Beschluss vom 30.07.2014 -
BVerwG 5 B 25.14ECLI:DE:BVerwG:2014:300714B5B25.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.07.2014 - 5 B 25.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:300714B5B25.14.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 25.14

  • VG Dresden - 12.03.2014 - AZ: VG 6 K 1063/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 12. März 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Sie ist weder wegen Divergenz (a) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (b) oder wegen eines Verfahrensfehlers (c) zuzulassen.

2 a) Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist, der in der Rechtsprechung eines der in dieser Bestimmung bezeichneten Gerichte aufgestellt worden ist. Die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

3 Das Verwaltungsgericht ist nicht von in den Kammerbeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 20. September 2012 (- 1 BvR 1633/09 -) und vom 7. Juni 2011 (- 1 BvR 194/11 -) sowie in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. September 2009 (- 1 BvQ 39/09 u.a. -) aufgestellten und in der Beschwerdebegründung zitierten Rechtssätzen abgewichen. Die angefochtene Entscheidung enthält keine davon divergierenden Rechtssätze.

4 Die angebliche Abweichung von dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Dezember 1981(- C-197/80, Ludwigshafener Walzmühle Erling KG u.a. ./. Rat und Kommission -) vermag die Zulassung der Revision schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil der Gerichtshof in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufgeführt wird. Für eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ist insoweit kein Raum (Beschluss vom 26. Januar 2010 - BVerwG 9 B 40.09 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 2).

5 Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerde auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23. Oktober 2008 (- VII ZR 64/07 -) abstellt.

6 b) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 13 <S. 14>). Daran fehlt es hier. Die Beschwerdeführer formulieren keine Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung. Mit der stattdessen vorgetragenen Behauptung, das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, wird eine rechtsgrundsätzliche Frage nicht aufgezeigt. Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde ausführt, „das Verfahren ist auch von besonderer Bedeutung, ..., da es sich um Verstösse gegen den Kernbereich des Grundgesetzes, des Anspruchs auf ein faires Verfahren, aber auch der EMRK handelt“.

7 c) Gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein Verfahrensmangel ist nur dann ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14). Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg.

8 aa) Ohne Erfolg rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO).

9 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und die wesentlichen Gründe für ihre Entscheidung anzugeben (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Gerichte brauchen sich nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Juli 2003 - 2 BvR 624/01 - NVwZ-RR 2004, 3; BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 B 51.09 - juris Rn. 22). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

10 Mit der Rüge „des Verwertungsverbotes der Altakte wegen unzulässigen Drucks auf die ‚Zeugen‘“ hat sich das Verwaltungsgericht insoweit auseinandergesetzt, als es in Erwägung gezogen hat, dass näher bezeichnete Aussagen aus der Zeit nach dem Ende des Krieges stammten und möglicherweise von der Zielsetzung der Enteignung beeinflusst sein könnten. Entgegen der Annahme der Kläger seien die Aussagen jedoch nicht als gänzlich unbeachtlich zu bewerten, da sie so viele Einzelheiten in den Schilderungen enthielten, dass davon ausgegangen werde, dass ihnen tatsächliche Sachverhalte zugrunde gelegen hätten (UA S. 7). Durchgreifende Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Informationen aus den Altakten ergäben sich auch nicht aus den als Anlagen 2 und 3b zum Schriftsatz vom 7. September 2012 eingereichten Unterlagen (UA S. 8)

11 Auf die auf die Verwertung von Zeugenaussagen gerichtete Rüge „der ungeklärten Umstände ihres Entstehens“ führt das Verwaltungsgericht aus, die von den Klägern vorgebrachten Einwände, es sei nicht erkennbar, aus welchen Akten die Aussagen stammten, träfen zu, vermöchten diese aber nicht vollständig zu entwerten. Es erscheine nicht einleuchtend, dass zur Begründung von Enteignungsbestrebungen Sachverhalte in diesen Abschriften ohne Bezug zur Realität in dieser konkreten Form geschildert würden (UA S. 8). Mithin hat die Vorinstanz den in Rede stehenden Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

12 Zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat das Verwaltungsgericht auch die Rügen „der Verweigerung des rechtlichen Gehörs gegenüber dem damals angeblich beschuldigten Firmeninhaber und Komplementär“, „des überlangen 22jährigen Verfahrens“ und „ der von der Behörde zu Lasten der Kläger verschuldeten Vereitelung des Entlastungsbeweises“ sowie den Vortrag, die Landesbehörde habe Beweise dadurch vereitelt, dass es die Beschwerdeführer entgegen ihrer schriftlichen Zusage nicht an dem Ermittlungsverfahren beteiligt hat. Es hat diese sämtlich im Zusammenhang mit der Dauer des Verfahrens stehenden Beanstandungen im Tatbestand des angegriffenen Urteils in dem Satz „Im Übrigen sei ihnen durch die lange Verfahrensdauer jede Möglichkeit eines Gegenbeweises genommen worden“ zusammenfassend wiedergegeben (UA S. 3). Durch seine Annahme in den Urteilsgründen, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass vorhandene Unterlagen wegen der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit überhaupt nicht gewichtet werden können (UA S. 8), hat es zudem zum Ausdruck gebracht, dass es die lange Dauer des behördlichen Verfahrens nicht als einen Umstand ansieht, der die Annahme eines Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 1 Abs. 4 AusglLeistG hindere.

13 Der Sache nach erschöpft sich das Beschwerdevorbringen insoweit in einer Kritik der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht im Einzelfall. Damit kann die Annahme eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht gerechtfertigt werden (vgl. Beschluss vom 23. Dezember 2011 - BVerwG 5 B 24.11 - ZOV 2012, 98 m.w.N.). Ein Verfahrensfehler kann aber ausnahmsweise insbesondere dann gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 12. März 2014 - BVerwG 5 B 48.13 - juris Rn. 22 m.w.N.). Derartige Verstöße zeigt die Beschwerde nicht auf.

14 bb) Soweit die Beschwerde eine Verletzung der „Grundsätze der fairen Ermittlung“ rügt, macht sie keinen Mangel des gerichtlichen Verfahrens, sondern Mängel des Verwaltungsverfahrens geltend. Solche können mit der Nichtzulassungsbeschwerde nur geltend gemacht werden, wenn sie sich unmittelbar auf das Gerichtsverfahren ausgewirkt haben und damit auch diesem zu eigen sind (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 27. Juni 1994 - BVerwG 6 B 17.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 3 S. 2 und vom 4. April 2012 - BVerwG 5 B 61.11 - juris Rn. 12). Dass dies hier der Fall sei, wird von der Beschwerde nicht dargetan.

15 cc) Das Vorbringen, „ein Verfahrensverstoß [liegt] vor wegen der Behandlung von Urkundsbeweis als Zeugenaussage; so z.B. ausdrücklich im Urteil auf S. 8 Zeile 6 von unten“, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Dessen ungeachtet lässt die bloße Verwendung des Begriffs „Zeugen“ keinen Rückschluss darauf zu, das Verwaltungsgericht habe die in den Akten aufgefundenen Aussagen nicht urkunden-, sondern zeugenbeweislich gewürdigt. Dem widerstreitet bereits der Umstand, dass es eingangs seiner Würdigung ausdrücklich auf „historische Hinweise in den Altakten“ Bezug nimmt (UA S. 7).

16 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

17 3. Die Kostenentscheidung gründet auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.