Beschluss vom 30.03.2023 -
BVerwG 1 WB 36.21ECLI:DE:BVerwG:2023:300323B1WB36.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.03.2023 - 1 WB 36.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:300323B1WB36.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 36.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Geck und
die ehrenamtliche Richterin Oberstabsgefreiter Busklas
am 30. März 2023 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft Weisungen zur Einführung von Korporals- und Stabskorporalsdienstposten.

2 Der Antragsteller gehört als Oberstabsgefreiter der ... in ... an und befindet sich derzeit in einem Auslandseinsatz der Bundeswehr in ...

3 In der Weisung zur "Umsetzung der Maßnahmen zur Modernisierung der militärischen Laufbahnen" des Bundesministeriums der Verteidigung vom 14. Januar 2020 wird unter Nr. 1. ("Lage") dargestellt, dass im Rahmen der Personalstrategie der Bundeswehr die Laufbahn der Mannschaften des Truppendienstes neu ausgerichtet und um zwei neue Dienstgrade (Korporal und Stabskorporal) erweitert werden solle. Es sei beabsichtigt, mit der Einführung der neuen Dienstgrade anspruchsvolle Aufgaben, die sich durch eine umfangreichere Verantwortung in einzelnen Tätigkeiten auszeichneten, in der gleichen Laufbahn besser abzubilden. Für die leistungsstärksten Mannschaften könne die bisherige Praxis einer Regelbeförderung bis hin zum höchsten Dienstgrad Oberstabsgefreiter um eine leistungsabhängige Förderung ergänzt werden. Unter Nr. 2. ("Auftrag") werden die militärischen Organisationsbereiche beauftragt, für das Jahr 2021 zunächst ca. 1 000 und stufenweise bis zum Jahr 2031 bis zu 5 000 gebündelte Korporals-/Stabskorporalsdienstposten für eine künftige Besetzung zu identifizieren. Es folgen in Nr. 3. ("Durchführung") Vorgaben zur Durchführung der organisatorischen Umsetzung der beabsichtigten Maßnahme und daran anknüpfende Einzelaufträge für die militärischen Organisationsbereiche, das zuständige Referat in der Abteilung Führung der Streitkräfte im Bundesministerium der Verteidigung und die zivilen Organisationsbereiche. Auf der Grundlage dieser Weisung wurde für den Bereich der ... in ... ein entsprechender Dienstposten mit der Bezeichnung "..." ausgewiesen.

4 Die - aus Sicht des Antragstellers allein als bedeutsam zu erachtenden - Sätze 1 und 2 der Nr. 201 der vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebenen Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1340/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten" lauten: "Die Beförderung von Soldatinnen und Soldaten ist grundsätzlich nur zulässig, wenn ihre Verwendung auf einen im Frieden zu besetzenden Dienstposten, dessen Bewertung mindestens dem Beförderungsdienstgrad entspricht, verfügt und als Personalmaßnahme wirksam wurde. Für die Beförderung von Berufssoldatinnen und Berufssoldaten sowie von Soldatinnen auf Zeit und Soldaten auf Zeit muss darüber hinaus eine besetzbare Planstelle vorhanden sein."

5 Mit einem unter dem 4. August 2020 verfassten, an die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages gerichteten und beim Bundesministerium der Verteidigung am 2. Oktober 2020 eingegangenen Schreiben beschwerte sich der Antragsteller über die Art und Weise der Umsetzung der neuen Möglichkeiten für eine Beförderung zum Korporal bzw. Stabskorporal und bezog sich dabei auf die Grundsätzliche Anweisung und Information für die Personalführung (GAIP) 59-01-00 "Verwendungsauswahlentscheidung Korporal für Mannschaften des Truppendienstes 2021" des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 17. November 2020; diese Anweisung bezieht sich auf die Weisung vom 14. Januar 2020 und die Zentrale Dienstvorschrift A-1340/50. Der Antragsteller wies darauf hin, dass für seine Einheit nur ein entsprechender Dienstposten vorgesehen sei, dessen Anforderungen von keinem der in der Einheit Dienst leistenden Mannschaftssoldaten erfüllt würden. So bestehe auch für ihn keine Möglichkeit, über eine Beförderung einen der neuen Dienstgrade zu erreichen, obwohl er nach Ansicht seiner Vorgesetzten einer der leistungsstärksten Soldaten seiner Dienstgradgruppe sei. Dies empfinde er als demotivierend und unsachgerecht.

