Verfahrensinformation

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2016 (Verfahren BVerwG 9 C 7.18) und 2017 (Verfahren BVerwG 9 C 6.18). Im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde Lindwedel, die Mitgliedsgemeinde der beklagten niedersächsischen Samtgemeinde Schwarmstedt ist, gehört ihnen ein selbst genutztes Wochenendhaus.


Nach der Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde bemisst sich die Steuer nach dem Mietwert der Wohnung und als Mietwert gilt die Jahresrohmiete, die im Rahmen der Objektbewertung durch das Finanzamt festgestellt und im jeweiligen Einheitswertbescheid ausgewiesen worden ist. Diese nach den Vorgaben des Bewertungsgesetzes auf den Zeitpunkt 1. Januar 1964 festgestellte Jahresrohmiete wird für das Erhebungsjahr jeweils anhand des vom Statistischen Bundesamts veröffentlichten Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet hochgerechnet. Wenn eine Jahresrohmiete nicht bekannt ist, wird sie nach der Satzung in Anlehnung an die Miete, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung zum 1. Januar 1964 regelmäßig bezahlt wird, geschätzt und entsprechend hochgerechnet. Der Steuersatz beträgt 12 % des so festgestellten Mietwerts.


Mit Urteil vom 10. April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig sind, weil das Aussetzen der im Recht der Einheitsbewertung ursprünglich vorgesehenen periodischen Hauptfeststellung seit dem Jahr 1964 bei der Grundsteuer zwangsläufig in zunehmendem Umfang zu nicht mehr hinnehmbaren Ungleichbehandlungen führt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in seinen Berufungsurteilen vom 20. Juni 2018 die Auffassung vertreten, für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer sei der an den Mietwert vom 1. Januar 1964 anknüpfende Steuermaßstab gleichwohl weiterhin geeignet, den mit der Nutzung einer Zweitwohnung typischerweise betriebenen Aufwand generalisierend, aber doch hinreichend realitätsnah darzustellen. Hiergegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Kläger.


Pressemitteilung Nr. 88/2019 vom 28.11.2019

Zweitwohnungssteuer: Keine Übergangsfrist für rechtswidrige Satzung

Wird eine kommunale Abgabensatzung (hier zur Zweitwohnungssteuer) im gerichtlichen Verfahren als rechtswidrig erkannt, darf sie auch nicht übergangsweise als wirksam behandelt werden. So entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.


Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts betreffen die niedersächsische Gemeinde Lindwedel (BVerwG 9 C 6.18 und 7.18) sowie die schleswig-holsteinischen Gemeinden Friedrichskoog (BVerwG 9 C 3.19) und Timmendorfer Strand (BVerwG 9 C 4.19). Diese Gemeinden erheben Zweitwohnungssteuern, jeweils bemessen anhand der mit dem Verbraucherindex hochgerechneten Jahresrohmiete nach den Wertverhältnissen im Jahr 1964. Dieser Maßstab lehnt sich an die bisherige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer an.


Das Bundesverfassungsgericht hat den betreffenden Steuermaßstab für die Grundsteuer durch Urteil vom 10. April 2018 beanstandet, weil die Anknüpfung an die Wertverhältnisse von 1964 zu erheblichen Verzerrungen führt. Ob die Gründe dieses Urteils auch auf die Zweitwohnungssteuer übertragbar sind, war aber umstritten. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig bejahte dies und hob die hier umstrittenen Steuerbescheide auf. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied dagegen zugunsten der Gemeinde. Beide Oberverwaltungsgerichte ließen im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen die Revision zu.


Während der laufenden Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht befand das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2019, dass die Feststellung der Jahresrohmiete für Zwecke der Zweitwohnungssteuer ebenfalls verfassungswidrig ist. Allerdings gewährte es den an den verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligten (bayerischen) Gemeinden eine Übergangsfrist zur weiteren Anwendbarkeit ihrer Satzungen bis zum 31. März 2020.


Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich der Streit vor dem Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf, ob die hier betroffenen Gemeinden die Fortgeltung ihrer fehlerhaften Steuersatzungen übergangsweise beanspruchen können. Dies ist nicht der Fall. Anders als das Bundesverfassungsgericht sind die Verwaltungsgerichte zu einer derartigen Fortgeltungsanordnung nicht befugt. Sie sind vielmehr verpflichtet, angefochtene Steuerbescheide aufzuheben, wenn diese keine Grundlage in einer rechtmäßigen Satzung finden und deshalb die Steuerschuldner in ihren Rechten verletzen.


Unzumutbare Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt sind dadurch regelmäßig und auch hier nicht zu befürchten. Denn für die Vergangenheit sind nur die noch konkret angefochtenen Bescheide betroffen. Es besteht keine Verpflichtung, unanfechtbare Bescheide zu überprüfen und anzupassen. Gegebenenfalls sind die Kommunen im Übrigen berechtigt, eine ungültige Satzung rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen und auf dieser Grundlage Steuern auch für einen zurückliegenden Zeitraum neu zu erheben. 


BVerwG 9 C 6.18 - Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 9 LB 123/17 - Urteil vom 20. Juni 2018 -

VG Lüneburg, 2 A 45/17 - Urteil vom 20. April 2017 -

BVerwG 9 C 7.18 - Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Lüneburg, 9 LB 124/17 - Urteil vom 20. Juni 2018 -

VG Lüneburg, 2 A 180/16 - Urteil vom 20. April 2017 -

BVerwG 9 C 3.19 - Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 90/18 - Urteil vom 30. Januar 2019 -

VG Schleswig, 2 A 134/15 - Urteil vom 19. Juli 2016 -

BVerwG 9 C 4.19 - Urteil vom 27. November 2019

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 92/18 - Urteil vom 30. Januar 2019 -

VG Schleswig, 2 A 96/14 - Urteil vom 05. April 2016 -


Urteil vom 27.11.2019 -
BVerwG 9 C 6.18ECLI:DE:BVerwG:2019:271119U9C6.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.11.2019 - 9 C 6.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:271119U9C6.18.0]

Urteil

BVerwG 9 C 6.18

  • VG Lüneburg - AZ: VG 2 A 45/17
  • OVG Lüneburg - 20.06.2018 - AZ: OVG 9 LB 123/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini
und Dr. Dieterich
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2018 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 20. April 2017 werden geändert. Der Steuerbescheid der Beklagten vom 12. Januar 2017 wird aufgehoben.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2017.

2 Sie haben ihren Hauptwohnsitz in der Stadt G. In der Gemeinde L., die Mitgliedsgemeinde der beklagten Samtgemeinde ist, gehört ihnen ein selbstgenutztes Wochenendhaus.

3 Die Gemeinde L. erhebt eine Zweitwohnungssteuer auf der Grundlage ihrer Zweitwohnungssteuersatzung in der Fassung der Änderungssatzung vom 3. November 2015 (ZwStS). Die Steuer bemisst sich gemäß § 5 Abs. 1 ZwStS nach dem Mietwert der Wohnung. § 5 Abs. 2 bis 5 ZwStS lauten:
(2) Als Mietwert gilt die Jahresrohmiete, die im Rahmen der Objektbewertung durch das Finanzamt festgestellt und im jeweiligen Einheitswertbescheid an den Ersteigentümer ausgewiesen worden ist. § 79 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991 (BGBl. I S. 230) in der zur Zeit gültigen Fassung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Jahresrohmieten, die gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl. I S. 851) vom Finanzamt auf die Wertverhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunkts 1. Januar 1964 festgestellt wurden, jeweils für das Erhebungsjahr auf den September des Vorjahres hochgerechnet werden.
Die Hochrechnung erfolgt bis Januar 1995 entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten (Bruttokaltmiete) nach dem Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im früheren Bundesgebiet, der vom statistischen Bundesamt veröffentlicht wird.
Ab Januar 1995 erfolgt die Hochrechnung entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten (Nettokaltmiete) nach dem Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet, der vom statistischen Bundesamt veröffentlicht wird.
Festsetzungen in DM werden entsprechend in Euro umgerechnet.
(3) Ist die Jahresrohmiete nach Absatz 2 nicht bekannt, wird sie in Anlehnung an die Miete, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 regelmäßig bezahlt wird, geschätzt und entsprechend Absatz 2 hochgerechnet.
(4) Ist eine Mietfestsetzung nach vorstehenden Absätzen nicht möglich, gilt als Mietwert die übliche Miete i.S. des § 79 Abs. 2 BewG.
(5) Ist auch die übliche Miete nicht zu ermitteln, so treten an deren Stelle (6 v.H.) des gemeinen Wertes der Wohnung. § 9 BewG findet entsprechende Anwendung.

