Beschluss vom 02.03.2023 -
BVerwG 9 B 28.22ECLI:DE:BVerwG:2023:020323B9B28.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.03.2023 - 9 B 28.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:020323B9B28.22.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 28.22

  • VG Koblenz - 28.10.2021 - AZ: 4 K 920/19.KO
  • OVG Koblenz - 19.07.2022 - AZ: 6 A 10207/22.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. März 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler und Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 38,08 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stützt, bleibt ohne Erfolg. Die Fragen,
"Muss die Prüfung der Legalität und Authentizität (Ausfertigung) einer gemeindlichen Satzung abgeschlossen sein, bevor die Satzung zum Zwecke der Herstellung des Druckerzeugnisses, mittels dessen die Satzung bekanntgemacht werden soll, durch den Satzungsgeber in Auftrag gegeben wird?,
Muss die Prüfung der Legalität und Authentizität (Ausfertigung) einer Satzung abgeschlossen sein, bevor das Druckerzeugnis, mittels dessen die Satzung bekanntgemacht werden soll, im Erscheinungsgebiet des Druckerzeugnisses mit einem bestimmten Erscheinungstag verteilt wird?"
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

2 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3 Sinngemäß zielen beide Fragen darauf ab, in welcher Reihenfolge die Ausfertigung und die Bekanntmachung gemeindlicher Satzungen erfolgen müssen. Diese bestimmt sich indes vorrangig nach nicht revisiblem Recht (1.). Soweit dieses bundesrechtlichen Mindeststandards genügen muss (2.), legt die Beschwerde nicht dar, warum diese Standards über die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung hinaus klärungsbedürftig sind (3.).

4 1. Der Zeitpunkt der Ausfertigung einer Satzung ist bundesrechtlich nicht determiniert (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 C 22.92 - Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 52 S. 21). Auch das Landesrecht verhält sich hierzu nicht, sondern schreibt lediglich die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen vor (§ 24 Abs. 3 Satz 1 GemO RP). Nach § 27 GemO RP kann diese in einer Zeitung oder in einem Amtsblatt erfolgen und bestimmt das fachlich zuständige Ministerium durch Rechtsverordnung Näheres über Verfahren und Form. Die hierauf gestützte Landesverordnung zur Durchführung der Gemeindeordnung (GemODVO) bestimmt in § 10 Abs. 2 Satz 1, dass die öffentliche Bekanntmachung mit Ablauf des Erscheinungstags des Amtsblatts oder der Zeitung vollzogen ist. Nach der das Bundesverwaltungsgericht bindenden Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsgericht gilt damit die Bekanntmachung am Erscheinungstag nicht bereits um 0:00 Uhr, sondern erst um 24:00 Uhr bewirkt. Ausdrückliche weitere Vorgaben enthält das Landesrecht nicht.

5 Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung folgt jedoch aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass gemeindliche Satzungen vor ihrer Bekanntmachung ausgefertigt werden müssen. Hierdurch wird sichergestellt, dass das Ausfertigungsorgan durch die Ausfertigung der Rechtsnorm die Übereinstimmung des textlichen und gegebenenfalls zeichnerischen Inhalts der Normurkunde mit dem Willen des Rechtssetzungsberechtigten ("Authentizität") sowie die Einhaltung des für die Normgebung gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens ("Legalität") bezeugt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Mai 1989 - 4 NB 10.89 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 1 S. 1 f., vom 27. Januar 1999 - 4 B 129.98 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 94 S. 2 f. und vom 8. Februar 2022 - 4 B 25.21 - juris Rn. 9; OVG Koblenz, Urteil vom 4. November 2020 - 10 C 11760/19 - KStZ 2021, 69 = juris Rn. 37). Das Rechtsstaatsprinzip hat für die staatliche Tätigkeit auf der Ebene der Länder, der auch die Schaffung von örtlichen Rechtsnormen durch gemeindliche Satzungen zuzuordnen ist, seine Ausformungen im jeweiligen Landesverfassungsrecht gefunden (zur Verortung des Rechtsstaatsprinzips in der rheinland-pfälzischen Verfassung vgl. Schröder, in: Brocker/Droege/Jutzi, Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2. Aufl. 2022, Art. 74 Rn. 3). Demgemäß handelt es sich auch bei der Ausfertigung gemeindlicher Satzungen um ein nach Landesrecht zu beurteilendes formelles Gültigkeitserfordernis und richten sich die diesbezüglichen Regeln vorrangig nach irrevisiblem Landesrecht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Mai 1989 - 4 NB 10.89 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 1 S. 1 f., vom 16. Mai 1991 - 4 NB 26.90 - BVerwGE 88, 204 <205 f.> und vom 9. Mai 1996 - 4 B 60.96 - Buchholz 406.11 § 12 BauGB Nr. 21 S. 3 f.).

6 2. Bundesverfassungsrecht "wacht" insoweit lediglich darüber, ob das Landesrecht überhaupt eine angemessene Kontrolle der Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen ermöglicht; hingegen gehört es nicht zum Mindeststandard des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebots, die Ausfertigung so zu gestalten, dass sie geeignet ist, die Legalität des Verfahrens zu bestätigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 C 22.92 - Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 52 S. 20 f.; Beschlüsse vom 9. Mai 1996 - 4 B 60.96 - Buchholz 406.11 § 12 BauGB Nr. 21 S. 3 f. und vom 4. März 2021 - 4 B 40.20 - juris Rn. 3). Soweit danach die Bekanntmachung den Schlusspunkt des Rechtssetzungsvorgangs bildet und ihre rechtliche Verbindlichkeit damit voraussetzt, dass sämtliche formellen Gültigkeitsbedingungen einschließlich der Ausfertigung bis zu diesem Zeitpunkt erfüllt sind, schließt dies einerseits nicht aus, dass eine Satzung am Tag ihrer Ausfertigung noch bekannt gemacht wird, jedoch kann andererseits die Übereinstimmung von Ausfertigungs- und Bekanntmachungsdatum ein Indiz für eine fehlerhafte Reihenfolge sei (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 1999 - 4 B 129.98 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 94 und vom 8. Februar 2022 - 4 B 25.21 - juris Rn. 9).

7 3. Das Berufungsgericht hat - für das Beschwerdegericht bindend, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffen (§ 137 Abs. 2 VwGO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1999 - 4 B 129.98 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 94 S. 3) – festgestellt, dass vorliegend aufgrund § 10 Abs. 2 Satz 1 GemODVO die Ausfertigung der Satzung vor deren Bekanntmachung erfolgte und damit die vorgenannten Anforderungen erfüllt sind. Ein die grundsätzliche Bedeutung begründender Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung bestünde ungeachtet dessen nur dann, wenn sich bei der Auslegung des Mindeststandards des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebots als Maßstab der landesrechtlichen Regelung seinerseits Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellten, die sich nicht auf der Grundlage bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2011 - 9 BN 4.10 - juris Rn. 7). Hierzu verhalten sich die insoweit darlegungspflichtigen Beschwerdeführer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2011 - 9 BN 4.10 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 58 Rn. 7) in ihrer Beschwerdebegründung jedoch nicht.

8 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.