Verfahrensinformation



Der Antragsteller ist Ortsrat eines Ortsteils einer niedersächsischen Gemeinde. Er wendet sich gegen einen den Ortsteil betreffenden Bebauungsplan, weil er vor der Beschlussfassung des Rats der Gemeinde nur unzureichend angehört worden sei.


Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag mangels Antragsbefugnis als unzulässig verworfen. Weder sei der Antragsteller eine Behörde, noch sei er als Vereinigung antragsbefugt. Eine mögliche Verletzung eines organschaftlichen Rechts bei der Normsetzung führe nicht zu einer Rechtsverletzung durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung. Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.


Urteil vom 06.12.2022 -
BVerwG 4 CN 4.21ECLI:DE:BVerwG:2022:061222U4CN4.21.0

unzulässiger Normenkontrollantrag eines Ortsrats gegen einen Bebauungsplan

Leitsätze:

1.  Die Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan kann nicht auf die Verletzung organschaftlicher Beteiligungsrechte im Normsetzungsverfahren gestützt werden.

2. Die Antragsberechtigung einer Behörde nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO knüpft bei einer Landesbehörde an die in § 61 Nr. 3 VwGO abschließend geregelte und ihr der Sache nach vorausliegende Beteiligungsfähigkeit an.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1, § 61 Nr. 2 und 3
    VwVfG § 1 Abs. 4
    NKomVG § 93 f.

  • OVG Lüneburg - 12.05.2021 - AZ: 1 KN 167/20

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 06.12.2022 - 4 CN 4.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:061222U4CN4.21.0]

Urteil

BVerwG 4 CN 4.21

  • OVG Lüneburg - 12.05.2021 - AZ: 1 KN 167/20

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller ist der Ortsrat eines zur Ortschaft bestimmten Ortsteils der Antragsgegnerin. Er wendet sich gegen einen den Ortsteil betreffenden Bebauungsplan.

2 Der vom Rat der Antragsgegnerin am 17. Dezember 2019 beschlossene Bebauungsplan Nr. 11 "Am Dorfe" im Ortsteil H. überplant eine Fläche an dessen westlichen Ortsrand. Er setzt unter anderem ein Mischgebiet mit drei Teilgebieten fest, in denen zum einen die vorhandene Gewerbenutzung gesichert und fortentwickelt werden soll und zum anderen Wohnnutzungen und nicht wesentlich störende gewerbliche Nutzungen zulässig sind. Die Planung war Gegenstand zahlreicher Sitzungen des Antragstellers; vor der Beschlussfassung des Rats der Antragsgegnerin erhielt der Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag, mit dem der Antragsteller eine Verletzung seines Anhörungsrechts vor der Beschlussfassung geltend machte, mangels Antragsbefugnis verworfen: Der Antragsteller sei nicht als Behörde antragsberechtigt, denn er werde nicht im Sinne eines öffentlich-rechtlichen außenwirksamen Handelns verwaltend tätig. Seine Beschlüsse im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeiten würden erst durch den Hauptverwaltungsbeamten umgesetzt. Der Antragsteller sei zwar wegen der Regelung über das Anhörungsrecht in seinem Rechtskreis betroffen und folglich entsprechend § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig. Ihm fehle aber die Antragsbefugnis. Er sei nicht durch die Regelungswirkung oder den Vollzug des Bebauungsplans in seinen Rechten betroffen. Aus den Entscheidungszuständigkeiten infolge der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche und einer Planstraße durch den Bebauungsplan ergäben sich keine subjektiven oder organschaftlichen Rechte für den Antragsteller. Eine mögliche Verletzung eines organschaftlichen Rechts im Normsetzungsprozess, hier des Anhörungsrechts nach § 94 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz - NKomVG -, führe nicht zu einer Rechtsverletzung durch die Vorschrift oder ihre Anwendung. Der Antragsteller sei allenfalls mittelbar-faktisch in seinen Interessen berührt.

4 Zur Begründung seiner Revision trägt der Antragsteller vor: Er sei wegen der ihm eingeräumten eigenständigen Entscheidungszuständigkeiten als Behörde anzusehen; die landesrechtliche Bestimmung zur Ausfüllung des § 61 Nr. 3 VwGO, nach der nur Landesbehörden beteiligungsfähig seien, sei hier unbeachtlich. Das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht seine Antragsbefugnis entsprechend § 61 Nr. 2 VwGO verneint. Durch den Bebauungsplan sei das Ortsbild berührt und er folglich in seinen Zuständigkeiten betroffen. Insbesondere die ihm vom Landesgesetzgeber eingeräumten Anhörungsrechte würden ausgehöhlt, wenn er seine Rechte nicht gerichtlich verfolgen könne. In seinem Anhörungsrecht nach § 94 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 NKomVG sei er verletzt. Eine ordnungsgemäße Anhörung sei wegen der Vorlage unvollständiger Unterlagen nicht erfolgt.

