen, ob der Beklagte die Dienstvergehen in einem Zustand verminderter Einsichts- und Steuerungsfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung und/oder Drogenabhängigkeit begangen hat.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat sodann ein psychiatrisches Gutachten eingeholt und nach dem hiernach eingeholten Verzicht der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung die Berufung des Beklagten im November 2019 zurückgewiesen. Es teile nach eigenständiger Prüfung sowie Bewertung die Begründung des Verwaltungsgerichts und mache sie sich zu eigen; die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis sei geboten. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Juli 2020 (Beschluss vom 16. Juli 2020 - 2 B 8.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 78) die Sache erneut an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsurteil sei verfahrensfehlerhaft, weil es ohne Durchführung einer notwendigen mündlichen Verhandlung ergangen sei. Diese Notwendigkeit ergebe sich im vorliegenden Fall jedenfalls kumulativ daraus, dass angesichts des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens und der danach nicht eindeutig beantworteten Fragen sowie der gegenüber der zweieinhalb Jahre zurückliegenden ersten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht veränderten Besetzung der Richterbank und der im Raum stehenden - und später ausgeworfenen - Höchstmaßnahme der Dienstentfernung trotz möglicherweise erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Beklagten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwingend geboten gewesen sei, zumal sich der damalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten zuvor an das Berufungsgericht mit Ausführungen gewandt habe, die ernstlich besorgen ließen, dass er sich nicht hinreichend für die Belange seines Mandanten einsetzte und dessen Interessenvertretung nicht sachgerecht wahrnahm.

4 Daraufhin hat das Oberverwaltungsgericht mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Oktober 2020 ergangenem Urteil die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil erneut zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung hatte es zuvor ausgeschiedene Handlungen, wegen derer der Beklagte strafgerichtlich verurteilt worden war (sexueller Missbrauch von Kindern, Amtsanmaßung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Diebstahl, Fahren ohne gültigen Fahrschein) wieder in das Disziplinarverfahren einbezogen und den psychiatrischen Sachverständigen befragt. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass der Beklagte bei diesen Taten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt habe. Das vom Beklagten begangene einheitliche Dienstvergehen führe nach einer Gesamtwürdigung auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Durchgreifende Milderungsgründe gebe es nicht. Das gelte insbesondere für eine verminderte Schuldfähigkeit, deren Vorliegen allerdings für einige der Tathandlungen anzunehmen sei. Der Beklagte habe im Tatzeitraum an psychischen und Verhaltensstörungen insbesondere durch Kokain gelitten. Aufgrund dessen sei das Eingangsmerkmal "krankhafte seelische Störung" (§ 20 StGB) für diejenigen Straftaten als erfüllt anzusehen, bei denen es nach dem Konsum von Kokain zu einer impulsiven, ungeplanten Straftat gekommen sei. Demgegenüber sei ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB für die Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern, des Betrugs wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis und des Diebstahls zweier Mobiltelefone nicht als erfüllt anzusehen. Die insoweit (nur) für einzelne Tathandlungen als Elemente des einheitlichen Dienstvergehens im Streitfall anzunehmende erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit ziehe nicht das Absehen von der Höchstmaßnahme für das Dienstvergehen - in seiner Gesamtheit - nach sich, zumal eine Mehrzahl von Vorwürfen im Raum stehe, die ohne erhebliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten erfolgt seien. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Beklagte sämtliche ihm im Rahmen des Disziplinarverfahrens noch vorgeworfenen Straftaten unter dem Einfluss von Kokainkonsum und im Zustand verminderter Schuldfähigkeit - Einschränkung der Steuerungsfähigkeit - begangen habe, so führte dies nicht zur Verhängung einer anderen als der durch die Schwere seines Dienstvergehens (insbesondere aufgrund des sexuellen Missbrauchs von Kindern) indizierten Höchstmaßnahme. Denn es sei geboten, den Beklagten wegen der in seinem Gesamtverhalten zutage getretenen Mängel seiner Persönlichkeit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

5 2. Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

6 a) Die Revision ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 67 Satz 1 LDG NRW wegen der geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.

7 aa) Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes in dieser Vorschrift genanntes Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 28. Mai 2013 - 7 B 39.12 - juris Rn. 8). Das Revisionszulassungsrecht kennt - anders als die Vorschriften zur Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) - den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3).

8 bb) Die Beschwerde genügt bereits nicht den sich aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ergebenden Begründungsanforderungen an die Rüge der Divergenz. Sie bezeichnet nicht hinreichend die ihrer Ansicht nach divergierenden Rechtssätze. Vielmehr stellt sie lediglich jeweils längere Auszüge aus dem Berufungsurteil einerseits und aus Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts andererseits gegenüber, ohne herauszuarbeiten, welche Rechtssätze im Einzelnen und aus welchem Grund divergieren sollen. Im Übrigen liegt die mit der Beschwerde geltend gemachte Divergenz auch in der Sache nicht vor.

