Beschluss vom 30.06.2021 -
BVerwG 1 B 33.21ECLI:DE:BVerwG:2021:300621B1B33.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.06.2021 - 1 B 33.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:300621B1B33.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 33.21

  • VG Greifswald - 03.07.2017 - AZ: VG 4 A 63/16 As HGW
  • OVG Greifswald - 19.03.2021 - AZ: OVG 4 LB 501/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. März 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die allein erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, weil es den Kläger vor dem Ergehen seiner Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO nicht in hinreichender Weise zu der beabsichtigten Verfahrensweise angehört habe, greift offensichtlich nicht durch.

3 Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO sind die Beteiligten vorher zu hören. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Anhörungsmitteilung unmissverständlich erkennen lassen, wie das Berufungsgericht zu entscheiden beabsichtigt (BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 1 B 140.03 - juris Rn. 2). Das gilt sowohl hinsichtlich der Verfahrensweise - ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss - als auch hinsichtlich der beabsichtigten Sachentscheidung - Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung; zu beiden Punkten muss den Beteiligten Gehör gewährt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. September 2007 - 3 B 33.07 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 75 = juris Rn. 4; Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 <73 f.>).

4 Diesen Anforderungen hat das Berufungsgericht mit seiner Anhörungsmitteilung vom 1. Februar 2021 entgegen der Auffassung des Klägers genügt. Das Gericht hat auf seine Absicht hingewiesen, über die Berufung gemäß § 130a VwGO durch Beschluss zu entscheiden, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Nach summarischen Ausführungen zur (voraussichtlichen) Unbegründetheit der Berufung hat das Berufungsgericht abschließend "Gelegenheit gegeben, binnen eines Monats [...] Stellung zu nehmen."

5 Diese Anhörungsmitteilung ließ unmissverständlich erkennen, wie das Gericht in der Sache zu entscheiden beabsichtigte, und wies auch auf die beabsichtigte Verfahrensweise, nämlich die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, hin. Der Kläger hatte im Anschluss hinreichend Zeit und Gelegenheit, zu beiden Aspekten Stellung zu nehmen, zumal das Berufungsgericht seine Entscheidung unter Respektierung des rechtlichen Gehörs auch erst nach Ablauf der in dem Anhörungsschreiben gewährten Monatsfrist zur abschließenden Stellungnahme getroffen hat.

6 Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann der Kläger insbesondere auch nicht daraus herleiten, dass sich die am Ende der Anhörungsmitteilung abschließend gegebene Gelegenheit zur Stellungnahme nach ihrem Kontext - wie er meint - nur auf den Inhalt der angekündigten Entscheidung und nicht auf die beabsichtigte Verfahrensweise beziehe. Aus der Sicht eines verständigen, notwendig rechtskundig vertretenen Beteiligten kann schon kein Zweifel daran bestehen, dass auf eine so formulierte Anhörungsmitteilung hin Gelegenheit besteht, auch Einwände gegen die beabsichtigte Verfahrensweise vorzubringen. Selbst wenn solche Zweifel aber tatsächlich gerechtfertigt wären, muss ein anwaltlich vertretener Beteiligter zur Wahrung seiner Rechte ein tatsächlich eröffnetes Zeitfenster zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Verfahrensweise nutzen und darf es nicht von vornherein dabei bewenden lassen, nach Ergehen der Entscheidung eine Gehörsverletzung zu rügen. Denn eine Gehörsrüge kann nur erfolgreich sein, wenn der Betroffene alle ihm prozessual gegebenen Möglichkeiten ergriffen hat, sich Gehör zu verschaffen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 31. August 1988 - 4 B 153.88 - Buchholz 303 § 295 ZPO Nr. 8 = juris Rn. 10). Dass der Kläger diesen Anforderungen genügt hätte, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.