Verfahrensinformation



Die Kläger sind Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Auf ihre Felder brachten sie Rapssaatgut auf, das der Erzeuger zuvor in zertifizierten Laboren auf zufälligen Besatz mit gentechnisch veränderten Organismen hatte untersuchen lassen; in den Proben waren keine entsprechenden Verunreinigungen nachgewiesen worden. Nachdem später in einer weiteren Untersuchung einer Probe der Rapssorte geringe Spuren gentechnisch veränderter Rapssamen festgestellt worden waren, untersagte die zuständige Behörde den Klägern den weiteren Anbau oder das Inverkehrbringen des Saatguts und ordnete die Vernichtung des bereits ausgesäten Saatguts an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kläger mit der Aussaat gentechnisch veränderte Organismen im Sinne des Gentechnikgesetzes ohne erforderliche Genehmigung freigesetzt hätten, so dass die getroffene Anordnung unabhängig davon erforderlich und angemessen sei, dass der landwirtschaftliche Betrieb der Kläger von den gentechnischen Verunreinigungen des Saatgutes keine Kenntnis gehabt habe. Nachdem die Kläger der sofort vollziehbaren Anordnung nachgekommen waren, hat das Verwaltungsgericht die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof der Klage stattgegeben und die Rechtswidrigkeit der Anordnung festgestellt. Es sei zwar davon auszugehen, dass das von den Klägern erworbene und ausgesäte Rapssaatgut gentechnisch veränderte Organismen enthalten habe. Die Aussaat dieses Samens in Unkenntnis der Verunreinigung sei aber kein „gezieltes" Ausbringen und stelle folglich keine nach dem Gentechnikgesetz genehmigungspflichtige Freisetzung dar. Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


Pressemitteilung Nr. 18/2012 vom 29.02.2012

Landwirt muss gentechnisch veränderte Pflanzen auch bei Unkenntnis der Verunreinigung des Saatguts vernichten

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auch dann zu beenden ist, wenn dem Landwirt bei der Aussaat die Verunreinigung des Saatguts nicht bekannt war.


Die klagenden Landwirte brachten auf ihre Felder Raps aus. Eine vom Erzeuger veranlasste Untersuchung des Saatguts ergab keine Verunreinigung mit gentechnisch veränderten Organismen. Nachdem später bei einer amtlichen Analyse einer weiteren Probe geringe Spuren gentechnisch veränderter Rapssamen festgestellt worden waren, untersagte die zuständige Behörde den Klägern die Aussaat und das Inverkehrbringen des Saatguts und ordnete die Beendigung des weiteren Anbaus durch Vernichtung des Aufwuchses an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kläger mit der Aussaat gegen das Gentechnikgesetz verstoßen hätten, weil sie gentechnisch veränderte Organismen ohne erforderliche Genehmigung freigesetzt hätten. Das Verwaltungsgericht hat die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof der Klage stattgegeben.


Das Bundesverwaltungsgericht ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt und hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt. Die Anordnungen der Behörde waren rechtmäßig. Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass in dem von den Klägern erworbenen und ausgesäten Rapssaatgut gentechnisch veränderte Organismen enthalten waren. Die amtlichen Untersuchungsergebnisse sind trotz der Schwierigkeiten einer Analyse an der Nachweisgrenze eine taugliche Grundlage für diese Feststellung. Mit der Aussaat haben die Kläger die gentechnisch veränderten Organismen unter Verstoß gegen das Gentechnikgesetz freigesetzt. Das dafür erforderliche „gezielte Ausbringen in die Umwelt“ setzt nicht voraus, dass dem Landwirt die Verunreinigung des Saatguts bekannt ist. Die vom Gesetz zwingend vorgeschriebene Untersagung der ungenehmigten Freisetzung umfasst auch die Beseitigung des durch die Aussaat herbeigeführten gesetzwidrigen Zustands.


BVerwG 7 C 8.11 - Urteil vom 29. Februar 2012

Vorinstanzen:

VGH Kassel, 6 A 400/10 - Urteil vom 19. Januar 2011 -

VG Kassel, 5 K 1402/07.KS - Urteil vom 12. März 2009 -


Beschluss vom 29.03.2011 -
BVerwG 7 C 8.11ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B7C8.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.03.2011 - 7 C 8.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B7C8.11.0]

Beschluss

BVerwG 7 C 8.11

  • Hessischer VGH - 19.01.2011 - AZ: VGH 6 A 400/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 25 000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG).

Urteil vom 29.02.2012 -
BVerwG 7 C 8.11ECLI:DE:BVerwG:2012:290212U7C8.11.0

Leitsätze:

1. § 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG ermächtigt - als Verbotsnorm - nicht nur zur Untersagung von gesetzwidrigen Handlungen, sondern - als Gebotsnorm - darüber hinaus auch zur Anordnung von Maßnahmen zur Beseitigung verbotswidrig herbeigeführter Zustände.

2. Der Begriff der Freisetzung nach § 3 Nr. 5 GenTG als gezieltes Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt setzt lediglich voraus, dass diese Organismen durch eine willentliche Handlung in die Umwelt entlassen worden sind; im Fall der Aussaat ist die Kenntnis der Verunreinigung des Saatguts hierfür nicht erforderlich.

  • Rechtsquellen
    GenTG § 3 Nr. 5, § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 26 Abs. 1 Satz 1,
    Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1

  • VG Kassel - 12.03.2009 - AZ: VG 5 K 1402/07
    Hessischer VGH - 19.01.2011 - AZ: VGH 6 A 400/10

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 29.02.2012 - 7 C 8.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:290212U7C8.11.0]

Urteil

BVerwG 7 C 8.11

  • VG Kassel - 12.03.2009 - AZ: VG 5 K 1402/07
  • Hessischer VGH - 19.01.2011 - AZ: VGH 6 A 400/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Februar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Januar 2011 wird aufgehoben. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 12. März 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer gentechnikrechtlichen Anordnung.