4 Mit Bescheid vom 12. Januar 2017 zog die Beklagte die Kläger zur Zweitwohnungssteuer in Höhe von 262,94 € heran. Die hiergegen erhobene Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung der Kläger mit Urteil vom 20. Juni 2018 zurück. Es hielt den an die Jahresrohmiete zum 1. Januar 1964 anknüpfenden Steuermaßstab auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 (- 1 BvL 11/14 u.a. - BVerfGE 148, 147) zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung für zulässig, ließ jedoch unter Hinweis auf dieses Urteil die Revision zu.

5 Mit Kammerbeschluss vom 18. Juli 2019 (- 1 BvR 807/12 und 1 BvR 2917/13 -, juris) erkannte das Bundesverfassungsgericht zu den Zweitwohnungssteuersatzungen zweier bayerischer Gemeinden, dass die Bemessung einer Zweitwohnungssteuer nach dem Maßstab einer auf den 1. Januar 1964 festgestellten Jahresrohmiete mit dem Grundsatz der Lastengleichheit bei der Besteuerung nicht vereinbar und seit dem Jahr 2009 verfassungswidrig ist. Gleichzeitig ordnet es für die von den dortigen Verfassungsbeschwerden betroffenen Steuersatzungen deren Fortgeltung bis zum 31. März 2020 an.

6 Zur Begründung ihrer Revision beziehen sich die Kläger auf den vorgenannten Beschluss. Aus diesem ergebe sich die Verfassungswidrigkeit auch der streitgegenständlichen Satzung. Anders als das Bundesverfassungsgericht seien die Verwaltungsgerichte aber nicht zur Anordnung der Fortgeltung einer verfassungswidrigen Satzung berechtigt. Die Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlange die Aufhebung von Bescheiden, die auf einer verfassungswidrigen Satzungsgrundlage beruhen.

7 Die Kläger beantragen,
das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2018 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 20. April 2017 zu ändern und den Steuerbescheid der Beklagten vom 12. Januar 2017 aufzuheben.

8 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9 Sie macht geltend, auch die Verwaltungsgerichte seien in Ausnahmefällen zu einer auf die Vergangenheit begrenzten Fortgeltungsanordnung für eine rechtswidrige Satzungsbestimmung befugt. Eine solche Anordnung sei hier im Hinblick auf das Vertrauen der Kommunen auf die Zulässigkeit des Steuermaßstabs der indexierten Jahresrohmiete und wegen ansonsten drohender Einnahmeverluste gerechtfertigt.

II

10 Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO, 1.). Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar; das Bundesverwaltungsgericht kann in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid unter Abänderung der vorinstanzlichen Urteile aufheben (2.).

11 1. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht, soweit es den in § 5 Abs. 2 und 3 ZwStS der Gemeinde L. geregelten Steuermaßstab der "indexierten Jahresrohmiete" mit dem Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) für vereinbar hält und den angefochtenen Bescheid auf diese Satzungsgrundlage stützt (a); eine Fortgeltungsanordnung für die verfassungswidrige Satzungsbestimmung kommt nicht in Betracht (b).

