Beschluss vom 02.08.2023 -
BVerwG 8 B 5.23ECLI:DE:BVerwG:2023:020823B8B5.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.08.2023 - 8 B 5.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:020823B8B5.23.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 5.23

  • OVG Koblenz - 26.10.2022 - AZ: 9 C 10430/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Naumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt im Rahmen eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens unter anderem die Zuteilung eines Abfindungsgrundstücks in der Lage seines Altflurstücks Nr. ... der Flur ... Dieses liegt nördlich eines ehemals betriebenen Steinbruchs. Nach Durchführung des Wertermittlungsverfahrens wurde dem Kläger durch den Flurbereinigungsplan an Stelle seines Altflurstücks ein ca. 120 Meter weiter nördlich gelegenes, ebenfalls als landwirtschaftliche Nutzfläche bewertetes Abfindungsflurstück zugewiesen, für welches ein geringfügig höherer Wert ermittelt worden war.

2 Die hiergegen erhobene Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zuteilung eines Abfindungsgrundstücks genau in der Lage des Altflurstücks zu. Das flurbereinigungsrechtliche Wertermittlungsverfahren sei 2018 bestandskräftig abgeschlossen worden. Eine Abweichung von der darin getroffenen Bewertung für das Altflurstück komme nur in Betracht, wenn die den Tauschwert des Grundstücks im Flurbereinigungsverfahren begründenden Eigenschaften, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung des Grundstücks wesentlichen Einfluss hätten (§ 44 Abs. 2 FlurbG), im landwirtschaftlichen Nutzwert nicht oder nicht wesentlich zum Ausdruck kämen. Davon könne vorliegend nicht die Rede sein. Der südlich des Altgrundstücks bis Ende 2010 bzw. bis Ende 2018 wasserrechtlich erlaubte Schiefersteinbruch stelle keinen Grund dar, von der Regelbewertung nach dem landwirtschaftlichen Nutzwert abzuweichen. Eine Fortsetzung des Abbaus über die zuvor genehmigten Grenzen hinaus sei bisher weder beantragt noch genehmigt. Ergänzend habe der Widerspruchsbescheid nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass vieles dafür spreche, dass auch auf dem Abfindungsgrundstück Schiefervorkommen anzutreffen seien. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

3 Die hiergegen gerichtete Beschwerde, die sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruft, hat keinen Erfolg.

4 1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

5 Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
wie konkret eine mögliche, wertbildende Nutzungsmöglichkeit eines Einbringungsgrundstücks geworden sein muss, um als wertbildender Faktor bei der Bestimmung der Werthaltigkeit des Einbringungsgrundstücks und der Werthaltigkeit der zugewiesenen Landabfindung verdichtet sein muss,
ist in ihrer Allgemeinheit im angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie zielt gerade nicht auf die Entwicklung eines abstrakten Rechtssatzes. Das Revisionsgericht könnte darauf nur mit einer umfassenden Differenzierung antworten und müsste gedachte Sachverhalte zugrunde legen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. September 1998 - 6 BN 6.98 - juris Rn. 10). Die vorinstanzliche Würdigung des Sachverhalts kann nicht mit der Grundsatzrüge angegriffen werden.

6 Die Frage,
ob das schlichte und ungesicherte Vorkommen eines abbaufähigen Materials auf einem Abfindungsgrundstück ausreicht, um das Abfindungsgrundstück wertgleich mit dem eingebrachten Grundstück zu machen, wenn dieses ein ähnliches oder gleiches Abbauvolumen hat, welches unter rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen leichter abzubauen ist,
war für das angegriffene Urteil nicht entscheidungserheblich und wäre deshalb in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Dies sind nur solche Rechtsfragen, die das Oberverwaltungsgericht entschieden hat, nicht aber solche, die sich erst stellen würden, wenn es anders entschieden hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2017 - 2 B 4.16 - Buchholz 239.1 § 50e BeamtVG Nr. 3 Rn. 12). Die angegriffene Entscheidung verweist auf die Bestandskraft der Wertermittlung, die das Altflurstück nicht als Abbaufläche, sondern als landwirtschaftliche Nutzfläche einstuft. Deshalb lehnt sie es ab, die Abbaumöglichkeiten des Altgrundstücks gemäß § 44 FlurbG als werterhöhend zu berücksichtigen, und bringt dieses nur mit dem im Wertermittlungsverfahren nach § 28 FlurbG bestandskräftig ermittelten Wert in Ansatz. Folgerichtig trifft das angegriffene Urteil keine Feststellungen zum Volumen abbaufähiger Schiefervorkommen; auf die Bewertungsmaßstäbe dafür kam es ihm zufolge nicht an.

7 Die Frage,
ob die unterschiedliche Genehmigungsfähigkeit des Abbaus eines Bodenschatzes im Abfindungs- und Wertgrundstück bei der Bestimmung der Wertgleichheit und der Anwendung der Bewertungsmaßstäbe von § 28 Abs. 1 Flurbereinigungsgesetz eine Abweichung von diesem Bewertungsmaßstab rechtfertigt,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Oberverwaltungsgericht nicht von einer unterschiedlichen Genehmigungsfähigkeit des Abbaus von Bodenschätzen auf den beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücken ausgegangen ist. Einen auf entsprechende Tatsachenfeststellungen gerichteten Beweisantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls nicht gestellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. April 2020 - 4 B 49.18 - juris Rn. 6).

8 2. Auch die von der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

9 a) Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO nicht verletzt. Dieses Recht gewährleistet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen äußern können. Daraus folgt keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Nur wenn das Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht, ist es zu einem vorherigen Hinweis verpflichtet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> sowie Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 - 1 BvR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - 2 B 12.16 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 64 Rn. 12). Danach besteht keine Hinweispflicht, wenn das Gericht der rechtlichen Einschätzung in dem angegriffenen Bescheid folgt. Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter muss damit rechnen, dass die behördliche Rechtsauffassung bestätigt wird.

10 b) Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht den Kläger nicht dadurch seinem gesetzlichen Richter entzogen, dass es das Verfahren nicht dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Klärung der Bedeutung der Eigentumsfreiheit der Grundrechtecharta vorgelegt hat. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass Entscheidungen im Rahmen der Flurbereinigung als Durchführung von Unionsrecht im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRC einzuordnen und deshalb an den Grundrechten der Grundrechtecharta zu messen wären.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.