2 Die Kläger sind Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Im Jahr 2007 erwarben sie Saatgut für konventionellen Raps der Sorte Taurus und brachten ihn auf in Hessen gelegene Felder aus. Der Erzeuger des Saatguts hatte vor der Abgabe in den Handel zwei Proben aus der Partie auf zufälligen Besatz mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in zertifizierten Laboren untersuchen lassen; dabei wurden Verunreinigungen nicht nachgewiesen. Im Zuge der Saatgutanerkennung stellte das staatliche Veterinäruntersuchungsamt Arnsberg in einer Partie des Saatguts geringe Anteile eines gentechnischen Konstrukts fest, das auf eine bestimmte gentechnisch veränderte Rapslinie hinweist. Ein Teil der vermahlenen Probe wurde vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe erneut untersucht; dieses bestätigte das Analyseergebnis. Eine qualitative Bestimmung des Anteils des Genkonstrukts im verprobten Saatgut war nicht möglich, weil der Anteil unter der für eine qualitative Bestimmung maßgeblichen Grenze von 0,1 % lag. In drei weiteren vom Erzeuger veranlassten Untersuchungen seiner Rückstellprobe konnten weder qualitativ noch quantitativ Bestandteile eines Genkonstrukts nachgewiesen werden.

3 Mit Verfügung vom 19. September 2007 untersagte das Regierungspräsidium Gießen den Klägern den Anbau oder das (anderweitige) Inverkehrbringen des Saatguts sowie die Abgabe von Restbeständen, falls noch vorhanden, an Dritte (Nr. 1 der Verfügung), ordnete die Vernichtung des Rapsaufwuchses durch Grubbern oder Pflügen (Nr. 2), die Nachbehandlung mit einem geeigneten Herbizid, ein Verbot der Aussaat von Raps auf den betroffenen Feldern bis Juli 2008 (Nr. 3) sowie eine entsprechende Berichtspflicht an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Saatgut eine Verunreinigung mit transgenem Raps festgestellt worden sei, für den keine Genehmigung zum Inverkehrbringen bzw. zur Freisetzung vorliege. Deswegen könne die Behörde nach § 26 Abs. 1 GenTG die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung der festgestellten oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das Gesetz notwendig seien. Die Anordnungen seien erforderlich um sicherzustellen, dass das verunreinigte Saatgut bzw. gentechnisch veränderte Pollen oder Erntegut nicht unkontrolliert weiterverbreitet würden. Die Maßnahmen seien angemessen, da den Klägern zwar der beabsichtigte Anbau von Raps auf den betreffenden Flächen nicht, eine Nutzung der Flächen durch Anbau von Getreide aber gleichwohl möglich sei.

4 Das Verwaltungsgericht wies die zuletzt auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung gerichtete Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Kläger stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt:
Die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage sei begründet. Die auf § 26 Abs. 4 GenTG gestützte Untersagung der Freisetzung sei rechtswidrig, weil sie nur auf ein zukünftiges Handeln gerichtet sei, die Kläger das Saatgut jedoch bereits vor Erlass der Anordnung vollständig ausgebracht hätten. Die Untersagung des Inverkehrbringens nach § 26 Abs. 5 GenTG scheide schon deswegen aus, weil eine Abgabe an Dritte von den Klägern weder beabsichtigt worden noch tatsächlich erfolgt sei. Die weiteren Anordnungen könnten nicht auf § 26 Abs. 1 GenTG gestützt werden. Die Regelbeispiele des § 26 Abs. 1 Satz 2 GenTG seien nicht gegeben. Auch eine Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ohne die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GenTG erforderliche Genehmigung liege nicht vor. Es gebe allerdings keine vernünftigen Zweifel, dass das von den Klägern ausgesäte Rapssaatgut gentechnisch veränderte Organismen enthalten habe. Ein naturwissenschaftlicher Beweis der Verunreinigung sei zwar nicht erbracht. Eine Verunreinigung könne jedoch nach den Grundsätzen der Statistik bzw. der Wahrscheinlichkeitsrechnung angenommen werden, wenn - wie hier - in einer für die Gesamtpartie repräsentativen Probe eine Verunreinigung nachgewiesen sei. Die Untersuchungen durch die staatlichen Behörden seien ordnungsgemäß erfolgt; die Ergebnisse seien hinreichend sicher. Die Labore seien zertifiziert und anerkannt; es gebe keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Untersuchungen methodisch oder in der konkreten Umsetzung fehlerhaft erfolgt sein könnten. Eine Verunreinigung der Probe mit Stäuben und Fremdstoffen im Labor scheide aus. Die Untersuchungsmethoden hätten nicht gegen die einschlägigen Vorgaben zur Untersuchung von Saatgut verstoßen. Insbesondere stelle der Verzicht auf die Untersuchung des zunächst nicht vermahlenen weiteren Materials im Sinne einer B-Probe keinen sachlichen Fehler in Bezug auf die Ordnungsmäßigkeit der (Erst-)Untersuchung dar. Die Kläger könnten einen Anspruch auf eine weitere Untersuchung von Material aus der Rückstellprobe nicht geltend machen. Im Übrigen könne ein positives Untersuchungsergebnis durch die Untersuchung weiteren Materials derselben vorgelegten Probecharge nicht mit absoluter Sicherheit bestätigt oder widerlegt werden. Auch die negativen Ergebnisse der vom Saatguthersteller in Auftrag gegebenen Untersuchungen könnten nicht zur sicheren Feststellung führen, dass die eingereichte Probe nicht kontaminiert sei.

5 In der Verwendung des verunreinigten Saatguts durch die Kläger liege keine Freisetzung im Sinne von § 3 Nr. 5 GenTG. Es fehle am „gezielten“ Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt. Eine Freisetzung setze grundsätzlich die Kenntnis des Verwenders voraus, dass das Saatgut gentechnisch veränderte Organismen, sei es als Hauptsaatgut oder auch als - gegebenenfalls unerwünschter - Bestandteil, enthalte. Das im Begriff „gezielt“ enthaltene finale Moment beziehe sich nicht nur auf die Aussaat als solche. Die Verknüpfung der Freisetzung mit der Genehmigungspflicht in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 GenTG sei nur bei Handlungsweisen sinnvoll, die auf das gewollte Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ausgerichtet seien. Eine andere Auslegung sei auch weder mit Blick auf das Unionsrecht noch deswegen unter Verweis auf Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften geboten, weil anderenfalls eine Regelungslücke entstehe. Denn ein Unfallgeschehen mit versehentlicher Ausbringung von gentechnisch veränderten Organismen im Freiland oder aus einem geschlossenen System heraus müsse auf jeden Fall durch das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht bewältigt werden. Eine insoweit unterschiedliche Behandlung führe zu einem mit dem Gleichheitsgebot schwerlich vereinbaren Wertungswiderspruch.

6 Darüber hinaus fehle es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung. Weder sei eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen noch liege der Fall eines intendierten Ermessens vor. Im Rahmen der gebotenen Abwägung seien die Interessen der Betroffenen, insbesondere die Vermeidung wirtschaftlicher Einbußen, im notwendigen Umfang zu berücksichtigen. Das sei nicht geschehen. Auch habe die Behörde das konkrete Gefahrenpotenzial des festgestellten gentechnisch veränderten Organismus sowie die standortspezifischen Besonderheiten nicht berücksichtigt.

