Beschluss vom 31.03.2025 -
BVerwG 7 C 1.24ECLI:DE:BVerwG:2025:310325B7C1.24.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 31.03.2025 - 7 C 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:310325B7C1.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 C 1.24
- OVG Berlin-Brandenburg - 30.11.2023 - AZ: 11 A 1/23
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. März 2025
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Gründe
1 Der Senat setzt das Verfahren auf Anregung des Klägers und nach Gelegenheit zur Stellungnahme der Beklagten in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren - 1 BvR 2098/24 - aus.
2 Der Kläger, eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt von der Bundesregierung den Beschluss eines Sofortprogramms gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 i. V. m. Abs. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG a. F.) i. d. F. vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2513), das Maßnahmen enthält, die die Einhaltung der Jahresemissionsmengen der Sektoren Gebäude und Verkehr gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 KSG i. V. m. Anlage 2, Zeile 3 und 4 zum KSG i. d. F. vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3905) für die Jahre 2024 bis 2030 sicherstellen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 30. November 2023 - 11 A 1/23 - der Klage aufgrund des zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechts stattgegeben.
3 Nach § 8 Abs. 1 KSG a. F. war bei Überschreitung der Jahresemissionsschutzmengen für einen Sektor in einem Berichtsjahr das nach § 4 Abs. 4 KSG a. F. zuständige Ministerium verpflichtet, der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage der Bewertung der Emissionsdaten durch den Expertenrat ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vorzulegen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt. Anschließend hatte die Bundesregierung gemäß § 8 Abs. 2 KSG a. F. über die zu ergreifenden Maßnahmen im betroffenen Sektor oder in anderen Sektoren oder über sektorübergreifende Maßnahmen zu beraten und diese schnellstmöglich zu beschließen.
4 Am 17. Juli 2024 ist das Zweite Änderungsgesetz zum Bundes-Klimaschutzgesetz (BGBl. I Nr. 235) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz wurden sektorübergreifende Jahresemissionsgesamtmengen eingeführt sowie das Instrument des Sofortprogramms im Sinne des § 8 KSG a. F. als sektorspezifischer Nachsteuerungsmechanismus bei Zielverfehlungen durch einen neuen Nachsteuerungsmechanismus ersetzt. Hiergegen hat - unter anderem - der Kläger die oben genannte Verfassungsbeschwerde erhoben, im Wesentlichen mit dem Ziel, dass das Bundesverfassungsgericht die geänderten Bestimmungen für nichtig erklärt.
5 Die Wirksamkeit der einschlägigen Regelungen des geänderten Bundes-Klimaschutzgesetzes ist für das anhängige Revisionsverfahren entscheidungserheblich. Das Revisionsgericht hat Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, in gleichem Umfang zu berücksichtigen wie die Vorinstanz, wenn sie jetzt entschiede (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2022 - 4 C 5.21 - Buchholz 406.11 § 13a BauGB Nr. 7 Rn. 14 m. w. N.). Mit den Änderungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes wurde einem möglichen Anspruch des Klägers auf Beschluss eines Sofortprogramms die Rechtsgrundlage entzogen, so dass die Klage auf die Revision der Beklagten nach derzeit geltendem Recht abzuweisen wäre.
6 Damit ist zwar nicht die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses vorgreiflich. § 94 VwGO ist aber auf Konstellationen entsprechend anwendbar, in denen das Ergebnis eines Verfahrens von der Gültigkeit einer Rechtsvorschrift abhängt, die im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde Prüfungsgegenstand ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2022 - 4 C 7.20 - juris Rn. 4 zum Normenkontrollverfahren m. w. N.).
7 Der Senat hält es daher für sachgerecht, den Rechtsstreit auszusetzen, bis über die Verfassungsbeschwerde gegen die hier maßgeblichen neuen Regelungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes entschieden ist.