Beschluss vom 31.01.2022 -
BVerwG 4 BN 25.21ECLI:DE:BVerwG:2022:310122B4BN25.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.01.2022 - 4 BN 25.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:310122B4BN25.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 25.21

  • OVG Berlin-Brandenburg - 16.04.2021 - AZ: OVG 2 A 7.18

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Januar 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. April 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

4 Die Beschwerde will rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
ob ein Hinweis gemäß § 215 Abs. 2 BauGB schon bzw. auch dann irreführend und geeignet ist, einen rechtserheblichen Irrtum im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hervorzurufen, wenn er konkret bzw. aktiv die Pflicht des Betroffenen zur Rüge als Voraussetzung für die Überprüfung des Bebauungsplans hervorhebt, dadurch aber (möglicherweise) ein Irrtum des Betroffenen über den Erfolg bzw. Misserfolg eines Normenkontrollverfahrens oder eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für den Fall einer unterlassenen eigenen Rüge ausgelöst werden könnte.

5 Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Anforderungen an den Hinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen sind in der Rechtsprechung geklärt. Eine derartige Belehrung darf keinen irreführenden Zusatz haben und darf insbesondere nicht geeignet sein, einen Betroffenen vom rechtzeitigen Geltendmachen von Mängeln abzuhalten. Ein Hinweis, der geeignet ist, beim Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und ihn davon abzuhalten, gegenüber der Gemeinde einen die Verletzung der in § 215 Abs. 1 BauGB genannten Vorschriften begründenden Sachverhalt geltend zu machen, löst die Unbeachtlichkeit nicht aus (BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2012 - 4 CN 5.10 - BVerwGE 143, 192 Rn. 15 m.w.N. sowie vom 22. September 2010 - 4 CN 2.10 - BVerwGE 138, 12 Rn. 15).

6 Die Beschwerde sieht weiteren Klärungsbedarf in Bezug auf die Frage, ob die konkret in Rede stehende Formulierung des Antragsgegners geeignet ist, einen Adressaten über die verwaltungsprozessualen Folgen einer erhobenen oder unterlassenen Rüge irrezuführen und ihn dadurch von der Erhebung einer Rüge abzuhalten. Das ist keine klärungsfähige Frage revisiblen Rechts, sondern betrifft die Tatsachenwürdigung und -bewertung, an die das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO mangels entsprechender Verfahrensrügen gebunden ist.

7 Der Umstand, dass der Antragsgegner die Formulierung häufiger verwendet hat und sie daher in einer Vielzahl von Fällen relevant werden mag, ändert daran nichts. Tatsachenfragen können die Revisionszulassung auch dann nicht rechtfertigen, wenn ihre Klärung in einer Vielzahl von Verfahren von Bedeutung wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. August 2021 - 1 B 41.21 - juris Rn. 3).

8 2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

9 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, gleichermaßen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Eine solche Abweichung zeigt die Beschwerde nicht auf.

10 Der Antragsgegner macht geltend, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts weiche von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2010 - 4 CN 4.09 - (BVerwGE 138, 84) und vom 14. Juni 2012 - 4 CN 5.10 - (BVerwGE 143, 192) ab. Die Beschwerde entnimmt den Urteilen die Aussage, dass es nicht Aufgabe einer Belehrung im Sinne von § 215 Abs. 2 BauGB ist, den Betroffenen bereits im Einzelnen darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen ein späterer Normenkontrollantrag zulässig oder unzulässig sein könnte bzw. welche Rechtsfolgen eine unterlassene Rüge in jeder prozessualen Hinsicht hat (BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 4 CN 4.09 - a.a.O. Rn. 16 und vom 14. Juni 2012 - 4 CN 5.10 - a.a.O. Rn. 16).

11 Das Oberverwaltungsgericht ist unter wörtlicher Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 215 Abs. 2 BauGB und unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2012 davon ausgegangen, dass die von dem Antragsgegner verwendete Formulierung Interpretationsmöglichkeiten eröffne, die Personen von der Erhebung von Rügen abhalten könnten (UA S. 13 f.). Dass die Beschwerde die Rechtsanwendung und Tatsachenwürdigung des Oberverwaltungsgerichts für fehlerhaft hält, führt aber nicht auf eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.