Verfahrensinformation



Die Beteiligten streiten darüber, ob der 1961 geborene Kläger einen Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG) hat.


Der Kläger beantragte Anfang 2011 bei der beklagten Conterganstiftung die Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz. Zur Begründung legte er Atteste und Arztberichte vor und führte unter Bezugnahme hierauf aus, die von ihm konkret benannten Fehlbildungen seien darauf zurückzuführen, dass seine verstorbene Mutter während der Schwangerschaft das Medikament Contergan eingenommen habe. Der Vorstand der Beklagten leitete die Antragsunterlagen dem Vorsitzenden ihrer medizinischen Kommission zu. Dieser gehörten zu diesem Zeitpunkt der Vorsitzende und 21 medizinische Sachverständige an. Der Vorsitzende übermittelte die Antragsunterlagen nacheinander an acht medizinische Sachverständige der Kommission mit der Bitte um Stellungnahme. Die abgegebenen Stellungnahmen fasste er in einem Schreiben an den Vorstand der Beklagten zusammen und teilte mit, dass der Antrag abzulehnen sei. Daraufhin erließ der Vorstand der Beklagten gegenüber dem Kläger unter dem 2. Dezember 2015 einen entsprechenden Bescheid. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage des Klägers blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos. Die Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg.


Das Oberverwaltungsgericht hat einen Teil der geltend gemachten Fehlbildungen zwar als hinreichend dargelegt angesehen. Es hat aber ausgeführt, nicht abschließend beurteilen zu können, ob die Fehlbildungen mit einer Thalidomideinnahme (im Sinne des § 12 Abs. 1 ContStifG) in Verbindung gebracht werden könnten. Hierfür sei erforderlich aber auch ausreichend, dass bei einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall die Thalidomideinnahme durch die Mutter während der Schwangerschaft als Ursache für die Fehlbildungen des Antragstellers ernsthaft in Betracht komme und dies zur Überzeugung des Gerichts feststehe. Dies sei zu bejahen, wenn ein dahingehender Ursachenzusammenhang plausibel und nachvollziehbar dargelegt werde und dagegensprechende Umstände kein größeres Gewicht besäßen. Soweit dem die bisherige Rechtsprechung, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine gerade auf die Thalidomideinahme beruhende Schädigung werdenden Lebens vorliegen müsse, entgegenstehe, werde daran nicht mehr festgehalten. Das Oberverwaltungsgericht hat des Weiteren ausgeführt, es sei ausnahmsweise auch nicht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, sondern könne die Beklagte zur erneuten Bescheidung des Antrags verpflichten. Denn das Conterganstiftungsgesetz sehe (in § 16 ContStifG) ein besonderes Verfahren für die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen unter Beteiligung eines mit besonderer Sachkunde besetzten Gremiums vor. Dieses Verfahren sei hier nicht eingehalten worden, weil nicht alle Kommissionsmitglieder beteiligt worden seien.


Mit ihrer Revision, die das Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, tritt die Beklagte der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts entgegen und begehrt, die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen. Sie macht insbesondere geltend, das Oberverwaltungsgericht sei von einem unzutreffenden Beweismaß ausgegangen und habe es überdies in rechtswidriger Weise versäumt, die Sache spruchreif zu machen.


Pressemitteilung Nr. 53/2025 vom 09.07.2025

Conterganstiftung muss über das Vorliegen eines Schadensfalles neu entscheiden

Fehlt es an der nach dem Conterganstiftungsgesetz (ContStifG) vorgeschriebenen Entscheidung der Medizinischen Kommission über das Vorliegen eines Schadensfalles im Sinne des Gesetzes, rechtfertigt dies regelmäßig den Ausspruch des Gerichts, die beklagte Conterganstiftung zu einer erneuten Entscheidung über den Antrag zu verpflichten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der 1961 geborene Kläger begehrt wegen mehrerer konkret benannter Fehlbildungen die Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz. Seine nach Ablehnung des Antrags und erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Verpflichtungsklage hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil zum Teil geändert und die beklagte Conterganstiftung in Bezug auf einen Teil der geltend gemachten Fehlbildungen zur Neubescheidung des Antrags verpflichtet. Die Revision der Beklagten hatte überwiegend keinen Erfolg.


Nach der gesetzlichen Regelung setzt der Stiftungsvorstand auf der Grundlage der Entscheidung der bei ihm einzurichtenden Kommission, ob ein Schadensfall im Sinne des Gesetzes vorliegt und wie dieser zu bewerten ist, die Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz fest (§ 16 Abs. 6 ContStifG). Diese Entscheidung der aus mindestens fünf Mitgliedern (einem Juristen und medizinischen Sachverständigen verschiedener Fachbereiche) bestehenden Kommission (§ 16 Abs. 2 ContStifG) über den Schadensfall verlangt – wie die Auslegung dieser Normen ergibt – eine kollegiale Entscheidungsfindung der Kommission unter Beteiligung aller Mitglieder. Dies folgt neben dem Wortlaut und der Gesetzessystematik vor allem aus dem Sinn und Zweck der Norm. Die Entscheidung des mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Gremiums soll eine höhere Richtigkeit und Akzeptanz gewährleisten, um weitere Streitfälle und unnötige Prozesse zu vermeiden. Das ist nur sichergestellt, wenn die Mitglieder der Kommission die Bewertungen und Argumente aller übrigen Mitglieder kennen, sich hierüber austauschen können und sich ihre Entscheidung und Bewertung somit als Ergebnis des in der Kommission gebündelten Sachverstandes darstellt. Auf der Grundlage der für das Bundesverwaltungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Danach hat der Vorsitzende der Kommission nacheinander die Stellungnahme von nur acht der damals insgesamt 21 medizinischen Sachverständigen eingeholt. Das Oberverwaltungsgericht durfte bei dieser Fallkonstellation ausnahmsweise davon absehen, die Sache selbst durch weitere Aufklärungsmaßnahmen spruchreif zu machen. Denn die (nach § 16 Abs. 6 ContStifG) zwingend vorausgesetzte, hier aber fehlende Entscheidung der Kommission als Gremium kann als solche von den Tatsachengerichten nicht nachgeholt oder ersetzt werden.


Die vom Oberverwaltungsgericht für die Neubescheidung durch die Beklagte als maßgeblich niedergelegte Rechtsauffassung zu den Anforderungen an den (in § 12 Abs. 1 ContStifG mit der Formulierung "in Verbindung gebracht werden können" zum Ausdruck gebrachten) herabgesetzten Beweismaßstab steht indes mit Bundesrecht nicht vollumfänglich in Einklang. Das Oberverwaltungsgericht ist zwar im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass über die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (nach § 12 Abs. 1 ContStifG), ob die Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, unter Zugrundelegung eines geringeren Beweismaßes als des Vollbeweises zu entscheiden ist. Über die Zurechnung ist danach im Wege einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu befinden. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht aber zu Unrecht angenommen, es genüge für die Zurechnung, wenn die Thalidomideinnahme für die Fehlbildungen gleichermaßen wahrscheinlich sei wie eine andere Ursache. Erforderlich ist bei mehreren ernsthaft in Betracht kommenden Ursachen vielmehr, dass die Thalidomideinnahme in Relation zu den anderen Ursachen trotz bestehenbleibender Zweifel die wahrscheinlichste Ursache für die Fehlbildungen ist. Dem haben sowohl die Conterganstiftung als auch die Tatsachengerichte im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht Rechnung zu tragen.


BVerwG 5 C 2.24 - Urteil vom 09. Juli 2025

Vorinstanzen:

VG Köln, VG 7 K 2730/17 - Urteil vom 09. August 2022 -

OVG Münster, OVG 16 A 1884/22 - Urteil vom 23. November 2023 -


Urteil vom 09.07.2025 -
BVerwG 5 C 2.24ECLI:DE:BVerwG:2025:090725U5C2.24.0

Verpflichtung der Conterganstiftung zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz

Leitsätze:

1. Die Entscheidung der Kommission nach § 16 Abs. 2 ContStifG über das Vorliegen eines Schadensfalls verlangt eine kollegiale Entscheidungsfindung unter Beteiligung aller Mitglieder.

2. Diese verfahrensrechtliche Voraussetzung ist vorrangig dem Interesse der Antragsteller an einer sachgerechten und zügigen Klärung ihrer Ansprüche sowie einer zeitnahen und wirksamen Leistungsgewährung zu dienen bestimmt und in diesem Sinne drittschützend.

3. Eine fehlende Entscheidung der Kommission im Sinne des § 16 Abs. 2 ContStifG kann im Verwaltungsprozess über die Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz von den Tatsachengerichten nicht nachgeholt oder ersetzt werden.

4. Die Anspruchsnorm des § 12 Abs. 1 ContStifG vermittelt eine Beweiserleichterung, die sich sowohl auf die Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH durch die Mutter während der Schwangerschaft als auch den Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Einnahme und den Fehlbildungen bezieht.

5. Infolgedessen ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob die Thalidomideinnahme durch die Mutter während der Schwangerschaft als wahrscheinliche Ursache für die Fehlbildungen des Antragstellers ernsthaft in Betracht kommt und dies zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Bei mehreren ernsthaft in Betracht kommenden Ursachen ist es erforderlich, dass die Thalidomideinnahme in Relation zu den anderen Ursachen trotz bestehenbleibender Zweifel die wahrscheinlichste Ursache für die Fehlbildungen ist.