12 1. Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt stets auch eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage. Der Normgeber hat für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange diese nur prinzipiell dazu geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen. Bei der Wahl des geeigneten Maßstabs darf sich der Gesetzgeber auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, die je nach Zahl der zu erfassenden Bewertungsvorgänge an Bedeutung gewinnen und so auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen rechtfertigen können, dabei aber deren verfassungsrechtliche Grenzen wahren müssen (stRspr des BVerfG, vgl. Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvL 11/14 - BVerfGE 148, 147 Rn. 96 ff.; Kammerbeschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvR 807/12 und 1 BvR 2917/13 - juris Rn. 29, jeweils m.w.N.).

13 Bei der Bemessung einer Zweitwohnungssteuer nach der auf den 1. Januar 1964 festgestellten Jahresrohmiete gemäß § 79 BewG kommt es durch erhebliche Wertverzerrungen zu Ungleichbehandlungen, die vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr gerechtfertigt sind. Da die Verwendung dieses Maßstabs ganz generell keine realitätsnahe und relationsgerechte Bewertung mehr ermöglicht, können jedenfalls seit dem Jahr 2009 weder das Ziel der Verwaltungsvereinfachung noch Gründe der Typisierung und Pauschalierung die Verwendung des Maßstabs rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvR 807/12 und 1 BvR 2917/13 - juris Rn. 32 f.).

14 Bei diesem auch von der Gemeinde L. verwendeten Steuermaßstab werden seit 1964 veränderte Ausstattungsstandards von Gebäuden ebenso wenig berücksichtigt wie Veränderungen der Lage oder verkehrlichen Anbindung von Grundstücken. Dies führt dazu, dass mit diesem Steuermaßstab der durch das Halten einer Zweitwohnung betriebene Aufwand nicht bei allen Zweitwohnungsinhabern gleichmäßig abgebildet wird, sondern erhebliche Wertverzerrungen auftreten, die eine gleichheitsgerechte Erhebung der Zweitwohnungssteuer verhindern. Die Wertverzerrungen werden nicht durch die Hochrechnung der Jahresrohmiete entsprechend dem Preisindex der Lebenshaltung für Wohnungsmieten ausgeglichen, vielmehr wird die ungleiche Behandlung unterschiedlicher Zweitwohnungsinhaber im Gemeindegebiet durch die Hochrechnung perpetuiert (BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvR 807/12 und 1 BvR 2917/13 - juris Rn. 32 und 34 f.).

15 b) Die Verwaltungsgerichte sind grundsätzlich nicht befugt, eine zeitlich befristete Fortgeltung für verfassungswidrige Satzungsbestimmungen anzuordnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 2 BvL 4/11 u.a. - BVerfGE 150, 204 Rn. 70 zur entsprechenden Frage nach Nichtigerklärung eines Parlamentsgesetzes; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 CN 1.09 - BVerwGE 137, 123 Rn. 29 zum Normenkontrollverfahren). Sie sind vielmehr gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet, angefochtene Steuerbescheide aufzuheben, wenn diese keine Grundlage in einer gültigen Satzung finden und deshalb die Steuerschuldner in ihren Rechten verletzen (BVerwG, Beschlüsse vom 26. Januar 1995 - 8 B 193.94 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 273 S. 8 und vom 10. Februar 2000 - 11 B 54.99 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 9 S. 20). Allenfalls in besonderen Ausnahmefällen, in denen die Erklärung der Satzung als unwirksam bzw. die darauf beruhende Aufhebung der Steuerbescheide einen "Notstand" zur Folge hätte, könnte etwas Anderes gelten (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 CN 1.09 - BVerwGE 137, 123 Rn. 29; Beschluss vom 27. Juli 2010 - 9 B 109.09 - juris Rn. 8). Von einem derartigen Notstand kann hier ersichtlich keine Rede sein. Einen darüber hinaus gehenden Spielraum hinsichtlich der Rechtsfolgen verfassungswidriger Satzungsbestimmungen hat der Gesetzgeber den Verwaltungsgerichten nicht eingeräumt. Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Praxis auf die speziellen Regelungen in § 31 Abs. 2, § 79 Abs. 1 BVerfGG (s. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 2 BvL 4/11 u.a. - BVerfGE 150, 204 Rn. 108), die in der Verwaltungsgerichtsordnung keine Entsprechung finden.