7 Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der Verwaltungsgerichtshof verkenne den Begriff der Freisetzung in § 3 Nr. 5 GenTG. Aus Wortlaut und Grammatik ergebe sich, dass der Begriff „gezielt“ auf die Tätigkeit bezogen sei; „gezielt“ sei nicht mit wissentlich gleichzusetzen. Diese Auslegung werde durch die Systematik bestätigt, wonach es keine erlaubnisfreien Räume für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen geben solle. Das Kontrollsystem sei objektiv ausgerichtet und anlagen- und tätigkeitsbezogen. Die vom Gesetz geregelten Gefahren seien unabhängig von der Intention des Anwenders. Auch das Genehmigungserfordernis stelle nur auf die objektiven Merkmale des Vorhabens ab. Die staatliche Schutzpflicht gebiete eine Auslegung, wonach nur ungewollte und zufällige Ereignisse vom Begriff der Freisetzung ausgenommen seien. Nur so sei die Lückenlosigkeit des gesetzlichen Schutzkonzepts gewährleistet, das im Übrigen bei Unfällen besondere Notfallpläne vorsehe. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne auch den Anwendungsbereich der Eingriffsermächtigung des § 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG. Die hierauf gestützte Untersagungsanordnung beziehe sich auf sämtliches Saatgut und solle nur für den Fall Geltung beanspruchen, dass es bei den Klägern noch vorhanden sei. Falls die Verfügung als belastend angesehen werde, sei sie rechtmäßig, weil es auf den Erkenntnisstand der Behörde im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung ankomme. Entsprechendes gelte auch für die Untersagung des Inverkehrbringens gemäß § 26 Abs. 5 GenTG. Die Ermächtigungsgrundlage des § 26 Abs. 4 GenTG beziehe sich des Weiteren auch auf Maßnahmen, die bei fortwirkenden Rechtsverstößen zu deren Beendigung führten; das sei hier auch die Vernichtung der Saat. Zu Unrecht beanstande der Verwaltungsgerichtshof die Ermessensbetätigung. Schließlich beruhe das Urteil in dieser Hinsicht auf Verfahrensfehlern.

8 Die Kläger treten der Revision entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil, soweit es die rechtlichen Voraussetzungen eines Einschreitens nach § 26 GenTG verneint und Ermessensfehler annimmt. Des Weiteren führen die Kläger aus, dass das angefochtene Urteil auch bei unterstellter fehlerhafter Auslegung des Gentechnikgesetzes im Ergebnis richtig sei. Denn das Urteil nehme zu Unrecht an, dass der Nachweis des Vorliegens von Spuren gentechnisch veränderter Organismen geführt worden sei. Vielmehr bestünden insbesondere wegen der Unsicherheiten bei Analyseverfahren an der Nachweisgrenze vernünftige Zweifel an einer Verunreinigung des Saatguts. Die rechtlich gebotene Gegenprobe sei nicht durchgeführt worden. Zur Stützung ihres Vorbringens legen sie ein „Gutachten zur Laboranalytik zum Nachweis gentechnisch veränderter Samen in konventionellem Saatgut“ von Prof. Dr. L. vor.

II

9 Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Unter Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat der Verwaltungsgerichtshof das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung festgestellt (1.). Auf der Grundlage des vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Sachverhalts kann das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückweisen (2.).

10 1. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die vom Regierungspräsidium getroffenen Anordnungen aus Rechtsgründen auf die Ermächtigungsgrundlagen nach § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG) vom 20. Juni 1990 (BGBl I S. 1080), neugefasst durch Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993 (BGBl I S. 2066), hier anwendbar in der Fassung des Gesetzes vom 17. März 2006 (BGBl I S. 534), nicht gestützt werden können. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Denn damit verengt der Verwaltungsgerichtshof die Reichweite des § 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG (a) und verkennt den Rechtsbegriff der Freisetzung nach § 3 Nr. 5 GenTG (b). Schließlich überspannt er die Anforderungen an den Erlass von Anordnungen, die die (weitere) Aussaat und das Inverkehrbringen des verunreinigten Saatguts auf der Grundlage von § 26 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 GenTG untersagen (c).

11 a) Die Kläger werden in erster Linie durch die Anordnung, den weiteren Anbau des Rapses durch die Vernichtung des Rapsaufwuchses zu beenden (Nr. 2 der Verfügung), und die hierauf bezogenen Folgeregelungen (Nr. 3) belastet. Als Eingriffsermächtigung hierfür kommt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs lediglich die Generalklausel des § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG in Betracht. Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz notwendig sind. Die Spezialregelung des § 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG, wonach die zuständige Behörde eine Freisetzung zu untersagen hat, soweit die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GenTG - hier das Fehlen der nach § 14 Abs. 1 GenTG erforderlichen Genehmigung - vorliegen, soll demgegenüber schon tatbestandlich nicht einschlägig sein. Denn die Untersagung beziehe sich lediglich auf ein künftiges Handeln, nämlich nur auf die Freisetzung im Sinne des Ausbringens der gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt, nicht aber auf die Vernichtung der ausgebrachten Saat als einer Beendigung der Freisetzung. Dem ist nicht zu folgen.

12 Die in § 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG geregelte Untersagung als Verbot ist nach dem Wortsinn zwar zunächst gleichbedeutend mit der Anweisung zur Unterlassung einer Handlung. Der Regelungszusammenhang legt jedoch nahe, dass der Begriff hier nicht in diesem beschränkten, sondern in einem weiteren Sinne verwendet wird.

13 Die Untersagung der Freisetzung bezieht sich nämlich auf eine Handlung, die einen gesetzwidrigen Zustand zur Folge hat; denn der in die Umwelt entlassene gentechnisch veränderte Organismus kann sich dort unkontrolliert vermehren oder auskreuzen. In einer solchen Situation ist es in der Rechtsordnung durchaus geläufig, dass im Verbot der Handlung zugleich das Gebot liegt, den verbotswidrig herbeigeführten Zustand abzustellen; so enthält das straßenverkehrsrechtliche Halteverbot zugleich ein Wegfahrgebot (Urteil vom 11. Dezember 1996 - BVerwG 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <319> = Buchholz 442.151 § 39 StVO Nr. 3 S. 3). Das Gentechnikgesetz nimmt einen solchen Dauerzustand in den Blick, wenn es den Begriff der Freisetzung ausdrücklich auch im Sinne eines Freisetzungsvorhabens verwendet, das sich nicht in einer Handlung erschöpft, sondern sich über einen ganzen Zeitraum erstreckt und z.B. Überwachungsmaßnahmen erfordert (siehe § 15 Abs. 1 Nr. 2 und 5 GenTG). Des Weiteren zielt die Tatbestandsalternative des § 26 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GenTG (Vorliegen von Rücknahme- oder Widerrufsgründen) insbesondere auf Sachverhalte, bei denen die Freisetzung bereits ins Werk gesetzt und insoweit allein mit einer nur eng verstandenen Untersagungsverfügung wenig gewonnen ist.

