Verfahrensinformation

Die Klagen einer Umweltvereinigung und eines Landwirtes richten sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Autobahn A 20 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg vom 16. April 2018. Hierbei handelt es sich um den ersten der in insgesamt sieben Abschnitte unterteilten sog. „Küstenautobahn“. Die Kläger rügen u.a. eine Verletzung verfahrens- und umweltrechtlicher Vorschriften sowie eine unzureichende Berücksichtigung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der klagenden Landwirte. Die zunächst im September 2019 terminierte Verhandlung hatte das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag der beklagten Planfeststellungsbehörde zur Durchführung eines ergänzenden Verfahrens aufgehoben. Gegen den darauf ergangenen Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss vom 3. Februar 2021 erheben die Kläger weitere Einwände.


Pressemitteilung Nr. 45/2022 vom 07.07.2022

Vorerst kein Bau der A 20 zwischen Westerstede und Jaderberg

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute auf die Klage eines Umweltverbandes den Planfeststellungsbeschluss der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vom 16. April 2018 in der Gestalt des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 3. Februar 2021 für den Neubau des 1. Abschnitts der Bundes­autobahn A 20 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Derzeit kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Vorhaben zu keiner Beeinträchtigung des nahegelegenen FFH-Gebiets "Garnholt" führt. Darüber hinausgehende Einwände des Klägers hat das Gericht zurückgewiesen. Die weitere Klage eines Landwirts hatte keinen Erfolg.


Der planfestgestellte Abschnitt, der – anders als möglicherweise andere Abschnitte der A 20 – keine Moore betrifft, ist Teil der in insgesamt sieben Abschnitte unterteilten sog. „Küstenautobahn“ zwischen Westerstede und Hamburg. Die A 20, die bisher von der deutsch-polnischen Grenze bis östlich von Bad Segeberg verläuft, soll nach ihrer Gesamtfertigstellung zusammen mit der A 28 eine Ost-West-Achse von der deutsch-niederländischen bis zur deutsch-polnischen Grenze bilden. Sie ist Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes und im geltenden Bundesverkehrswegeplan als Vorhaben des "Vordringlichen Bedarfs" eingestuft.


Diese gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für das Gericht verbindlich. Die gerichtliche Prüfung ist insoweit auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die angestrebten Planungsziele in einem Maße nicht oder nicht mehr erreicht werden können, dass hieraus eine Verfassungswidrigkeit der Bedarfsfeststellung folgt. Fehler sind dem Vorhabenträger und der Planfeststellungsbehörde jedoch bei der Prüfung unterlaufen, ob die vorhabenbedingte Zunahme der Stickstoffbelastung, die durch den geplanten Abschnitt der A 20 im Bereich der A 28 zu erwarten ist, die Schwelle von 0,3 kg pro Hektar und Jahr überschreitet und so zu einer Beeinträchtigung des Schutzgebiets "Garnholt" führt. Schon der zunächst ermittelte Wert von 0,326 kg pro Hektar und Jahr verblieb nur mittels der Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h auf einer der beiden Richtungsfahrbahnen der A 28 sowie aufgrund der fachlich vorgegebenen mathematischen Rundung auf eine Stelle hinter dem Komma unterhalb des genannten Schwellenwertes. Nachdem im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ein Eingabefehler festgestellt und korrigiert worden war, stieg dieser Wert auf 0,346 kg pro Hektar und Jahr an. Auch diese Neu-Berechnung ist aber nach Auffassung des Senats jedenfalls insoweit fehlerhaft, als sie die Verringerung von Stickstoffeinträgen durch den geplanten Wegfall eines Rastplatzes der A 28 in Höhe des Schutzgebietes überschätzt. Da bereits ein Anstieg um lediglich 4 g pro Hektar und Jahr zu einem Überschreiten des Schwellenwertes führt, kann eine Beeinträchtigung des Gebietes daher nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Auf weitere Kritikpunkte, etwa die Frage der korrekten Depositionsgeschwindigkeit, kommt es angesichts dessen nicht mehr entscheidungserheblich an.


Weitergehende Einwände des klagenden Umweltverbandes hatten hingegen keinen Erfolg. Sie genügen teilweise bereits nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Klagebegründung. Darüber hinaus begegnet die Durchführung artenschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen mittels einer landschaftlichen Umgestaltung des ehemaligen Standortübungsplatzes Friedrichsfeld keinen Bedenken. Zwar handelt es sich hierbei unstreitig um eine ökologisch hochwertige Fläche; sie weist aber nach der Maßnahme die für eine Inanspruchnahme solcher Flächen erforderliche Verbesserung auf. Für die betroffenen Vogelarten ist auch der räumlich-funktionale Zusammenhang gewahrt.


Das Klimaschutzgesetz war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten und musste daher nicht berücksichtigt werden. Auf den späteren Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses kommt es nicht an, da dieser im Wesentlichen die Straßenentwässerung betrifft. Bei einer solchen partiellen Änderung bleibt der Zeitpunkt der ursprünglichen Planfeststellung weiterhin maßgeblich. Dies entspricht der langjährigen Rechtsprechung der Planungssenate des Bundesverwaltungsgerichts. Dafür, dass sich wegen der besonderen Bedeutung und der Dringlichkeit des Klimaschutzes ausnahmsweise etwas anderes ergibt, fehlt es an Anhaltspunkten. Art. 20a GG, der den Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet, enthält nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Vorgaben für einzelne Planfeststellungsverfahren lassen sich daraus ebenso wenig herleiten wie aus dem Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015, welches die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, zur Begrenzung der globalen Klimaerwärmung beizutragen.


Die weitere Klage eines enteignungsbetroffenen Landwirts hat das Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Zwar geht der Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht davon aus, die Übereignung oder langfristige Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen, die vom Kläger bereits auf der Grundlage kurzfristiger Pachtverträge bewirtschaftet werden, könne als Ausgleich von Flächenverlusten angerechnet werden. Jedoch hat der Beklagte dem Kläger während des gerichtlichen Verfahrens weitere Flächen verbindlich zugesagt. Eine Existenzgefährdung wird hierdurch ausgeschlossen.


BVerwG 9 A 1.21 - Urteil vom 07. Juli 2022

BVerwG 9 A 5.21 - Urteil vom 07. Juli 2022


Urteil vom 07.07.2022 -
BVerwG 9 A 5.21ECLI:DE:BVerwG:2022:070722U9A5.21.0

Neubau der A 20 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg

Leitsatz:

Auch dann, wenn Pachtflächen mit einer geringen Restlaufzeit bei der Berechnung vorhabenbedingter Flächenverluste eines Landwirts unberücksichtigt bleiben müssen, kann eine Existenzgefährdung nicht durch eine Übertragung des Eigentums an diesen Flächen abgewendet werden.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 90 Abs. 2, Art. 143e Abs. 1
    FStrBAG § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2
    FStrG § 17 Abs. 2
    UVPG a. F. § 2 Abs. 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 07.07.2022 - 9 A 5.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070722U9A5.21.0]

Urteil

BVerwG 9 A 5.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler, Dr. Martini und
Dr. Dieterich sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Sieveking
am 7. Juli 2022 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 16. April 2018 für den Neubau des ersten Abschnitts der A 20 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg in der Fassung des 1. Änderungsbeschlusses vom 14. September 2018 sowie des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses vom 3. Februar 2021.

2 Das planfestgestellte Vorhaben ist Teil der in insgesamt sieben Abschnitte gegliederten sogenannten "Küstenautobahn" A 20, die im Westen bei Westerstede an die A 28 anbindet und im Osten an den achten Abschnitt des dort als "Nord-West-Umfahrung Hamburg" bezeichneten weiteren Verlaufs der A 20 anknüpft. Die planfestgestellte 13 km lange Strecke beginnt an der vorhandenen Autobahn A 28 Leer - Oldenburg und endet östlich des geplanten Autobahnkreuzes mit der A 29. Die Vorhabenträgerin beantragte im Dezember 2014 die Planfeststellung. Nach Auslegung der Unterlagen ergänzte sie diese u. a. um einen wasserrahmenrechtlichen Fachbeitrag und nahm einzelne Änderungen vor. Nach einer erneuten Auslegung der Planunterlagen und deren Erörterung erließ der Beklagte am 16. April 2018 den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss.

3 Der Kläger ist Eigentümer eines milchproduzierenden landwirtschaftlichen Betriebs; darüber hinaus werden Färsen und Bullen gemästet und findet Ackerbau für den Futtermittelanbau statt. Die Hofstelle befindet sich südöstlich des geplanten Autobahnkreuzes der A 20 und der A 29 auf Höhe des 2. Bauabschnitts der A 20. Nach dessen Planungsstand sollen dort Grundstücksflächen des Klägers in Anspruch genommen und 30 m von dessen Wohnhaus entfernt ein 5 m hoher Wall mit einer zusätzlichen Lärmschutzwand von 4 m errichtet werden. Rund 300 m von der Hofstelle in Richtung des Autobahnkreuzes entfernt befinden sich ein Boxenlaufstall und eine Maschinenhalle des Klägers. Ein Teil der umliegenden, in seinem Eigentum stehenden oder von ihm gepachteten Flächen wird für den Bau des planfestgestellten Abschnitts der A 20 in Anspruch genommen. Auf der Grundlage des Existenzgefährdungsgutachtens Dr. G. vom 27. September 2017 kommt der Planfeststellungsbeschluss zu dem Ergebnis, dass die Existenzfähigkeit des klägerischen Betriebs vorhabenbedingt gefährdet sei, jedoch durch die zur Verfügung gestellten Ersatzflächen gesichert werden könne.

4 Mit seiner am 15. Juni 2018 erhobenen Klage rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht u. a. eine fehlende Zuständigkeit des Beklagten sowie Fehler bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung geltend. Die Existenzgefährdung seines Betriebs werde nicht durch das vorgesehene Ersatzland abgewendet, weil es sich hierbei im Wesentlichen um Flächen handele, die er bereits bisher gepachtet habe.

5 Wegen der Aussetzung des Parallelverfahrens BVerwG 9 A 8.18 wurde aus Gründen der Verfahrenskonzentration mit Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens mit Beschluss vom 11. September 2019 angeordnet. Nach Erlass des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses vom 3. Februar 2021 hat der Kläger sein Vorbringen ergänzt und vertieft.

6 Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 16. April 2018 für den Neubau der A 20 von Westerstede bis Drochtersen, Abschnitt 1 von der A 28 bei Westerstede bis zur A 29 bei Jaderberg, in der Fassung des 1. Änderungsbeschlusses vom 14. September 2018 und des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses vom 3. Februar 2021 und die wasserrechtliche Erlaubnis aufzuheben,
hilfsweise für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

7 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.

8 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss und treten dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.

II

9 Die Klage hat keinen Erfolg.

10 A. Der Planfeststellungsbeschluss leidet weder in seiner ursprünglichen noch in der Fassung des Planfeststellungs- und -änderungsbeschlusses an einem der geltend gemachten formellen Fehler.

11 I. Der Beklagte und nicht - wie vom Kläger geltend gemacht - das Fernstraßen-Bundesamt war für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses sowie des Planfeststellungs- und -änderungsbeschlusses zuständig.

12 Gemäß Art. 143e Abs. 1 GG werden die Bundesautobahnen abweichend von Art. 90 Abs. 2 GG längstens bis zum 31. Dezember 2020 in Auftragsverwaltung durch die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften geführt und regelt der Bund die Umwandlung der Auftrags- in Bundesverwaltung durch Bundesgesetz. Das hierzu als Art. 14 des Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122) verabschiedete Gesetz zur Errichtung eines Fernstraßen-Bundesamtes (Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz - FStrBAG) bestimmt in § 1, dass das Fernstraßen-Bundesamt zum 1. Januar 2021 errichtet wird. Gemäß § 3 Abs. 2 FStrBAG findet § 2 Abs. 2 FStrBAG (Aufgaben des Fernstraßen-Bundesamtes) keine Anwendung auf vor dem 1. Januar 2021 eingeleitete Planfeststellungsverfahren; diese werden von den Ländern fortgeführt. Folglich waren diese - wie der Gesetzgeber mit Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 31. Mai 2021 (BGBl. I S. 1221) klargestellt hat (vgl. BT-Drs. 19/28511 S. 10) – auch für vor dem Stichtag eingeleitete Planergänzungen und ergänzende Verfahren und war somit der Beklagte auch für den Erlass des Planänderungs- und -ergänzungsbeschlusses vom 3. Februar 2021 zuständig. Dementsprechend bedurfte es keiner Änderung des Rubrums im vorliegenden Verfahren (s. a. § 3 Abs. 2 Satz 5 FStrBAG i. d. F. des Gesetzes vom 31. Mai 2021).

13 II. Die Öffentlichkeitsbeteiligung war rechtmäßig. Eine Fehlerhaftigkeit der Auslegungsbekanntmachung vom 2. Juni 2015 hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 24. November 2021 und damit nach Ablauf der Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG i. d. F. der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290) geltend gemacht (zur im Zeitpunkt der Klageerhebung vorrangigen Anwendbarkeit des § 6 UmwRG gegenüber fachgesetzlichen Klagebegründungsfristen vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018 - 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14). Der Einwand, für den nachträglich erstellten wasserrechtlichen Fachbeitrag habe eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müssen, ist unbegründet. Der Fachbeitrag wurde im Verfahren der 1. Planänderung im November und Dezember 2016 und damit vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ausgelegt.

14 III. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht zu beanstanden.

15 1. Sie leidet nicht deshalb an einem Fehler, weil darin die Wohn- und Arbeitssituation des Klägers nicht berücksichtigt wurde. Prüfungsgegenstand sind allein die Schutzgüter nach § 2 Abs. 1 UVPG, zu denen betriebliche, wirtschaftliche oder berufliche Folgen nicht zählen. Etwaige Auswirkungen des planfestgestellten Abschnitts auf das Schutzgut Mensch wurden 800 m beidseits der Trasse und damit über das östliche Ende des Bauabschnitts hinaus auch für den Bereich untersucht, in dem sich die Wohn- und Arbeitsstätten des Klägers befinden.

16 Beeinträchtigungen durch die Errichtung oder den Betrieb des Folgeabschnitts sind hingegen erst im Zuge der späteren Umweltverträglichkeitsprüfung für diesen Abschnitt zu untersuchen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die verfahrens- und materiellrechtlichen Anforderungen an die fernstraßenrechtliche Planfeststellung einheitlich auf denselben Abschnitt als Vorhaben im fernstraßenrechtlichen Sinne zu beziehen; auch der Vorhabenbegriff des § 2 Abs. 2 UVPG knüpft an den fachplanerischen Vorhabenbegriff an. Die UVP-Richtlinie schränkt die nach nationalem Recht bestehende Möglichkeit, ein Gesamtprojekt in mehreren Teilabschnitten durchzuführen, jedenfalls dann nicht ein, wenn die Pflicht zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung für jeden dieser Abschnitte unberührt bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 68 Rn. 31 ff. <insoweit in BVerwGE 156, 215 nicht abgedruckt>). Dies ist vorliegend der Fall, da für den 2. Bauabschnitt gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 FStrG (jetzt § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG) i. V. m. § 6 Satz 1 sowie Anlage 1 Nr. 14.3 UVPG eine eigene Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