9 (1) Der Sache nach beanstandet die Beschwerde zum einen, dass das Berufungsgericht ausgeschiedene Taten zu Unrecht und unter Verstoß gegen Rechtssätze in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2013 - 2 B 50.12 - (NVwZ-RR 2013, 926 Rn. 12 ff.) wieder in das Disziplinarverfahren einbezogen und seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe; es habe damit willkürlich Taten wieder einbezogen, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Damit ist keine Divergenz aufgezeigt. Der von der Beschwerde angeführte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts befasst sich bereits nicht mit der von der Beschwerde angesprochenen Frage der Zulässigkeit der Wiedereinbeziehung zuvor ausgeschiedener Handlungen in ein Disziplinarverfahren; er verhält sich lediglich zu der Zulässigkeit der Beschränkung des Disziplinarverfahrens.

10 Mit der Frage der Zulässigkeit der Wiedereinbeziehung zuvor ausgeschiedener Handlungen in ein Disziplinarverfahren befasst sich demgegenüber der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2013 - 2 B 8.13 - (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 22 Rn. 9 ff.), den das Berufungsgericht seiner Entscheidung über die Wiedereinbeziehung der zuvor vom Verwaltungsgericht ausgeschiedenen Tatvorwürfe ausdrücklich zu Grunde gelegt - und im Übrigen auch rechtsfehlerfrei angewendet - hat. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass nach § 55 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW (§ 56 Satz 2 BDG) die vom Gericht ausgeschiedenen Handlungen nicht wieder in das Disziplinarverfahren einbezogen werden können, es sei denn, die Voraussetzungen für die Beschränkung entfallen nachträglich. Die erneute Einbeziehung ausgeschiedener Tathandlungen sei danach zulässig, wenn sich im Verlaufe des weiteren Verfahrens die Grundannahmen der ursprünglichen Prognose des Gerichts als unzutreffend erweisen. Das sei etwa gegeben, wenn sich die weiterverfolgte Tathandlung als nicht nachweisbar oder weniger schwerwiegend erweise als ursprünglich angenommen. In diesen Fällen komme den ausgeschiedenen Handlungen nachträglich ein Gewicht zu, das eine Ausscheidung aus Gründen der Prozessökonomie verbiete. Die Handlungen könnten nicht unberücksichtigt bleiben, weil ihnen für Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme entgegen der ursprünglichen Annahme voraussichtlich doch Relevanz zukomme.

11 Dementsprechend stand die Überlegung des Berufungsgerichts, dass die Vorwürfe nicht unberücksichtigt bleiben konnten, weil ihnen für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme entgegen der ursprünglichen Annahme voraussichtlich doch Bedeutung zukomme, im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

12 (2) Soweit die Beschwerde der Sache nach anführt, das Berufungsgericht versäume es, eine tragfähige Entscheidung des Sachverständigen über die Vorwerfbarkeit des Unterlassens einer Suche nach Hilfsmaßnahmen herbeizuführen und "divergiere" von dem zuvor in diesem Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 16. Juli 2020 - 2 B 8.20 - (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 78 Rn. 34) ausgesprochenen Gebot der Sachverhaltsaufklärung, ist eine Divergenz ebenso wenig erkennbar wie bei der Rüge, das Berufungsgericht weiche mit dem Abstellen darauf, dass der Beklagte sich um Hilfe aus seiner Suchtkrankheit hätte bemühen müssen, von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang zu unter Alkoholeinfluss begangenen Dienstvergehen und alkoholkrankheitsbedingter Dienstunfähigkeit ab.

13 Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht ist ein Verfahrensfehler, nicht aber eine Abweichung von - hier höchstrichterlicher - Rechtsprechung. Für eine solche Verletzung trägt die Beschwerde aber nichts substanziiert vor. Im Übrigen ist das Berufungsgericht den mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 2020 - 2 B 8.20 - (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 78 Rn. 34) angesprochenen Sachaufklärungspflichten nachgekommen.

14 Der Vortrag, das Berufungsgericht weiche mit dem Abstellen darauf, dass der Beklagte sich um Hilfe aus seiner Suchtkrankheit hätte bemühen müssen, von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang zu unter Alkoholeinfluss begangenen Dienstvergehen und alkoholkrankheitsbedingter Dienstunfähigkeit ab, zeigt ebenfalls keine Divergenz auf. Abgesehen davon, dass die angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu anderen Normen - und im Übrigen sogar in einem anderen rechtlichen Zusammenhang - ergangen sind und schon deshalb keine Divergenz begründen können, lässt sich ihnen auch nicht entnehmen, dass das Disziplinargericht bei der von ihm gemäß § 13 LDG NRW (§ 13 BDG) vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht auch berücksichtigen dürfte, dass der Beamte sich mehr um Hilfe aus der Sucht hätte bemühen können.