14 Einem Begriffsverständnis, das auch die Beseitigung der Folgen der verbotenen Handlung erfasst, steht bei systematischer Auslegung nicht entgegen, dass die Anordnung von Stilllegung und Beseitigung in § 26 Abs. 3 GenTG ausdrücklich als behördliche Handlungsoptionen aufgeführt werden. Das rechtfertigt aber nicht im Gegenschluss die Annahme, dass ohne Erwähnung der Beseitigung in der Ermächtigungsgrundlage eine solche nicht verfügt werden dürfe. Denn § 26 Abs. 3 GenTG erfasst nur die gentechnische Anlage; § 26 Abs. 1 Satz 2 GenTG nennt demgegenüber nur die Untersagung des Betriebs. Die Vorschriften haben demnach jeweils einen unterschiedlichen Bezugspunkt.

15 Die Bestimmungen der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106 1 S. 1) - Freisetzungsrichtlinie -, deren Umsetzung die Neufassung des § 26 Abs. 4 GenTG ausdrücklich dienen sollte (siehe BTDrucks 16/430 S. 11), legen die erweiternde Auslegung nahe. Art. 4 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten auf sicherzustellen, „dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zu beenden, nötigenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten“. Die Beendigung der Freisetzung kann sich wiederum auf beides - die Handlung und den dadurch geschaffenen Zustand - beziehen. Die Erwähnung der Gegenmaßnahmen steht dem nicht entgegen. Daraus folgt zwar, dass die Richtlinie ein „zweistufiges Vorgehen“ jedenfalls ermöglicht. Die Gegenmaßnahmen können sich jedoch auch auf ein Handeln beziehen, das sich gegen die weiteren Folgewirkungen einer ins Werk gesetzten Freisetzung richtet.

16 Für ein weites Verständnis der Untersagung spricht schließlich, dass ein überzeugender Grund, die noch bevorstehende und die bereits vorgenommene Aussaat unterschiedlich zu behandeln, angesichts des gesetzgeberischen Ziels, den Umweltkontakt von gentechnisch veränderten Organismen einer strengen Kontrolle zu unterwerfen, sich nicht aufdrängt. Es will nicht einleuchten, dass die staatliche Reaktion auf ein gesetzwidriges Geschehen je nach dem zufälligen Zeitpunkt des Einschreitens von gänzlich anderen rechtlichen Maßstäben geleitet werden soll. Wenn die Behörde dem Sämann ohne Weiteres in den Arm fallen darf, ist kein Grund ersichtlich, warum sie, kaum ist die Saat im Boden, im Rahmen einer auf § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG gestützten Ermessensentscheidung weitere Erwägungen soll anstellen müssen.

17 b) Der Verwaltungsgerichtshof hat im Rahmen der Prüfung der von ihm als für die Vernichtungsanordnung einschlägig erachteten Generalklausel des § 26 Abs. 1 Satz 1 GenTG das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung eines Gesetzesverstoßes in Gestalt einer ungenehmigten Freisetzung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 5 GenTG verneint. Die Aussaat in Unkenntnis der Verunreinigung des Saatguts mit gentechnisch veränderten Organismen erfülle den Tatbestand einer Freisetzung im Sinne von § 3 Nr. 5 GenTG nicht. Auf die Kenntnis kommt es nach zutreffendem Verständnis der Vorschrift aber nicht an (so auch die in der verwaltungsgerichtlichen Praxis verbreitete Auffassung, siehe insbesondere VG Schleswig, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 - juris Rn. 65 ff., im Anschluss an Mecklenburg, NuR 2006, 229 <230 f.>; sowie die nachfolgende Rechtsprechung, insbesondere VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07 - NuR 2009, 67 = juris Rn. 65 ff.; dem folgend etwa Kauch, Gentechnikrecht, 2009, S. 80; Krug, Gentechnikrecht und Umwelt, 2010, S. 114 f.; Schröder, NuR 2010, 770 <774 f.>; ders., ZUR 2011, 422 <425>; Schwabenbauer, NuR 2011, 694 <700>; bereits zuvor Ostertag, GVO-Spuren und Gentechnikrecht, 2005, S. 232 f.; a.A. Dederer, NuR 2011, 489 <492>).

18 aa) Nach § 3 Nr. 5 GenTG ist Freisetzung das gezielte Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt, soweit noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt ist.

19 Nach diesem Wortlaut lässt sich noch nicht eindeutig beantworten, ob der Freisetzungsbegriff die Kenntnis der Existenz gentechnisch veränderter Organismen im Saatgut voraussetzt. Der Tatbestand der Freisetzung ist allerdings nicht bereits dann erfüllt, wenn gentechnisch veränderte Organismen in die Umwelt gelangen. Vielmehr bringt das Adjektiv „gezielt“ ein finales Element zum Ausdruck. Die Anwesenheit der gentechnisch veränderten Organismen in der Umwelt muss demnach Ergebnis eines zielgerichteten Handelns sein. Das kann zwar so zu verstehen sein, dass die Zielrichtung im Ausbringen gerade der gentechnisch veränderten Organismen bestehen muss. Zwingend ist das allerdings nicht. Denn das Wort gezielt kann sich auch im Sinn von absichtlich (allein) darauf beziehen, dass die Anwesenheit von gentechnisch veränderten Organismen in der Umwelt das Ergebnis einer willensgetragenen Handlung ist. Vom möglichen Wortsinn ist auch diese Auslegung gedeckt.

20 bb) Die Entstehungsgeschichte, die der Sache nach auf die unionsrechtlichen Vorgaben verweist, kann für die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs letztlich nicht in Anspruch genommen werden.

