Beschluss vom 01.09.2021 -
BVerwG 1 B 42.21ECLI:DE:BVerwG:2021:010921B1B42.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.09.2021 - 1 B 42.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:010921B1B42.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 42.21

  • VG Trier - 27.04.2018 - AZ: VG 2 K 2962/17.TR
  • OVG Koblenz - 26.05.2021 - AZ: OVG 13 A 10205/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. September 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Böhmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Mai 2021 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 1. Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (1.1) und eines Verfahrensmangels (1.2) gestützte Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2 1.1 Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht dargetan.

3 Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 21. November 2017 - 1 B 148.17 - juris Rn. 16 m.w.N. und vom 19. Mai 2021 - 1 B 11.21 - juris Rn. 3). Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulassungsanforderungen nicht.

4 Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie zeigt aus der benannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. August 1992 - 2 BvR 293/90 - keinen abstrakten Rechtssatz auf, von dem das Berufungsgericht abgewichen sein soll. Es hat insbesondere nicht den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz aufgestellt, der private Bereich der Religionsausübung der Ahmadis in Pakistan sei straffrei. Die Darstellung der pakistanischen Rechtslage im Berufungsurteil (UA S. 13 f.) differenziert insoweit nicht zwischen privater und öffentlicher Religionsausübung. Nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine hinreichende Verfolgungssicherheit bei bestehenden Verbotsnormen, die ihrem Regelungsgehalt nach eine Strafverfolgung, (auch) wegen privater Religionsausübung, ermöglichen (wie Sec. 298 B und C - Pakistan Penal Code -), (nur) dann gegeben, wenn die ausländische Rechtspraxis die Strafvorschriften gegenüber der privaten Religionsausübung zurücknimmt. Soweit das Oberverwaltungsgericht allein auf die Verfolgung wegen einer öffentlichen Religionsausübung abstellt, vermag die mangelnde Berücksichtigung der privaten Religionsausübung allenfalls eine fehlerhafte Anwendung der o.g. Rechtsprechung begründen, die für die Darlegung einer Divergenz aber nicht genügt. Es kommt hinzu, dass die zum Asylgrundrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG (a.F.) ergangene Rechtsprechung für den Bereich des durch vorrangiges Unionsrecht geregelten internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) inzwischen durch Art. 10 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU überlagert ist (s.a. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67).

5 1.2 Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

6 Ohne Erfolg rügt die Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Berufungsgericht angesichts der Verschärfung der Rechtslage von Ahmadis in Pakistan und insbesondere des Umstandes, dass diese bei der Beantragung von nationalen Identitätskarten (Computerized National Identity Cards) eidlich erklären müssten, keine Muslime zu sein, nicht zu dem Schluss gekommen sei, dass der Kläger einen Eingriff in sein Menschenrecht auf Religionsfreiheit in Form des Eingriffs in das forum internum zu befürchten habe. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG vorschreibt, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtigt hat (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Juli 2014 - 1 B 10.14 - juris Rn. 9 m.w.N. und vom 28. Januar 2020 - 1 B 87.19 - juris Rn. 14). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.) und die vorhandenen Erkenntnismittel anders beurteilt als der Kläger (BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2020 - 1 B 87.19 - juris Rn. 14).

7 Nach diesen Grundsätzen ist bereits die Möglichkeit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem Berufungsurteil (UA S. 25) ist zu entnehmen, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers, von Ahmadis werde verlangt, sich bei Beantragung eines Personalausweises als Ahmadi zu identifizieren, berücksichtigt hat. Der Sache nach greift der Kläger somit allein die Würdigung des Berufungsgerichts an, ohne zu kennzeichnen, welches tatsächliche Vorbringen von diesem nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen sein sollte.

8 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

9 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.