  • Rechtsquellen
    ContStifG § 2 Nr. 1 und 2, §§ 9, 12 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 3 Satz 1 und 2, Abs. 4, 5 und 6, § 22
    VwVfG § 24 Abs. 1, § 44 Abs. 3 Nr. 3, § 45 Abs. 1 Nr. 4, § 46
    VwGO § 86 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2

  • VG Köln - 09.08.2022 - AZ: 7 K 2730/17
    OVG Münster - 23.11.2023 - AZ: 16 A 1884/22

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 09.07.2025 - 5 C 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:090725U5C2.24.0]

Urteil

BVerwG 5 C 2.24

  • VG Köln - 09.08.2022 - AZ: 7 K 2730/17
  • OVG Münster - 23.11.2023 - AZ: 16 A 1884/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2023, soweit es nicht in Rechtskraft erwachsen ist, mit Ausnahme der Kostenentscheidung geändert.
  2. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2017 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, soweit er die Daumenfehlbildung, Mittelgesichtshypoplasie mit Kieferfehlbildung, Analstenose mit Inkontinenz nach OP, Augenamblyopie und Strabismus convergens betrifft.
  3. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
  4. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG) zusteht.

2 Der 1961 geborene Kläger beantragte Anfang 2011 bei der beklagten Conterganstiftung die Gewährung entsprechender Leistungen. Zur Begründung legte er Atteste und Arztberichte vor und führte unter Bezugnahme hierauf aus, die von ihm konkret benannten Fehlbildungen seien darauf zurückzuführen, dass seine verstorbene Mutter während der Schwangerschaft das Medikament Contergan eingenommen habe. Der Vorstand der Beklagten leitete die Antragsunterlagen dem Vorsitzenden ihrer Medizinischen Kommission zu, der zu diesem Zeitpunkt 21 medizinische Sachverständige angehörten. Der Vorsitzende übermittelte die Antragsunterlagen mit der Bitte um Stellungnahme nacheinander an acht medizinische Sachverständige der Kommission, wobei zwei von ihnen zur Abgabe erneuter Bewertungen veranlasst wurden. Nach Eingang aller abgegebenen Stellungnahmen fasste der Vorsitzende diese in einem Schreiben an den Vorstand der Beklagten zusammen, dem er mitteilte, dass der Antrag abzulehnen sei. Daraufhin erließ der Vorstand der Beklagten gegenüber dem Kläger unter dem 2. Dezember 2015 einen entsprechenden Bescheid. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage des Klägers blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil zum Teil geändert und die Beklagte in Bezug auf die auch im Tenor dieses Urteils genannten Fehlbildungen zur Neubescheidung des Antrags verpflichtet. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.

3 Zur Begründung des Ausspruchs der Neubescheidung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, soweit das Vorliegen der geltend gemachten Fehlbildungen (Daumenfehlbildung beidseits, Mittelgesichtshypoplasie mit Kieferfehlbildung und Analstenose mit Inkontinenz nach Operation) zur Überzeugung des Gerichts hinreichend dargelegt sei, könne der Senat auch unter Berücksichtigung der mit dem Merkmal "in Verbindung gebracht werden können" des § 12 Abs. 1 ContStifG zum Ausdruck gebrachten Beweiserleichterung nicht abschließend beurteilen, ob der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate durch die Mutter während der Schwangerschaft und den Fehlbildungen gegeben sei. Dafür sei erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall die Thalidomideinnahme durch die Mutter während der Schwangerschaft als Ursache für die Fehlbildungen des Antragstellers ernsthaft in Betracht komme und dies zur Überzeugung des Gerichts feststehe. Dies sei zu bejahen, wenn ein dahingehender Ursachenzusammenhang plausibel und nachvollziehbar dargelegt werde und dagegensprechende Umstände kein größeres Gewicht besäßen. Dementsprechend genüge es nicht, dass die Thalidomideinnahme in der Gesamtbetrachtung nur eine theoretische Möglichkeit der Verursachung sei. Es werde aber auch nicht an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass insoweit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben sein müsse. Das Merkmal "in Verbindung gebracht werden können" sei vielmehr auch dann erfüllt, wenn die Thalidomideinnahme für die Fehlbildungen gleichermaßen wahrscheinlich sei wie eine andere Ursache. Im Übrigen sei im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, dass bei einem typischen Schädigungsbild einer Thalidomidembryopathie geringere Anforderungen an den Nachweis der Thalidomideinnahme durch die Mutter gestellt werden könnten. Umgekehrt sei der Ursachenzusammenhang bei Fehlbildungen, wie sie (auch) im Rahmen der Thalidomidembryopathie beschrieben würden, umso eher zu bejahen, je sicherer von einer solchen Einnahme auszugehen sei. Ebenso sei zu beachten, dass Fehlbildungen dann nicht mehr mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate in Verbindung gebracht werden könnten, wenn dies nach dem Erscheinungsbild der Fehlbildungen oder nach den sonstigen Umständen ausgeschlossen sei. Dies sei grundsätzlich beispielsweise der Fall, wenn die Schwangerschaft zeitlich oder örtlich nicht mit dem Vertrieb der in Rede stehenden Präparate in Einklang zu bringen sei. Das Oberverwaltungsgericht hat sich ausnahmsweise nicht für verpflichtet gehalten, die Sache durch weitere Aufklärungsmaßnahmen spruchreif zu machen. Denn das Conterganstiftungsgesetz sehe in § 16 ContStifG ein besonderes Verfahren für die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen vor. Nach dessen Absatz 6 setze die Festsetzung von Leistungen durch den Stiftungsvorstand eine Entscheidung der Medizinischen Kommission über das Vorliegen eines Schadensfalls voraus. Eine solche Entscheidung fehle hier schon deshalb, weil nicht alle 22 Mitglieder der Kommission (Vorsitzender und 21 medizinische Sachverständige) an der zu treffenden Entscheidung beteiligt worden seien. Die fehlende Entscheidung des mit besonderer Sachkunde besetzten Gremiums könne durch die Gerichte nicht ersetzt werden. Aus diesem Grund entspreche es der Prozessökonomie, die Verpflichtung zur Neubescheidung auch auf die geltend gemachten Augenschäden (Schielamblyopie und Strabismus convergens) zu erstrecken, deren Vorliegen anhand der Aktenlage bereits nicht abschließend beurteilt werden könne. Denn selbst wenn die diesbezügliche Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht zur Anerkennung der Schäden führe, könne der Senat aufgrund der fehlenden Entscheidung der Medizinischen Kommission über den geltend gemachten Anspruch nicht abschließend entscheiden.

4 Die Beklagte wendet sich mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision gegen den stattgebenden Teil des Berufungsurteils. Sie rügt Verstöße gegen § 12 Abs. 1 ContStifG und § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Aus Letzterem folge zugleich ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

5 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

II

6 Die zulässige Revision der Beklagten bleibt überwiegend ohne Erfolg und ist nur insoweit begründet, als die Beklagte bei ihrer vom Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommenen Verpflichtung zur Neubescheidung des Antrags des Klägers im Hinblick auf die im Tenor aufgeführten Fehlbildungen eine andere Rechtsauffassung zu beachten hat.

7 Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert und von ihnen nicht in Abrede gestellt - nur insoweit Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung, als das Oberverwaltungsgericht unter teilweiser Änderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 2. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2017 die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen hat, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über die Conterganstiftung (Conterganstiftungsgesetz - ContStifG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 25. Juni 2009 (BGBl. I S. 1537), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2512), bezüglich der im Tenor ausdrücklich genannten Fehlbildungen unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Die Beklagte hat das Urteil der Vorinstanz nur in Bezug auf diesen sie belastenden Teil angefochten. Soweit das Oberverwaltungsgericht im Übrigen die Berufung des Klägers zurückgewiesen und damit die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Abweisung der Verpflichtungsklage in Form der Vornahmeklage bestätigt hat, ist es mangels Revisionseinlegung durch den insoweit allein beschwerten Kläger in Rechtskraft erwachsen und einer Überprüfung im Revisionsverfahren nicht zugänglich.

8 Die so beschränkte Revision bleibt erfolglos, was zu der ausgesprochenen Zurückweisung "im Übrigen" führt, soweit die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts begehrt. Das angefochtene Urteil erweist sich im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet hat (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Denn die Ablehnung der beantragten Leistungen durch den streitgegenständlichen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten ist rechtswidrig (1.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2.). Zudem musste das Oberverwaltungsgericht in der vorliegenden Fallkonstellation ausnahmsweise keine Spruchreife herstellen (3.; vgl. zum Prüfungsprogramm eines Bescheidungsurteils etwa BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1966 - 8 C 30.66 - BVerwGE 25, 357 <359>; Beschlüsse vom 29. April 1981 - 8 B 14.81 - Buchholz 401.47 Grunderwerbssteuer Nr. 4 S. 3 und vom 24. Oktober 2006 - 6 B 47.06 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 1 Rn. 13 und 16). Die Revision der Beklagten hat aber insoweit Erfolg, als das angefochtene Bescheidungsurteil gleichwohl im Hinblick auf die Rechtsauffassung, welche die Beklagte bei der erneuten Bescheidung zu beachten hat, zu ändern ist. Die vom Oberverwaltungsgericht für die Neubescheidung durch die Beklagte als maßgeblich niedergelegte Rechtsauffassung zu den Anforderungen an den in § 12 Abs. 1 ContStifG herabgesetzten Beweismaßstab steht mit Bundesrecht nicht vollumfänglich in Einklang (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Sie ist zu korrigieren, soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, es genüge für die Erfüllung des in § 12 Abs. 1 ContStifG genannten Merkmals, dass die Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate durch die Mutter während der Schwangerschaft "in Verbindung gebracht werden können", wenn die Thalidomideinnahme für die Fehlbildungen gleichermaßen wahrscheinlich sei wie eine andere Ursache. Insoweit ist für die Neubescheidung durch die Beklagte die im Folgenden (4.) zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Senats bindend.

9 1. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2017 ist formell rechtswidrig. Die Beklagte hat den vom Kläger gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 ContStifG gestellten Antrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt (a). Dies hat zwar nicht zur Nichtigkeit (b), wohl aber zur Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides in der Fassung des Widerspruchsbescheides geführt. Der Verfahrensmangel wurde weder geheilt (c) noch ist er sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht unbeachtlich (d).

