Beschluss vom 10.12.2021 -
BVerwG 8 B 9.21ECLI:DE:BVerwG:2021:101221B8B9.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.12.2021 - 8 B 9.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:101221B8B9.21.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 9.21

  • VG Berlin - 25.11.2020 - AZ: VG 29 K 99.19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Dezember 2021
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock sowie
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller und Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. November 2020 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beigeladene zu 1 beantragte die Restitution des Unternehmens B. AG und des von 1906 bis 1949 zu 19/20 zum Unternehmensvermögen gehörenden Grundstücks C.straße ... Ecke M.str. ... in Berlin. Das Grundstück wurde 1994 zunächst dem Land Berlin zugeordnet, 1996 von diesem investiv veräußert und 1997 schließlich der Beklagten zugeordnet. Daraufhin kehrte das Land Berlin den erzielten Verkaufserlös an die Beklagte aus. Mit Bescheiden vom 26. Februar 2004 und vom 2. März 2004 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen / Landesausgleichsamt den Antrag der Beigeladenen zu 1 auf Rückübertragung des Grundstücks sowie des Unternehmens ab und stellte zugleich fest, dass der Beigeladenen zu 1 für 60 % der Anteile an dem Unternehmen Entschädigung zusteht. Außerdem stellte es fest, dass das Grundstück zum Zeitpunkt der Anteilsschädigung Bestandteil des Unternehmensvermögens war. Mit Bescheid vom 4. April 2019 stellte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen die Berechtigung der Beigeladenen zu 1 hinsichtlich des Grundstücks in Höhe der entzogenen Beteiligung von 60 % fest, nahm die Bescheide vom 26. Februar 2004 und vom 2. März 2004 insoweit zurück und verpflichtete das Land Berlin zur Zahlung des anteiligen Verkaufserlöses bzw. Verkehrswertes an die Beigeladene zu 1. Gegen diesen Bescheid haben die Klägerin - VG 29 K 99.19 - und das Land Berlin - VG 29 K 84.19 - jeweils gesondert Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat beide Klagen jeweils mit Urteil vom 25. November 2020 abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

2 Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Das setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 a) Die Fragen,
ob die Bruchteilsrestitution als ergänzende Singularrestitution einzelner zum Beteiligungsunternehmen gehörender Vermögenswerte voraussetzt, dass auch der Anspruch auf Rückgabe einer entzogenen Beteiligung innerhalb der Ausschlussfrist ordnungsgemäß angemeldet worden ist,
und
ob es für eine ordnungsgemäße Anmeldung eines Bruchteilsrestitutionsanspruchs ausreicht, dass die fristgemäße Anmeldung lediglich ein Grundstück benennt, ohne zugleich einen Hinweis auf eine entzogene Beteiligung zu enthalten,
sind in dem angestrebten Revisionsverfahren weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Sie waren für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, weil es davon ausgegangen ist, dass sowohl die entzogene Unternehmensbeteiligung als auch das Grundstück selbst ordnungsgemäß angemeldet worden sind.

5 Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass vermögensrechtliche Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG der Anmeldefrist nach § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG unterliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. September 2011 - 8 B 15.11 - ZOV 2011, 226 Rn. 4). Die Frist ist gewahrt, wenn der Vermögenswert, dessen Restitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG begehrt wird, und die Person, welche die Restitution beansprucht, innerhalb der Frist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG so konkret bezeichnet werden, dass Anspruchsteller und Anspruchsgegenstand zumindest im Wege der Auslegung ermittelt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2000 - 8 C 28.99 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 40 S. 33). Weil der Gesetzgeber Ansprüche wegen der Entziehung einer Beteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG erst 1997 und damit nach Ablauf der Anmeldefrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG geregelt hat, genügt es zur Wahrung der Anmeldefrist für diese Ansprüche auch, dass - bereits vor Ablauf der Anmeldefrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG bestehende - vermögensrechtliche Ansprüche wegen der Entziehung von Anteilen an einem Unternehmensträger fristgemäß angemeldet wurden, zu dessen Vermögen der im Wege der Bruchteilsrestitution begehrte Vermögenswert gehört hat (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. April 2009 - 8 C 5.08 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 50 und Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 - 8 C 22.09 - juris Rn. 4 ff. und vom 9. September 2011 - 8 B 15.11 - a.a.O.).

6 b) Die Frage,
ob eine unzulässige Doppelentschädigung vorliegt, wenn Ansprüche wegen der Entziehung einer Beteiligung vollständig nach Bundesrückerstattungsgesetz oder einem entsprechenden Wiedergutmachungsvergleich entschädigt und abgegolten worden sind, die Bruchteilsrestitution aber in Höhe der entzogenen Beteiligungsquote erfolgt und insoweit die bereits erfolgte Wiedergutmachung nicht berücksichtigt,
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das angefochtene Urteil geht davon aus, dass sich die im Jahr 1957 erfolgte Wiedergutmachung nicht auf das Grundstück beziehen konnte, weil dieses bereits 1949 in Volkseigentum überführt worden war. Deshalb war für das Verwaltungsgericht die Frage einer unzulässigen Doppelentschädigung in diesem Zusammenhang nicht erheblich.

