Beschluss vom 18.07.2013 -
BVerwG 9 B 7.13ECLI:DE:BVerwG:2013:180713B9B7.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.07.2013 - 9 B 7.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:180713B9B7.13.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 7.13

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 15.11.2012 - AZ: OVG 11 D 91/10.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. November 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.

2 1. Die Voraussetzungen einer Zulassung wegen entscheidungserheblicher Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind nicht erfüllt. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Dagegen genügt es nicht, eine bloß fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung derartiger Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts aufzuzeigen (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

3 Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht weiche dadurch vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - (BVerwGE 100, 238) ab, dass es die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht angesprochen und damit ihren Einfluss auf die Abwägung nicht erkannt habe. Ein vom Oberverwaltungsgericht aufgestellter abstrakter Rechtssatz, der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht, ist damit nicht bezeichnet. Allein der Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung in den Urteilsgründen nicht eingegangen ist, lässt auch nicht den Schluss zu, das Gericht sei konkludent von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass nach dem Klagevorbringen oder aus sonstigen Gründen Anlass für das Oberverwaltungsgericht bestanden hätte, auf die Umweltverträglichkeitsprüfung einzugehen. Dies gilt auch für die Planänderung vom 14. Juli 2008. Soweit die Beschwerde meint, die Planfeststellungsbehörde habe die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung hinsichtlich der Änderungsplanung zu Unrecht für entbehrlich gehalten, weshalb die Abwägung fehlerhaft sei, trifft dies schon im Ausgangspunkt nicht zu. Auf Seite 25 des Planfeststellungsbeschlusses wird nicht - wie die Beschwerde meint - die Notwendigkeit einer auf die Planänderung bezogenen (erneuten) Umweltprüfung verneint, sondern die Planfeststellungsbehörde kommt zu dem Ergebnis, dass die Planänderung zu keinen zusätzlichen oder anderen erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt führe, weswegen von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden könne.

4 Das Oberverwaltungsgericht ist bei der Alternativenprüfung nicht von den im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 1996 (a.a.O. Rn. 249 f.) aufgestellten Grundsätzen abgewichen, sondern hat diese ausdrücklich in die angefochtene Entscheidung übernommen und seiner Würdigung der Alternativenprüfung zugrunde gelegt. Mit dem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sich die Planung der Anschlussstelle am Standort B. Straße als Alternative aufdränge, kritisiert die Beschwerde die angegriffene Entscheidung als inhaltlich fehlerhaft, was eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht begründen kann.

5 Die Beschwerde rügt außerdem, das Oberverwaltungsgericht weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 16.03 - (juris Rn. 29) ab, wenn es die Ansicht vertrete, selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt werde, der Abwägungsvorgang sei hinsichtlich der geltend gemachten Existenzgefährdung des Klägers fehlerhaft, und weiter angenommen werde, dass dieser Fehler auch offensichtlich war, bestünde gleichwohl nicht die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung in der Sache. Eine Divergenz besteht jedoch auch insoweit nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat auch in diesem Punkt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend erkannt und seiner Einschätzung zugrunde gelegt. Erneut wendet sich die Beschwerde mit ihrer Rüge gegen die rechtlichen Schlussfolgerungen, die das Gericht aus seinen tatsächlichen Feststellungen gezogen hat.

6 Mit einer weiteren Divergenzrüge macht die Beschwerde geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche, wenn es davon ausgehe, dass die Zufahrt zu dem Hof des Klägers über die D. Straße möglich sei, von den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zum Umfang der Ermittlung des abwägungserhebIichen Sachverhalts (Urteile vom 15. April 1977 - BVerwG 4 C 100.74 - BVerwGE 52, 237 <244 f.> und vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <171>) ab. Auch insoweit erschöpft sich das Vorbringen in der Kritik an der Tatsachenfeststellung und der Würdigung des festgestellten Sachverhaltes, ohne eine Abweichung bezüglich eines Rechtssatzes darzutun. Entsprechendes gilt für die Rüge, das Oberverwaltungsgericht weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208) ab, indem es trotz Überschreitung der Grenzwerte für Dorfgebiete passiven Lärmschutz für ausreichend erachte. Auch mit dem Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die mit dem Autobahnzubringerverkehr verbundenen Gefahren für die Ein- und Ausfahrt auf das Hofgelände des Klägers nicht richtig eingeschätzt, legt die Beschwerde eine Abweichung nicht dar, sondern wendet sich gegen die Tatsachenermittlung und -würdigung.

7 2. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch. Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit den Divergenzrügen jeweils pauschal auch eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) bzw. des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) rügt, sind die Verfahrensfehler nicht substantiiert dargelegt. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung entsprechende Beweisanträge nicht gestellt hat, hätte er in der Beschwerdebegründung im Einzelnen darlegen müssen, warum sich dem Gericht - ausgehend von dessen Rechtsauffassung - die Erforderlichkeit von Beweiserhebungen hätte aufdrängen müssen. Das Vorbringen der Beschwerde erschöpft sich dagegen darin, die Tatsachenfeststellung und -würdigung als falsch zu rügen.

8 Auch die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe gegen das Verbot der Vorwegnahme der Beweiswürdigung verstoßen, indem es davon ausgegangen sei, es habe hinsichtlich der Existenzgefährdung nicht die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung bestanden, greift nicht durch. Die Beschwerde legt schon nicht dar, dass insoweit Beweisanträge vom Kläger gestellt worden sind oder sonst eine Beweisaufnahme geboten gewesen wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Überzeugung aus der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses gewonnen. Dies ist nicht zu beanstanden.

9 Als weiteren Verstoß gegen § 86 Abs. 1·VwGO rügt die Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe die Auswirkungen der durch den zunehmenden Verkehr verursachten Erschütterungen auf den Rinderbestand des Klägers nicht untersucht. Mit diesem Vorbringen wird ein Aufklärungsmangel nicht hinreichend gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet. Das Oberverwaltungsgericht hat eine signifikante Erhöhung der Gefahr von Erschütterungen für den Betrieb des Klägers infolge des Baus der Anschlussstelle mangels Substantiierung verneint und in diesem Zusammenhang auf die Vorbelastung des Anwesens des Klägers durch den (LKW-)Verkehr auf der vorhandenen L 90 hingewiesen. Es wäre angesichts dessen Sache der Beschwerde gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, was der Kläger in der Vorinstanz zu diesem Punkt vorgetragen hat und warum angesichts dieses Vortrages das Oberverwaltungsgericht nicht zu dem Schluss einer fehlenden Substantiierung hätte kommen dürfen. Hierzu wäre auch erforderlich gewesen darzutun, in welcher Weise der Kläger in der Vorinstanz auf die Vornahme der aus seiner Sicht erforderlichen Sachaufklärung hingewirkt hat oder aufgrund welchen Vorbringens sich dem Gericht Sachverhaltsermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.). Der bloße Hinweis auf die prognostizierte Verkehrszunahme genügt insoweit nicht.

10 Mit ihrer Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt, weil es dem Kläger keine Möglichkeit eingeräumt habe, zu den in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgelegten lärmtechnischen Untersuchungen und den danach zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen vorzutragen, kann die Beschwerde schon deswegen keinen Erfolg haben, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich der Sitzungsniederschrift des Oberverwaltungsgerichts weder Vertagung (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO) noch Schriftsatznachlass (§ 283 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO) beantragt hatte. Eine Verpflichtung, einem Prozessbeteiligten von Amts wegen eine Äußerungsfrist einzuräumen, besteht nicht.

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.