10 a) Die Beklagte hat im Verfahren des Klägers die (auch seinerzeit bestehenden) verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 16 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 ContStifG verletzt.

11 Nach § 16 Abs. 6 ContStifG setzt der Stiftungsvorstand auf der Grundlage der Entscheidung und der Bewertung der Kommission nach Absatz 2 die Leistungen nach Maßgabe der Richtlinien nach § 13 Abs. 6 durch schriftlichen Verwaltungsakt fest. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht darüber, dass der Begriff der Leistungsfestsetzung im Sinne dieser Vorschrift seinem Wortsinn nach auch die negative Entscheidung über die Festsetzung von Leistungen umfasst. Dementsprechend bedarf es auch im Fall der Ablehnung eines Leistungsantrags - wie hier - zunächst einer Entscheidung der Kommission nach § 16 Abs. 2 ContStifG. Nach dieser Vorschrift entscheidet eine aus mindestens fünf Mitgliedern bestehende Kommission, die beim Stiftungsvorstand einzurichten ist, darüber, ob ein Schadensfall nach diesem Abschnitt vorliegt und bewertet den Schaden nach Maßgabe der Richtlinien. Das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach von einem zutreffenden Verständnis des Begriffs der Entscheidung der Kommission ausgegangen (aa) und hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu Recht dahin erkannt, dass eine solche im konkreten Fall nicht vorliegt (bb).

12 aa) Entscheidung der Kommission im Sinne des § 16 Abs. 2 ContStifG und damit zugleich des § 16 Abs. 6 ContStifG ist die Entscheidung, die unter Beteiligung aller Mitglieder der Kommission im Wege kollegialer Meinungsbildung getroffen wird. Sie setzt mithin voraus, dass alle Mitglieder der Kommission in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, die Antragsunterlagen sowie die Bewertungen und Argumente aller übrigen Mitglieder kennen und die Möglichkeit haben, sich hierüber auszutauschen. Die Kommission ist überdies als ein ständiges Gremium zu verstehen. Das ergibt die Auslegung des § 16 Abs. 2 ContStifG anhand der anerkannten Auslegungsmethoden.

13 (1) Bereits der Gesetzeswortlaut spricht maßgeblich für dieses Begriffsverständnis. Der Begriff "Kommission", der nach dem allgemeinen und insbesondere juristischen Fachsprachgebrauch eine kollegiale Einrichtung bezeichnet, und der Begriff "entscheidet" sind in § 16 Abs. 2 ContStifG als Subjekt und Prädikat dergestalt aufeinander bezogen, dass Letzterer ein Handeln der (gesamten) Kommission beschreibt. Das in § 16 Abs. 2 ContStifG auf die Kommission bezogene Partizip Präsens "bestehende", das dem allgemeinen Sprachgebrauch nach beschreibt, dass etwas vorhanden ist bzw. Bestand hat, legt nahe, dass es sich bei der Kommission - entgegen der Auffassung der Beklagten - um eine dauerhaft eingerichtete und nicht um eine ad hoc für die Beurteilung des jeweiligen Schadensfalls zusammengesetzte Einrichtung handelt.

14 (2) Der Wortlautbefund wird durch systematische Erwägungen erhärtet.

15 (a) Dafür, dass eine kollegiale Entscheidungsfindung unter Einbeziehung aller Mitglieder in den Entscheidungsprozess erforderlich ist, spricht binnensystematisch zunächst die Regelung des § 16 Abs. 5 ContStifG. Sie bestimmt, dass die Kommission in Zweifelsfällen vor ihrer Entscheidung zu der Frage, ob eine Fehlbildung im Sinne des § 12 vorliegt, eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen hat. Aus der Verwendung des Possessivpronomens "ihrer" ist zu folgern, dass eine Entscheidung der Kommission als Gremium verlangt wird.

16 (b) Des Weiteren streitet der binnensystematische Zusammenhang von § 16 Abs. 2 und 3 Satz 1 ContStifG für die Notwendigkeit einer solchen Entscheidung. Die letztgenannte Vorschrift regelt die personelle Besetzung der Kommission und ordnet an, dass sich diese aus der oder dem Vorsitzenden, die oder der die Befähigung zum Richteramt haben muss, und im Übrigen aus medizinischen Sachverständigen verschiedener Fachbereiche zusammenzusetzen hat. Diese personelle Zusammensetzung soll sicherstellen, dass die Entscheidung über das Vorliegen eines Schadensfalls und dessen Bewertung von einem hierfür mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Gremium getroffen wird. Der zur sachkundigen Entscheidung und Bewertung erforderliche juristische und vor allem besondere medizinische Sachverstand kann seine Wirkung aber nur bei einer kollegialen Entscheidungsfindung effektiv und vollumfänglich entfalten, das heißt, wenn jedes Mitglied der Kommission Kenntnis von dem zu beurteilenden Sachverhalt und dem (begründeten) Votum aller übrigen Mitglieder hat und es auf dieser Grundlage zu einem eine wechselseitige Beeinflussung ermöglichenden Austausch unter den Kommissionsmitgliedern kommt. Denn dies führt in der Regel zu einer Vermehrung der entscheidungserheblichen Gesichtspunkte und Argumente, einer erhöhten Berücksichtigung von Entscheidungsfolgen und einer gesteigerten wechselseitigen Kontrolle und bietet dadurch eine höhere Richtigkeitsgewähr als eine Summe lediglich parallel oder nacheinander eingeholter Stellungnahmen einzelner Mitglieder der Kommission (vgl. zur vergleichbaren Fragestellung bezüglich der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften BVerwG, Urteil vom 26. November 1992 - 7 C 21.92 - BVerwGE 91, 217 <221 f.>).

17 (c) Die Entwicklung der gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Mitgliederzahl unterstreicht diesen Befund. § 19 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2018; im Folgenden: Errichtungsgesetz) setzte die Mitgliederzahl auf fünf Mitglieder fest. Das Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen vom 13. Oktober 2005 (BGBl. I S. 2967), das in § 16 Abs. 2 eine Mindestmitgliederzahl von fünf und eine Höchstmitgliederzahl von acht Mitgliedern vorsah, erlaubte bereits eine Bestellung von drei weiteren medizinischen Sachverständigen. Das sollte gewährleisten, dass alle medizinischen Fachbereiche zur Begutachtung in der Kommission abgedeckt werden können, die sich aufgrund des zunehmenden Alters der contergangeschädigten Menschen und der damit einhergehenden altersbedingten Erkrankungen ergäben (vgl. BT-Drs. 15/5654 S. 1 und 9 und BT-Drs. 15/5851 S. 3). Demselben Ziel diente die Streichung der Höchstmitgliederzahl in § 16 Abs. 2 ContStifG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009 (BGBl. I S. 1534), die es ermöglichte, eine unbegrenzte Zahl von medizinischen Sachverständigen zu bestellen. Mit ihr sollte nicht nur - wie der federführende Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner Beschlussempfehlung und seinem Bericht vom 13. Mai 2009 ausführt - dem Umstand Rechnung getragen werden, dass infolge der eröffneten Möglichkeit einer Antragstellung von bisher von der Ausschlussfrist Betroffenen mit deutlich mehr Verfahren für die Medizinische Kommission zu rechnen sei und dies voraussichtlich zumindest vorübergehend eine personelle Aufstockung der Medizinischen Kommission erfordern werde (BT-Drs. 16/13025 S. 14). Aus dem Protokoll über die am 4. Mai 2009 vor dem Ausschuss erfolgte Sachverständigenanhörung ergeben sich belastbare Anhaltspunkte dafür, dass damit überdies auf die veränderte Begutachtungssituation reagiert werden sollte. Danach erklärte etwa der Vertreter der Rhein-Sieg-Klinik, dass inzwischen viele Spät- und Folgeschäden in die Begutachtungen mit einflössen und die jetzt bzw. in der Zukunft durchzuführenden Begutachtungen auch sonst schwieriger und aufwendiger als früher seien, auch was die humangenetische Abgrenzung von auftretenden spontanen Mutationen angehe (vgl. BT, 16. WP, 86. Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Mai 2009, Wortprotokoll Nr. 16/86 S. 6, 24). Hieraus ist abzuleiten, dass nach der gesetzgeberischen Vorstellung die Kommission unter einer möglichst breiten Beteiligung von medizinischen Sachverständigen entscheiden soll, deren besonderer und gebündelter Sachverstand erst und vor allem bei einer kollegialen Entscheidungsfindung effektiv und vollumfänglich zum Tragen kommt.

18 (d) Dafür, dass § 16 Abs. 2 ContStifG eine Entscheidung verlangt, an der alle Mitglieder der Kommission beteiligt sind, spricht auch der außensystematische Vergleich zu den Bestimmungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 und 2 sowie § 23 Abs. 1 Satz 2 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730). Diese regeln, dass die (Bundes-)Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht in voller Besetzung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 JuSchG, sondern in einer anderen Besetzung entscheidet, die aus der oder dem Vorsitzenden und einer gesetzlich festgelegten Zahl weiterer Mitglieder besteht. Hätte der Gesetzgeber des Conterganstiftungsgesetzes eine Entscheidung durch die oder den Vorsitzenden allein oder mit einem Teil der bestellten medizinischen Sachverständigen ausreichen lassen wollen, hätte es nahegelegen, spätestens im Rahmen der vorstehend erwähnten, nach dem Inkrafttreten des Jugendschutzgesetzes vorgenommenen Gesetzesänderungen eine diesbezügliche Regelung in § 16 ContStifG aufzunehmen. Das ist jedoch nicht geschehen.