5 Die Antragsgegnerin tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

6 Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

II

7 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet und deswegen zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Dabei kann dahinstehen, ob das angefochtene Urteil auf einem Bundesrechtsverstoß beruht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn es erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen.

8 Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das angefochtene Urteil die Antragsbefugnis verneint, soweit diese die Geltendmachung einer Rechtsverletzung voraussetzt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO; 1.). Soweit das Oberverwaltungsgericht dem Antragsteller die hiervon unabhängige Antragsberechtigung als Behörde (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO) abgesprochen hat, kann offenbleiben, ob dem Urteil insoweit ein bundesrechtswidriges Begriffsverständnis zugrunde liegt. Denn die zutreffende Beantwortung der vom Oberverwaltungsgericht offengelassenen Frage nach der Beteiligungsfähigkeit des Antragstellers als Behörde führt auf die anderweitige Ergebnisrichtigkeit (2.).

9 1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Zulässigkeit des Antrags in Einklang mit Bundesrecht verneint, soweit der Antragsteller sich wegen der Möglichkeit einer Rechtsverletzung als antragsbefugt erachtet.

10 a) Das Oberverwaltungsgericht hat den Antragsteller in seiner Eigenschaft als Organ der Antragsgegnerin zu Recht als beteiligungsfähig angesehen. Nach dem auf Organe entsprechend anwendbaren § 61 Nr. 2 VwGO sind beteiligungsfähig Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Februar 1974 - 7 C 9.71 - BVerwGE 45, 39 <41 f.> und vom 27. Juni 2018 - 10 CN 1.17 - BVerwGE 162, 284 Rn. 30). Eine Teilrechtsfähigkeit spiegelt sich damit in einer Teilbeteiligungsfähigkeit wieder. Die Vereinigungen müssen demnach geltend machen können, Zuordnungsobjekt einer materiellen Rechtsposition zu sein, die einen Bezug zum Streitgegenstand des konkreten Rechtsstreits aufweist. Der zur gerichtlichen Prüfung stehende Lebenssachverhalt muss nach einem Normenkomplex zu beurteilen sein, aus dem sich möglicherweise ein Recht der Vereinigung ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2018 - 6 C 2.17 - BVerwGE 164, 1 Rn. 17; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. September 2022 - 1 BvR 2754/17 - juris Rn. 32). Zu solchen Rechten im Sinne wehrfähiger Rechtspositionen zählen auch die organschaftlichen Rechte des Innenrechtskreises. Allein auf solche beruft sich der Antragsteller. Andere Rechte kann er auch nicht geltend machen. Materielle Rechtspositionen, die ihm in Bezug auf die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Abwägung zustehen könnten, gibt es nicht.

11 Zum Nachweis einer die Beteiligungsfähigkeit vermittelnden Rechtsposition verweist der Antragsteller allerdings ohne Erfolg auf die ihm in § 93 NKomVG zugewiesenen Aufgaben und Entscheidungszuständigkeiten. Denn diese begründen nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts keine subjektiven oder organschaftlichen Rechte. An diese Auslegung des irrevisiblen Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO). Der Antragsteller zeigt nicht auf und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass dieses Verständnis mit bundesrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar sein könnte. Zwar sind wehrfähige Rechtspositionen im organschaftlichen Rechtskreis nicht beschränkt auf die Sicherung von Mitwirkungs- und Verfahrensrechten zur Optimierung von Entscheidungen, sondern sie können sich auch auf das von der Verwaltungseinheit wahrgenommene Sachinteresse beziehen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 23.16 - Buchholz 451.224 § 17 KrWG Nr. 3 Rn. 14). Es bedarf aber gerade auch im letzteren Fall eines normativ abgestützten Belegs für eine Subjektivierung der Rechtsposition im Sinne einer prozessualen Durchsetzungsmacht. Denn die bloße Zuweisung einer Kompetenz und die damit verbundene Befugnis und Pflicht zur Wahrnehmung der Kompetenz reicht hierfür nicht aus. Sie begründet - ausnahmsweise - nur dann eine wehrfähige Rechtsposition, wenn sie nicht dem übergreifenden Interesse der juristischen Person, der das Organ angehört, sondern dem eigenen Interesse des Organs zu dienen bestimmt ist.