21 Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde die Freisetzung in § 3 Nr. 8 GenTG-E als das bewusste und gewollte Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt definiert. Die Begründung führt aus, dass im Sinne dieses Gesetzes der Begriff der Freisetzung nur das gezielte Ausbringen gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt sei (BTDrucks 11/5622 S. 6, 24). Mit der Änderung durch Beschlussfassung und Bericht des 13. Ausschusses erhielt der damalige § 3 Nr. 7 GenTG-E die noch heute geltende Fassung (vgl. BTDrucks 11/6778 S. 5); eine inhaltliche Änderung war damit, soweit ersichtlich im ersten Teil der Definition nicht beabsichtigt (BTDrucks 11/6778 S. 37).

22 Die Bedeutung der Umschreibung des Wortes „gezielt“ als „bewusst und gewollt“ erschließt sich aber nur aus den weiteren Erläuterungen in der Begründung. Danach soll „das versehentliche Ausbringen oder das Entweichen gentechnisch veränderter Organismen aus einem geschlossenen System ... nicht durch den Begriff der Freisetzung erfasst sein; hierbei handelt es sich um einen Unterfall des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen“ (BTDrucks 11/5622 S. 24). Das verdeutlicht, dass die Formulierung „gezieltes Ausbringen“, dem das versehentliche Ausbringen oder das Entweichen gegenübergestellt wird, die Abgrenzung von den Regelungen über den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bezweckt. Der Umgang war in § 3 Nr. 3 Buchst. b und c GenTG-E unter den gentechnischen Arbeiten aufgeführt. Er erfasste auch die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen, was gemäß § 7 Abs. 1 GenTG-E nur in geschlossenen Systemen (§ 3 Nr. 5 GenTG-E) geschehen durfte (BTDrucks 11/5642 S. 6, 23). Die Begründung nimmt somit der Sache nach Bezug auf die Abgrenzung der Regelungsbereiche der Richtlinie des Rates vom 23. April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (90/219/EWG) - Systemrichtlinie - (ABl EG Nr. L 117 S. 1), mittlerweile abgelöst durch die Richtlinie 2009/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (ABl EG Nr. L 125 S. 75), und der Richtlinie des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (90/220/EWG) - Freisetzungsrichtlinie - (ABl EG Nr. L 117 S. 15), mittlerweile abgelöst durch die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/22/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106 S. 1).

23 Die Systemrichtlinie und die Freisetzungsrichtlinie sind in ihrem Anwendungsbereich jeweils komplementär aufeinander bezogen; sie bilden ein grundsätzlich umfassendes Regelungssystem, in dem gentechnische Anwendungen entweder von der einen oder der anderen Richtlinie erfasst werden, um einen unkontrollierten Kontakt von gentechnisch veränderten Organismen mit der Umwelt zu verhindern. Die Aufteilung der Regelungen auf zwei Richtlinien erklärt sich daraus, dass jeweils verschiedene Kompetenztitel - nämlich für den Umweltschutz (Art. 130s EWGV, Art. 175 EGV, Art. 192 AEUV) aufgrund des Anlagen- und Produktionsbezugs einerseits, für den Binnenmarkt (Art. 100a EWGV, Art. 95 EGV, Art. 114 AEUV) aufgrund des Produktbezugs andererseits - in Anspruch genommen worden sind (siehe Di Fabio/Kreiner, in: EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, § 63 Rn. 10, 22, 59). Die Systemrichtlinie erfasst in Art. 2 Buchst. d auch den „Unfall“ bei der Anwendung gentechnisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen mit spezifischen Einschließungsmaßnahmen, der eine unbeabsichtigte Freisetzung dieser Organismen zur Folge haben kann. Die Begründung des Gesetzentwurfs macht damit deutlich, dass durch den Begriff „gezielt“ der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Freisetzung insoweit zurückgenommen werden sollte. Ansonsten bleibt es bei den Vorgaben der Freisetzungsrichtlinie, die in Art. 2 Nr. 3 den Begriff der „absichtlichen Freisetzung“ verwendet, die den Umweltkontakt genetisch veränderter Organismen ohne spezifische Einschließungsmaßnahmen ermöglicht. Anhaltspunkte dafür, dass insoweit der Begriff „absichtlich“ mit „wissentlich“ gleichzusetzen ist, sind nicht ersichtlich. Nach den erläuternden Anmerkungen der Kommission, die allerdings keine verbindliche und authentische Interpretation enthalten, gleichwohl aber Hinweise für ein Begriffsverständnis geben können, spricht alles dafür, dass das Element der Wissentlichkeit hier keine Rolle spielt. Denn danach stellt absichtliches Ausbringen (intentional introduction) jede Einführung in die Umwelt dar, sei sie direkt oder indirekt, infolge einer Nutzung eines gentechnisch veränderten Organismus, seiner Lagerung, Beseitigung oder der Zugänglichmachung für Dritte (siehe Explanatory Notes for Council Directive 90/220/EEC <Dok. XI/401/91-Rev. 2>, abgedruckt in: Schenek, Das Gentechnikrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1995, S. 279 ff.; deutsche Übersetzung bei Voß, Die Novelle der Freisetzungsrichtlinie - Richtlinie 2001/18/EG, 2006, S. 150 f.).

24 cc) Auch aus der Gesetzessystematik lassen sich keine durchgreifenden Argumente für die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht ableiten. Aus der Verknüpfung der Freisetzung mit dem System der Präventivkontrolle nach § 14 Abs. 1 GenTG ergibt sich nicht, dass nur ein bewusster Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen vom Tatbestand der Freisetzung erfasst sein könne. Denn mit der zwingend vorgesehenen vorherigen Kontrolle jeglicher Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen soll Gefahren und Risiken begegnet werden, die sich allein durch objektive Gegebenheiten und unabhängig von subjektiven Umständen auf Seiten des Anwenders ergeben. Dann spricht aber nichts dagegen, rechtliche Folgerungen allein an die Tatsache zu knüpfen, dass eine erforderliche Genehmigung nicht vorliegt. Aus welchen Gründen sie nicht gegeben ist, ist für die rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten unbeachtlich. Wenn, wie die Kläger vortragen, für verunreinigtes Saatgut eine Freisetzungsgenehmigung sinnvoll gar nicht beantragt werden kann, folgt daraus zwingend, dass die Aussaat unzulässig ist. Ob in dieser Situation wegen der Schwierigkeiten einer Garantie von Sortenreinheit die Einführung eines Schwellenwerts für rechtlich unbeachtliche Verunreinigungen angezeigt ist, hat allein der Gesetzgeber zu entscheiden.