19 (e) Dass mit Kommission im Sinne des § 16 Abs. 2 ContStifG eine ständige Kommission gemeint ist, erschließt sich zunächst aus dem binnensystematischen Bezug zu dem - bereits zitierten – § 16 Abs. 6 ContStifG und der in ihm zum Ausdruck gebrachten gesetzlichen Konzeption, nach der die Entscheidung der Kommission über das Vorliegen eines Schadensfalls und dessen Bewertung die Grundlage für den vom Stiftungsvorstand gegenüber dem Antragsteller zu erlassenden (Leistungs-)Bescheid bilden. Die Einbindung der Kommission in jede Antragstellung rechtfertigt die Annahme, dass sie nicht von Fall zu Fall (ad hoc) zu bilden, sondern als ständige Einrichtung konzipiert ist.

20 In die gleiche Richtung weist § 16 Abs. 4 ContStifG, der anordnet, dass die Mitglieder der Kommission vom Stiftungsvorstand bestellt werden. Dies spricht - entgegen der Auffassung der Beklagten - dafür, dass alle bestellten Mitglieder der Kommission an der Entscheidung mitzuwirken haben und eine einzelfallbezogene Zusammenstellung der (zur Entscheidung heranzuziehenden) Mitglieder durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden der Kommission nicht zulässig ist. Abgesehen davon und überdies ist der Bestellung als Mitglied einer (Entscheidungs-)Kommission grundsätzlich eine gewisse Dauerhaftigkeit immanent (vgl. bezüglich der Bestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstandes § 7 Abs. 3 Satz 1 ContStifG).

21 Schließlich bekräftigt § 16 Abs. 3 Satz 2 ContStifG dieses Verständnis. Denn einer Regelung, dass bei Bedarf mehrere Kommissionen eingerichtet werden können, hätte es nicht bedurft, wenn § 16 Abs. 2 ContStifG - wie von der Beklagten vertreten - dahin zu verstehen wäre, dass die Kommission von ihrer oder ihrem Vorsitzenden ad hoc für jeden zu begutachtenden Fall aus den bestellten medizinischen Sachverständigen zusammengestellt werden könne, wobei lediglich die Mindestzahl von vier medizinischen Sachverständigen nicht unterschritten werden dürfe.

22 (3) Das Auslegungsergebnis, dass eine kollegiale Entscheidungsfindung unter Einbeziehung aller Mitglieder in den Entscheidungsprozess erforderlich ist, entspricht allein auch dem Zweck des § 16 Abs. 2 ContStifG. Die Übertragung der Entscheidung über das Vorliegen eines Schadensfalls und dessen Bewertung auf eine Kommission dient ausweislich der Begründung des Errichtungsgesetzes in erster Linie dazu, weitere Streitfälle und unnötige Prozesse zu vermeiden (BT-Drs. VI/926 S. 9). An dieser Zwecksetzung hat sich mangels tragfähiger Anhaltspunkte auch durch die nachfolgenden Gesetzesänderungen nichts geändert. Dieser Zweck verwirklicht sich, wenn gewährleistet ist, dass die Entscheidung der Kommission mit einer erhöhten Richtigkeitsgewähr und Akzeptanz ausgestattet ist. Hierfür ist erforderlich, dass sich die Entscheidung und Bewertung als Ergebnis des in der Kommission gebündelten fachlichen Sachverstandes darstellt. Das ist - wie bereits ausgeführt - nur bei einer kollegialen Entscheidungsfindung hinreichend sichergestellt, bei der die Mitglieder der Kommission die Bewertungen und Argumente aller übrigen Mitglieder kennen und sich hierüber austauschen können.

23 (4) Die Gesetzgebungsgeschichte unterstützt ebenfalls diese Auslegung. Anlass für den Erlass des Errichtungsgesetzes insgesamt sowie insbesondere die Übertragung der Entscheidung über das Vorliegen eines Schadensfalls und dessen Bewertung auf eine Kommission waren die Schwierigkeiten, die sich insbesondere in Bezug auf den Kausalitäts- und Verschuldensnachweis sowohl in den (zivil-)gerichtlichen Auseinandersetzungen der Geschädigten mit der Firma Chemie Grünenthal GmbH (vgl. BT-Drs. VI/926 S. 6; s. hierzu auch Präambel des Vergleichsvertrages vom 10. April 1970, abgedruckt bei Böhm, Die Entschädigung der Contergan-Kinder, 1973, S. 140 f. sowie Beyer, Grenzen der Arzneimittelhaftung dargestellt am Beispiel des Contergan-Falles, 1989, S. 153 ff.) als auch in dem Strafprozess gegen deren Mitarbeiter (vgl. Beratung des Deutschen Bundestages, 6. WP, 130. Sitzung vom 23. Juni 1971, StenBer. S. 7588 C; s. hierzu auch Beyer, Grenzen der Arzneimittelhaftung dargestellt am Beispiel des Contergan-Falles, 1989, S. 158 ff.) offenbart hatten. Ihnen wollte der Gesetzgeber abhelfen, indem er die Abwicklung der Schadensfälle aus der privatrechtlichen Ordnung in die gesetzliche Stiftungslösung verlagerte (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 - 1 BvL 19/75, 1 BvL 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, 263 <298>). Die Umformung der privatrechtlichen Haftungsansprüche in gesetzliche Ansprüche sollte den Contergangeschädigten Zugang zu einer schnellen und wirksamen Hilfe eröffnen (vgl. BT-Drs. VI/926 S. 6) und damit ihre Lebenssituation in finanzieller Hinsicht verbessern. Weitere Verzögerungen bei der Hilfegewährung sollten - soweit hier von Interesse - in verfahrensrechtlicher Hinsicht unter anderem dadurch vermieden werden, dass Ärzte in die Kommission aufgenommen und als externe Gutachter beauftragt werden sollten, die das Vertrauen der überwiegenden Mehrzahl der Eltern der behinderten Kinder genießen. Deshalb wurde den Vertretern der geschädigten Kinder hinsichtlich der Bestellung der medizinischen Sachverständigen der Kommission (vgl. § 19 Abs. 4 Satz 2 Errichtungsgesetz) und der Bestellung der externen Gutachter (vgl. § 19 Abs. 5 Satz 2 Errichtungsgesetz) ein Vorschlagsrecht eingeräumt (vgl. BT-Drs. VI/926 S. 9). Das zeigt, dass es dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Verfahrens vor allem darum ging, das Vertrauen der Contergangeschädigten in die Richtigkeit der Entscheidung der Conterganstiftung als eine maßgebliche Voraussetzung für deren Akzeptanz zu stärken. Dem dient auch eine kollegiale Entscheidungsfindung unter Einbeziehung aller Mitglieder der Kommission. Allein aus dem Umstand, dass das Vorschlagsrecht durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes wegen Verlagerung der Kompetenz für die Bestellung der Kommissionsmitglieder vom Stiftungsrat auf den Stiftungsvorstand weggefallen ist (vgl. BT-Drs. 16/12413 S. 5 und 12), kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber von seiner ursprünglichen Intention abgerückt wäre.

24 bb) Gemessen daran hat das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen das Vorliegen einer Entscheidung der Kommission im Sinne des § 16 Abs. 2 und 6 ContStifG zutreffend verneint. Nach den für den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gehörten der Kommission in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 2. Dezember 2015 der Vorsitzende und 21 medizinische Sachverständige an. Der Vorsitzende der Kommission hat - wie auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bestätigt hat - nicht alle 21 medizinischen Sachverständigen, sondern nur acht von ihnen einbezogen. Eine auf einer kollegialen Entscheidungsfindung basierende Entscheidung der Kommission unter Beteiligung aller Mitglieder fand somit nicht statt.

25 b) Der festgestellte Verfahrensmangel führt nicht zur Nichtigkeit der Ablehnungsentscheidung der Beklagten. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Beurteilung der Nichtigkeit eines (ablehnenden) Verwaltungsaktes des Stiftungsvorstandes im Sinne des § 16 Abs. 6 ContStifG in Anwendung des § 22 ContStifG nach der allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 44 VwVfG richtet. Denn die Nichtigkeit ist hier sowohl im Fall der Anwendbarkeit als auch der Nichtanwendbarkeit des § 44 VwVfG zu verneinen.

26 Sollte sich die Frage, ob die Ablehnungsentscheidung der Beklagten nichtig ist, nach § 22 ContStifG i. V. m. § 44 VwVfG beurteilen, weil die Entscheidung und Bewertung der Kommission gemäß § 16 Abs. 6 ContStifG (nur) die Grundlage des vom Stiftungsvorstand zu erlassenden Verwaltungsaktes bildet und deshalb nur als ein Mitwirkungsakt zu werten ist, wäre ein Fall des § 44 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG gegeben. Danach ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss - wie hier - den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat.

27 Sollte die Anwendung des § 44 VwVfG auf die Entscheidung des Stiftungsvorstandes deshalb infrage gestellt sein, weil der Kommission nach § 16 Abs. 2 ContStifG im Verhältnis zum Stiftungsvorstand die maßgebliche bzw. alleinige Entscheidungsbefugnis für die Feststellung des anspruchsbegründenden Schadensfalls und dessen Bewertung übertragen wäre, fehlte es jedenfalls an der auch jenseits des § 44 VwVfG für eine Nichtigkeit erforderlichen Offensichtlichkeit eines besonders schweren Verfahrensfehlers. Der Bescheid vom 2. Dezember 2015 lässt auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2017 nicht erkennen, dass der Kommission zum Zeitpunkt seines Erlasses 22 Mitglieder angehörten, aber nur neun von ihnen (der Vorsitzende und acht der ihr angehörenden medizinischen Sachverständigen) an dem Entscheidungsprozess beteiligt waren.

