Beschluss vom 04.03.2022 -
BVerwG 8 BN 2.21ECLI:DE:BVerwG:2022:040322B8BN2.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.03.2022 - 8 BN 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:040322B8BN2.21.0]

Beschluss

BVerwG 8 BN 2.21

  • VGH Mannheim - 16.10.2018 - AZ: VGH 1 S 2705/17

In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 16. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Antragsteller ist Einwohner der Antragsgegnerin. Am 5. Oktober 2017 änderte deren Gemeinderat die Regelungen in seiner Geschäftsordnung über die Durchführung von Bürgerfragestunden anlässlich von öffentlichen Gemeinderatssitzungen. Danach sollten die Bürgerfragestunden künftig eine maximale Dauer von 30 Minuten nicht überschreiten und jeder Frageberechtigte sollte nur noch maximal drei Minuten Rederecht erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat den dagegen gerichteten Normenkontrollantrag des Antragstellers verworfen, weil der Antrag unstatthaft und der Antragsteller zudem nicht antragsbefugt sei. Die Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen.

2 Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und das Vorliegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3 1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 Die sinngemäß aufgeworfene Frage,
ob Regelungen zur Mitwirkung von Bürgern im Gemeinderat nach § 33 Abs. 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO BW) nur Innenrechtssätze ohne Außenwirkung begründen, oder als Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO angesehen werden müssen.
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie betrifft die Auslegung des § 33 Abs. 4 GemO BW, der nicht zum revisiblen Recht gehört (§ 137 Abs. 1 VwGO). Sollte die Frage darauf zielen, ob die Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch den Verwaltungsgerichtshof mit der bundesrechtlichen Norm des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Einklang steht, wäre der bundesrechtliche Klärungsbedarf nicht dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2021 - 8 B 4.21 - juris Rn. 4 m.w.N.) Das leistet die Beschwerdebegründung nicht. Sie zeigt auch nicht auf, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundesrechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt wäre, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben.

5 Darüber hinaus würde sich die aufgeworfene Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil diese auf der selbständig tragenden, nicht mit wirksamen Rügen angegriffenen Erwägung beruht, dem Antragsteller fehle - unabhängig von der Rechtsnatur der nach § 33 Abs. 4 GemO BW erlassenen Regelungen - jedenfalls die erforderliche Antragsbefugnis.

6 Die Frage,
ob es sich bei Mitwirkungsrechten von Bürgern im Gemeinderat um eine Fortentwicklung im Sinne einer auch rechtlichen Verstärkung der Bürgerbeteiligung in der demokratisch-repräsentativen Praxis handelt,
kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Die Frage betrifft weder das revisible Bundesrecht noch war sie für den Verwaltungsgerichtshof entscheidungserheblich.

7 2. Die sinngemäße Verfahrensrüge, der Verwaltungsgerichtshof habe den Normenkontrollantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig angesehen, weil er zu Unrecht ein subjektiv-öffentliches Recht auf aktive Teilnahme und Mitwirkung von Bürgern im Gemeinderat aus § 33 Abs. 4 GemO BW verneint habe, greift nicht durch. Die Rüge stützt sich auf den Vorwurf, der Verwaltungsgerichtshof hätte das irrevisible Landesrecht anders auslegen und deswegen bei der Prüfung der bundesrechtlich vorgegebenen Maßstäbe für die Statthaftigkeit von Normenkontrollanträgen und für die Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge jeweils zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Damit wird kein Verstoß gegen revisible prozessuale Normen dargetan. Der Antragsteller beanstandet lediglich die Auslegung des irrevisiblen Landesrechts, ohne eine fehlerhafte Interpretation der bundesrechtlichen Maßstäbe für die genannten Sachentscheidungsvoraussetzungen geltend zu machen.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.