25 dd) Sinn und Zweck der Regelung sprechen jedoch entscheidend dafür, den Freisetzungstatbestand nicht von der Kenntnis der Verunreinigung des Saatguts abhängig zu machen. Die Vorschrift zielt nämlich darauf ab, möglichst viele der Fallkonstellationen, in denen es um die Bewältigung von Gefahren und Risiken geht, die insbesondere aufgrund der von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers gedeckten Annahme eines „Basisrisikos“ von gentechnisch veränderten Organismen ausgehen (können), dem Anwendungsbereich des vom Vorsorgegrundsatz geprägten Gentechnikgesetzes zuzuweisen (siehe zum verfassungsrechtlich gebotenen Schutzauftrag als Leitlinie für die Auslegung BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1 <38 f.> Rn. 140; vgl. auch EuGH, Urteil vom 6. September 2011 - Rs. C-442/09, Bablok - NVwZ 2011, 1312 Rn. 89, zur schutzzweckorientierten Auslegung im Gentechnikrecht). Dass dies nicht lückenlos gelingt und das nur auf die Gefahrenabwehr, nicht aber auf die Risikovorsorge ausgerichtete allgemeine Ordnungsrecht einen Anwendungsbereich behält, kann kein Grund dafür sein, davon abzusehen, diesen Restbereich - nach Maßgabe und in den Grenzen einer methodengerechten Gesetzesauslegung - möglichst klein zu halten.

26 Dabei verkennt der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen, dass das Gentechnikrecht den Bereich der unfallbedingten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen aus einem geschlossenen System nicht aus seinem Regelungsbereich entlässt, sondern insoweit spezielle Gefahrenabwehrmaßnahmen vorschreibt (siehe Art. 14 ff. RL 90/219/EWG, nunmehr Art. 13 ff. RL 2009/41/EG, umgesetzt durch die Verordnung über die Erstellung von außerbetrieblichen Notfallplänen und über Informations-, Melde- und Unterrichtungspflichten - Gentechnik-Notfallverordnung - vom 10. Dezember 1997 <BGBl I S. 2882; vgl. Di Fabio/Kreiner a.a.O. Rn. 47 ff.). Dann verbleibt nur der Sonderfall eines Unfalls im Sinne eines nicht auf einer willensgetragenen Handlung beruhenden Entweichens von gentechnisch veränderten Organismen außerhalb eines geschlossenen Systems. Ein Gleichheitsproblem liegt insoweit in der Zuordnung zu verschiedenen Regelungsregimen gerade wegen der Abweichungen in den Fallkonstellationen nicht. Denn derjenige, der Dinge willentlich in die Umwelt entlässt, kann für deren Beschaffenheit ordnungsrechtlich verantwortlich gemacht werden.

27 c) In Nr. 1 der Verfügung wird den Klägern der Anbau, d.h. die (weitere) Aussaat, sowie das Inverkehrbringen des Saatguts untersagt. Diese Anordnung, die hinsichtlich der Aussaat auf § 26 Abs. 4 Satz 1 GenTG, hinsichtlich des Inverkehrbringens auf § 26 Abs. 5 Satz 1 (i.V.m. § 3 Nr. 6, § 2 Abs. 1 Nr. 4) GenTG gestützt werden kann, ist nicht deswegen rechtswidrig, weil die Kläger nach den vom Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung nicht mehr über Bestände des bezeichneten Saatguts verfügten und die Anordnung insoweit bei rückschauender Betrachtung ins Leere ging. Denn der insoweit bei Erlass der Verfügung bestehenden Ungewissheit hat der Beklagte bereits dadurch Rechnung getragen, dass er diese Anordnung unter einen Vorbehalt gestellt hat.

28 Das Verbot des Inverkehrbringens gilt ausweislich von Nr. 1 Satz 2 der Anordnung ausdrücklich mit der Maßgabe, dass noch Restbestände des Saatguts vorhanden sind. Nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Erklärungswert der Verfügung ist das gleichermaßen auf die Untersagung der Freisetzung zu beziehen (Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 <160> = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264). Eine abweichende Auslegung des Verwaltungsakts durch den Verwaltungsgerichtshof, die für den Senat bindend sein könnte (Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274 <279 f.> = Buchholz 406.27 § 31 BBergG Nr. 2), steht diesem Verständnis nicht entgegen.

29 Für die Rechtmäßigkeit der Anordnung ist es hiernach unbeachtlich, dass es von vornherein an einer drohenden Rechtsverletzung fehlte. Dabei ist nicht auf die allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätze einer ex-ante-Betrachtung für die Beurteilung eines ordnungsbehördlichen Einschreitens abzustellen. Vielmehr ist - im Interesse einer effektiven Durchsetzung des Gentechnikrechts - der Erlass einer letztlich vorsorglichen und den Betroffenen nur formell belastenden Anordnung schon dann gerechtfertigt, wenn gentechnisch veränderte Organismen freigesetzt worden sind und eine Fortsetzung dieser Tätigkeit bzw. ein Inverkehrbringen durch die Abgabe an Dritte nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Erhöhte Nachforschungs- und Überprüfungspflichten obliegen der Behörde insoweit nicht.

30 2. Nach diesen rechtlichen Maßstäben kann der Senat auf der Grundlage der vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen tatsächlichen Feststellungen nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Urteil aufheben sowie die Berufung der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil zurückweisen.

31 Die Anordnungen finden - wie ausgeführt - ihre Rechtsgrundlage in § 26 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 GenTG; dies gilt auch für die auf die Hauptpflichten bezogenen akzessorischen Unterrichtungspflichten, die eine Überwachung nach § 25 Abs. 5 GenTG ermöglichen sollen. Die tatbestandlich vorausgesetzte ungenehmigte Freisetzung bzw. das ungenehmigte Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen liegt vor.

32 Der Senat kann seiner Entscheidung die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde legen, wonach die Verunreinigung des von den Klägern ausgebrachten Saatguts mit gentechnisch veränderten Organismen festgestellt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit Bundesrecht nicht verletzt: an die tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil die Kläger diese nicht im Wege einer zulässigen und begründeten Gegenrüge in Frage gestellt haben.