17 2. Der Umstand, dass die vorliegend planfestgestellte Seitenentnahme für den Folgeabschnitt nach derzeitigem Planungsstand zum Ausgleich der dortigen Bodenmassendefizite vertieft werden wird, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Insbesondere war das Abbaugewässer nicht schon deshalb hinsichtlich beider Abbauschritte einer gemeinsamen Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, weil der angefochtene Planfeststellungsbeschluss die weitere Planung des Folgeabschnitts mit in den Blick nimmt.

18 Die Seitenentnahme wird im Rahmen des streitgegenständlichen Vorhabens in ihrer vollen Größe und bis zu einer Tiefe von 14 m hergestellt. Kompensiert wird der Eingriff im Wesentlichen durch die naturnahe Herrichtung des Gewässers, die weitestgehend bereits im Zuge des 1. Abschnitts erfolgt (vgl. Unterlage 09.4 D S. 257-D). Für die Errichtung des Folgeabschnitts ist eine weitere Vertiefung, nicht jedoch Vergrößerung des Abbaugewässers vorgesehen. Nach Abschluss der Vertiefung werden auch die restlichen Flächen naturnah hergestellt. Die bislang innerhalb der Abbaufläche verlaufende Bekhauser Bäke wird an deren südöstlichen Rand verlegt und naturnah umgestaltet. Dabei wurde ihr Abstand zur Seitenentnahme im südlichen Bereich mit dem Planänderungs- und -ergänzungsbeschluss vergrößert, um ein Trockenfallen durch den Abbau im Folgeabschnitt zu verhindern.

19 Somit handelt es sich hinsichtlich der beiden Abbaustufen um getrennte Abschnitte, deren umweltrelevante Auswirkungen in gesonderten Verträglichkeitsprüfungen zu untersuchen sind. Darin, dass die vollständige naturnahe Herrichtung der Abbaustätte erst nach Abschluss des 2. Abbauabschnitts erfolgt, liegt im Übrigen keine Konfliktverlagerung in den Folgeabschnitt; denn die dahingehende Anordnung trifft schon der angefochtene Planfeststellungsbeschluss (vgl. Unterlage 19.8.1-D S. 17). Die Vorgabe ist im Übrigen dahingehend auszulegen, dass eine Pflicht zur endgültigen naturnahen Ausgestaltung nicht nur mit der Beendigung des Abbaus für den Folgeabschnitt, sondern auch dann besteht, wenn eine Fortführung der Autobahn im 2. Abschnitt aufgegeben oder hierfür die Entnahmestelle nicht in Anspruch genommen wird. Da die Bekhauser Bäke ohnehin bereits für den 1. Abschnitt verlegt werden muss, bedeutet auch die Wahrung eines größeren statt des zunächst geplanten Abstands zur Abbaufläche kein Vorziehen der Lösung eines erst im Folgeabschnitt angelegten Problems. Der Beklagte hat hierdurch vielmehr lediglich vorausschauend den absehbaren Entwicklungen Rechnung getragen. Schließlich besteht nicht die Gefahr einer Umgehung der Pflicht zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung, da die Vertiefung der Seitenentnahme gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 4 FStrG Teil der Autobahn ist und damit von der UVP-Pflicht für den Folgeabschnitt umfasst wird.

20 3. Soweit der Kläger eine unvollständige Darstellung, Prüfung und Bewertung einzelner Oberflächenwasserkörper sowie die fehlende Berücksichtigung eines Biotops im Bereich der Seitenentnahme kritisiert, wurde die Rüge erstmals mit Schriftsatz vom 5. März 2021 und somit nach Ablauf der Klagebegründungsfrist erhoben. Der Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss enthält keine neuen Regelungen, die sich auf die genannten Gewässer auswirken; die ursprüngliche Klagebegründungsfrist entfällt daher insoweit nicht. Im Übrigen berücksichtigt der aktualisierte Umweltfachliche Fachbeitrag die Gewässer (vgl. Unterlage 19.8.1-D S. 43, 45, 55 und 59). Geschützte Biotope sind nur außerhalb der Abbaufläche vorhanden (vgl. Unterlage 19.8.2 Blatt 7).

21 4. Vor Erlass des Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschlusses musste keine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.

22 Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 UVPG ist bei der Änderung eines UVP-pflichtigen Vorhabens eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn allein die Änderung die Größen- oder Leistungswerte für eine unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 UVPG erreicht oder überschreitet oder die allgemeine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung zusätzliche oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann. Beides verneint der Planfeststellungsänderungs- und -ergänzungsbeschluss (S. 25 ff.). Hiermit setzt sich der Kläger entgegen § 6 Satz 1 UmwRG nicht substantiiert auseinander (zu den Anforderungen an die Klagebegründung nach der inhaltsgleichen Vorschrift des § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 16 ff.).