28 c) Es ist keine Heilung des festgestellten Verfahrensmangels eingetreten, weil eine dies anordnende gesetzliche Regelung nicht einschlägig ist. Dabei kann offenbleiben, ob für den in Rede stehenden Mangel der fehlenden Entscheidung der Kommission gemäß § 22 ContStifG die Möglichkeit der Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG eröffnet ist (vgl. zur Frage der Anwendbarkeit der Vorschrift des BayVwVfG über die Heilung von Verfahrensfehlern in einer beamtenrechtlichen Streitigkeit BVerwG, Urteil vom 27. August 2009 - 2 C 26.08 - Buchholz 237.1 Art. 41 BayLBG Nr. 2 Rn. 21; s. a. Emmenegger, in: Mann/​Sennekamp/​Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 45 Rn. 116; Sachs, in: Stelkens/​Bonk/​Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 45 Rn. 92; Rademacher, in: Schoch/​Schneider, Verwaltungsrecht, VwVfG, Stand November 2024, § 90 VwVfG Rn. 31). Selbst wenn diese Vorschrift aufgrund einer etwaigen Qualifizierung der Kommissionsentscheidung als (hier unterlassener) Mitwirkungsakt anwendbar wäre, fehlte es an der danach vorausgesetzten Nachholung des erforderlichen Mitwirkungsaktes. Die Kommission hat - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert und von der Beklagten eingeräumt - auch nicht nachträglich unter Einbeziehung aller Mitglieder eine erforderliche (Gremien-)Entscheidung über den Fall des Klägers getroffen.

29 d) Der Verfahrensmangel ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht beachtlich. Der Senat lässt offen, ob § 46 VwVfG, der seinem Wortlaut nach die Aufhebung eines Verwaltungsaktes ausschließt, also Anfechtungsklagen betrifft, auf die hier gegebene Konstellation der Überprüfung eines Bescheidungsurteils (analog) anzuwenden ist (vgl. hierzu allgemein etwa BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 Rn. 51 und vom 17. November 2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 27 f.; OVG Münster, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 13 A 5160/05 - juris Rn. 16 f. sowie Urteil vom 27. Mai 2009 - 13 A 228/08 - PharmR 2009, 460 <464>; Emmenegger, in: Mann/​Sennekamp/​Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 46 Rn. 103 ff.; Schwarz, in: Fehling/​Kastner/​Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 46 VwVfG Rn. 34; Ramsauer, in: Kopp/​Ramsauer, VwVfG, 26. Aufl. 2025, § 46 Rn. 40, jeweils m. w. N.). Der in der fehlenden Einbeziehung aller Kommissionsmitglieder in den Entscheidungsprozess liegende Verfahrensmangel ist selbst dann beachtlich, wenn darüber unter Beachtung des § 46 VwVfG und nicht - wie jenseits dieser Vorschrift - ohne die dort geregelte Beschränkung (ergebnisunabhängig) zu entscheiden ist.

30 Gemäß § 46 VwVfG ist die Verletzung von Vorschriften über das Verfahren (nur) unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Das ist nur dann anzunehmen, wenn das Gericht zweifelsfrei und ohne jede Spekulation davon ausgehen kann, dass die Entscheidung ohne den Fehler genauso getroffen worden wäre (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 - 2 C 1.18 - BVerwGE 165, 305 Rn. 72 m. w. N.). So verhält es sich hier nicht. Die nach § 16 Abs. 2 ContStifG kollegial zu treffende Entscheidung kann schon dadurch anders ausfallen, dass eines der (hier nicht herangezogenen) Mitglieder der Kommission durch seine Teilnahme am Entscheidungsprozess Einfluss auf die anderen Mitglieder ausüben und diese zu einer abweichenden Beurteilung und Entscheidung veranlassen kann (vgl. zu einer vergleichbaren Fallkonstellation BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2018 - 2 C 14.17 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 148 Rn. 32 m. w. N.).

31 2. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2017 verletzt den Kläger auch in seinen Rechten.

32 Der Begriff "seine Rechte" in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, der durch Satz 2 der Vorschrift in Bezug genommen wird, entspricht demjenigen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/​Schenke, VwGO, 31. Aufl. 2025, § 113 Rn. 186). Gemeint sind damit subjektiv-öffentliche Rechte des Klägers. Ein solches Recht liegt vor, wenn die (formelle oder materielle) Vorschrift des öffentlichen Rechts, auf deren Verletzung die Rechtswidrigkeit zurückzuführen ist, nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122 <128> m. w. N.). Dies ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Wahl/​Schütz, in: Schoch/​Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, Stand Februar 2025, § 42 Abs. 2 VwGO Rn. 45). Der vorstehend dargelegten Auslegung der verletzten Verfahrensvorschrift des § 16 Abs. 2 ContStifG (i. V. m. § 16 Abs. 6 ContStifG) ist zu entnehmen, dass sie auch den Schutz individueller Interessen bezweckt und der Kläger zu dem insoweit geschützten Personenkreis gehört.

33 Dies gilt jedenfalls, soweit die Vorschrift - was hier allein zu prüfen ist - eine kollegiale Entscheidungsfindung der Kommission unter Beteiligung aller Mitglieder verlangt. Denn dadurch soll - wie dargelegt - vor allem das Vertrauen der Antragsteller in die Richtigkeit der Entscheidung der Conterganstiftung als eine maßgebliche Voraussetzung für deren Akzeptanz der Entscheidung gestärkt werden, um zeitliche Verzögerungen bei der Leistungsgewährung durch (weitere) Streitfälle und Prozesse zu vermeiden. Dies liegt vorrangig im Interesse der Antragsteller an einer sachgerechten und zügigen Klärung ihrer Ansprüche sowie einer zeitnahen und wirksamen Leistungsgewährung.

34 3. Das Oberverwaltungsgericht durfte - entgegen der Ansicht der Beklagten - in der vorliegenden Fallkonstellation ausnahmsweise davon absehen, die Sache selbst durch eine gegebenenfalls gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene weitere gerichtliche Sachverhaltsermittlung im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO spruchreif zu machen (vgl. zur grundsätzlichen Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung etwa BVerwG, Urteile vom 2. Mai 1984 - 8 C 94.82 - BVerwGE 69, 198 <201>, vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <172>, vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 47 und vom 11. Juli 2018 - 1 C 18.17 - BVerwGE 162, 331 Rn. 28). Es war davon entbunden, weil eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Herstellung der Spruchreife eingreift, die sich einer insoweit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe zuordnen lässt (vgl. zu den Ausnahmefällen etwa BVerwG, Urteile vom 20. Februar 1992 - 3 C 51.88 - BVerwGE 90, 18 <23 f.>, vom 28. Juli 2016 - 7 C 7.14 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 65 Rn. 30 und vom 24. März 2025 - 1 C 6.24 - NVwZ 2025, 1097 Rn. 25). Es liegt zwar nicht der Ausnahmefall eines der Behörde auf der Tatbestandsebene eingeräumten Beurteilungsspielraums vor (a). Das Oberverwaltungsgericht war der Verpflichtung zur Spruchreifmachung aber unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Durchführung eines gebotenen besonderen Verwaltungsverfahrens (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - 7 C 7.14 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 65 Rn. 30) enthoben (b).

35 a) Der Kommission steht bei der Entscheidung im Sinne des § 16 Abs. 2 ContStifG, ob ein Schadensfall nach Abschnitt 2 des Conterganstiftungsgesetzes vorliegt, keine der gerichtlichen Überprüfung entzogene Letztentscheidungskompetenz in Form eines Beurteilungsspielraums zu. Vielmehr unterliegt ihre Entscheidung der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Das gilt erst recht für die Entscheidung des Stiftungsvorstandes, der die Leistungen nach § 16 Abs. 6 ContStifG auf der Grundlage der Entscheidung und der Bewertung der Kommission nach Absatz 2 durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen hat.

36 Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG schließt zwar die ausnahmsweise Einräumung eines kontrollfreien Beurteilungsspielraums durch den Gesetzgeber nicht aus. Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass der jeweiligen Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen ist, der Verwaltung das abschließende Urteil über das Vorliegen der durch einen unbestimmten Gesetzesbegriff gekennzeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen zu übertragen. Dementsprechend muss sich ein Beurteilungsspielraum ausdrücklich aus dem Gesetz ablesen lassen oder durch Auslegung - insbesondere entsprechend dem Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unter Berücksichtigung der Eigenart der einschlägigen Verwaltungsmaterie - hinreichend deutlich zu ermitteln sein. Die damit verbundene Freistellung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrundes (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 9.21 - BVerwGE 177, 154 Rn. 17 m. w. N.). Im Wege der Auslegung der gesetzlichen Regelungen insbesondere des § 16 Abs. 2 ContStifG sowie des § 12 Abs. 1 ContStifG ergeben sich für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls keine hinreichenden Anhaltspunkte.

37 aa) Schon dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 ContStifG - insbesondere der Verwendung der Begriffe "entscheidet" und "Schadensfall" – lassen sich keine genügenden Anhaltspunkte für die Annahme eines der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraums der Kommission entnehmen. Das gilt auch für den Wortlaut der Anspruchsnorm des § 12 Abs. 1 ContStifG. Soweit das Gesetz hinsichtlich der darin genannten materiellen Anspruchsvoraussetzungen an einen unbestimmten Rechtsbegriff ("in Verbindung gebracht werden können") anknüpft, vermag allein dies die Annahme eines Beurteilungsspielraums der Verwaltung nicht zu rechtfertigen. Auch die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe entzieht sich aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich nicht der Pflicht zur vollständigen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 9.21 - BVerwGE 177, 154 Rn. 17 f. m. w. N.).

38 bb) Demgegenüber spricht der systematische Zusammenhang zwischen § 16 Abs. 2 und Abs. 5 ContStifG deutlich gegen die Annahme, dass der Gesetzgeber der für die Entscheidung über das Vorliegen eines Schadensfalls zuständigen Kommission einen der gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglichen Entscheidungsspielraum zubilligen wollte. Der Vorschrift des § 16 Abs. 5 ContStifG liegt die gesetzgeberische Prämisse zugrunde, dass es sich bei der Feststellung, ob ein anspruchsbegründender Schadensfall gegeben ist, um eine objektive, einer Überprüfung durch Dritte, d. h. externe Sachverständige zugängliche Entscheidung handelt. Das legt den Schluss nahe, dass die Entscheidung der Kommission auch im gerichtlichen Verfahren vollumfänglich zu überprüfen ist.

39 cc) Die historische Auslegung bekräftigt diesen Befund. § 20 Errichtungsgesetz sah vor, dass die (Leistungs-)Ansprüche nach diesem Gesetz auf dem ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen sind. Das Conterganstiftungsgesetz vom 13. Oktober 2005 änderte dies und ordnete in § 23 ContStifG an, dass für Streitigkeiten über Ansprüche nach diesem Gesetz der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Mit der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs sollte nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es sich bei den aufgrund des Conterganstiftungsgesetzes getroffenen Maßnahmen um öffentlich-rechtliche Maßnahmen nichtverfassungsrechtlicher Art handelt, für die grundsätzlich das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und damit vor allem auch der in § 24 Abs. 1 VwVfG normierte Untersuchungsgrundsatz gilt. Darüber hinaus sollte den Betroffenen ein umfassenderer Rechtsschutz gewährleistet werden, weil auch die Verwaltungsgerichte nach § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet sind, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (vgl. BT-Drs. 15/5654 S. 14). Letzteres Anliegen des Gesetzgebers würde durch einen der Kommission zugebilligten Beurteilungsspielraum geschwächt. Denn die gerichtliche Prüfung ist bei einem Beurteilungsspielraum darauf beschränkt, ob die zuständige Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 21 und vom 10. Oktober 2024 - 2 C 21.23 - BVerwGE 183, 229 Rn. 19, jeweils m. w. N.), was die Amtsermittlung entsprechend begrenzt.

40 dd) Das Auslegungsergebnis ist auch nicht mit Rücksicht auf den - bereits dargelegten - Zweck des § 16 Abs. 2 ContStifG zu korrigieren, durch die Entscheidung des mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Gremiums weitere Streitfälle und unnötige Prozesse zu vermeiden. Diese Zwecksetzung wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Kommission keine der gerichtlichen Überprüfung unzugängliche Letztentscheidungskompetenz zukommt. Der besondere Sachverstand der Kommission verleiht deren Entscheidung zwar in tatsächlicher Hinsicht ein besonderes Gewicht, vermag aber eine die gerichtliche Überprüfung einschränkende rechtliche Bindungswirkung nicht zu erzeugen.

41 b) Das Oberverwaltungsgericht durfte hier aber von der Spruchreifmachung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Durchführung eines gebotenen besonderen Verwaltungsverfahrens absehen und damit die rechtswidrige Ablehnungsentscheidung ohne weitere eigene Sachverhaltsaufklärung aufheben und der Beklagten die erneute Bescheidung aufgeben. Denn die Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen ist zunächst gemäß § 16 Abs. 2 ContStifG in der Weise einem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Gremium übertragen, dass sich die Entscheidung der Kommission als eine zwingende formelle Voraussetzung für die Leistungsfestsetzung bzw. -ablehnung durch den Stiftungsvorstand nach § 16 Abs. 6 ContStifG darstellt und als solche, soweit die Kommission mit dem Fall nicht befasst wurde oder - wie hier - eine Entscheidung des gesamten Gremiums fehlt, im Verwaltungsprozess über die Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz aufgrund ihres verfahrensrechtlichen Eigenwertes von den Tatsachengerichten nicht nachgeholt oder ersetzt werden kann. Das ist der Auslegung der in der Gesamtschau mit § 16 Abs. 2 ContStifG zu betrachtenden Vorschrift des § 16 Abs. 6 ContStifG zu entnehmen. Die Entscheidungsfindung in der Kommission erwies sich hier schon wegen der Nichtbeteiligung eines Großteils ihrer Mitglieder als derart unvollständig und mit Mängeln behaftet, dass im Ergebnis nicht mehr von einer Entscheidung der Kommission die Rede sein kann. Ob Entsprechendes auch bei weniger gewichtigen (Verfahrens-)Fehlern anzunehmen wäre, welche nicht das Vorliegen, sondern (nur) die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission infrage stellen könnten (so etwa zur Beschlussfähigkeit nach § 22 ContStifG, § 90 VwVfG), unterliegt Zweifeln, ist hier aber nicht abschließend zu beurteilen.

42 aa) Schon der Wortlaut des § 16 Abs. 6 ContStifG weist deutlich in die Richtung einer nicht ersetzbaren Verfahrensvoraussetzung. Die Formulierung "auf der Grundlage der Entscheidung und der Bewertung der Kommission nach Absatz 2" bringt zum Ausdruck, dass eine derartige Entscheidung und Bewertung unabdingbar notwendig ist, wenn der Stiftungsvorstand gegenüber dem Antragsteller einen Verwaltungsakt formell rechtmäßig erlassen soll.

43 bb) Dieses Wortlautverständnis wird durch die ausdrückliche Bezugnahme des § 16 Abs. 6 ContStifG auf § 16 Abs. 2 ContStifG bestätigt. Die normative Anknüpfung des Erlasses des Verwaltungsaktes an die Entscheidung und Bewertung der Kommission nach § 16 Abs. 2 ContStifG unterstreicht die sich aus dem Gesetz ergebende besondere Bedeutung des Beitrages der Kommission im Verwaltungsverfahren. Durch sie werden die Anforderungen des § 16 Abs. 2 ContStifG in die Regelung des § 16 Abs. 6 ContStifG einbezogen und überdies dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kommission im Verhältnis zum Stiftungsvorstand die maßgebliche Eigenleistung der Verwaltung (vgl. hierzu allgemein Hilbert, DVBl 2021, 1213 <1215 ff.>) erbringt. Denn die Kommission entscheidet - wie bereits dargelegt - gemäß § 16 Abs. 2 ContStifG über die materiellen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs, während dem Stiftungsvorstand nach § 16 Abs. 6 ContStifG nur die "weitere technische Abwicklung" dieser Entscheidung obliegt (BT-Drs. VI/926 S. 9). Auch das legt nahe, dass es sich bei der Entscheidung und Bewertung der Kommission nach § 16 Abs. 2 ContStifG um zwingende und nicht ersetzbare Verfahrensvoraussetzungen handelt.

44 cc) Für dieses Verständnis spricht vor allem der Sinn und Zweck des § 16 Abs. 6 ContStifG. Die Vorschrift will - soweit in dem vorliegenden Kontext von Interesse - sicherstellen, dass die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf der sachverständigen Expertise der Kommission beruht und sich die damit verbundenen Vorteile insbesondere im Interesse und zum Nutzen der Antragsteller verwirklichen können. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Schadensfälle - wie bereits ausgeführt - in aller Regel in der Begutachtung schwierig und aufwendig sind und eine sachkundige Entscheidung, ob ein Schadensfall vorliegt und wie dieser zu bewerten ist, einen besonderen Sachverstand voraussetzt, der in der kraft Gesetzes hierfür eigens einzurichtenden Kommission vorhanden ist und nutzbar gemacht werden kann. Dementsprechend kommt dem in § 16 Abs. 2 ContStifG geregelten Verfahrensschritt nach der gesetzgeberischen Vorstellung nicht nur eine dienende Funktion im Hinblick auf die Durchsetzung der Ansprüche auf Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz zu. Vielmehr misst der Gesetzgeber der Entscheidung und Bewertung der Kommission einen darüber hinausgehenden besonderen Eigenwert bei. Diesem Eigenwert entspricht es, dass eine fehlende Entscheidung der Kommission als Gremium im Verwaltungsprozess über die Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz durch die Tatsachengerichte nicht ersetzt werden kann. Denn dies liefe der vorgenannten Zielsetzung zuwider. Die Tatsachengerichte können die kollegiale Entscheidungsfindung der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Kommission nicht vollständig abbilden. Sie können auf der Grundlage des Verwaltungsprozessrechts nur (nacheinander) Gutachten von einzelnen medizinischen Sachverständigen einholen. Das ändert nichts daran, dass die Tatsachengerichte in den Fällen, in denen - anders als hier - eine auf einer kollegialen Entscheidungsfindung basierende Entscheidung der Kommission unter Beteiligung aller Mitglieder gegeben ist, diese Entscheidung grundsätzlich - insbesondere, wenn und soweit sie substantiiert angegriffen wird - auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und dazu erforderlichenfalls auch den Sachverhalt gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO (etwa durch Einholung weiterer medizinischer Gutachten) weiter aufzuklären haben.

45 4. Das Bescheidungsurteil des Oberverwaltungsgerichts kann gleichwohl nicht vollständig bestehen bleiben. Aufgrund der in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO angeordneten Bindung an die einem Bescheidungsausspruch zugrunde liegende Rechtsauffassung führt ein Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung auch dann zu einem anderen Ergebnis, wenn und soweit sich die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung, die den Rechtsmittelführer - hier die Beklagte - beschwert und bei der Neubescheidung maßgebend sein soll, als unzutreffend erweist. In diesem Fall hat das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung insoweit zu ändern und gegebenenfalls selbst ein Bescheidungsurteil zu erlassen, in dem es seine eigene bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1995 - 8 C 8.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 S. 7 f., vom 24. November 2022 - 5 C 9.21 - BVerwGE 177, 154 Rn. 43 und vom 30. Juni 2023 - 5 C 10.21 - BVerwGE 179, 267 Rn. 38). So verhält es sich hier.