33 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat die materielle Beweislast der Behörde nicht verkannt und seinen Erwägungen das zutreffende Beweismaß zugrunde gelegt. Entgegen der Ansicht der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof nicht die bloße Wahrscheinlichkeit des Vorliegens gentechnisch veränderter Organismen ausreichen lassen. Er hat vielmehr seinen diesbezüglichen Darlegungen die Feststellung vorangestellt, er habe die Überzeugung gewonnen, dass in dem Rapssaatgut der bezeichneten Partie gentechnisch veränderte Organismen enthalten waren (UA S. 15, dritter Absatz, juris Rn. 45). Abschließend führt er aus, dass keine vernünftigen Zweifel am Vorliegen von gentechnisch veränderten Organismen bestünden (UA S. 21, letzter Absatz, juris Rn. 62). Der dieser Schlussfolgerung unmittelbar vorangestellte Satz ist zwar nicht recht verständlich; er beruht angesichts der sonstigen Ausführungen offensichtlich auf einem Versehen und ist deswegen für die revisionsgerichtliche Überprüfung des Urteils unbeachtlich. Demnach geht der Verwaltungsgerichtshof ersichtlich von dem nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorausgesetzten Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung aus, die dann gegeben ist, wenn vernünftige Zweifel nicht mehr bestehen (vgl. Urteil vom 16. April 1985 - BVerwG 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <181> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 32). Die Ausführungen zur Statistik und zu den Wahrscheinlichkeitsberechnungen beziehen sich demgegenüber auf die Beweiswürdigung. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof in deren Rahmen den hier gegebenen „sachtypischen“ Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen, die daraus folgen, dass gerade die auf den Feldern der Kläger ausgebrachte Saat bzw. der dortige Aufwuchs bereits vernichtet ist (vgl. hierzu Urteil vom 21. Mai 2008 - BVerwG 6 C 13.07 - BVerwGE 131, 171 Rn. 25 = Buchholz 402.7 BVerfSchG Nr. 11).

34 b) Ohne Erfolg wenden sich die Kläger gegen die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichtshofs. Sie ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

35 Die dem materiellen Recht zuzurechnende Beweiswürdigung unterliegt nur eingeschränkter Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung findet ihre Grenze nicht nur im anzuwendenden Recht und dessen Auslegung, sondern auch in Bestimmungen, die den Vorgang der Überzeugungsbildung leiten wie etwa gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze und die Denkgesetze. Des Weiteren verstößt das Gericht gegen das Gebot, seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen, wenn es von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht. Wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nach § 137 Abs. 2 VwGO können diesbezügliche Fehler nur berücksichtigt werden, wenn die Tatsachenfeststellung aufgrund durchgreifender Verfahrensrügen erschüttert wird. Solche Mängel kann der durch die Entscheidung der Vorinstanz nicht beschwerte Revisionsbeklagte im Wege der Gegenrüge geltend machen (siehe etwa Urteile vom 21. Juli 2010 - BVerwG 6 C 22.09 - BVerwGE 137, 275 <287 f.> Rn. 35 = Buchholz 402.7 BVerfSchG Nr. 14 und vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 <105 f.> Rn. 14 = Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 129).

36 aa) Die Kläger wenden sich gegen die Verwertbarkeit der behördlichen Untersuchungen, auf die sich auch der Verwaltungsgerichtshof maßgeblich stützt. Mit ihrer generellen Kritik an der angewandten Untersuchungsmethode, die in dem „Gutachten zur Laboranalytik zum Nachweis gentechnisch veränderter Samen in konventionellem Saatgut“ von Prof. Dr. L. nochmals zusammengefasst wird, werfen die Kläger entgegen ihrer Auffassung keine „Rechtsanwendungsfrage“ auf, die einer von den Beschränkungen durch § 137 Abs. 2 VwGO losgelösten materiellrechtlichen Prüfung unterliegt; vielmehr zielt dieser Einwand auf eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts. Mit der folglich der Sache nach erhobenen Verfahrensrüge dringen die Kläger aber nicht durch.

37 Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Dabei entscheidet das Tatsachengericht über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Dies gilt auch für die Einholung von Gutachten oder die Ergänzung vorhandener Gutachten; ob das bereits vorliegende Gutachten ein Behördengutachten ist, ist grundsätzlich unerheblich (vgl. zum Parteigutachten Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 8 C 10.84 - BVerwGE 74, 222 <223 f.> = Buchholz 448.0 § 17 WPflG Nr. 7). Die gerichtliche Aufklärungspflicht ist verletzt, wenn sich das Gericht bei der nach seiner Rechtsauffassung erforderlichen Klärung einer entscheidungserheblichen Frage mit einem Gutachten begnügt, das objektiv ungeeignet ist, ihm die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist im allgemeinen der Fall, wenn das vorliegende Gutachten auch für den Nichtsachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde und/oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt. Die Verpflichtung zur Ergänzung des Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter dieses als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 2 B 128.09 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 378 Rn. 17 f.).

38 Entgegen den hieraus folgenden Anforderungen legen die Kläger nicht dar, dass die behördlichen Untersuchungen nicht dem allgemeinen Stand der Wissenschaft entsprochen haben. Die Behörden sind bei ihrem Vorgehen dem „Konzept zur Untersuchung von Saatgut auf Anteile gentechnisch veränderter Pflanzen“ des Unterausschusses Methodenentwicklung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Gentechnik (Stand: März 2006) - LAG-Konzept - gefolgt. In ihrer Revisionserwiderung sind die Kläger selbst ausdrücklich davon ausgegangen, dass dieses Konzept den allgemeinen Stand der Wissenschaft widerspiegele. Auch das von den Klägern vorgelegte Gutachten will ersichtlich nicht für sich in Anspruch nehmen, den maßgeblichen Standard zu beschreiben. Vielmehr werden darin aufgrund der naturwissenschaftlich begründeten Schwierigkeiten einer verlässlichen Analyse von GVO-Spuren an der Nachweisgrenze abschließend Handlungsempfehlungen formuliert und insbesondere angeregt, „Prüfverfahren zu etablieren und zu nutzen, die die Untersuchung von B-Proben einschließen“. Daraus ergibt sich lediglich, dass eine Diskussion mit dem Ziel der Herausbildung eines neuen Stands der Wissenschaft angestoßen wird, ohne indes Rückschlüsse auf die jedenfalls im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung maßgeblichen Vorgaben zu erlauben. Entsprechendes gilt im Übrigen auch soweit im politischen Raum ein Veränderungsbedarf gesehen wird (siehe dazu BRDrucks 46/11; BRDrucks BR 46/1/11; BRProt. 881. Sitzung - 18. März 2011, S. 142 Anl. 6).

39 Aus den von den Klägern hervorgehobenen Ausführungen des Gutachtens zur Grundregel der Reproduzierbarkeit eines naturwissenschaftlichen Analyseergebnisses ergibt sich nichts anderes. Denn bei nur geringfügigen Verunreinigungen sind Analysen immer mit der vorausliegenden Unsicherheit einer homogenen Verteilung der Verunreinigungen in den beprobten Partien konfrontiert (siehe dazu Schröder, ZUR 2011, 422 <423 f.> m.w.N.).