6 Mit Schreiben vom 7. September 2020 wandte sich der Antragsteller an seinen Kompaniechef und beantragte, seine "Eingabe vom 05.08.2020 ebenfalls als Beschwerde zu werten". Der daraufhin am 9. September 2020 durch den Kompaniechef des Antragstellers erlassene und "in Teilen" stattgebende Beschwerdebescheid wurde mit Bescheid des Kommandeurs ... aufgehoben.

7 Mit Schreiben vom 18. Mai 2021 teilte das Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller mit, dass dessen Rechtsbehelf angesichts des Beschwerdevorbringens als gegen die Weisung zur "Umsetzung der Maßnahmen zur Modernisierung der militärischen Laufbahnen" des Bundesministeriums der Verteidigung vom 14. Januar 2020 sowie gegen Nr. 201 ZDv A-1340/49 gerichtet erachtet werde. Es wies den Antragsteller ferner darauf hin, dass die Beschwerde im Hinblick auf die dem Bundesministerium der Verteidigung zuzurechnenden Gegenstände des Rechtsbehelfs als Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gewertet werde. Der so verstandene Antrag erweise sich indessen als unzulässig, weil die angefochtenen Maßnahmen nicht an den Antragsteller adressiert seien und auch zu keinem unmittelbaren Eingriff in seine Rechte führten. In Reaktion auf dieses Schreiben bat der Antragsteller um Weiterleitung des Vorgangs und beantragte die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

8 Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einer Stellungnahme vom 28. September 2021 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

9 Der Antragsteller weist darauf hin, dass ein von ihm zwischenzeitlich gestellter Antrag auf Versetzung bzw. Dienstpostenwechsel auf den in seiner Einheit zur Besetzung ausgeschriebenen Korporalsdienstposten "..." abgelehnt worden sei. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement vom 10. Februar 2021 sei das Erfordernis einer gegen ihn ergangenen unmittelbaren Maßnahme als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfüllt. Des Weiteren bekräftige er, dass er in der hiesigen Sache substantiiert geltend gemacht habe, in seinem Recht auf Chancengleichheit verletzt zu sein.

10 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

11 Der Antrag sei unzulässig. Die in der Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 14. Januar 2020 gemachten Vorgaben zur Identifizierung von Korporals- bzw. Stabskorporalsdienstposten stellten keine unmittelbar anfechtbaren Anordnungen gegenüber dem Antragsteller und auch keine unmittelbaren Eingriffe in dessen Rechte dar. Entsprechendes gelte für die Regelungen in Nr. 201 ZDv A-1340/49.

12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

13 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg; er ist bereits unzulässig. Weder liegt eine anfechtbare Maßnahme des Bundesministeriums der Verteidigung vor, noch ist der Antragsteller von den beanstandeten Dokumenten selbst betroffen.

14 1. Der Antragsteller hat den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO). In der Sache wendet er sich sowohl gegen die Weisung zur "Umsetzung der Maßnahmen zur Modernisierung der militärischen Laufbahnen" des Bundesministeriums der Verteidigung vom 14. Januar 2020 als auch gegen Nr. 201 der vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebenen Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1340/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten". Die entsprechende Würdigung des Bundesministeriums der Verteidigung wird vom Senat geteilt. Der Antragsteller ist dieser Wertung, auf die ihn das Bundesministerium der Verteidigung mit Schreiben vom 18. Mai 2021 ausdrücklich hingewiesen hat, nicht entgegen getreten.

15 2. a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte (nur) anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 WB 16.18 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 103 Rn. 12).

16 Überlegungen, Bewertungen, Stellungnahmen oder Zwischenentscheidungen, die lediglich der Vorbereitung von truppendienstlichen Maßnahmen oder Personalmaßnahmen dienen, sind hingegen als Elemente innerdienstlicher Willens- und Meinungsbildung noch keine die Rechte eines Soldaten unmittelbar berührenden Maßnahmen; sie sind infolgedessen einer selbstständigen gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2015 - 1 WB 12.15 - NZWehrr 2015, 257 <258>).

17 Nur in Ausnahmefällen kann eine Verwaltungs- oder Dienstvorschrift Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens sein, wenn sie eine unmittelbar an den einzelnen Soldaten gerichtete Anordnung enthält, die keiner weiteren Konkretisierung durch einen Befehl mehr bedarf. Der Antragsteller muss insoweit die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte oder ihm gegenüber bestehender Pflichten eines Vorgesetzten substantiiert darlegen. Eine vom Einzelfall losgelöste allgemeine Nachprüfung von Anordnungen oder Erlassen auf ihre Rechtmäßigkeit im Sinne eines Normenkontrollverfahrens sieht die Wehrbeschwerdeordnung nicht vor (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 WB 16.18 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 103 Rn. 12).