23 Zu einer UVP-Pflicht führt schließlich auch nicht die Verlagerung der Verlegung der Bekhauser Bäke vom südwestlichen Rand der Seitenentnahme auf das Flurstück oo. Zwar wird hierdurch eine zusätzliche Fläche von 1,04 ha in Anspruch genommen. Jedoch erfolgt die abgerückte Gewässeranbindung auf feuchtem Moorgrünland von nur mittlerer Wertigkeit und wird die Bekhauser Bäke von einem strukturarmen Gewässer mit geringer bis schlechter Biotopqualität zu einem naturnahen Fließgewässer u. a. mit angrenzendem Überschwemmungsbereich mit Auwaldfunktion entwickelt. Es handelt sich damit um eine ökologische Gewässeraufwertung, die keine nachteiligen Auswirkungen hervorruft, sondern eine Umweltentlastung bewirkt (vgl. Unterlage 22.9 S. 3 f., 6, 12). Soweit der Kläger demgegenüber einen Verlust von Kiebitzrevieren geltend macht, sind diese nicht erst durch die weitere Verlegung der Bekhauser Bäke, sondern bereits durch den Bau der A 20 und die Seitenentnahme betroffen. Dem trägt die Planfeststellung durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen Rechnung (vgl. Unterlage 19.8.1-D S. 39, 52).

24 B. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf einen materiellen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses berufen.

25 I. Die Planrechtfertigung ist für das im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3354) dem vordringlichen Bedarf zugeordnete Vorhaben gegeben. Einwände gegen die Planrechtfertigung wegen einer vermeintlichen Unions- und Verfassungsrechtswidrigkeit des Bedarfsplans hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 24. November 2021 und damit nach Ablauf der Klagebegründungsfrist geltend gemacht.

26 II. Die Abschnittsbildung ist rechtmäßig.

27 Die Zulässigkeit einer planungsrechtlichen Abschnittsbildung ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich anerkannt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein planerisches Gesamtkonzept angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, häufig nur in Teilabschnitten verwirklicht werden kann. Die Planfeststellungsbehörde verfügt insoweit über ein planerisches Ermessen, in das sie u. a. Gesichtspunkte einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung einbeziehen kann. Dieses Ermessen wird allerdings durch das materielle Planungsrecht, insbesondere die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und das Abwägungsgebot, begrenzt. Die Aussagekraft der Abwägung darf durch eine Aufspaltung des Vorhabens nicht beeinträchtigt werden. Insbesondere kann eine Teilplanung nicht so weit verselbständigt werden, dass durch die Gesamtplanung geschaffene Probleme unbewältigt bleiben. Auch muss zwischen den Vorteilen, die in der alsbaldigen Verwirklichung eines Teilbereichs liegen, und eventuell damit verbundenen Nachteilen, wie etwa höheren Kosten oder der Durchführung von sich später als überflüssig herausstellenden Baumaßnahmen, eine sachgerechte Abwägung getroffen werden. Darüber hinaus muss der Teilabschnitt bei straßenrechtlichen Vorhaben grundsätzlich eine selbständige Verkehrsfunktion besitzen und dürfen der Verwirklichung des Gesamtvorhabens keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 724).

28 Hiervon ausgehend hat der Senat bereits festgestellt, dass dem Gesamtvorhaben der A 20 keine unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteile vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 151 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 45). Der Einwand des Klägers, die Vorausschau auf Folgeabschnitte berücksichtige vorliegend nur die naturschutzrechtliche Problematik, nicht aber die Betroffenheit des klägerischen Betriebs, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Lärmbeeinträchtigungen oder eine Existenzgefährdung stellen keine von vornherein unüberwindbaren Hindernisse dar, da sie durch Lärmschutzmaßnahmen bzw. Grundstückstausche verhindert und notfalls im Wege der Abwägung überwunden werden können.

29 Die Kritik, es fehle an einer überregionalen Verkehrsfunktion, ist ebenfalls unbegründet. Autobahnprojekte dürfen - und können – (nur) abschnittsweise realisiert werden. Dem widerspräche es, müsste schon nach isolierter Betrachtung der Verkehrsbedarf einer Autobahn für jeden Abschnitt nachgewiesen werden. Letzterer muss daher für den Fall, dass sich das Gesamtkonzept der Planung im Nachhinein als nicht realisierbar erweist, zwar eine eigenständige, nicht jedoch in vollem Umfang die ihm in der Gesamtplanung zugedachte Verkehrsfunktion haben (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <387 f.>, vom 23. Februar 2005 - 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <25 f.> und vom 26. Oktober 2005 - 9 A 33.04 - juris Rn. 33). Soweit der Kläger die eigenständige Verkehrsfunktion des planfestgestellten Abschnitts unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer Gesamt-UVP für beide Abbauabschnitte der Seitenentnahme bestreitet, bedarf es dieser - wie bereits dargelegt - nicht.