40 Auch mit der Rüge, dass das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe Probematerial aus demselben vermahlenen Laborgut und nicht aus der Rückstellprobe analysiert habe, haben die Kläger die Fehlerhaftigkeit der Untersuchung nicht dargelegt. Ein erheblicher Verstoß gegen die im LAG-Konzept aufgestellten Regeln wird damit nämlich nicht aufgezeigt. Ein laborfachlicher Fehler liegt in diesem Vorgehen nicht. Die erneute Beprobung dient zur Bestätigung des bei der ersten Untersuchung gefundenen Ergebnisses. Dieses Vorgehen verliert allerdings seine Überzeugungskraft und seinen Beweiswert, wenn damit auch Ergebnisse reproduziert würden, die auf einer erst bei der Verarbeitung der Untersuchungsprobe im Labor verursachten Verunreinigung beruhen. Hierauf zielt auch die Vorgabe in Nr. 3.1.2 Satz 4 und 5 des LAG-Konzepts. Danach ist die Rückstellprobe heranzuziehen, wenn bei einem positiven Ergebnis der Untersuchungsprobe geklärt werden sollte, ob deren Ergebnis durch gentechnisch veränderte Bestandteile, die nicht einem GVO im Sinne des Gentechnikgesetzes entsprechen, verursacht wird. Unter Letzteren sind Verunreinigungen zu verstehen, die nicht keimfähig sind, zum Beispiel Stäube aus GVO oder mit GVO-Materialien verunreinigte Beize (siehe Fußnote 2 zu Nr. 3.1). Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch hierzu festgestellt, dass bei den fraglichen Untersuchungen solche Verunreinigungen ausgeschlossen werden können; auf dieser Grundlage ist die im LAG-Konzept empfohlene Vorgehensweise entbehrlich (vgl. hierzu auch VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07 - NUR 2009, 67 = juris Rn. 43). Auch bezüglich dieser Feststellung haben die Kläger durchgreifende Gegenrügen nicht erhoben.

41 bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat die rechtlichen Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung nicht überschritten. Sie sind dem materiellen Recht zuzurechnen, so dass deren Einhaltung vom Senat auch unabhängig von Gegenrügen zu überprüfen ist.

42 (1) Mit dem Einwand, dass eine B-Probe aus Rechtsgründen, insbesondere unionsrechtlicher Art, unverzichtbar sei, machen die Kläger der Sache nach ein Beweisverwertungsverbot geltend, das eine rechtliche Grenze der richterlichen Überzeugungsbildung markiert. Als Beweiswürdigungsgrundsatz ist es dem materiellen Recht zuzuordnen.

43 Ein allgemeines Verbot, ein ohne die Durchführung einer Gegenprobe gewonnenes Analyseergebnis zu verwerten, ist jedoch nicht nachzuweisen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der die Kläger solche allgemeinen Rechtsgrundsätze meinen entnehmen zu können, bezieht sich nämlich auf spezielle - und im vorliegenden Regelungsbereich nicht anwendbare - Vorschriften, die dem von einer behördlichen Maßnahme Betroffenen einen Anspruch auf eine Gegenprobe ausdrücklich einräumen (EuGH, Urteile vom 10. April 2003 - Rs. C-276/01, Steffensen - EuZW 2003, 666 und vom 19. Mai 2009 - Rs. C-166/08, Weber - ZLR 2009, 600 zu Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie 89/397/EWG des Rates vom 14. Juni 1989 über die amtliche Lebensmittelüberwachung <ABl EG Nr. L 186 S. 23 vom 30. Juni 1989>, abgelöst durch Art. 11 Abs. 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz <ABl EG Nr. L 165 S. 1 vom 30. April 2004>, sowie § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 LFGB). Die von den Klägern angeführte Empfehlung der Kommission vom 4. Oktober 2004 - 2004/787/EG - (ABl EG Nr. L 348 S. 18) nimmt Bezug auf die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG (ABl EG Nr. L 268 S. 24) und hat damit ebenfalls einen auf Lebensmittel und Futtermittel beschränkten Anwendungsbereich. Ein allgemeines Beweisverwertungsverbot in dem von den Klägern angenommenen Sinn, das der Gerichtshof der Europäischen Union in den genannten Entscheidungen bei Vereitelung der Gegenprobe im Übrigen auch nicht zwingend annimmt (siehe EuGH, Urteil vom 10. April 2003 a.a.O Rn. 66 ff.), ist daraus auch unter Beachtung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit (siehe dazu etwa Nowak, in: Terhechte <Hrsg.>, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 2011, § 14 Rn. 44 f. m.w.N.) nicht abzuleiten. So gewährleistet der Grundsatz der Waffengleichheit im gerichtlichen Verfahren die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Beteiligten vor dem Richter (BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 1979 - 2 BvR 878/74 - BVerfGE 52, 131 <144 ff.>). Diese verbietet dem Gericht aber nicht, seine Entscheidung auf behördliche Untersuchungen zu stützen, zu deren Grundlagen die Beteiligten Stellung nehmen konnten und die nach den prozessualen Vorschriften eine richterliche Überzeugung zu tragen geeignet sind (vgl. auch VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 47 ff.).

44 (2) Die Würdigung der festgestellten Tatsachen verstößt schließlich auch nicht gegen Denkgesetze. Eine solche Rüge ist dem Vorbringen der Kläger zu entnehmen, angesichts des mit großen Unsicherheiten behafteten Analyseverfahrens und der vorgelegten negativen Untersuchungsergebnisse habe der Verwaltungsgerichtshof vernünftige Zweifel am Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen nicht verneinen und somit die nach dem Regelbeweismaß gebotene Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen dürfen. Ein revisionsrechtlich beachtlicher Verstoß gegen die Denkgesetze kann aber nur dann bejaht werden, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann. Das ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Tatrichter andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines Beteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn ein anderer Schluss sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (Urteil vom 6. Februar 1975 - BVerwG 2 C 68.73 - BVerwGE 47, 330 <361> = Buchholz 232 § 7 BBG Nr. 3; Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 Rn. 3 und vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4). Hiernach kann die Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, die ordnungsgemäß festgestellte Verunreinigung einer repräsentativen Probe des Saatguts mit gentechnisch veränderten Organismen lasse auch auf die Verunreinigung des von den Klägern ausgebrachten Saatguts schließen, revisionsrechtlich nicht beanstandet werden.

45 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO.