Beschluss vom 09.10.2008 -
BVerwG 9 PKH 2.08ECLI:DE:BVerwG:2008:091008B9PKH2.08.0

Leitsätze:

1. Wendet sich ein Planbetroffener gegen Lärmbelästigungen seines Wohngrundstücks, gibt dies der Planfeststellungsbehörde regelmäßig Anlass, neben den Lärmeinwirkungen auf den Innenwohnbereich auch die Lärmeinwirkungen auf eventuell vorhandene Außenanlagen zur Freizeitgestaltung und Erholung am Wohngebäude wie Terrassen oder Balkone zu untersuchen. Denn diese in der Regel ohne Weiteres erkennbaren Außenanlagen bilden im Allgemeinen das Schwergewicht der Außenwohnnutzung.

2. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Außenwohnnutzung jenseits von Terrassen und Balkonen Schutz genießt, ist die Planfeststellungsbehörde jedenfalls insoweit regelmäßig auf konkrete Angaben des Planbetroffenen angewiesen, wenn ein Einwendungsausschluss (§ 17a Nr. 7 Satz 1 FStrG) vermieden werden soll. Dies gilt erst Recht bei einer erst beabsichtigten Nutzung bestimmter Grundstücksteile.

  • Rechtsquellen
    FStrG § 17a Nr. 7 Satz 1 VwGO

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.10.2008 - 9 PKH 2.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:091008B9PKH2.08.0]

Beschluss

BVerwG 9 PKH 2.08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Oktober 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte, Domgörgen
und Dr. Christ
beschlossen:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren BVerwG 9 A 7.08 nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Der Kläger ist Eigentümer des 7 276 m² großen Grundstücks Flurstück Nr. ..., Gemarkung L., von dem für die Realisierung des Vorhabens 1 370 m² dauerhaft in Anspruch genommen werden sollen. Sein bisheriges Vorbringen im gerichtlichen Verfahren lässt nicht erkennen, dass er - als von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffener - die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Neubau der Bundesstraße B 93, Ortsumgehung Gößnitz und Ortsumgehung Löhmigen, die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens oder eine Planergänzung wird erreichen können.

3 1. Der Kläger macht geltend, dass Maßnahmen zum Schutz seines Grundstücks vor Lärm zu Unrecht abgelehnt worden seien. Die schalltechnische Untersuchung des Vorhabenträgers, welche der Versagung von Lärmschutz zugrunde liege, sei fehlerhaft. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die maßgeblichen Grenzwerte von 54 dB(A) nachts und 64 dB(A) tags infolge der erheblichen Steigung der geplanten Trasse im Bereich seines Grundstücks überschritten würden. Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 hat der Beklagte entgegnet, die Längsneigung der Trasse werde von 0,5 % an der Südostecke des Grundstücks des Klägers auf lediglich 1,7 % an der Nordostecke ansteigen. Auch weiter nördlich dieses Grundstücks betrage die Längsneigung maximal 3,9 %. Diese tatsächlichen Angaben hat der Kläger bislang nicht in Abrede gestellt. Der Beklagte hat in oben genanntem Schreiben ferner darauf hingewiesen, dass gemäß Ziffer 4.4.1.1.4 der Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) erst eine Steigung oder ein Gefälle von über 5 % durch einen Korrekturwert in der schalltechnischen Berechnung zu berücksichtigen sei. Dies entspricht auch den Vorgaben der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) zur Berechnung des Beurteilungspegels für Straßen (Anlage 1, Tabelle C). Somit gibt es derzeit keine Anhaltspunkte für einen Anspruch des Klägers auf Lärmschutz.