30 III. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte eine ernsthafte Gefährdung der betrieblichen Existenz des Klägers verkannt hätte.

31 Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (§ 17 Satz 2 FStrG i. d. F. vom 28. Juni 2007) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Ist die Frage der Existenzgefährdung oder -vernichtung für das Abwägungsergebnis der konkreten Planung ausschlaggebend, muss sie sich Klarheit darüber verschaffen, ob geeignetes Ersatzland zur Verfügung steht, um die Gefährdung oder Vernichtung des Betriebs zu vermeiden. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Einwand ist lediglich dann entbehrlich, wenn sie die behauptete Existenzgefährdung im Wege der Wahrunterstellung ihrer Abwägung (hypothetisch) zugrunde legt, was unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Zur Klärung der Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb infolge des planfestzustellenden Vorhabens in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet zu werden droht, ist regelmäßig eine Begutachtung des Betriebs durch einen landwirtschaftlichen Sachverständigen erforderlich, es sei denn, der Verlust an Eigentums- oder Pachtflächen bleibt in einer Größenordnung von bis zu fünf Prozent der Betriebsfläche. Ein Verlust, der diesen Anhaltswert nicht überschreitet, gefährdet einen gesunden landwirtschaftlichen (Vollerwerbs-)Betrieb in der Regel nicht. Zeichnet sich danach keine Existenzgefährdung ab, kann sich die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich damit begnügen, den Eigentümer auf das nachfolgende Enteignungsverfahren zu verweisen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 2017 - 3 A 3.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 80 Rn. 27 und vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 Rn. 25).

32 Dies vorangestellt, hat der Beklagte eine Existenzgefährdung des klägerischen Betriebs jedenfalls unter Berücksichtigung weiterer, ihm während des Klageverfahrens verbindlich zugesagter Ersatzflächen selbst dann zu Recht verneint, wenn der Bewertung neben Eigentumsflächen nicht nur lang-, sondern auch kurzfristig gepachtete Grundstücke zugrunde gelegt werden müssten.

33 1. Das Existenzgefährdungsgutachten des Sachverständigen Dr. G. – und ihm folgend der Planfeststellungsbeschluss - berechnet die zum Bewertungsstichtag 30. März 2017 vom Kläger landwirtschaftlich genutzte Fläche zutreffend mit 108,59 ha, davon 21,93 ha Eigentums- und 86,66 ha Pachtflächen. Berücksichtigt sind hierbei alle vom Kläger bewirtschafteten Pachtflächen unabhängig von der verbleibenden Pachtdauer.

34 Zu Unrecht macht der Kläger geltend, auch das Grundstück R., Flur a, Flurstück aa habe einbezogen werden müssen. Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt sich die Existenzgefährdung anhand des Verlustes von Eigentums- und Pachtflächen. Auch der einschlägige Leitfaden stellt hierauf ab (vgl. Hauptverband der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen e. V., Existenzgefährdung in der Landwirtschaft, 1. Aufl. 2012 - HLBS-Leitfaden - S. 64 ff., 76, 100). Der Kläger hat das Flurstück aa nach eigenen Angaben sowohl gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. als auch in der Klagebegründung nur bis zum Jahr 2016 bewirtschaftet und darum gebeten, es ihm als Kompensation für den vorhabenbedingten Verlust anderer Flächen zur Verfügung zu stellen. Der Eigentümer des Grundstücks hat ebenfalls bestätigt, dass kein Pachtvertrag bestand. Damit war es ungeachtet der vom Kläger geltend gemachten Abreden mit dem Eigentümer mangels Vorliegens eines Pachtverhältnisses nicht einzubeziehen. Unabhängig davon änderte es nichts zugunsten der Klage, wenn das Flurstück bei der Berechnung des Ist-Zustands berücksichtigt würde. Da es nicht durch das Vorhaben in Anspruch genommen wird, sondern dem Kläger erhalten bleiben soll, führte dies lediglich dazu, dass sich der prozentuale Anteil der entzogenen landwirtschaftlichen Fläche verringerte, der für die Bewertung der Existenzgefährdung von besonderem Gewicht ist. Zwar stünde es dann nicht als Ersatzfläche zur Verfügung. Auch insoweit ergibt sich indes kein relevanter Unterschied gegenüber der Berechnung des Existenzgefährdungsgutachtens.

35 2. Es kann dahingestellt bleiben, ob bei der Berechnung der vorhabenbedingten Flächenverluste des Klägers (a) Flurstücke mit einer nur noch geringen Restlaufzeit der Pachtverträge zu Recht nicht berücksichtigt bzw. nur anteilig angerechnet wurden (b). Denn durch das dem Kläger verbindlich angebotene Ersatzland wird die Existenzgefährdung seines Betriebs unabhängig hiervon abgewendet (c).

