Beschluss vom 09.12.2022 -
BVerwG 10 B 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:091222B10B2.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.12.2022 - 10 B 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:091222B10B2.22.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 2.22

  • VG Köln - 24.06.2021 - AZ: 13 K 165/21
  • OVG Münster - 08.03.2022 - AZ: 15 E 606/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Dezember 2022
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt vom Bundeszentralamt für Steuern Auskünfte über sämtliche Konten, Sparguthaben, Depots und Schließfächer seines verstorbenen Onkels sowie über die jeweils verfügungsberechtigten Personen.

2 Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit an das Finanzgericht verwiesen. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluss geändert und den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene weitere Beschwerde der Beklagten.

II

3 Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 152 Abs. 1 und § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet. Für Rechtsstreitigkeiten, die auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützte Auskunftsansprüche gegen das Bundeszentralamt für Steuern ohne steuerlichen Bezug betreffen, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

4 Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine solche Sonderzuweisung besteht für Streitigkeiten der hier gegebenen Art nicht. Entgegen der weiteren Beschwerde ist der Weg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht festgestellt.

5 1. Der Finanzrechtsweg ist zunächst nicht aufgrund der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO gegeben, weil dieser Rechtsweg - soweit hier von Bedeutung - nicht durch Bundesgesetz eröffnet ist. Die Regelung des § 32i Abs. 2 Satz 2 AO ist vorliegend nicht einschlägig.

6 Nach § 32i Abs. 2 Satz 2 AO ist der Finanzrechtsweg auch gegeben für Auskunfts- und Informationsansprüche deren Umfang nach § 32e AO begrenzt wird. Gemäß § 32e Satz 1 AO gelten die Artikel 12 bis 15 der Verordnung (EU) 20216/679 - Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – in Verbindung mit den §§ 32a bis 32d AO entsprechend, soweit die betroffene Person oder ein Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) in der jeweils geltenden Fassung oder nach entsprechenden Gesetzen der Länder gegenüber der Finanzbehörde einen Anspruch auf Informationszugang hat. Satz 2 der Vorschrift besagt, dass weitergehende Informationsansprüche über steuerliche Daten insoweit ausgeschlossen sind.

7 Der Umfang des Auskunftsbegehrens des Klägers wird durch § 32e AO nicht begrenzt, weil er einen entsprechenden Informationszugangsanspruch nicht geltend macht. Durch § 32e AO werden die in den §§ 32a bis 32d AO vorgesehenen Beschränkungen des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO sowohl für die betroffene Person als auch für Dritte mittels Rechtsfolgenverweisung auf Auskunftsansprüche erstreckt, die sich aus den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes oder der Länder ergeben (BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2022 - 10 C 4.20 - NVwZ 2022, 1049 Rn. 17). § 32e AO ist allerdings deswegen in der vorliegenden Fallgestaltung nicht einschlägig, weil sich das Auskunftsbegehren nicht - wie dort vorausgesetzt - auf "steuerliche Daten" bezieht. Dass der Auskunftsanspruch auf derartige Daten beschränkt ist, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus Satz 1 der Vorschrift, folgt aber aus Satz 2 des § 32e AO, der ausdrücklich weitergehende Informationsansprüche gegen Finanzbehörden über "steuerliche Daten" ausschließt. Ein solches Verständnis steht auch in Übereinstimmung mit der gesetzgeberischen Regelungsabsicht. Mit der Einfügung des § 32i Abs. 2 Satz 2 AO durch das Gesetz vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) wollte der Gesetzgeber erreichen, dass alle Rechtsstreitigkeiten, bei denen es sich um Abgabenangelegenheiten handelt oder bei denen es um die Auslegung derselben steuerverfahrensrechtlichen Vorschriften wie bei den übrigen finanzgerichtlichen Verfahren in Datenschutzangelegenheiten geht, dem Finanzrechtsweg zugewiesen werden (BT-Drs. 19/22850 S. 162). Daran fehlt es hier. Der Kläger begehrt keine Auskunft über steuerliche Daten, sondern er verlangt unter Berufung auf seine Erbenstellung Auskunft über sämtliche Konten, Sparguthaben, Depots und Schließfächer seines am 30. August 2019 verstorbenen Onkels durch zur Verfügungstellung der bei dem Bundesamt vorhandenen Kontenstammdateien oder durch einen durchzuführenden Kontenabruf.

8 2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Finanzrechtsweg für den Rechtsstreit auch nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht eröffnet. Danach sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden, den Finanzgerichten zugewiesen. Abgabenangelegenheiten sind u. a. alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten (§ 33 Abs. 2 FGO).

9 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Informationszugangsanspruch nur dann eine Abgabenangelegenheit in diesem Sinne sein, wenn das Begehren im Steuerrechtsverhältnis wurzelt und insoweit mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2019 - 10 B 21.19 - Buchholz 404 IFG Nr. 35 Rn. 5). Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 8, § 93b AO, der auf Ersuchen einer Stelle außerhalb der Finanzverwaltung bei einem Kreditinstitut durch das Bundeszentralamt für Steuern durchgeführt wird, wurzelt nicht im Steuerrechtsverhältnis.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2019 - 10 B 21.19 - juris Rn. 13, insoweit in Buchholz 404 IFG Nr. 35 nicht veröffentlicht).

11 Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es wegen der Erhebung einer Festgebühr nicht (vgl. Kostenverzeichnis Nr. 5502 Anlage 1 zum GKG).