Urteil vom 06.10.2005 -
BVerwG 1 C 5.04ECLI:DE:BVerwG:2005:061005U1C5.04.0
Leitsätze:
1. Die Ausweisung eines nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen ist wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers rechtswidrig, wenn die Verfahrensanforderungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG
- hier: wegen Abschaffung des Widerspruchsverfahrens - nicht eingehalten werden (im Anschluss an das Urteil vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04 -, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).
2. Auch eine längere Strafhaft berührt die Rechte aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 nicht (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 11. November 2004 - Rs. C-467/02 -, Cetinkaya, und Urteil vom 7. Juli 2005 - Rs. C-373/03 -, Aydinli).
3. Das Gemeinschaftsrecht lässt eine Ausweisung ausnahmslos nur aus spezialpräventiven Gründen zu, d.h. zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, die von dem einzelnen Ausländer persönlich ausgehen, nicht aber - tragend oder auch nur mittragend - zur (generalpräventiven) Abschreckung anderer Ausländer.
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Rechtsquellen
AuslG §§ 45, 46, 47, 48 AufenthG §§ 53, 54, 55, 56 Richtlinie 64/221/EWG Art. 9 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 - Art. 6, 7, 14 -
Instanzenzug
VGH Mannheim - 27.01.2004 - AZ: VGH 10 S 1610/03 -
VGH Baden-Württemberg - 27.01.2004 - AZ: VGH 10 S 1610/03
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:061005U1C5.04.0]
Urteil
BVerwG 1 C 5.04
- VGH Mannheim - 27.01.2004 - AZ: VGH 10 S 1610/03 -
- VGH Baden-Württemberg - 27.01.2004 - AZ: VGH 10 S 1610/03
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k sowie
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
für Recht erkannt:
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Verwaltungs-gerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. Januar 2004 geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2002 wird, soweit das Verfahren noch anhängig ist (Ausweisung), zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.