46 Als Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten Leistungen kommt - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist - allein § 12 Abs. 1 ContStifG in Betracht. Danach werden Leistungen wegen Fehlbildungen, die mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, an die Leistungsberechtigten gewährt, die bei Inkrafttreten des Errichtungsgesetzes, d. h. am 31. Oktober 1972 (vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" vom 31. Oktober 1972, BGBl. I S. 2045), lebten. Das Oberverwaltungsgericht hat die sich hieraus ergebenden materiellen Vorgaben überwiegend zutreffend dargelegt (a) und ist nur in einer Teilfrage zu korrigieren (b).

47 a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 16) führt in Bezug auf diese Anspruchsgrundlage zu Recht aus, dass für das Tatbestandsmerkmal "Fehlbildungen" der Regelbeweismaßstab gilt, also das Vorliegen einer Fehlbildung zur vollen Überzeugungsgewissheit des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) feststehen muss. Ebenso weist es (UA S. 16 und 36) zutreffend darauf hin, dass die Antragsteller für dieses Merkmal sowie die Tatbestandsmerkmale "Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH, Aachen, durch die Mutter während der Schwangerschaft" und "in Verbindung gebracht werden können" die materielle Beweislast tragen. Das hat zur Folge, dass die (sich trotz Ausschöpfung aller zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten durch das Gericht ergebende) Nichterweislichkeit der diese Tatbestandsmerkmale ausfüllenden Tatsachen zu ihren Lasten geht.

48 Darüber hinaus geht das Oberverwaltungsgericht (UA S. 30) mit Blick auf die Anforderungen an den mit dem letztgenannten Tatbestandsmerkmal herabgesetzten Beweismaßstab im Ansatz zu Recht davon aus, dass mit der Formulierung "in Verbindung gebracht werden können" in § 12 Abs. 1 ContStifG für das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsprozess eine Beweiserleichterung zugunsten der Antragsteller eingeführt wird, die sich sowohl auf das Merkmal der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Grünenthal GmbH durch die Mutter während der Schwangerschaft als auch auf das Erfordernis des Zurechnungszusammenhangs zwischen dieser Einnahme und den Fehlbildungen bezieht. Dementsprechend ist weder hinsichtlich der Thalidomideinnahme noch in Bezug auf deren Ursächlichkeit für die Fehlbildungen ein zur vollen Überzeugungsgewissheit des Gerichts führender Nachweis erforderlich. Ob diese beiden anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorliegen, ist vielmehr - wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 33) ebenfalls zutreffend erkennt - im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Den diesbezüglichen weiteren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts liegt in der Sache die zutreffende Annahme zugrunde, dass für das Merkmal "in Verbindung gebracht werden können" im Sinne der genannten Vorschrift auf den Maßstab der Wahrscheinlichkeit abzustellen ist. Das ist auch aus der Aussage des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 33) zu folgern, dass die Thalidomideinnahme bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung im Einzelfall als Ursache für die Fehlbildungen ernsthaft in Betracht kommen und dies zur Überzeugung des Gerichts feststehen muss. Es genügt nicht, worauf das Oberverwaltungsgericht (UA S. 33) zu Recht ausdrücklich hinweist, dass der Wirkstoff Thalidomid als theoretische Ursache für die Fehlbildungen nicht auszuschließen ist.

49 Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind schließlich auch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu den bei der Gesamtbetrachtung zweifelsfrei als Indizien berücksichtigungsfähigen (aber nicht abschließend zu verstehenden) Aspekten. Das gilt zunächst für die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Wechselwirkung zwischen den Tatbestandsmerkmalen der Thalidomideinnahme und den Fehlbildungen, die dazu führt, dass bei einem typischen Schädigungsbild einer Thalidomidembryopathie geringere Anforderungen an den Nachweis der Thalidomideinnahme gestellt werden können. Umgekehrt gilt, je überzeugender die für das Vorliegen der Thalidomideinnahme sprechenden Indiztatsachen sind, desto näher liegt die Annahme, dass Fehlbildungen, wie sie (auch) im Rahmen der Thalidomidembryopathie beschrieben werden, mit dieser Einnahme in Verbindung gebracht werden können. Ferner kann - wie vom Oberverwaltungsgericht des Weiteren angenommen - der zeitliche und örtliche Zusammenhang der Schwangerschaft zum Vertrieb der in Rede stehenden Präparate bei der Gesamtbetrachtung herangezogen und gewertet werden. Die Zurechnung wird demgemäß regelmäßig zu verneinen sein, wenn die Schwangerschaft vor der Entwicklung der thalidomidhaltigen Präparate der Firma Chemie Grünenthal GmbH (die Thalidomid 1954 entwickelt und das Medikament Contergan in Deutschland am 1. Oktober 1957 in den Handel gebracht hat) oder (vorbehaltlich besonderer Einzelfallumstände) in einem Gebiet stattgefunden hat, in dem diese - wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika - keine Zulassung erhalten haben.

50 b) Das Oberverwaltungsgericht nimmt aber zu Unrecht an, es genüge für die Zurechnung im Sinne des § 12 Abs. 1 ContStifG, wenn die Thalidomideinnahme für die Fehlbildungen gleichermaßen wahrscheinlich sei wie eine andere Ursache. Erforderlich ist bei mehreren ernsthaft in Betracht kommenden Ursachen vielmehr, dass die Thalidomideinnahme im Verhältnis zu den anderen Ursachen trotz bestehenbleibender Zweifel die wahrscheinlichste Ursache für die Fehlbildungen ist. Das erschließt sich im Wege der Auslegung des § 12 Abs. 1 ContStifG anhand der herkömmlichen Auslegungskriterien (aa). Das Normverständnis wirkt sich auf die Amtsermittlungspflichten der Conterganstiftung und der Tatsachengerichte aus (bb).

51 aa) Soweit § 12 Abs. 1 ContStifG für die Gewährung von Leistungen voraussetzt, dass die Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate durch die Mutter während der Schwangerschaft "in Verbindung gebracht werden können", wird mit dieser Formulierung auch zum Ausdruck gebracht, dass die Thalidomideinnahme bei mehreren wahrscheinlichen Ursachen für die (jeweiligen konkreten) Fehlbildungen die Ursache mit der größten Wahrscheinlichkeit sein muss.

52 (1) Der Wortlaut der Vorschrift ist zwar insoweit nicht eindeutig, lässt aber ein derartiges Normverständnis zu. Die Formulierung "in Verbindung gebracht werden können" ist der Präambel des Vergleichsvertrages der Firma Chemie Grünenthal GmbH mit den Eltern der contergangeschädigten Kinder vom 10. April 1970 (vgl. Abdruck bei Böhm, Die Entschädigung der Contergan-Kinder, 1973, S. 141) entlehnt. Sie findet keine Entsprechung in anderen Gesetzen. Dem allgemeinen Wortsinn nach bedeutet "in Verbindung bringen" das Herstellen einer Beziehung oder eines Zusammenhangs zwischen zwei oder mehreren Personen bzw. Sachen. Das Hinzufügen des Modalverbs "können" deutet dabei darauf hin, dass die Anforderungen hierfür nicht zu hoch anzusetzen sind, ohne aber das Maß des Erforderlichen festzulegen. Es steht daher auch einem Begriffsverständnis im Sinne von "eine andere Ursache übertreffend" nicht entgegen.

53 (2) Der Regelungszweck des § 12 Abs. 1 ContStifG spricht maßgeblich für diese Auslegung. Die Vorschrift verfolgt ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 24. März 2009 das Ziel, allen thalidomidgeschädigten Menschen einen Rechtsanspruch auf individuelle Leistungen zu verschaffen, aber auch nur solchen (vgl. BT-Drs. 16/12413 S. 1, 7 und 9). Die Verwirklichung dieses Ziels wäre gefährdet, wenn es für die Zurechnung genügen würde, dass die Thalidomideinnahme für die Fehlbildungen gleichermaßen wahrscheinlich ist wie eine andere Ursache. Damit bestünde die Möglichkeit, dass die nach dem Conterganstiftungsgesetz zu erbringenden Leistungen auch nicht thalidomidgeschädigten Menschen zugutekämen und öffentliche Mittel fehlgeleitet würden.

54 (3) Auch die Entstehungsgeschichte legt diese Auslegung nahe. Bereits das Errichtungsgesetz setzte nicht den im ursprünglichen Referentenentwurf allgemein für behinderte Kinder vorgesehenen Rechtsanspruch auf individuelle Leistungen (vgl. §§ 2, 8 des Referentenentwurfs, abgedruckt bei Böhm, Die Entschädigung der Contergan-Kinder, 1973, S. 40 f.) um, sondern gewährte diesen nur für behinderte Menschen, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate der Firma Chemie Grünenthal GmbH durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können (vgl. § 2 Nr. 1 Errichtungsgesetz). Hieran hielt der Gesetzgeber bei nachfolgenden Gesetzesänderungen unverändert fest. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009 bekräftigte diese Zielsetzung nochmals. Mit ihm wurde die ursprünglich in § 2 Nr. 2 Errichtungsgesetz und sodann in § 2 Nr. 2 ContStifG vorgesehene Möglichkeit, generell Projekte zugunsten von behinderten Menschen, vor allem solchen unter 21 Jahren, zu fördern, abgeschafft. Stattdessen wurde festgelegt, dass künftig nur noch Projekte gefördert werden sollen, die ausschließlich contergangeschädigten Menschen - und nicht mehr generell behinderten Menschen - zugutekommen (vgl. BT-Drs. 16/12413 S. 1, 7 und 9). Der in § 2 ContStifG geregelte Stiftungszweck wurde dementsprechend dahin geändert, dass künftig sowohl durch die individuellen Leistungen (§ 2 Nr. 1 ContStifG) als auch durch die Projektförderung (§ 2 Nr. 2 ContStifG) ausschließlich contergangeschädigte Menschen einen Nachteilsausgleich erhalten sollen.