15 (3) Des Weiteren besteht auch keine Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - (BVerwGE 163, 356 Rn. 20 ff.) zur aus § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BDG) folgenden Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens. Zwar ist die Verletzung dieser Pflicht ein Mangel, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand zu berücksichtigen sein kann. Allerdings liegt im vorliegenden Fall eine solche Pflichtverletzung des Dienstherrn nach den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht vor, sodass das Berufungsgericht auch nicht unausgesprochen einen abweichenden Rechtssatz aufstellt. Im Übrigen liegt aber selbst ein - im Rahmen der Divergenzrüge unbeachtlicher - Rechtsanwendungsfehler des Berufungsgerichts nicht vor: Die von der Beschwerde angenommene unzureichende Unterstützung des Dienstherrn ist etwas anderes als die verspätete Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Insbesondere geht die Beschwerde fehl in ihrer Annahme, dass dem Beklagten das Unterlassen einer ihm möglichen Suche nach Hilfe aus der Sucht nur dann angelastet werden könnte, wenn der Dienstherr zuvor mit Mitteln des Disziplinarrechts diese Suche eingefordert hätte.

16 (4) Schließlich ist die geltend gemachte Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Beschlüssen vom 22. März 2016 - 2 B 43.15 - (Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 34) und vom 8. Juni 2017 - 2 B 5.17 - (Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 43) zur Berücksichtigung nachträglicher Therapiemaßnahmen als Milderungsgrund nicht gegeben. Auch hier hat das Berufungsgericht keinen entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt. Es hat vielmehr diesen Aspekt gesehen, ihm aber im Anschluss an die sachverständige Würdigung, dass dem Beklagten ein Mehr an Suche nach Hilfe aus der Sucht möglich gewesen wäre, für unbeachtlich gehalten. Eine Divergenz liegt hierin ebenso wenig wie ein sonstiger Rechtsverstoß. Die von der Beschwerde im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigungen und Laborbefunde sind insoweit von vornherein unbehelflich.

17 b) Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 67 Satz 1 LDG NRW. Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen genügen bereits nicht den Begründungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO oder führen jedenfalls nicht auf Verfahrensfehler des Berufungsgerichts.

18 (1) Soweit die Beschwerde es für eine Abweichung gegenüber den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 16. Juli 2020 - 2 B 8.20 - (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 78 Rn. 34) und deshalb für verfahrensfehlerhaft hält, dass das Berufungsgericht "Teile des Gutachtens des Prof. Dr. F. in das Urteil hat einfließen lassen, ohne diesen zu hören", greift dies schon deshalb nicht durch, weil das Bundesverwaltungsgericht in der von der Beschwerde angeführten Randnummer 34 seines Beschlusses vom 16. Juli 2020 nicht die Befragung des Prof. Dr. F., sondern die Befragung des Dr. B. angemahnt hatte und das Berufungsgericht auch dementsprechend verfahren ist. Auch im Berufungsurteil hat das Berufungsgericht maßgeblich auf das Gutachten von Dr. B. und dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung abgestellt und lediglich insoweit ergänzend - rechtsfehlerfrei - einbezogen, dass der Beklagte im Rahmen eines Strafverfahrens gegen den früheren Gutachter Prof. Dr. F. Angaben gemacht (S. 25 des Berufungsurteils) und dieser im Strafverfahren gegen den Beklagten Einschätzungen geäußert (S. 26 und S. 27 des Berufungsurteils) hat.

19 (2) Die Nichtanhörung des Prof. Dr. F. verstieß entgegen der Rüge der Beschwerde auch nicht gegen § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO, denn das Berufungsgericht hat sich die erforderliche medizinische Sachkunde mit Hilfe des Sachverständigen Dr. B. verschafft.

20 (3) Schließlich ist das Berufungsurteil auch nicht wegen Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 57 Abs. 1, § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) deshalb verfahrensfehlerhaft, weil das Berufungsgericht die vom Beklagten angeführte Therapeutin aus Schloss H. nicht als sachverständige Zeugin zum Verlauf und Erfolg der Therapie des Beklagten befragt oder - alternativ - den Sachverständigen Dr. B. beauftragt hat, die dortigen therapeutischen Unterlagen beizuziehen und in seine Expertise einfließen zu lassen.

21 Eine Aufklärungsrüge (§ 57 Abs. 1, § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erfordert dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum einen die substanziierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aus der materiell-rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese bei Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Zum anderen muss dargelegt werden, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es - wie hier - unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.> und Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14, vom 29. März 2017 - 2 B 26.16 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 13 Rn. 7 f. und vom 10. Dezember 2020 - 2 B 6.20 - NVwZ-RR 2021, 469 Rn. 7 f.).

22 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde legt nicht substanziiert dar, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachaufklärung ohne einen entsprechenden Beweisantrag des Beklagten hätte aufdrängen müssen.

23 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.