36 a) Den Vorgaben des Vorhabenträgers folgend, hat der Sachverständige Entzugsflächen mit bis zu drei Jahren Restpachtdauer nicht, bei einer Restpachtdauer von drei bis vier Jahren mit 50 % und bei einer Restpachtdauer von vier bis fünf Jahren mit 75 % berücksichtigt. Davon ausgehend, verliert der Kläger vorhabenbedingt zwar tatsächlich 11,41 ha Pachtflächen; angerechnet werden ihm hiervon jedoch nur 5,5 ha, da für die weiteren 5,91 ha die Restpachtdauer zu gering ist. Zusammen mit ebenfalls betroffenen Eigentumsflächen verliert der Kläger danach zwar tatsächlich 16,68 ha, rechnerisch jedoch nur 10,77 ha, d. h. 9,9 % seiner bewirtschafteten Flächen. Unter Zugrundelegung der ihm danach rechnerisch verbleibenden 97,82 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche - tatsächlich verbleiben dem Kläger nur 91,91 ha - kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Betrieb des Klägers in seiner Existenz gefährdet ist.

37 Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 24. November 2021 erstmals den Verlust weiterer Pachtflächen sowie eine flächenmäßig stärkere Betroffenheit einzelner Flächen geltend macht, liegt das Vorbringen außerhalb der Klagebegründungsfrist. Die Einwände sind darüber hinaus unbegründet. Die Grundstücke Flur b, Flurstücke bb und cc sowie Flur c, Flurstück dd werden nicht durch den Bau in Anspruch genommen, sondern sind als Ersatzgrundstücke vorgesehen. Das Grundstück Flur c, Flurstück ee wurde nicht berücksichtigt, weil der Pachtvertrag ausweislich des Existenzgefährdungsgutachtens bereits am 31. Oktober 2012 und damit vor dem Bewertungsstichtag endete. Die Berechnung der betroffenen Fläche des Flurstücks ff hat der Beklagte im Schriftsatz vom 29. Mai 2022 plausibel dargelegt.

38 b) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob bei der Berechnung der vorhabenbedingten Verluste Pachtflächen mit nur noch geringer Restpachtdauer zu Recht nicht oder nur anteilig berücksichtigt wurden.

39 Die bisherige Rechtsprechung stellt jedenfalls hinsichtlich der Frage, ob der Anhaltswert von 5 % nicht überschritten und damit in der Regel von dem Fortbestand der Existenzfähigkeit auszugehen ist, auf den Verlust (nur) von Eigentums- und langfristig gesicherten Pachtflächen ab (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 - BVerwGE 136, 332 Rn. 27, vom 6. April 2017 - 4 A 2.16 u. a. - DVBl 2017, 1039 Rn. 74 und vom 9. November 2017 - 3 A 3.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 80 Rn. 27; VGH München, Beschluss vom 14. August 2002 - 8 ZB 02.12 93 - juris Rn. 8 ff.).

40 Allerdings plädiert der einschlägige Leitfaden unter Hinweis auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft, der durch eine abnehmende Verfügbarkeit von Eigentumsflächen und damit einhergehend einen Anstieg des Pachtflächenanteils gekennzeichnet ist, dafür, bei der Prüfung der Existenzgefährdung entzogene Pachtflächen grundsätzlich uneingeschränkt zu berücksichtigen (vgl. HLBS-Leitfaden, S. 75 ff., 100; ebenfalls Zweifel äußernd OVG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24/17 - RdL 2020, 354 <359 f.>). Dem könnte jedoch möglicherweise entgegengehalten werden, dass die Verknappung von Land nicht nur zu einer Verringerung des zum Eigentumserwerb zur Verfügung stehenden Landes und damit zu einer wachsenden Bedeutung von Pachtflächen, sondern auch dazu führt, dass Pachtverträge kurzfristiger geschlossen werden, um Wertsteigerungen besser Rechnung tragen zu können. So verweist auch das vorliegende Existenzgefährdungsgutachten (S. 30) darauf, dass die Pachtzahlungen bei der Verlängerung vieler Pachtverträge des Klägers im Jahr 2017 deutlich nach oben angepasst wurden. Die Kurzfristigkeit von Pachtverträgen begründet daher neben dem Risiko, dass der Verpächter eine weitere Verpachtung ablehnt, auch dasjenige, dass Pachtverträge mit Betrieben abgeschlossen werden, die eine höhere Pacht bieten, oder dass eine Fortsetzung der Pacht nur zu - die Ertragskraft ebenfalls einschränkenden – (deutlich) ungünstigeren Konditionen möglich ist. Dies könnte die Wertung rechtfertigen, dass sich hinsichtlich nur kurzfristig gesicherter Pachtflächen durch das Vorhaben lediglich ein schon aus anderen Gründen bestehendes jederzeitiges Verlustrisiko verwirklicht und es damit zu keiner vorhabenbedingten Existenzgefährdung kommt (s. a. VGH München, Beschluss vom 14. August 2002 - 8 ZB 02.12 93 - juris Rn. 8 ff.).

41 Dies kann hier indes ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob sich die fehlende oder eingeschränkte Berücksichtigung von Pachtverträgen mit kurzer Restlaufzeit vorliegend daraus rechtfertigt, dass sich auch der HLBS-Leitfaden (S. 76) dafür ausspricht, jedenfalls keine Pachtflächen einzubeziehen, deren Verlängerung nicht zu erwarten ist, weil sie beispielsweise im Eigentum der öffentlichen Hand oder des Vorhabenträgers stehen und ihre Laufzeit kurzfristig endet oder beendet werden kann.

