Beschluss vom 08.12.2022 -
BVerwG 7 B 9.22ECLI:DE:BVerwG:2022:081222B7B9.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.12.2022 - 7 B 9.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:081222B7B9.22.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 9.22

  • VG Dresden - 04.05.2020 - AZ: 3 K 1104/18
  • OVG Bautzen - 11.11.2021 - AZ: 1 A 452/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Dezember 2022
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. November 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ob eine öffentliche Bekanntmachung einer im vereinfachten Verfahren nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erteilten Genehmigung Rechtsmittelfristen gegenüber jedermann auslöst, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

2 Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nicht schon dann, wenn es zu einer Rechtsfrage noch keine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt. Sie hat sie vielmehr nur dann, wenn der im Rechtsstreit aufgetretene rechtliche Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortbildung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist in der Regel zu bejahen, wenn zu der Rechtsfrage divergierende Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe oder anderer oberster Bundesgerichte vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall.

3 In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist vielmehr geklärt, dass der reguläre Lauf der einmonatigen Widerspruchs- oder Klagefrist nach § 70 Abs. 1 Satz 1, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO durch öffentliche Bekanntmachung eines im vereinfachten Verfahren erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides in Gang gesetzt wird (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24. September 2009 - 8 B 1343/09.AK - juris Rn. 57; VGH Mannheim, Beschluss vom 7. März 2019 - 10 S 2025/18 - NVwZ-RR 2019, 713 Rn. 6 f.; OVG Bautzen, Beschluss vom 8. August 2019 - 1 B 439/18 - ZNER 2019, 495 Rn. 12). In dem angegriffenen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr diese bisher in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vertretene einheitliche obergerichtliche Auffassung mit ausführlicher Begründung bestätigt (UA Rn. 42 ff.).

4 Die Antwort auf die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ergibt sich auch ohne weiteres aus dem Gesetz. Nach § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen worden ist. Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV) ist unbeschadet des § 10 Abs. 7 und 8 Satz 1 BImSchG die Entscheidung über den Antrag u. a. dann öffentlich bekannt zu machen, wenn der Träger des Vorhabens dies beantragt. Diese Regelung, die im vereinfachten Verfahren Anwendung findet (vgl. § 24 der 9. BImSchV), stellt eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Durchführung einer öffentlichen Bekanntgabe des Genehmigungsbescheides dar. Rechtsvorschriften im Sinne des § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG sind nicht nur förmliche Gesetze, sondern auch Gesetze im materiellen Sinne und damit auch Rechtsverordnungen wie die Verordnung über das Genehmigungsverfahren. Der Wortlaut des § 21a Abs. 1 der 9. BImSchV, der sowohl in der amtlichen Überschrift als auch im Text ausdrücklich den Begriff der öffentlichen Bekanntmachung enthält, zielt ersichtlich auf die Bekanntgabe des Genehmigungsbescheides ab. Indem § 21a Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV die Regelungen des § 10 Abs. 8 Satz 2 und 3 BImSchG für entsprechend anwendbar erklärt, ergibt sich der notwendige Inhalt der Bekanntmachung aus diesen Vorschriften. Danach wird die öffentliche Bekanntmachung dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG bekannt gemacht werden. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen werden können (§ 21a Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV). Nach allgemeinen Regeln gilt der im vereinfachten Verfahren erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntgabe als bekannt gegeben (§ 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG). Aus § 19 Abs. 2 BImSchG, der die Anwendbarkeit der im förmlichen Verfahren geltenden § 10 Abs. 7 Satz 2 und 3 sowie Abs. 8 BImSchG ausschließt, ergibt sich lediglich, dass im vereinfachten Verfahren die öffentliche Bekanntmachung eines Genehmigungsbescheides nicht zwingend ist. Darin erschöpft sich aber auch die Regelungswirkung der Norm. Sie steht - wie das angegriffene Urteil zutreffend ausführt - weder einer öffentlichen Bekanntmachung auf Antrag des Genehmigungsantragstellers entgegen noch lässt sich ihr entnehmen, dass die Bekanntmachungswirkung nach den jeweiligen Landesverwaltungsverfahrensgesetzen nicht eintreten kann.

5 Dass die Frage, welche Rechtswirkungen eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 21a Abs. 1 der 9. BImSchV erfolgte öffentliche Bekanntmachung entfaltet, in der Literatur umstritten ist (wie hier: Kerkmann, ZNER 2016, 38 <39 f.>; Keller, NVwZ 2017, 1080 <1081>; a. A. Albrecht/Zschiegner, UPR 2019, 134 <137 f.>; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand April 2022, § 19 BImSchG Rn. 39 und hierauf verweisend Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 19 Rn. 30), rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht. Dies gilt ebenso soweit einige Verwaltungsgerichte, zudem in Entscheidungen älteren Datums, die obergerichtlich einheitlich vertretene Rechtsauffassung nicht teilen (vgl. etwa VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24. April 2018 - 8 L 2840/17 - BeckRS 2018, 14693 Rn. 12 f.).

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.