Beschluss vom 13.03.2020 -
BVerwG 8 B 1.20ECLI:DE:BVerwG:2020:130320B8B1.20.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 13.03.2020 - 8 B 1.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:130320B8B1.20.0]
Beschluss
BVerwG 8 B 1.20
- VG Gera - 24.10.2019 - AZ: VG 5 K 1993/18 Ge
In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. März 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:
- Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 24. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Der Kläger begehrt die Rückübertragung der "Firma K. KG i.L.". Mit seiner Klage hat er gegen den Beklagten im Anschluss an dessen ablehnenden Bescheid vom 3. Februar 2016 verschiedene Ansprüche, vor allem auf Auskunft und Herausgabe, geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. Oktober 2017 abgewiesen. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 19. September 2018 - 8 B 2.18 -) hat das Verwaltungsgericht die Klage erneut abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
2 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
3 1. Das gilt zunächst hinsichtlich der angestrebten Grundsatzrevision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, wenn die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht, die sich darauf beschränkt, auf die Beschwerdebegründung in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren (BVerwG 8 B 2.18 ) Bezug zu nehmen. Der Senat hat im Beschluss vom 19. September 2018 dargelegt, weshalb die dort aufgeführten Gründe nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Der Kläger setzt sich weder mit diesem Beschluss noch mit dem angegriffenen Urteil auseinander und legt nicht dar, weshalb die in Bezug genommenen Ausführungen in der früheren Beschwerdebegründung nunmehr auf eine grundsätzliche Bedeutung führen könnten.
4 2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts leidet nicht an den geltend gemachten Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
5 a) Der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ist nicht verletzt.
6 aa) Ein derartiger Verstoß folgt nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2019 in Abwesenheit des Klägers über die Sache verhandelt und entschieden hat, obwohl dieser mit Schreiben vom 22. Oktober 2019 eine Erkrankung mitgeteilt und damit sinngemäß einen Antrag auf Verlegung oder Aufhebung des Termins gestellt hat. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet es, einem derartigen Antrag zu entsprechen, wenn erhebliche Gründe im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorliegen. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein anwaltlich nicht vertretener Kläger am Tag der mündlichen Verhandlung in seiner Sache verhandlungsunfähig ist und dies durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen nachgewiesen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1998 - 8 B 162.98 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 285). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat lediglich eine Erkrankung geltend gemacht und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Weder daraus noch aus sonstigen Umständen ergab sich erkennbar, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Insbesondere folgte weder aus dem Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 2019 noch aus der beigefügten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, dass die Reiseunfähigkeit des Klägers, die zur Aufhebung des Verhandlungstermins am 20. Juni 2019 geführt hatte, am 24. Oktober 2019 weiterhin gegeben war.
7 bb) Der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist auch nicht im Hinblick auf seine Stellungnahme vom 20. Oktober 2017 verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ihr Vorbringen vollständig in seine Entscheidungsfindung einbezieht. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen abhandeln muss. Vielmehr muss es auch in einem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Gründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft. Dabei wäre es verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Vortragselemente eines umfangreichen Vorbringens - wie dem vorliegenden - zu folgern, das Gericht habe sich mit den darin enthaltenen Argumenten nicht befasst. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt zudem keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2018 - 10 C 8.17 - BVerwGE 162, 244 Rn. 26 m.w.N.).
8 Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Die Stellungnahme vom 20. Oktober 2017 ist zu den Akten des Verfahrens 5 K 1265/17 Ge genommen worden, die das Verwaltungsgericht ausdrücklich auch zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht hat. Einzelne Elemente der Stellungnahme sind im Tatbestand des angefochtenen Urteils ausdrücklich erwähnt, so etwa die Auffassung des Klägers, die KG i.L. sei ein "Phantom". Der Schluss, das Verwaltungsgericht habe die Stellungnahme nicht berücksichtigt, ist daher nicht berechtigt. Die Beschwerde legt in diesem Zusammenhang auch nicht mit Substanz dar, welches darin aufgeführte entscheidungserhebliche Argument von zentraler Bedeutung das Verwaltungsgericht nicht in Erwägung gezogen hätte.
9 cc) Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den mit der Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision verbundenen Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 100 Abs. 1 VwGO prozessordnungswidrig behandelt, greift nicht durch. Zum einen könnte das angegriffene Urteil auf dem vermeintlichen Verfahrensverstoß nicht beruhen. Zum anderen stellt die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber einem Beteiligten zwar regelmäßig eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör dar, doch sind insoweit stets die Umstände des Einzelfalls von Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2018 - 8 B 2.18 - juris Rn. 9). Hier hat das Verwaltungsgericht der Prozessbevollmächtigten des Klägers die Akteneinsicht nicht dauerhaft verweigert, sondern - worauf die Beschwerde nicht eingeht - lediglich um die Vorlage einer Vollmacht vor deren Gewährung gebeten. Diese Vorgehensweise steht mit § 67 Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO im Einklang und führt daher nicht auf einen Verfahrensfehler.
10 b) Soweit der Kläger - sinngemäß - eine Verletzung des Aufklärungsgrundsatzes wegen der unzureichenden Beiziehung von Behördenakten rügt, folgt daraus ebenfalls kein Verfahrensfehler. Wird die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO geltend gemacht, muss der Rechtsmittelführer substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - Rn. 29). Dies leistet die Beschwerde nicht.
11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.