42 c) Denn der Beklagte hat dem Kläger verbindlich Ersatzland angeboten, durch welches die Existenzgefährdung seines Betriebs abgewendet werden kann.

43 aa) Insoweit können allerdings die Flächen, die das Existenzgefährdungsgutachten benennt, nur teilweise - im Umfang von 5,6475 ha - berücksichtigt werden. Denn mit Ausnahme des 0,1475 ha großen Teilstücks Flur c, Flurstück gg sowie des Flurstücks hh von 5,5 ha handelt es sich ausnahmslos um Flächen, die der Kläger zum Bewertungsstichtag - wenngleich mit kurzer Restlaufzeit - noch gepachtet hatte. Insoweit geht das Gutachten widersprüchlich mit den Flächen um und bezieht diese doppelt ein, indem es sie zunächst bei der Ermittlung der nach Durchführung des Vorhabens verbleibenden Flächen berücksichtigt, sie sodann jedoch - als wären sie doch nicht Teil dieser Flächen - als Ersatz für vorhabenbedingte Flächenverluste vorsieht und damit letztlich erneut anrechnet. Der einzige Unterschied besteht für den Kläger lediglich darin, dass er bislang nur gepachtete Flächen nunmehr zum Eigentum erwerben kann. Dies ändert aber nichts daran, dass ihm tatsächlich erheblich weniger landwirtschaftlich nutzbare Fläche zur Verfügung steht.

44 bb) Erweist sich demnach die Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 417) insoweit als falsch, als sie davon ausgeht, durch die bei Erlass der Entscheidung vorgesehene Bereitstellung von Ersatzland könne eine Existenzgefährdung abgewendet werden, so hat der Beklagte diesen Fehler durch die verbindliche Zusage weiterer Flächen während des Gerichtsverfahrens geheilt. Dies ist zugunsten des Vorhabens zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - BVerwGE 160, 78 Rn. 20).

45 Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Eigentumsübertragung des bereits im Wege einer Verpachtung als Ersatzland vorgesehenen Flurstücks aa, Flur a der Gemarkung ..., geeignet ist, die Existenzgefährdung des klägerischen Betriebs zu verringern. Denn mit der Zusage der Übertragung des Eigentums an den Flurstücken jj, kk (teilweise) und ll der Gemarkung ..., Flur a, stehen dem Kläger weitere 7,2 ha zur Verfügung. Sofern kurzfristige Pachtverträge bei der Ermittlung des Landentzugs unberücksichtigt bleiben, reduziert dieser sich danach von 10,77 auf 1,57 ha und somit 1,5 % der bislang landwirtschaftlich genutzten Fläche. Er verbleibt damit unterhalb des Anhaltswertes von 5 %.

46 Soweit der Kläger bezüglich der Flurstücke jj und kk die schlechte Anbindung sowie eine teilweise Vernässung des Flurstücks jj gerügt hat, hat der Vertreter der Beigeladenen, Herr L., in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass dort zwar ackerbauliche Maßnahmen erforderlich, jedoch ohne Weiteres durchführbar sind. Zudem hat die Verhandlung ergeben, dass der Kläger als Zuwegung eine mit einer Wildunterführung kombinierte Unterführung nutzen kann. Darüber hinaus liegen die Flächen näher an seiner Hofstelle als andere von ihm gepachtete Grundstücke. Soweit der Kläger hinsichtlich der ihm ebenfalls als Eigentum zugesagten Flurstücke ll, mm und nn eingewandt hat, diese würden durch die auf das dazwischenliegende Flurstück oo verlegte Bekhauser Bäke voneinander getrennt, zudem drohe wegen der angrenzenden Seitenentnahme ein Trockenfallen der Fläche, sind diese Einwände jedenfalls hinsichtlich des Flurstücks ll unbegründet. Um ein temporäres Trockenfallen der Bäke durch den Sandabbau zu verhindern, soll diese auf dem Flurstück oo verlaufen. Das Flurstück ll liegt südlich hiervon und damit noch weiter von der Nebenentnahme entfernt, sodass dort ebenfalls keine Gefahr eines Trockenfallens besteht.

47 Schließlich hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 21. April 2022 konkret dargelegt, dass dem Kläger im Zuge von Tauschvereinbarungen nach §§ 129 ff. FlurbG hofnah ein arrondierter Ackerkomplex von 6,9 ha im Wege der langfristigen Verpachtung zur Verfügung gestellt werden kann. Damit ist eine Existenzgefährdung selbst dann ausgeschlossen, wenn vorliegend entgegen der bisherigen Rechtsprechung und ungeachtet der diesbezüglichen Einschränkungen des HLBS-Leitfadens auch Pachtflächen mit kurzer Restlaufzeit bei der Berechnung der Entzugsfläche zu berücksichtigen wären.

48 C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.