7 c) Die Fragen,
ob die Beigeladene zu 1 als Berechtigte eines Bruchteilsrestitutionsanspruchs nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG ausgeschlossen ist, wenn die jüdischen Berechtigten wegen der entzogenen Beteiligung in Wiedergutmachungsverfahren in der Nachkriegszeit durch Übertragung von Aktien oder einer Geldleistung in Höhe des Nominalbetrages der entzogenen Aktien entschädigt wurden und im Wiedergutmachungsvergleich einer Abgeltungsklausel zugestimmt haben, wonach die vergleichsweise vereinbarte Entschädigungsleistung zur Abgeltung aller den Antragstellern bezüglich der Aktien zustehenden Ansprüche dient, welcher Art diese Ansprüche auch sein mögen und auf Grund welcher jetzigen und zukünftigen Gesetze diese Ansprüche auch beruhen mögen,
sowie
ob ein von den jüdischen Berechtigten in Wiedergutmachungsverfahren in der Nachkriegszeit geschlossener Vergleich mit dem der Entzug einer Unternehmensbeteiligung durch Übertragung von Aktien oder einer Geldleistung in Höhe des Nominalbetrages der entzogenen Aktien entschädigt wurde und in dem eine Abgeltungsklausel enthalten ist, wonach die vergleichsweise vereinbarte Entschädigungsleistung zur Abgeltung aller den Antragstellern bezüglich der Aktien zustehenden Ansprüche dient, welcher Art diese Ansprüche auch sein mögen und auf Grund welcher jetzigen und zukünftigen Gesetze diese Ansprüche auch beruhen mögen, insoweit Bindungswirkung entfaltet, dass die Beigeladene zu 1 als Berechtigte nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG von Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist,
können nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Sie sind nicht klärungsfähig, weil sie nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden können. Die Klägerin knüpft an konkrete Umstände des Einzelfalls an und übt der Sache nach lediglich Kritik an dem Urteil der Vorinstanz, ohne eine darüber hinausgehende Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen darzulegen. Abgesehen davon hat sich das Verwaltungsgericht weder mit dem im Wiedergutmachungsverfahren geschlossenen Vergleich noch mit der von der Klägerin angenommenen Abgeltungsklausel im Einzelnen befasst, so dass die aufgeworfenen Fragen für das Verwaltungsgericht nicht erheblich waren.

8 d) Die Frage,
ob Antragsteller auf Ansprüche nach dem Vermögensgesetz schon vor dessen Inkrafttreten wirksam verzichten können und - ggf. - ob ein solcher Verzicht zum Ausschluss der Berechtigung der Beigeladenen zu 1 nach § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG führt,
ist ebenfalls nicht klärungsfähig. Sie geht von einem Sachverhalt aus, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat. Es hat lediglich festgestellt, dass es in der Nachkriegszeit zu diversen Wiedergutmachungsverfahren sowie zu mehreren Vergleichen gekommen ist. Einen Verzicht auf Ansprüche nach dem Vermögensgesetz vor dessen Inkrafttreten hat es hingegen nicht angenommen.

9 e) Die Frage,
ob es ermessensfehlerhaft ist, wenn Restitutionsbehörden bei Rücknahmen rechtswidriger Ablehnungen von Rückübertragungsansprüchen bei der Interessenabwägung im Rahmen des von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffneten Ermessens nicht berücksichtigen, dass der Antragsteller es in Kenntnis oder jedenfalls in vorwerfbarer Unkenntnis der Rechtslage unterlassen hat, gegen den ihn belastenden Bescheid Rechtsmittel einzulegen,
war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte hat im Rahmen der Ermessensausübung eine vorwerfbare Versäumnis der Beigeladenen zu 1, gegen die Bescheide vom 26. Februar 2004 und 2. März 2004 vorzugehen, verneint. Das Verwaltungsgericht hat auch im Hinblick darauf die Ermessenserwägungen in dem angefochtenen Bescheid für fehlerfrei gehalten und namentlich nicht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 es in Kenntnis oder jedenfalls in vorwerfbarer Unkenntnis der Rechtslage unterlassen habe, gegen die genannten Bescheide Rechtsmittel einzulegen.