55 Hinzu kommt, dass die bei der Gründung der heutigen Conterganstiftung für die Gewährung individueller Leistungen zur Verfügung stehenden Mittel zunächst begrenzt waren. Die Stiftung war zu Anfang mit einem Stiftungskapital in Höhe von 100 Mio. DM zuzüglich Zinsen der Firma Chemie Grünenthal GmbH sowie 100 Mio. DM aus Bundesmitteln ausgestattet (vgl. BT-Drs. 16/12413 S. 9; s. a. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 13. Mai 2009, BT-Drs. 16/13025 S. 1). Auch das spricht dafür, dass der historische Gesetzgeber über die Reduzierung des Beweismaßes die begrenzten Mittel nicht anderen als den leistungsberechtigten Personen zugutekommen lassen wollte. Die finanzielle Ausstattung der Stiftung ist inzwischen zwar eine andere. Die Änderung der Regelung über das Stiftungsvermögen (vgl. § 4 Errichtungsgesetz bzw. § 4 ContStifG) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 25. Juni 2009 sorgt grundsätzlich für eine ausreichende Finanzausstattung der Stiftung. Das hat aber keine Auswirkungen auf das in § 12 Abs. 1 ContStifG geregelte Beweismaß. Denn der Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes hat - wie dargelegt - die allgemeine Zielsetzung des Gesetzes bekräftigt.

56 (4) Gesetzessystematisch findet das Erfordernis der im Verhältnis zu anderen in Betracht kommenden Ursachen "größten Wahrscheinlichkeit" einer Schädigung durch Thalidomid eine Stütze in § 9 ContStifG. Die Vorschrift bestimmt, dass die Mittel der Stiftung nur für die Stiftungszwecke verwendet werden dürfen. Mit Blick auf den in § 2 Nr. 1 ContStifG festgeschriebenen Stiftungszweck dürfen individuelle Leistungen mithin - wie dargelegt - nur an thalidomidgeschädigte Menschen gewährt werden. Bei mehreren wahrscheinlichen Ursachen ist das nur dann sichergestellt, wenn die Thalidomideinnahme die wahrscheinlichste Ursache für die Fehlbildungen ist.

57 (5) Die Ermittlung, ob die Thalidomideinnahme bei mehreren wahrscheinlichen Ursachen für die (jeweiligen konkreten) Fehlbildungen die Ursache mit der größten Wahrscheinlichkeit ist, erfordert eine wertende Gewichtung der Verursachungswahrscheinlichkeiten der in Betracht kommenden Ursachen. Soweit sich die Bestimmung hinreichend genauer Wahrscheinlichkeitswerte (überhaupt) als möglich bzw. verlässlich darstellt, kann bei Anwendung dieses Maßstabes grundsätzlich auch eine Verursachungswahrscheinlichkeit für eine thalidomidbedingte Schädigung von unter 50 vom Hundert genügen. Dies kommt in Betracht, wenn neben der Thalidomideinnahme wenigstens zwei weitere Faktoren als Ursachen für die (jeweiligen konkreten) Fehlbildungen ernsthaft in Betracht kommen, deren Verursachungswahrscheinlichkeit aber jeweils unter derjenigen für eine thalidomidbedingte Schädigung liegt. Lediglich in den Fällen, in denen neben der Thalidomideinnahme nur eine andere wahrscheinliche Ursache für die (jeweiligen konkreten) Fehlbildungen in Betracht kommt, muss die Verursachungswahrscheinlichkeit für eine thalidomidbedingte Schädigung über 50 vom Hundert liegen.

58 bb) Dem Erfordernis zu ermitteln, ob die Thalidomideinnahme bei mehreren wahrscheinlichen Ursachen für die Fehlbildungen die Ursache mit der größten Wahrscheinlichkeit ist, haben sowohl die Conterganstiftung als auch die Tatsachengerichte im Rahmen ihrer jeweiligen Amtsaufklärungspflicht Rechnung zu tragen. Soweit nach den vorstehenden Ausführungen eine Bewertung der Verursachungswahrscheinlichkeit erforderlich ist, weil bei der gebotenen Gesamtbetrachtung im Einzelfall neben der Thalidomideinnahme auch andere Faktoren als Ursache für die (jeweiligen konkreten) Fehlbildungen ernsthaft in Betracht kommen, hat zunächst die Conterganstiftung gemäß § 22 ContStifG i. V. m. § 24 Abs. 1 VwVfG und haben sodann gegebenenfalls die Tatsachengerichte gemäß § 86 Abs. 1 VwGO durch weitere Aufklärungsmaßnahmen zu klären, ob den erläuterten Vorgaben des § 12 Abs. 1 ContStifG genügt ist. Die Conterganstiftung hat hierbei insbesondere ihre Verpflichtung ("hat") nach § 16 Abs. 5 ContStifG im Blick zu behalten und in Zweifelsfällen eine externe gutachterliche Stellungnahme einzuholen, deren Kosten sie - unabhängig vom Ausgang eines etwaigen Verwaltungsprozesses - zu tragen hat (vgl. zu der Tragung der Kosten einer behördlichen Sachverhaltsaufklärung allgemein Stuhlfauth, in: Bader/​Funke-Kaiser/​Stuhlfauth/​von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 113 Rn. 102).

59 5. Die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil kann vor diesem Hintergrund Bestand haben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Beschluss vom 26.09.2025 -
BVerwG 5 C 2.24ECLI:DE:BVerwG:2025:260925B5C2.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.09.2025 - 5 C 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:260925B5C2.24.0]

Beschluss

BVerwG 5 C 2.24

  • VG Köln - 09.08.2022 - AZ: 7 K 2730/17
  • OVG Münster - 23.11.2023 - AZ: 16 A 1884/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. September 2025 durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß als Einzelrichterin gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG beschlossen:

  1. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Revisionsverfahren auf 133 255,72 € festgesetzt.
  2. Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei.
  3. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1 1. Die Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit, welche das Gericht auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 11. August 2025 vorzunehmen hat, folgt für das Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht aus § 33 Abs. 1, § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 RVG.

2 Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 RVG ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das auszuübende Ermessen orientiert sich mit Blick darauf, dass die Beklagte Revisionsführerin war, an deren wirtschaftlichem Interesse am Ausgang des Revisionsverfahrens. Dieses Interesse ergibt sich aus der durch das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2023 bewirkten Beschwer der Beklagten. Diese Beschwer besteht in der Verpflichtung der Beklagten, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz bezüglich der im Tenor ausdrücklich genannten Fehlbildungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts neu zu bescheiden. Es entspricht billigem Ermessen, das wirtschaftliche Interesse der Beklagten an der von ihr mit der Revision angestrebten Beseitigung des Bescheidungsurteils auf 133 255,72 € festzusetzen.

3 Bei diesem Betrag handelt es sich um die Hälfte des sich aus den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. August 2025 vorgelegten und unwidersprochen gebliebenen Berechnungen ergebenden Gesamtbetrages von 266 511,45 €. Diese Berechnungen orientieren sich am wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der von ihm in den beiden Vorinstanzen erstrebten Verpflichtung der Beklagten zur Leistungsgewährung. Der Gesamtbetrag gibt wieder, was der Kläger bei Anerkennung der im Tenor des Oberverwaltungsgerichts ausdrücklich genannten Fehlbildungen auf der Grundlage der hypothetischen Punktberechnung der Medizinischen Kommission vom 1. August 2025 an Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz ab seiner Antragstellung bei der Beklagten bis zu der von ihm erhobenen Verpflichtungsklage und für den Zeitraum von einem Jahr ab dem auf die Klageerhebung folgenden Monat erlangen könnte. Das wirtschaftliche Interesse der Beklagten als Revisionsführerin an der erstrebten Beseitigung des Bescheidungsurteils ist mit der Hälfte des Gesamtbetrages angemessen bewertet. Die Reduzierung um die Hälfte knüpft an den - für § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 RVG nicht unmittelbar anwendbaren - Rechtsgedanken von Nr. 1.4 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 21. Februar 2025 beschlossenen Änderungen an, nach dem in Fällen, in denen lediglich Bescheidung beantragt wird, der Streitwert einen Bruchteil, mindestens jedoch die Hälfte des Wertes der entsprechenden Verpflichtungsklage betragen kann.

4 2. Die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in ihrer Stellungnahme vom 2. September 2025 gemachten Ausführungen geben keine Veranlassung, den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit höher, insbesondere auf die von ihr angeregten 266 511,45 € festzusetzen.

5 Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers zur Begründung ausführt, "[l]etztendlich ging es in diesem Verfahren um die Anerkennung der im Tenor ausdrücklich genannten Fehlbildung[en] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichtes" bzw. "gerade darum, dass die im Tenor genannten Fehlbildungen als Contergan-bedingt anerkannt werden sollten", stellt sie auf das vom Kläger mit seiner Verpflichtungsklage in den beiden Vorinstanzen geltend gemachte wirtschaftliche Interesse ab. Für die Festsetzung des Gegenstandswertes im vorliegenden Revisionsverfahren, in dem es (nur) um die Überprüfung des Bescheidungsurteils des Oberverwaltungsgerichts geht, ist indes - wie dargelegt - das wirtschaftliche Interesse der Beklagten als Revisionsführerin an der Beseitigung dieses Urteils maßgeblich, welches nicht mit dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Verpflichtung zur Leistungsgewährung gleichgesetzt, sondern nur mit einem Bruchteil des Wertes dieses Interesses angesetzt werden kann.

6 Weitere Gründe, die im vorliegenden Fall eine höhere Festsetzung des Gegenstandswertes gebieten könnten, werden von der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.

7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 33 Abs. 9 RVG.