12 Es ist nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht den Rechtskreis des Antragstellers wegen der in § 94 NKomVG geregelten Anhörungsrechte berührt sieht und daraus die Beteiligungsfähigkeit ableitet. Denn damit benennt das Oberverwaltungsgericht eine dem Antragsteller zustehende Rechtsposition, die in Bezug auf die geltend gemachte Unwirksamkeit des Bebauungsplans von Bedeutung sein kann. Das reicht nach dem oben angeführten Maßstab aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Februar 1997 - 11 A 66.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 24 S. 102 sowie vom 9. Juli 1992 - 7 C 32.91 - BVerwGE 90, 304 <305>). Die Bejahung der Beteiligungsfähigkeit setzt keine Überlegungen voraus, die so detailliert sind, dass sie die Prüfung der in § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO normierten Antragsbefugnis entbehrlich machen (vgl. etwa Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand Februar 2022, § 61 Rn. 6; Czybulka/Siegel, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 61 Rn. 29, 32). Vielmehr ist der Frage nach der Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Antragstellers in dem so vorgegebenen Rahmen nachzugehen.

13 b) Der Antragsteller ist nicht antragsbefugt gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO. Danach muss der Antragsteller geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Maßgeblich ist, ob sich die mögliche Verletzung subjektiver Rechte oder organschaftlicher Rechtspositionen der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuordnen lässt; die behauptete Rechtsverletzung muss folglich auf die angegriffene Rechtsvorschrift zurückgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2021 - 7 CN 1.20 - BVerwGE 172, 37 Rn. 10 und Beschluss vom 30. August 2013 - 9 BN 2.13 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 189 Rn. 4). Das ist hier nicht der Fall. Der Antragsteller wird "durch" den Bebauungsplan nicht in seinem - hier allein beachtlichen - Beteiligungsrecht verletzt.

14 Eine Rechtsverletzung durch den Bebauungsplan kann sich nur aus seinem Regelungsgehalt ergeben. Mit seinen Festsetzungen bestimmt der Bebauungsplan Inhalt und Schranken des Eigentums (BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <191 f.>; BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 2.15 - NVwZ 2017, 720 Rn. 17) und zielt auf eine bestimmte städtebauliche Entwicklung und Ordnung ab (§ 1 Abs. 1 und 3 Satz 1 BauGB). Eine Rechtsverletzung durch den Bebauungsplan kann nur derjenige erleiden, dessen auf diesen Regelungsgehalt bezogene Rechte betroffen sind. Eine solche materielle Rechtsposition steht dem Antragsteller nicht zur Seite, und zu seinen organschaftlichen Rechten verhält sich der Bebauungsplan nicht (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 10 CN 1.17 - BVerwGE 162, 284 Rn. 24).

15 Die Rüge, der Bebauungsplan sei unter Verletzung wehrfähiger Organrechte zustande gekommen, ist insoweit unbeachtlich. Denn es fehlt am Zurechnungszusammenhang, an der erforderlichen Konnexität, zwischen dem Inhalt des Bebauungsplans und der behaupteten Rechtsverletzung. Selbst wenn der Bebauungsplan wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig sein sollte, folgte aus seinem allein maßgeblichen Inhalt keine Rechtsverletzung, die der Antragsteller rügen könnte. Der Bebauungsplan selbst verletzt keine Organrechte; dies wird auch durch den Umstand verdeutlicht, dass für die Verletzung der Verfahrensvorschriften der Inhalt des Bebauungsplans völlig unerheblich ist. Diese strikte Trennung zwischen dem Inhalt des angegriffenen Rechtsakts und dem Verfahren zu seinem Erlass folgt aus dem Schutzzweck organisationsinterner Kompetenz- und Verfahrensvorschriften; dieser erschöpft sich aus der Warte der Organe im Schutz der innerorganisatorischen Funktionsabläufe und umfasst nicht den erlassenen Rechtsakt (vgl. hierzu Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten - Das subjektive Recht im innerorganisatorischen Verwaltungsrechtskreis und seine verwaltungsgerichtliche Geltendmachung, 2001, S. 963 ff. i. V. m. S. 865 ff.; siehe auch Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand Februar 2022, § 42 Abs. 2 Rn. 94 und Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 257).

16 2. Der Antragsteller ist auch nicht gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO als Behörde - und folglich ohne das Erfordernis der Geltendmachung einer Rechtsverletzung - antragsberechtigt.

17 a) Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts erfüllt der Antragsteller nicht die rechtlichen Anforderungen an eine Behörde im Sinne dieser Vorschrift. Es fehle am Handeln mit Außenwirkung als eines der Merkmale des Behördenbegriffs. Diese Erwägungen sind nicht frei von rechtlichen Zweifeln.