16 Es besteht hier auch kein Grund dafür, einem durch die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Steuermaßstabs (s. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2003 - 9 C 3.02 - BVerwGE 117, 345) begründeten Vertrauenstatbestand mittels Übergangsregelungen Rechnung zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar angenommen, dass durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet und bei Änderung dieser Rechtsprechung dem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - BVerfGE 122, 248 <277 f.>).

17 Eine solche Situation liegt jedoch nicht vor.

18 Bereits durch den ausführlich begründeten Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung vom 22. Oktober 2014 (- II R 16/13 - BFHE 247, 150) wurde das Vertrauen auf den dauerhaften Fortbestand der Rechtsprechung zum Steuermaßstab der indexierten Jahresrohmiete erschüttert (vgl. zum Unzulässigwerden des Stückzahlmaßstabs bei der Spielapparatesteuer BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 - BVerwGE 123, 218 <234>). Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Regelungen über die Einheitsbewertung wegen der gravierenden Wertverzerrungen durch das Festhalten am Hauptfeststellungszeitpunkt zum 1. Januar 1964 durch das Urteil vom 10. April 2018 (- 1 BvL 11/14 - BVerfGE 148, 147) für verfassungswidrig erklärt hatte, konnten die Gemeinden erst recht nicht mehr davon ausgehen, dass ein Steuermaßstab mit der Anknüpfung an die Wertverhältnisse des Jahres 1964 auf Dauer beibehalten werden kann.

19 Auch wenn in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung im Anschluss an dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Teil noch die Auffassung vertreten wurde, der betreffende Steuermaßstab sei gleichwohl für die Zweitwohnungssteuer weiterhin zulässig, so konnte doch - zudem angesichts gegenteiliger Urteile - nicht mehr auf eine gefestigte Rechtsprechung vertraut werden.

20 Unzumutbare Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt durch die Aufhebung von Steuerbescheiden infolge der Nichtigkeit der Satzungsgrundlage sind regelmäßig und auch hier nicht zu befürchten. Denn für die Vergangenheit sind nur die noch nicht bestandskräftigen Bescheide betroffen. Es besteht keine Verpflichtung, unanfechtbare Bescheide zu überprüfen und anzupassen. Darüber hinaus sind die Kommunen berechtigt, eine ungültige Satzung rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen und auf dieser Grundlage Steuern auch für einen zurückliegenden Zeitraum neu zu erheben (stRspr, s. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1995 - 8 B 193.94 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 273 S. 8).

21 2. Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO); das Bundesverwaltungsgericht kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die angefochtenen Bescheide können nicht auf § 5 Abs. 4 ZwStS gestützt werden. Das Berufungsgericht legt diese Regelung zwar dahin aus, dass sie nicht an die Verhältnisse am 1. Januar 1964, sondern an die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Erhebung der Zweitwohnungssteuer anknüpft. Indes kommt die so verstandene Satzungsbestimmung nach der maßgeblichen Auffassung des Berufungsgerichts nur ausnahmsweise zur Anwendung, soweit eine Jahresrohmiete weder vom Finanzamt festgestellt wurde noch gemäß der vorrangigen Regelung in § 5 Abs. 3 ZwStS zum 1. Januar 1964 geschätzt und mit der Preissteigerungsrate hochgerechnet werden kann.

22 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.