Verfahrensinformation

Die zu der Personalserviceagentur „Vivento“ versetzten Beamten der ehemaligen Deutschen Bundespost erhalten infolge einer gesetzlichen Änderung seit 2004 nicht mehr eine Sonderzahlung („Weihnachtsgeld“) nach dem für alle Bundesbeamten geltenden Sonderzahlungsgesetz. Stattdessen erhalten sie auf der Grundlage einer 2005 erlassenen Verordnung, die nur für Beamte der Telekom gilt, eine jährliche Sonderzahlung, deren Höhe im Falle des Klägers hinter der der „normalen“ Zahlung zurückbleibt. Das Bundesverwaltungsgericht wird zu prüfen haben, ob diese Sonderreglung mit höherrangigem Recht in Einklang steht.


Pressemitteilung Nr. 85/2008 vom 11.12.2008

Streichung des Weihnachtsgeldes für Telekom-Beamte verfassungswidrig

Die bei der Deutschen Telekom AG als Bundesbeamte beschäftigten Kläger erhalten als Folge einer 2004 in Kraft getretenen Gesetzesänderung nicht mehr das sog. Weihnachtsgeld, das anderen Beamten des Bundes zusteht. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hält diese Regelung für unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.


Zwar darf das zur Besoldung gehörende Weihnachtsgeld für alle Bundesbeamten abgesenkt oder auch ganz abgeschafft werden, solange ihre amtsangemessene Alimentation dadurch insgesamt nicht gefährdet wird. Es ist aber unzulässig, einzelne Gruppen von Bundesbeamten ohne hinreichenden sachlichen Grund vom Weihnachtsgeld auszuschließen. Dass die Deutsche Telekom AG als privatwirtschaftliche Gesellschaft im Wettbewerb steht und bestrebt ist, alle bei ihr beschäftigten Mitarbeiter nach einheitlichen Grundsätzen zu entlohnen, ist kein ausreichender Grund dafür, die Besoldung der von der ehemaligen Deutschen Bundespost übernommenen Beamten einzuschränken.


Ob der Wegfall des Weihnachtsgeldes für Beamte der Deutschen Telekom durch andere Sonderzahlungen ausgeglichen werden kann, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht feststellen können, weil es die dazu ergangenen Rechtsverordnungen mangels ausreichender Rechtsgrundlage für unwirksam hält.


Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die maßgeblichen Vorschriften des Postpersonalrechtsgesetzes zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorgelegt.


BVerwG 2 C 121.07 - Beschluss vom 11.12.2008


Beschluss vom 31.03.2011 -
BVerwG 2 C 121.07ECLI:DE:BVerwG:2011:310311B2C121.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 31.03.2011 - 2 C 121.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:310311B2C121.07.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 121.07

  • OVG des Saarlandes - 05.09.2007 - AZ: OVG 1 R 35/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. März 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und Dr. Eppelt sowie
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß
beschlossen:

  1. Der Beschluss vom 11. Dezember 2008 wird geändert.
  2. Satz 2 des Tenors erhält folgende Fassung:
  3. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 10 Abs. 1 PostPersRG in der Fassung des Art. 1 Nr. 5 Buchst. a des Ersten Gesetzes zur Änderung des Postpersonalrechtsgesetzes vom 9. November 2004 (BGBl I S. 2774) mit Art. 3 Abs. 1, Art. 143b Abs. 3 Satz 1 und 3 GG unvereinbar und nichtig ist.

Gründe

1 Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Anspruch der Kläger auf Gewährung einer Sonderzahlung nach dem Bundessonderzahlungsgesetz (BSZG) für das Jahr 2004 durch § 10 Abs. 1 PostPersRG ohne Verletzung von Verfassungsrecht ausgeschlossen wurde.

2 1. Von der Antwort auf diese Frage hängt der Erfolg der mit den Revisionen verfolgten Klagen ab, mit denen die Kläger für das Jahr 2004 den Unterschiedsbetrag zwischen dem Auszahlungsbetrag nach § 2 BSZG und dem Auszahlungsbetrag nach der aufgrund des § 10 Abs. 2 PostPersRG erlassenen Telekom-Sonderzahlungsverordnung geltend machen.

3 a) Ist § 10 Abs. 1 PostPersRG verfassungswidrig, ist auf die Ansprüche der Kläger für das Jahr 2004 das Bundessonderzahlungsgesetz anwendbar. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BSZG haben die Kläger, die am 1. Dezember 2003 zum Kreis der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BSZG berechtigten Personen gehörten, Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 5 % der ihnen für 2004 zustehenden Bezüge. Zu den Bezügen gehören insbesondere das Grundgehalt, der Familienzuschlag und verschiedene Zulagen (§ 2 Abs. 2 BSZG). Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts beläuft sich dieser Betrag beim Kläger zu 1 (Besoldungsgruppe A 13) auf 2 456,88 €, beim Kläger zu 2 (Besoldungsgruppe A 11) auf 1 988,30 € und beim Kläger zu 3 (Besoldungsgruppe A 8) auf 1 552,85 €.

