Beschluss vom 06.07.2022 -
BVerwG 6 VR 1.22ECLI:DE:BVerwG:2022:060722B6VR1.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.07.2022 - 6 VR 1.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:060722B6VR1.22.0]

Beschluss

BVerwG 6 VR 1.22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Juli 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp und Hellmann
beschlossen:

  1. Der sinngemäße Antrag, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren zu bewilligen und einen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
  3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Anordnungsverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung gegenüber dem Bundesnachrichtendienst, seine Überwachung mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu unterlassen.

2 Er hat beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Verwaltungsgericht hat sich mit Beschluss vom 18. Mai 2022 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.

3 Die Antragsgegnerin trägt vor, der Antragsteller sei ihr bis dato unbekannt gewesen. Außerhalb der durch das gerichtliche Verfahren angefallenen Daten sei nichts über ihn gespeichert. Weder werde der Antragsteller überwacht noch den von ihm behaupteten Maßnahmen unterzogen.

II

4 1. Der sinngemäß gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten bleibt erfolglos. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

5 Die Zulässigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfs, mit dem von der Behörde ein Handeln oder Unterlassen verlangt wird, hängt grundsätzlich davon ab, dass der Antragsteller das im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Begehren in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bei der zuständigen Behörde ohne Erfolg beantragt hat (zuletzt BVerwG, Beschluss vom 22. November 2021 - 6 VR 4.21 - NVwZ-RR 2022, 164 Rn. 8 ff.; Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - <juris> Rn. 57 ff.).

6 Um einen Unterlassungsanspruch im Wege einer einstweiligen Anordnung durchsetzen zu können, muss der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung eines gegen einen Hoheitsträger gerichteten Unterlassungsanspruchs setzt voraus, dass das Verwaltungshandeln, gegen das der Anspruchsteller sich wendet, bereits vorliegt oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht und dadurch individuelle subjektivrechtliche Positionen des Betroffenen verletzt werden.

7 Hier fehlt es bereits an der prozessrechtlichen Voraussetzung der behördlichen Vorbefassung. Der Antragsteller hat sich mit seinem Unterlassungsbegehren nicht vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens an den Bundesnachrichtendienst gewandt. Somit ist kein Rechtsschutzbedürfnis für seine Rechtsverfolgung erkennbar. Zudem hat er keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach den Angaben des Bundesnachrichtendienstes war der Antragsteller dort bislang nicht bekannt. Es ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, der auf Zweifel an der Richtigkeit dieser Mitteilung hindeuten könnte. Weder ergibt sich aus dem Vorbringen des Antragstellers noch ist sonst ersichtlich, dass der Bundesnachrichtendienst ein nachrichtendienstliches Interesse an seiner Person haben könnte. Nach dem Vorbringen des Antragstellers bleibt im Dunkeln, welche Indizien dafür sprechen könnten, dass die behaupteten Maßnahmen - so sie denn stattgefunden haben - dem Bundesnachrichtendienst zugerechnet werden könnten. Ist der zu sichernde Anspruch nicht glaubhaft gemacht, kann die beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen werden.

8 2. Der Anordnungsantrag ist unzulässig, da der Antragsteller in dem Verfahren nach § 123 VwGO nicht gemäß § 67 Abs. 4 VwGO anwaltlich vertreten ist. Die in § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgesehene Ausnahme vom Vertretungszwang greift nicht zugunsten des Antragstellers ein, weil er bei verständiger Würdigung seines Begehrens keinen isolierten Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 67 Rn. 17). Die Beiordnung eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe kommt aus den unter Ziffer 1. dargelegten Gründen nicht in Betracht. Darüber hinaus hat der Antragsteller - wie ebenfalls unter Ziffer 1. dargelegt - einen zu sichernden Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

9 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.