Beschluss vom 07.08.2019 -
BVerwG 10 AV 3.19ECLI:DE:BVerwG:2019:070819B10AV3.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.08.2019 - 10 AV 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:070819B10AV3.19.0]

Beschluss

BVerwG 10 AV 3.19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. August 2019
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Schemmer
beschlossen:

Für die bei dem Verwaltungsgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 17 K 5301/18 und bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 8 A 63/19 anhängigen Verfahren wird das Verwaltungsgericht Hamburg als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Gründe

1 1. Der Antrag ist gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO zulässig.

2 Das Bundesverwaltungsgericht ist als nächsthöheres gemeinschaftlich übergeordnetes Gericht zur Bestimmung der Zuständigkeit berufen, wenn - wie hier - Verwaltungsgerichte verschiedener Bundesländer in Betracht kommen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2004 - 5 AV 2.03 - m.w.N.). Für die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin zu 1 vom 5. November 2018, mit dem der Antragsgegnerin zu 2 teilweise Informationszugang zu ihrer eigenen Förderakte (0315557A) und zur Förderakte der Antragstellerin (0315557B) gewährt wurde, ist das Verwaltungsgericht Schleswig örtlich zuständig. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin zu 1 erstreckt sich über mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke. Nach § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO kommt es daher auf den im Bezirk des Verwaltungsgerichts Schleswig gelegenen Firmensitz der Antragstellerin an. Für die auf uneingeschränkten Informationszugang (und entsprechende Änderung des Bescheides vom 5. November 2018) gerichtete Verpflichtungsklage der in Hamburg geschäftsansässigen Antragsgegnerin zu 2 ist gemäß § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO das Verwaltungsgericht Hamburg örtlich zuständig.

3 Die begehrte Zuständigkeitsbestimmung nach § 53 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwGO ist nicht deshalb abzulehnen, weil diese Vorschrift sich nach ihrem Wortlaut nur auf den Fall bezieht, dass für einen Rechtsstreit zwei verschiedene Gerichte in Betracht kommen. Nach ihrem Sinn und Zweck ist sie auch dann anzuwenden, wenn in zwei Verfahren derselbe Verwaltungsakt von beiden jeweils teils begünstigten und beschwerten Beteiligten mit entgegengesetzten Zielen angefochten wird. In solchen Fällen dient die Zusammenführung der beiden Verfahren an einem Verwaltungsgericht nicht allein der Prozessökonomie, sondern vermeidet widersprüchliche Entscheidungen über den Kern des behördlichen Verwaltungshandelns (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 1999 - 3 AV 2.99 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 26). So liegen die Dinge auch hier. In beiden Verfahren geht es im Kern um die Frage, ob bzw. in welchem Umfang dem Begehren der Antragsgegnerin zu 2 auf Zugang zu den o.g. Förderakten Ausschlussgründe zum Schutz personenbezogener Daten (§ 5 IFG) sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin (§ 6 IFG) entgegengehalten werden können. Die Aussetzung eines der anhängigen Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des anderen Verfahrens stellt kein gleichermaßen sachgerechtes Mittel dar. Abgesehen davon, dass dies eine Verständigung darüber erfordert, welches Verfahren vorrangig einer Sachentscheidung zugeführt werden soll, ist eine zeitgleiche Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht gerade deshalb geboten, weil in beiden Verfahren im Kern über dieselben Fragen gestritten wird.

4 2. Die Zuständigkeitsbestimmung hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu erfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 2009 - 7 AV 1.09 u.a. - juris Rn. 3). Ausschlaggebend ist hier, dass die Klage der Antragsgegnerin zu 2 vor dem Verwaltungsgericht Hamburg schon mit Schriftsatz vom 14. Februar 2019 ausführlich begründet worden ist und die mit Beschluss vom 30. April 2019 beigeladene Antragstellerin bereits Gelegenheit hatte, sich dazu zu äußern. Das Verfahren in Hamburg kann danach zeitnah gefördert und einer Entscheidung zugeführt werden, die sich auch zu den von der Antragstellerin geltend gemachten Ausschlussgründen verhalten muss. Dagegen steht die Klagebegründung im Verfahren der Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Schleswig noch aus, obwohl ein inhaltlicher Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts insoweit nicht besteht. Eine Zuweisung der Verfahren an das Verwaltungsgericht Schleswig ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht deshalb zweckmäßiger, weil dieses im Rahmen zweier Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes schon mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 5. November 2018 befasst war. Die Vorbefassung mit schwierigen Rechtsfragen kann bei der Bestimmung der Zuständigkeit zwar eine tragende Zweckmäßigkeitserwägung darstellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2002 - 6 AV 1.02 u.a. - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 29, juris Rn. 1). Von einer Vorbefassung in diesem Sinne kann hier aber keine Rede sein. Die in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüsse vom 29. November 2018 (8 B 96/18) und vom 13. Februar 2019 (8 B 3/19) verhalten sich nicht zu den entscheidungserheblichen materiellen Rechtsfragen. Im Beschluss vom 29. November 2018 wird der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 5. November 2018 sowie hilfsweise Erlass eines sog. "Hängebeschlusses" mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig erachtet. Der Beschluss vom 13. Februar 2019 behält eine inhaltliche Prüfung des Klagebegehrens der Antragstellerin dem Hauptsacheverfahren vor und erschöpft sich in einer Abwägung der widerstreitenden Aufschub- und Vollziehungsinteressen. Weil die entscheidungserheblichen Rechts- und Tatsachenfragen in beiden Verfahren - wie ausgeführt - identisch sind, stellt schließlich auch der von der Antragstellerin angeführte Umstand, dass das Verwaltungsgericht Hamburg die Entscheidung über ihr Drittanfechtungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Schleswig für vorgreiflich im Sinne von § 94 VwGO gehalten und erwogen hat, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen, keine relevante Zweckmäßigkeitserwägung dar.