4 b) Ist § 10 Abs. 1 PostPersRG verfassungsgemäß, stehen den Klägern für das Jahr 2004 anstelle von Ansprüchen nach dem Bundessonderzahlungsgesetz Sonderzahlungen nach §§ 2 ff. TelekomSZV vom 12. Juli 2005 (BGBl I S. 2148) zu. Diese im Jahr 2005 erfüllten Ansprüche betragen nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für den Kläger zu 1 insgesamt 1 224,20 €, für den Kläger zu 2 insgesamt 1 554,04 € und für den Kläger zu 3 insgesamt 1 307,27 €.

5 c) Bei Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 PostPersRG wäre den Revisionen der Kläger stattzugeben mit der Folge, dass ihnen Nachzahlungen in Höhe von 1 232,68 € (Kläger zu 1), 434,26 € (Kläger zu 2) und 245,58 € (Kläger zu 3) gewährt werden müssten. Bei Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 PostPersRG wären die Revisionen zurückzuweisen mit der Folge, dass die Kläger sich mit den deutlich geringeren Sonderzahlungsbeträgen nach der Telekom-Sonderzahlungsverordnung zu bescheiden hätten.

6 d) Angesichts der festgestellten Differenzbeträge zwischen den Ansprüchen nach dem Bundessonderzahlungsgesetz und der Telekom-Sonderzahlungsverordnung kommt es für die Entscheidung über die Revisionen nicht darauf an, ob § 10 Abs. 2 PostPersRG als Ermächtigungsgrundlage für die Telekom-Sonderzahlungsverordnung verfassungswidrig ist; darum schränkt der Senat den Vorlagebeschluss entsprechend ein. Ebenso wenig hängt die Entscheidung des Senats davon ab, ob die Regelungen der Telekom-Sonderzahlungsverordnung bei Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 2 PostPersRG übergangsweise weitergelten; denn auch wenn von einer Fortgeltung der Telekom-Sonderzahlungsverordnung ausgegangen wird, bleiben die den Klägern zustehenden Sonderzahlungsbeträge hinter den Ansprüchen, die ihnen bei Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 PostPersRG nach dem Bundessonderzahlungsgesetz zuständen, deutlich zurück. Schon mangels Entscheidungserheblichkeit hält der Senat auch an seiner im Vorlagebeschluss vom 11. Dezember 2008 vertretenen Auffassung zur „Sperrwirkung“ des § 2 Abs. 1 Satz 2 BSZG i.d.F. von Art. 1 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 29. Juni 2006 (BGBl I S. 1402) nicht fest.

7 2. An seiner im Vorlagebeschluss vom 11. Dezember 2008 (- BVerwG 2 C 121.07 - BVerwGE 132, 299) dargelegten Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 PostPersRG hält der Senat fest. Ergänzend bemerkt er:

8 Nach der den Vorlagebeschluss tragenden Rechtsauffassung des Senats wird durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 5 und Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet, dass der Dienstherr Beamte mit gleichen oder gleichwertigen Statusämtern in gleicher Höhe zu alimentieren hat.

9 Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten die Mittel für einen Lebensunterhalt zur Verfügung zu stellen, der aufgrund ihres Dienstranges, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und der Bedeutung des Berufsbeamtentums angemessen ist. Bei der Festlegung, welche Besoldungshöhe und damit welcher „Lebenszuschnitt“ für die Beamten eines bestimmten Statusamtes angemessen ist, eröffnet Art. 33 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Die in Ausfüllung dieses Gestaltungsspielraumes ergangene Entscheidung beansprucht Geltung für alle Beamten eines Dienstherrn, deren Ämter der gleichen Besoldungsgruppe zugeordnet sind. Hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentierung durch die besoldungsrechtlichen Bestimmungen ausgeübt, muss er alle Beamten, die dasselbe Statusamt bekleiden und derselben Besoldungsgruppe angehören, auf dem damit als amtsangemessen bestimmten Niveau gleich besolden (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 33).

10 Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Rechtsstellung der Bundesbeamten bei Telekom, Post und Postbank zu wahren. Der Senat versteht unter dem Begriff der „Wahrung der Rechtsstellung“ i.S.d. Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG die umfassende Rechts- und Pflichtengleichheit im Status-, Besoldungs- und Versorgungsrecht. Der Grundsatz gleicher Alimentation aller Bundesbeamten gilt daher auch umfassend für die bei den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost beschäftigten Beamten (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 40 f.). Er eröffnet dem Besoldungsgesetzgeber keinen weiteren Gestaltungsspielraum, die Besoldungshöhe der dort beschäftigten Beamten in geringerer Höhe als für die übrigen Bundesbeamten festzulegen, und verbietet eine Abkoppelung dieser Beamten vom Alimentationsniveau der sonstigen Bundesbeamten.