18 b) Ausgehend von den dargestellten Maßstäben ist der gegen die angegriffenen Dokumente gerichtete Antrag weder statthaft, noch ist der Antragsteller antragsbefugt.

19 aa) Die Weisung zur "Umsetzung der Maßnahmen zur Modernisierung der militärischen Laufbahnen" des Bundesministeriums der Verteidigung vom 14. Januar 2020 wie auch die Vorgaben in Nr. 201 ZDv A-1340/49 stellen keine anfechtbaren truppendienstlichen Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 1 und 3 WBO dar. Den beanstandeten Dokumenten ist keine konkrete, unmittelbar an den Antragsteller gerichtete Anordnung zu entnehmen. Die besagte Weisung enthält vielmehr lediglich planerische bzw. organisatorische Vorstellungen und Überlegungen zur Entwicklung und Umsetzung eines bestimmten, mit der Einführung der neuen Dienstgrade "Korporal" und "Stabskorporal" verbundenen Personalentwicklungsmodells für die leistungsstärksten Mannschaften, an die für bestimmte Organisationsbereiche konkrete Umsetzungsaufträge geknüpft werden. Die in Nr. 201 ZDv A-1340/49 enthaltenen Maßgaben beschreiben allgemeine Voraussetzungen für die Beförderung von Soldatinnen und Soldaten, die in einem konkreten Beförderungsverfahren erst umgesetzt werden müssen.

20 Soweit der Antragsteller meint, mit dem Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement vom 10. Februar 2021, mit dem sein Antrag auf Versetzung bzw. Dienstpostenwechsel auf den in seiner Einheit zur Besetzung ausgeschriebenen Korporalsdienstposten "..." abgelehnt worden ist, sei das Erfordernis einer gegen ihn ergangenen unmittelbaren Maßnahme als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfüllt, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Der Bescheid ist für die rechtliche Beurteilung der angegriffenen Dokumente im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Seine Einordnung als anfechtbare truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 1 und 3 WBO führt nicht zu dem zwingenden Rückschluss, dass es sich auch bei den angegriffenen Dokumenten um entsprechende Maßnahmen handelt, die im vorliegenden Verfahren in zulässiger Weise angefochten werden könnten.

21 bb) Der Antragsteller wird durch die angegriffenen Dokumente auch nicht in eigenen Rechten verletzt. Dass die allgemeinen Maßgaben für die Beförderung von Soldatinnen und Soldaten in Nr. 201 Satz 1 und 2 der ZDv A-1340/49 oder die Weisung zur "Umsetzung der Maßnahmen zur Modernisierung der militärischen Laufbahnen" die Chancengleichheit des Antragstellers zu beeinträchtigen vermögen, lässt sich nicht erkennen. Die angesprochenen allgemeinen Beförderungsmaßgaben gelten ausnahmslos für alle dort jeweils angesprochenen Adressatinnen und Adressaten, d. h. nach Satz 1 für alle Soldatinnen und Soldaten bzw. nach Satz 2 für alle Berufssoldatinnen und Berufssoldaten sowie Soldatinnen auf Zeit und Soldaten auf Zeit. Die Weisung befasst sich allein mit der Frage, wie die Neuausrichtung der Laufbahn der Mannschaften des Truppendienstes durch die Einrichtung der neuen Dienstgrade "Korporal" und "Stabskorporal" als Teil der Personalstrategie der Bundeswehr über eine auf der Grundlage bestimmter Kriterien durchzuführende Identifizierung bestimmter Dienstposten organisatorisch umgesetzt werden kann. Eine konkrete Personalauswahl ist damit noch nicht angesprochen und auch nicht etwa so vorgezeichnet, dass die Chancen des Antragstellers, für einen entsprechenden Dienstposten in Betracht zu kommen, von vornherein beeinträchtigt sein könnten.

22 cc) Der Antragsteller ist rechtlich - auch mit Blick auf die Wahrung seiner Chancengleichheit - ausreichend dadurch geschützt, dass er in einem konkreten Verfahren der Besetzung eines Korporals- oder Stabskorporalsdienstpostens um Rechtsschutz für den Fall nachsucht, dass sein Antrag auf Beförderung abgelehnt oder ein anderer Soldat für die Besetzung des Dienstpostens ausgewählt wird. Von dieser Möglichkeit hat er Gebrauch gemacht. Sein Antrag ist allerdings abgelehnt worden, ohne dass der Antragsteller diese Entscheidung und die dabei aus seiner Sicht aufzuwerfenden Fragestellungen zum Gegenstand einer weiteren Beschwerde gemacht hätte.