10 f) Die weiter aufgeworfenen Fragen,
ob die Restitutionsbehörde sich durch Rücknahme einer rechtswidrigen Ablehnungsentscheidung über den in der Entscheidung des Antragstellers, den rechtswidrigen Ablehnungsbescheid in Bestandskraft erwachsen zu lassen, indem er in Kenntnis oder vorwerfbarer Unkenntnis der Rechtswidrigkeit zulässige Rechtsmittel nicht in Anspruch nimmt, zum Ausdruck kommenden Willen hinwegsetzen darf,
ob diese Frage anders zu beurteilen ist, wenn es sich bei dem Antragsteller um eine Nachfolgeorganisation des Rückerstattungsrechts oder die Beigeladene zu 1 handelt,
ob das von § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnete Ermessen der Restitutionsbehörde durch die in der unterlassenen Rechtsmitteleinlegung liegende Willensäußerung des Antragstellers, den rechtswidrigen Ablehnungsbescheid in Bestandskraft erwachsen zu lassen, trotz der Bindung von Trägern öffentlicher Verwaltung an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf null reduziert ist,
und
ob diese Frage anders zu beurteilen ist, wenn die unterbliebene Rücknahme dazu führte, dass der von der Ablehnung des Antrags betroffene Vermögensgegenstand oder der hierfür auszukehrende Veräußerungserlös ansonsten beim "Bund" - Bundesrepublik Deutschland oder rechtsfähigen Bundesbehörden - als dem in der Nachfolge des früheren Verfolgers stehenden Rechtsträgers verbliebe,
sind in dem angestrebten Revisionsverfahren ebenfalls nicht klärungsfähig. Sie gehen von einem Sachverhalt aus, den das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Es ist nicht davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1 in Kenntnis oder vorwerfbarer Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Bescheide die Einlegung von Rechtsmitteln unterlassen hat. Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Ermessensausübung den Verbleib des Veräußerungserlöses beim Bund als Folge einer unterbliebenen Rücknahme in den Blick genommen habe, zeigt die Beschwerde einen auf diese - ersichtlich an die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls anknüpfende - Erwägung bezogenen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf.

11 2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung eines Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss hierauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht aufgestellt haben, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 2021 - 8 B 7.21 - juris Rn. 7). So aber liegt der Fall hier.

12 Die Klägerin arbeitet keinen das angefochtene Urteil tragenden Rechtssatz heraus, der von einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abwiche. Vielmehr fasst sie die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ordnungsgemäßheit von Anmeldungen nach dem Vermögensgesetz in seinen Urteilen vom 23. Oktober 2003 - 7 C 62.02 - (BVerwGE 119, 145), vom 24. November 2004 - 8 C 15.03 - (BVerwGE 122, 219) und vom 28. November 2007 - 8 C 12.06 - (Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 41) zusammen und kritisiert lediglich die Anwendung der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts im konkreten Einzelfall.

13 3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

14 a) Ein Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen § 86 Abs. 1 VwGO ist nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Wird die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO geltend gemacht, muss der Rechtsmittelführer substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 29). Dies leistet die Beschwerde nicht.

15 Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, wann die Anmeldung der Rückgabe der entzogenen Beteiligung und des Anspruchs auf Bruchteilsrestitution erfolgt und ob sie fristwahrend und ordnungsgemäß gewesen sei, ist kein Aufklärungsmangel dargetan. Die Klägerin legt nicht dar, welche Aufklärungsmaßnahmen aus ihrer Sicht geboten gewesen wären, welche Ergebnisse diese voraussichtlich erbracht hätten und inwiefern diese die Annahme des Verwaltungsgerichts, es läge eine fristwahrende und auch sonst ordnungsgemäße Anmeldung vor, hätten in Frage stellen können. Weshalb sich solche Ermittlungen dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen, wird ebenfalls nicht erläutert.

16 Gleiches gilt für die Rüge, das Verwaltungsgericht habe Gegenstand und Umfang der Wiedergutmachungsvergleiche nicht weiter aufgeklärt. Insoweit benennt die Klägerin mit dem Begehren, die Akten aus dem Wiedergutmachungsverfahren vor dem Wiedergutmachungsamt bei dem Landgericht Hamburg, archiviert beim Staatsarchiv Hamburg unter 213-13/4943 und die Prozessakten aus dem Verfahren vor der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts Hamburg 1 Wik 23/1952 beizuziehen, zwar konkrete Aufklärungsmaßnahmen, die das Verwaltungsgericht ihrer Meinung nach hätte vornehmen müssen. Sie erläutert aber nicht, weshalb sich die Beiziehung dieser Unterlagen dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen. Dafür bestand umso mehr Anlass, als sich jedenfalls Auszüge aus den benannten Akten bereits bei den Verwaltungsvorgängen befinden, die dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung vorlagen (u.a. Bl. 317 bis 394 des Verwaltungsvorgangs 6806/04 Band I).

