Beschluss vom 30.06.2003 -
BVerwG 4 B 35.03ECLI:DE:BVerwG:2003:300603B4B35.03.0

Beschluss

BVerwG 4 B 35.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 13.01.2003 - AZ: OVG 7 A 237/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Der beschließende Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass ihm gegen die Versäumung der Frist für die Begründung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt jedoch erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob Fehlertoleranzen von 2 bzw. 3 cm bei der Ermittlung von Grundstücksgrenzen mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und der Ausgestaltung des verfassungsrechtlich garantierten Eigentums in § 903 BGB, § 2 Abs. 2 und § 3 Abs. 5 GBO vereinbar sind. Nach dem Vermessungspunkterlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 12. Januar 1996 liege die Toleranzgrenze bei 0,04 m. Diese Fehlergrenze finde weder im nordrhein-westfälischen Vermessungs- und Katastergesetz eine Stütze noch sei sie mit dem Grundstücksbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Grundbuchordnung vereinbar. Das Vorbringen lässt keine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts erkennen, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
Die Rüge, das maßgebliche Landesrecht verstoße gegen vorrangiges Bundesrecht, rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur, wenn sie auf eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts führt. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz, die ihrer Entscheidung ausschließlich nicht revisibles Landesrecht zugrunde gelegt hat, kann die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache selbst dann nicht dargelegt werden, wenn der Kläger zur Begründung seiner abweichenden Rechtsauffassung verfassungsrechtliche Erwägungen anführt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht die fehlerfreie Anwendung des Grundgesetzes oder anderer Normen des Bundesrechts durch das Berufungsgericht zu prüfen. Zu entscheiden ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens allein, ob Anlass zu der Annahme besteht, in einer bestimmten - in der Beschwerdeschrift zu bezeichnenden - Frage sei die Auslegung des Grundgesetzes einschließlich der bundesverfassungsrechtlichen Grundsätze durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht ausreichend, um eine zutreffende Umsetzung in dem landesrechtlich geprägten Streitfall zu gewährleisten. Entsprechendes gilt für Rechtsnormen des einfachen Bundesrechts. Ob das Berufungsgericht den verfassungsrechtlichen Grundsätzen im Einzelnen gerecht geworden ist, ist indes keine Frage der weiteren Klärung dieser Grundsätze, sondern deren korrekten Anwendung im Einzelfall. Dies zu überprüfen, ist nicht Aufgabe des Zulassungsverfahrens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 - BVerwG 4 B 266.94 - NVwZ 1995, 601). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht erhoben, so ist näher darzulegen, inwiefern die gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführte bundesrechtliche Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1997 - BVerwG 6 B 42.97 - Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 8).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie setzt sich insbesondere nicht mit der Auffassung der Vorinstanz auseinander, jede Abmarkung könne nur innerhalb der nicht zu vermeidenden Messungenauigkeiten erfolgen. Im Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. November 2001 (UA S. 6 f.), dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht zu Eigen macht, heißt es u.a., auf eine millimetergenaue Messung, wie sie der Kläger fordere, habe dieser keinen Anspruch. Eine derartige Genauigkeitsforderung sei angesichts der historischen Entwicklung des Katasterzahlenwerks mit Vermessungen aus unterschiedlichen Epochen mit Messmethoden unterschiedlicher Genauigkeit unmöglich zu erfüllen. Die Beschwerde formuliert vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund weder ausdrücklich noch sinngemäß eine Rechtsfrage zur Auslegung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder anderer Normen des einfachen Bundesrechts, die im Hinblick auf nicht vermeidbare Ungenauigkeiten bei der Einmessung von Grundstücksgrenzen einer rechtsgrundsätzlichen Klärung durch das Revisionsgericht bedürfen.
2. Die Beschwerde rügt ferner, das Berufungsgericht habe den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt, weil es "sich bei der Würdigung der Entstehung des Grenzpunktes 4589 (E) auf die wertenden Ermittlungen des Sachverständigen G. gestützt (habe), ohne die Aussagen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Vermessungs- und Katastergesetz des Landes NRW zu prüfen". Das Berufungsgericht habe verkannt, dass ein Rechenprogramm für die festgestellten Grenzmaße und Grenzpunkte bzw. festgestellten Messungslinien nicht einsetzbar sei. Der erneute Aufbau der Vermessungslinien durch ein Rechenprogramm sei weder veranlasst noch notwendig gewesen, alle Maße und Koordinaten seien in den Fortführungsrissen fest vorgegeben worden und hätten aus diesen übernommen werden müssen.
Diese Verfahrensrüge genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ("Überzeugungsgrundsatz") im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO betrifft die Feststellung aller für die Entscheidung des Gerichts erheblichen Tatsachen und deren "freie Würdigung". Es geht hier also um die ausreichende Erforschung und Würdigung der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen wie etwa des Akteninhalts, des Vortrags der Beteiligten, eingeholter Auskünfte oder gerichtskundiger Tatsachen. Der Kläger macht mit seiner Verfahrensrüge hingegen keinen Fehler bei der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung geltend, sondern rügt unter Hinweis auf § 17 Abs. 1 Satz 1 VermKatG NW die fehlerhafte Auslegung und Anwendung einer landesrechtlichen Vorschrift für die Ermittlung von Grundstücksgrenzen. Das Beschwerdevorbringen zielt in der äußeren Form einer Verfahrensrüge auf eine inhaltliche Kritik der vorinstanzlichen Rechtsanwendung, die nach der mit der Beschwerde ausführlich begründeten Ansicht des Klägers unrichtig ist. Eine derartige Rüge vermag die Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung nicht darzulegen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.