4 2. Ferner begehrt der Kläger Entschädigung für eine „deutlich über den gesetzlichen Grenzwerten“ liegende Lärmeinwirkung auf seinen Außenwohnbereich. Da die geplante Trasse seinen bisherigen Außenwohnbereich in Anspruch nehme, werde er einen neuen Bereich wählen müssen, der allerdings nicht in der Nähe seines Wohnhauses, sondern deutlich näher an der neuen Trasse liegen werde. Auf seinem Grundstück befinde sich außerdem eine von ihm genutzte Feuerstelle, die ebenfalls unzumutbaren Lärmeinwirkungen ausgesetzt sein werde. Mit diesem Vorbringen ist der Kläger gemäß § 17a Nr. 7 Satz 1 FStrG ausgeschlossen. Zwar hat er innerhalb der Einwendungsfrist geltend gemacht, dass er sich gegen „Lärmbelästigungen für mein Wohngrundstück“ wende (Niederschrift bei der Gemeinde Saara vom 14. März 2006). Diese pauschale Einwendung umfasst jedoch nicht das nunmehr vorgebrachte Begehren. Einwendungen müssen so konkret sein, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll (Beschluss vom 16. Oktober 2001 - BVerwG 4 VR 20.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 165 S. 83). Danach ist für die Planfeststellungsbehörde bei einem Hinweis auf „Lärmbelästigungen des Wohngrundstücks“ regelmäßig Anlass gegeben, neben den Lärmeinwirkungen auf den Innenwohnbereich auch die Lärmeinwirkungen auf eventuell vorhandene Außenanlagen zur Freizeitgestaltung und Erholung am Wohngebäude wie Terrassen oder Balkone zu untersuchen. Denn diese in der Regel ohne Weiteres erkennbaren Außenanlagen bilden im Allgemeinen das Schwergewicht der Außenwohnnutzung. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Außenwohnnutzung jenseits von Terrassen und Balkonen Schutz genießt, ist die Planfeststellungsbehörde jedenfalls insoweit regelmäßig auf konkrete Angaben der Planbetroffenen angewiesen. Das gilt umso mehr, wenn es sich - wie hier - um ein großes Grundstück handelt. Der Kläger hat im Übrigen selbst im Erörterungstermin nicht auf eine Feuerstelle oder die beabsichtigte künftige Nutzung von Teilen seines Grundstücks als Außenwohnbereich hingewiesen, obwohl der Aspekt der Außenwohnnutzung mit Blick auf Lärmeinwirkungen auf seinen Balkon und auf eine - nach seinen Angaben befestigte - Sitzecke erörtert wurde. Er ist daher mit seinem Vorbringen präkludiert. Die weiteren Präklusionsvoraussetzungen, wonach der Einwendungsausschluss nur eintritt, wenn in der Bekanntmachung der Auslegung oder der Einwendungsfrist auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde (§ 17a Nr. 7 Satz 3 FStrG) und diese Bekanntmachung ihrerseits ordnungsgemäß war, sind ausweislich der Behördenakte gegeben.

5 3. Schließlich wendet der Kläger ein, sein Grundstück müsse für Traktoren mit Anhängern zugänglich sein, da er für seine Tierhaltung Futtermittel benötige. Außerdem müsse sein Grundstück mit Lastkraftwagen erreichbar sein, um beispielsweise die vorhandene Kläranlage entsorgen zu können. Bei der geplanten Trassenführung könnten diese Fahrzeuge nicht mehr ungehindert auf sein Grundstück fahren. Diese müsse daher entsprechend geändert werden. Dieses Vorbringen lässt bereits eine ausreichende Substantiierung vermissen. Der Kläger zeigt nicht auf, was er unter „ungehinderter“ Befahrbarkeit versteht und inwiefern diese künftig nicht mehr gewährleistet sein wird. Hierzu hätte umso mehr Anlass bestanden, als der Beklagte mit Schreiben vom 30. April 2008 jede planbedingte Verschlechterung der bisherigen Zufahrtsmöglichkeiten bestreitet und der Kläger diesen Aspekt auch im Erörterungstermin nicht vorgebracht hat.

6 Davon abgesehen ist der Kläger auch mit dieser Einwendung ausgeschlossen. Die Planfeststellungsbehörde musste ohne entsprechende Angaben nicht davon ausgehen, dass der Kläger - der nach Aktenlage keinen landwirtschaftlichen Betrieb führt - in besonderer Weise auf die Zufahrt seines Grundstücks mit großen Fahrzeugen angewiesen ist (vgl. Urteil vom 22. September 2004 - BVerwG 9 A 59.03 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 183 S. 180 f. zur Obliegenheit, innerhalb der Einwendungsfrist auf „besondere betriebliche Dispositionen“ hinzuweisen). Der zu Protokoll gegebenen Einwendung des Klägers lässt sich dazu jedoch nichts entnehmen. Vielmehr wird dort nur darauf hingewiesen, dass das „Grundstück ... vollständig zur Eigennutzung benötigt“ werde. Aufgrund dieses pauschalen Hinweises konnte die Planfeststellungsbehörde nicht erkennen, dass es dem Kläger gerade auch um die Zufahrtsmöglichkeiten ging. Wie bereits ausgeführt, hat er diesen Gesichtspunkt auch im Erörterungstermin mit keinem Wort zur Sprache gebracht.