Beschluss vom 02.03.2023 -
BVerwG 4 B 23.22ECLI:DE:BVerwG:2023:020323B4B23.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.03.2023 - 4 B 23.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:020323B4B23.22.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 23.22

  • VG Leipzig - 14.10.2015 - AZ: 4 K 540/13
  • OVG Bautzen - 10.03.2022 - AZ: 1 A 64/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. März 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Külpmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2022 ergangenen Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 106 960 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Soweit sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt, ist sie unbegründet.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4).

4 Die Beschwerde möchte der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,
ob im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG der Versuch der Veräußerung eines aufgrund des Denkmalschutzrechts nicht bebaubaren Grundstücks durch den Eigentümer zur Darlegung und zum Nachweis der Unzumutbarkeit des Erhalts des Denkmals verlangt werden kann, wenn der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks keine Kenntnis von der Denkmaleigenschaft hatte.

5 a) Dies führt nicht zur Zulassung der Revision, weil die Frage nicht klärungsbedürftig ist. Sie ist zu bejahen.

6 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führt eine gesetzliche Genehmigungspflicht für die Beseitigung eines Kulturdenkmals im Regelfall nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung eines Eigentümers im engeren Sinn. Anders liegt es, wenn für ein geschütztes Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht. Wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann, so wird dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt. Tritt eine gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung ziehen zu können (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <242>). Die Privatnützigkeit wird aber erst dann nahezu vollständig beseitigt, wenn auch die Möglichkeit einer Veräußerung praktisch entfällt, weil sie sich nicht oder nur unzumutbar, etwa gegen einen allein symbolischen Kaufpreis, ins Werk setzen lässt (BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2016 - 4 B 12.16 - NVwZ 2017, 641 Rn. 8). Es ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar, dem Eigentümer die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzubürden, dass er von seinem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch auch nicht veräußern kann (BVerwG, Beschlüsse vom 17. November 2009 - 7 B 25.09 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 365 Rn. 12 und vom 28. Juli 2016 a. a. O. Rn. 7; ebenso UA Rn. 73 und 76). Diese zu Baudenkmälern formulierten Grundsätze gelten auch für unbebaute Grundstücke, bei denen die Privatnützigkeit des Eigentums ebenso die Verfügungsbefugnis und damit die Möglichkeit einer Veräußerung umfasst.

7 Die Beschwerde verlangt in Anlehnung an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91, 315/99 - (BVerfGE 102, 1 <21 f.>), die Grenze der Zumutbarkeit der Erhaltungspflicht des § 8 Abs. 1 SächsDSchG abweichend zu bestimmen, wenn der Eigentümer bei Erwerb des Grundstücks dessen Denkmaleigenschaft nicht kannte. Es bestehen indes keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch einem solchen Eigentümer die Darlegungslast für die Unzumutbarkeit aufzugeben. Welche Möglichkeiten sich bieten, ein Denkmal überhaupt zu nutzen, wie deren Wirtschaftlichkeit einzuschätzen ist und ob es veräußert werden kann, sind Umstände, die im Lebensbereich des Eigentümers wurzeln und zu deren Klärung er regelmäßig ohne unzumutbare Schwierigkeiten im Stande ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2009 - 7 B 25.09 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 365 Rn. 12). Ob der Eigentümer bereits bei Erwerb eines Grundstücks dessen Denkmaleigenschaft kannte, spielt insoweit keine Rolle.

8 Die Hinweise der Beschwerde auf instanzgerichtliche Rechtsprechung zeigen keinen Klärungsbedarf. Zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis vom 20. November 2008 - 2 A 269/08 - (AS RP-SL 37, 20) hat sich der Senat bereits geäußert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2016 - 4 B 12.16 - NVwZ 2017, 641 Rn. 12). Die nicht tragende und nicht näher begründete Passage im Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. April 2018 - M 9 K 16.5292 - (juris Rn. 28) zu Art. 6 Bay DSchG führt nicht auf einen Klärungsbedarf im revisiblen Recht.

9 Im Übrigen könnte die Frage nicht zur Zulassung der Revision führen, weil die Vorinstanz die vorausgesetzte Tatsache nicht festgestellt hat. Es hat - anders als das Verwaltungsgericht (dort UA S. 18) – offengelassen, ob die Klägerin von der Denkmaleigenschaft des Grundstücks wusste oder sich fahrlässig dieser Kenntnis verschlossen hat (UA Rn. 75). Die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Frage findet aber nicht statt, wenn deren Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - juris Rn. 12). Die Vorinstanz hat ferner, anders als die Beschwerde meint, dem Vorbringen der Klägerin keine negative Wirtschaftlichkeitsprognose entnommen. Sie hat deren Rechtsstandpunkt aus der mündlichen Verhandlung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 314 Satz 1 ZPO) vielmehr dahin zusammengefasst, zu einer solchen Darlegung nicht verpflichtet zu sein (UA Rn. 75).

10 b) Der Beschwerde mag die Frage entnommen werden, ob der Verkauf eines Grundstücks mit einer denkmalgeschützten Anlage unzumutbar und damit mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar wäre, wenn dieses nicht wirtschaftlich tragfähig nutzbar ist und der Eigentümer beim Erwerb die Denkmaleigenschaft nicht kannte. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet aber auch insoweit schon deshalb aus, weil es an der Feststellung einer vorausgesetzten Tatsache - der Unkenntnis der Klägerin - fehlt.

11 Es erschließt sich nicht, welche rechtsgrundsätzliche Klärung die Beschwerde (wohl) für die Frage anstrebt, wann im Sinne des Senatsbeschlusses vom 28. Juli 2016 - 4 B 12.16 - (NVwZ 2017, 641 Rn. 8) die Möglichkeit einer Veräußerung praktisch entfällt. Die Klägerin hat zu den Möglichkeiten einer Veräußerung, insbesondere an die Eigentümer benachbarter Grundstücke, nicht vorgetragen (UA Rn. 76). Damit könnte ein Revisionsverfahren von vornherein nicht zur Klärung der Frage beitragen, nach welchen Maßstäben die Zumutbarkeit einer Veräußerung zu bewerten wäre.

12 2. Die Revision ist nicht wegen einer Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

13 Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht. Der Beschwerde obliegt es, aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden, abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 23. August 2021 - 4 BN 10.21 - NVwZ 2021, 1702 Rn. 11).

14 Die Beschwerde verfehlt bereits die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Nach ihrer Auffassung weicht das Urteil von den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - (BVerfGE 100, 226) und vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91 - (BVerfGE 102, 1) sowie dem Senatsbeschluss vom 28. Juli 2016 - 4 B 12.16 - (NVwZ 2017, 641) ab. Die Beschwerde benennt aber keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angegriffenen Urteil zu einer konkreten Norm, dem sich ein grundsätzlicher Auffassungsunterschied zu den genannten Entscheidungen entnehmen ließe.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.