18 Für das Verständnis des Begriffs der Behörde nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist auf § 1 Abs. 4 VwVfG zurückzugreifen (BVerwG, Urteil vom 26. November 2015 - 7 CN 1.14 - Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 2 Rn. 16). Nach dem dort normierten funktionellen (verfahrensrechtlichen) Behördenbegriff ist Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

19 Wenn in Anknüpfung an das Erfordernis einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit bei der Erläuterung des mehrgliedrigen Begriffs (siehe dazu etwa Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwVfG, Stand April 2022, § 1 Rn. 137) – auch abgesehen vom Handeln in Verwaltungsverfahren - auf die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben nach außen abgestellt wird, dient dies vornehmlich zur Abgrenzung von bloß vorbereitender Tätigkeit und vom Handeln reiner Abstimmungs- und Gesprächsrunden (siehe Schönenbroicher in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 1 Rn. 45; Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 1 VwVfG Rn. 14; siehe auch Schoch, a. a. O., § 1 VwVfG Rn. 157; Schliesky, in: Knack/Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 1 Rn. 92). Davon unterscheidet sich die Tätigkeit des Ortsrats, soweit er über eigene und letztverbindliche Entscheidungszuständigkeiten verfügt. Das Oberverwaltungsgericht verneint gleichwohl die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung nach außen, weil die Beschlüsse des Ortsrats durch den Hauptverwaltungsbeamten der Gemeinde umgesetzt werden (so etwa auch Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 82 Rn. 137). Die mangels insoweit eigener Handlungsfähigkeit erforderliche Einschaltung eines anderen Organs dürfte jedoch nichts daran ändern, dass das betreffende Verwaltungshandeln mit hinreichender Deutlichkeit dem Ortsrat zuzurechnen ist (vgl. hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 235). Es bedarf hier aber keiner abschließenden Klärung, ob die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts letztlich tragfähig sind. Denn selbst bei unterstellter Behördeneigenschaft liegen nicht alle Sachurteilsvoraussetzungen vor, sodass das angefochtene Urteil wegen anderweitiger Ergebnisrichtigkeit Bestand hat (§ 144 Abs. 4 VwGO).

20 b) Dem Antragsteller fehlt in dieser Hinsicht jedenfalls die Beteiligungsfähigkeit. Nach § 61 Nr. 3 VwGO sind Behörden im Verwaltungsprozess beteiligungsfähig, soweit das Landesrecht das zulässt. In Niedersachsen sind gemäß § 79 Abs. 1 des Niedersächsischen Justizgesetzes - NJG - vom 16. Dezember 2014 (Nds. GVBl. S. 436) jedoch nur (unmittelbare) Landesbehörden, nicht aber Kommunalbehörden beteiligungsfähig. Die generelle Regelung des § 61 Nr. 3 VwGO wird nicht durch den § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO, der keine Beschränkung des Kreises der antragsberechtigten Behörden normiert, als Spezialvorschrift verdrängt (siehe zuletzt etwa die Darstellung des Streitstandes in VGH Mannheim, Urteil vom 8. Juli 2022 - 2 S 3968/20 - juris Rn. 89). Vielmehr knüpft die Antragsberechtigung in § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO an die für die Landesbehörden in § 61 Nr. 3 VwGO abschließend geregelte und ihr der Sache nach vorausliegende Beteiligungsfähigkeit an (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 4 CN 4.10 - BVerwGE 140, 54 Rn. 16 f.). Aus der Entstehungsgeschichte dieser Normen ergibt sich nichts Abweichendes (vgl. BT-Drs. III/1094, S. 6 f., 31, 38). § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO hat nur insoweit einen die Beteiligungsfähigkeit betreffenden Regelungsgehalt, als er Bundesbehörden betrifft (Bier/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand Februar 2022, § 61 Rn. 8).

21 Diese Rechtsauffassung bedarf nicht etwa deswegen der Überprüfung, weil damit in der Sache eine mit der Länderöffnungsklausel in § 61 Nr. 3 VwGO nicht beabsichtigte Rechtsschutzlücke entstünde. Diese Bestimmung ermächtigt ihrem Sinne nach die Länder lediglich dazu, vom Rechtsträger- zum Behördenprinzip überzugehen und so den bezeichneten Behörden die prozessstandschaftliche Vertretung des eigentlich berechtigten bzw. verpflichteten Hoheitsträgers zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. August 1988 - 2 C 62.85 - BVerwGE 80, 127 <128> und vom 28. November 2002 - 2 C 25.01 - BVerwGE 117, 228 <232>). Insoweit erleidet die Körperschaft, deren Behörde aufgrund der landesgesetzlichen Entscheidung die Beteiligungsfähigkeit nicht zukommt, im Anwendungsbereich des § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO allerdings keinen Rechtsnachteil. Denn die Körperschaft ist selbst als Behörde anzusehen bzw. sie kann die grundsätzlich der Behörde eingeräumte Antragsberechtigung selbst wahrnehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2015 - 7 CN 1.14 - Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 2 Rn. 16 und Beschluss vom 15. März 1989 - 4 NB 10.88 - BVerwGE 81, 307 <309 f.> sowie OVG Schleswig, Urteil vom 23. Februar 2000 - 2 K 20/97 - juris Rn. 18).

22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.