17 b) Die Revision ist nicht wegen eines Verstoßes des Verwaltungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung ist erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind. Diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 - 8 B 12.18 - juris Rn. 23 und vom 30. Januar 2020 - 8 B 35.19 - ZOV 2020, 70 Rn. 8).

18 Die Klägerin legt einen solchen Verfahrensfehler nicht dar. Ihr Vortrag, das Urteil verstoße gegen den Überzeugungsgrundsatz, weil es lediglich die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Antrag wiederhole und weder den Inhalt der Globalanmeldung ANM-3 wiedergebe noch sonst die Tatsachengrundlage offenbare, auf der es zur Überzeugung gelangt sei, dass die in der genannten Globalanmeldung in Bezug genommenen Akten des Oberfinanzpräsidenten auf die jüdische Beteiligung an einem Unternehmen und deren Verlust hinführten, setzt sich nicht in der durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit dem Inhalt der von dem Verwaltungsgericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge auseinander. Diese enthalten Kopien der durch die Globalanmeldung ANM-3 in Bezug genommenen Akten des Oberfinanzpräsidenten von Berlin (VV 104781, Band IV). Dort findet sich unter anderem ein Hinweis auf eine Arisierung der B. AG (Bl. 4), ein Hinweis darauf, dass G. H. Inhaber eines Aktienpakets an dieser Gesellschaft war (Bl. 75), die Mitteilung, dass er von Dr. K. H. beerbt (Bl. 59) und dass dieser 1942 im Konzentrationslager Mauthausen ermordet wurde und sein Vermögen nach der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 als Vermögen eines Juden als dem Reich verfallen galt (Bl. 37). Weshalb unter anderem diese Informationen keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme eines Hinführens von Unterlagen auf die jüdische Beteiligung an einem Unternehmen und deren Verlust im Sinne der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darstellen sollen, erläutert die Klägerin nicht. Sie legt zudem nicht dar, weshalb das Verwaltungsgericht den Umstand, dass die Globalanmeldung ANM-3 auf die Akten des Oberfinanzpräsidenten von Berlin verweist, näher hätte begründen müssen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2006 - 8 C 3.06 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 39 Rn. 21).

19 Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Einwand der Klägerin auseinandergesetzt, nicht der Nennwert der Aktien, sondern der Wert der Beteiligung sei entschädigt worden, wird ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht dargelegt. Die Klägerin erläutert insoweit nicht, weshalb die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Wiedergutmachung in der Nachkriegszeit habe nicht auch den Wert des streitgegenständlichen Grundstücks umfasst, mit dem Akteninhalt nicht übereinstimmen sollte, sondern beanstandet allein die materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht.

20 Sollte dieser Vortrag zugleich als Rüge der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör zu verstehen sein, läge ein solcher Verstoß nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen in seinen Urteilsgründen auseinandergesetzt (UA S. 14, 3. Absatz), ist ihm aber nicht gefolgt.

21 c) Die Rüge, das Urteil sei im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, greift ebenfalls nicht durch. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift - und damit zugleich ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - liegt nicht nur dann vor, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind. § 138 Nr. 6 VwGO ist schon dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 8 B 94.09 - juris Rn. 13 m.w.N.). So liegt der Fall hier nicht. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen einer ausreichenden Anmeldung verstoßen nicht gegen § 138 Nr. 6 VwGO. Sie sind trotz ihrer Kürze nicht sachlich inhaltslos, sondern nehmen Bezug auf die im Einzelnen konkret benannten Anmeldeschreiben und Präzisierungsschreiben der Beigeladenen zu 1, auf die das Verwaltungsgericht die Annahme einer ordnungsgemäßen Anmeldung gestützt hat.

22 d) Die Rüge der Klägerin, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verstoß gegen § 64 VwGO i.V.m. § 62 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO, greift nicht durch. Die Klägerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe ihre Klage sowie diejenige des Landes Berlin, die sich ebenfalls gegen den angegriffenen Bescheid gerichtet habe, nicht in getrennten Verfahren entscheiden dürfen, weil sie und das Land Berlin als unechte notwendige Streitgenossen anzusehen seien. Ob dieser Vortrag zutrifft, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil das Urteil auf dem geltend gemachten Verstoß gegen § 64 VwGO i.V.m. § 62 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO - selbst wenn er vorläge - nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen könnte. Ein Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Gericht ohne den Verfahrensfehler zu einem sachlich günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 132 Rn. 56). Das ist hier schon deswegen ausgeschlossen, weil das Verwaltungsgericht mit Urteil vom gleichen Tag auch die Klage des Landes Berlin gegen den Bescheid vom 4. April 2019 abgewiesen hat.

23 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 3 GKG.