11 Hiernach kommt es nicht darauf an, ob das Besoldungsniveau der in den durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Vergleich einzubeziehenden Gruppen von Bundesbeamten bei durchschnittlicher Betrachtungsweise annähernd gleich ist und bis zu welchem Grad der Wegfall der Ansprüche nach dem Bundessonderzahlungsgesetz durch die Ansprüche nach der Telekom-Sonderzahlungsverordnung kompensiert wird. Der Senat stellt klar, dass nach seiner Auffassung wegen Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG das Alimentationsniveau der bei der Deutschen Telekom beschäftigten Bundesbeamten dem der übrigen Bundesbeamten nur dann entspricht (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 54), wenn ein Vergleich der Besoldungshöhen auch im Einzelfall höchstens Abweichungen ergibt, die die Bagatellgrenze nicht überschreiten. Eine Kompensation des Wegfalles der Sonderzahlung nach dem Bundessonderzahlungsgesetz durch das Bestehen von Ansprüchen nach der Telekom-Sonderzahlungsverordnung (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 55) beseitigt hiernach nur dann eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn sie zu identischen oder sich nur im Bagatellbereich unterscheidenden Besoldungshöhen der zu vergleichenden Beamtengruppen führt. Dies ist hier nicht der Fall, wobei eine Betrachtung der Ansprüche der Kläger der Ausgangsverfahren Rückschlüsse auf typische Auswirkungen von § 10 Abs. 1 PostPersRG erlaubt.

12 Die Ungleichbehandlung der Bundesbeamten, die wie die Kläger bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt werden und von dieser der Personalserviceagentur Vivento zugewiesen sind (vgl. hierzu Urteil vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 26.05  - BVerwGE 126, 182), gegenüber den übrigen Bundesbeamten im Hinblick auf die Sonderzahlung für das Jahr 2004 ist schwerwiegend. Die vom Oberverwaltungsgericht für die Kläger festgestellten Differenzbeträge zwischen der Sonderzahlung 2004 nach dem Bundessonderzahlungsgesetz und den Beträgen, die ihnen in Anwendung der Telekom-Sonderzahlungsverordnung gezahlt wurden, überschreiten die Bagatellgrenze deutlich und sind deshalb auch bei einer Orientierung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erheblich. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt eine Ungleichbehandlung bei Versorgungsbezügen oberhalb der Bagatellschwelle, wenn die Differenz der monatlichen Bezüge „im deutlich zweistelligen Bereich“ liegt (Beschluss vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 34.09  - juris Rn. 36 <zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>). Umgerechnet auf einen Monatsbetrag liegt bei den Klägern selbst der geringste Differenzbetrag, nämlich derjenige bei dem der Besoldungsgruppe A 8 angehörenden Kläger zu 3 mit 20,47 € oberhalb dieser Schwelle; bei den Klägern zu 1 und 2 belaufen sich die auf Monatsbeträge umgerechneten Differenzbeträge auf 102,72 € (Besoldungsgruppe A 13) und auf 36,19 € (Besoldungsgruppe A 11). Stellt man die Sonderzahlungsbeträge für 2004 nach dem Bundessonderzahlungsgesetz einerseits und der Telekom-Sonderzahlungsverordnung andererseits in ein prozentuales Verhältnis, ergeben sich Minderbeträge von 50,17 % beim Kläger zu 1, von 21,84 % beim Kläger zu 2 und von 15,82 % beim Kläger zu 3.

13 Die Benachteiligung der Kläger dieses Revisionsverfahrens beruht nicht auf atypischen Gründen. Die Repräsentativität der Fälle der Kläger als bei der Personalserviceagentur Vivento der Deutschen Telekom AG beschäftigter Beamter wird schon daraus deutlich, dass sie unterschiedlichen Besoldungsgruppen angehören und die Bandbreite der Differenzen in Bezug zu der jeweiligen Besoldungsgruppe steht; das erlaubt entsprechende Schlussfolgerungen für Beamte anderer Besoldungsgruppen. Auch unter Berücksichtigung der Sonderregelung des § 5 TelekomSZV ist die Schlechterstellung der bei der Personalserviceagentur Vivento beschäftigten Beamten gegenüber anderen Bundesbeamten erheblich. Nach der Rechtsauffassung des Senats wird die Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 PostPersRG schon durch jede einzelne Abweichung vom Alimentationsniveau der übrigen Bundesbeamten mit gleichem oder gleichwertigem Statusamt begründet.