Beschluss vom 10.01.2023 -
BVerwG 2 VR 5.22ECLI:DE:BVerwG:2023:100123B2VR5.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.01.2023 - 2 VR 5.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:100123B2VR5.22.0]

Beschluss

BVerwG 2 VR 5.22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Januar 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dr. Hissnauer
beschlossen:

  1. Das Bundesverwaltungsgericht erklärt sich für unzuständig.
  2. Der Rechtsstreit wird an das sachlich zuständige Verwaltungsgericht Düsseldorf verwiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen das Nichtbestehen seiner Zwischenprüfung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für den mittleren Dienst im Verfassungsschutz des Bundes. Er begehrt die Zulassung zur Wiederholung der Zwischenprüfung.

2 Der Antragsteller war Widerrufsbeamter beim Bundesamt für Verfassungsschutz und nahm am Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst im Verfassungsschutz des Bundes teil. Mit Bescheid vom 28. Januar 2022 teilte der Bundesnachrichtendienst - Prüfungsamt am Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung (ZNAF) – dem Antragsteller mit, dass er die Zwischenprüfung nicht bestanden habe. Durch Bescheid vom 27. April 2022 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er aufgrund der in der Wiederholung erbrachten Leistungen die Zwischenprüfung endgültig nicht bestanden habe. Die Rechtsmittelbelehrung beider Bescheide verwies auf die Möglichkeit eines Widerspruchs zum Bundesnachrichtendienst, die der Antragsteller jeweils wahrnahm.

3 Mit Bescheid vom 28. April 2022 teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Antragsteller mit, dass sein Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des Tages ende, an dem ihm das Schreiben über das endgültige Nichtbestehen der Zwischenprüfung für die Laufbahn des mittleren Dienstes im Verfassungsschutz zugegangen sei.

4 Am 16. September 2022 hat der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Antragsteller zur Wiederholung der Zwischenprüfung des Vorbereitungsdienstes für den mittleren Dienst im Verfassungsschutz des Bundes zuzulassen.

5 Durch Widerspruchsbescheid vom 2. November 2022 hat der Bundesnachrichtendienst - Prüfungsamt am Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung (ZNAF) – die Widersprüche gegen die Bescheide vom 28. Januar und vom 27. April 2022 zurückgewiesen. Eine Rechtsmittelbelehrung - und damit die Angabe des für etwaige Rechtsmittel zuständigen Gerichts - ist dem Bescheid nicht beigefügt. Der Antragsteller hat den Widerspruchsbescheid nachfolgend in das Verfahren einbezogen.

6 Mit Schriftsatz vom 3. November 2022 hat die Antragsgegnerin die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Berlin und in der Sache beantragt,
den Antrag abzulehnen.

7 Es handle sich nicht um einen Vorgang im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO. Der Antragsteller sei bis zu seinem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis dem Bundesamt für Verfassungsschutz zugehörig gewesen. Der Umstand, dass es sich beim ZNAF um eine gemeinsame Ausbildungseinrichtung von Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für Verfassungsschutz handle, rechtfertige keine andere Beurteilung; vielmehr handle es sich dabei um eine eigene Behörde. Da der Zuständigkeitsbereich des ZNAF keinerlei örtlichen Bezug aufweise, richte sich die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO.

8 Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 29. November 2022 ist die Antragsgegnerin um Darlegungen zu Errichtung und Organisation des ZNAF gebeten worden. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2022 hat sie hierzu Ausführungen gemacht und die Verwaltungsvereinbarung für die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz am ZNAF vorgelegt.

9 Der Antragsteller ist dem Verweisungsantrag mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2022 entgegengetreten. Das Prüfungsamt am ZNAF sei als Behörde anzusehen, die jedenfalls auch im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes liege.

II

10 Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Antrag nicht zuständig, weil die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO nicht vorliegen. Der Rechtsstreit ist an das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu verweisen (§ 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

11 Nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über Klagen, denen Vorgänge aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) zugrunde liegen. Die Vorschrift findet auch für Eilanträge Anwendung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1976 - 7 A 1.76 - BVerwGE 50, 124 <132> zu § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Mit dieser Sonderregelung der instanziellen Zuständigkeit soll den besonderen Geheimschutzinteressen des BND Rechnung getragen und der Gefahr des Bekanntwerdens sensibler Informationen vorgebeugt werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4659 S. 55). Zum Geschäftsbereich des BND gehören Vorgänge, für die nach dem einschlägigen Fachrecht eine Zuständigkeit des BND besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 2021 - 6 AV 7.20 - juris Rn. 7; Gärditz, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 50 VwGO Rn. 19).

12 Diese Voraussetzungen sind für den auf eine Wiederholung der Zwischenprüfung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für den mittleren Dienst im Verfassungsschutz des Bundes gerichteten Antrag nicht erfüllt. Weder ist der Antragsteller in dienstrechtlicher Hinsicht dem BND zugeordnet noch liegt in seiner Ausbildung eine fachlich dem BND übertragene Aufgabe. Dienst- und Ausbildungsbehörde für den Antragsteller ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 4 Nr. 1 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst beim Bundesnachrichtendienst und den mittleren Dienst im Verfassungsschutz des Bundes (MDBNDVerfSchVDV) vielmehr das Bundesamt für Verfassungsschutz.

13 Ausweislich der von der Antragsgegnerin im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen ist das ZNAF sowie dessen Prüfungsamt zwar organisatorisch in den BND eingegliedert (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 1 Satz 1 der am 1. September 2020 in Kraft getretenen Verwaltungsvereinbarung für die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamts für Verfassungsschutz am Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung). Rein tatsächlich werden die Prüfungen am ZNAF daher durch den BND organisiert und durchgeführt. An diese geübte Praxis kann für die Auslegung des Begriffs des Geschäftsbereichs im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO indes nicht angeknüpft werden, weil die Bestimmung des gesetzlichen Richters nicht der Behördenpraxis anheimgestellt sein kann (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2018 - 2 A 1.18 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 143 Rn. 14). Maßgeblich für die Festlegung des Geschäftsbereichs im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO sind deshalb die gesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs des BND.

14 Nur für diesen gesetzlich begründeten Geschäftsbereich ist auch die generelle Einschätzung spezifischer Geheimhaltungsinteressen "für Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes" gerechtfertigt (vgl. BT-Drs. 14/7474 S. 14 f.). Dem entspricht, dass die Antragsgegnerin ausdrücklich klargestellt hat, dass ein Bekanntwerden der in dem Verfahren thematisierten Fragen zu Ausbildung und Prüfung im ZNAF auch im Hinblick auf die damit möglichen (mittelbaren) Kenntnisse der für den BND maßgeblichen Ausbildung keine spezifischen Geheimhaltungsinteressen des BND berühren würde. In materieller Hinsicht stehen mithin keine Angelegenheiten im Streit, deren Geheimhaltungsbedürftigkeit eine sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO rechtfertigen würde.

15 Die sachliche Zuständigkeit folgt damit der allgemeinen Regelung aus § 45 VwGO. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO. Die Regelung ist weit zu verstehen und umfasst auch die auf die Entstehung oder den Fortbestand des Beamtenverhältnisses bezogenen Prüfungen (vgl. etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 27. November 2008 - 4 S 2332/08 - juris Rn. 2; zur abweichenden Einordnung der zweiten juristischen Staatsprüfung BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1972 - 7 C 22.71 - BVerwGE 40, 205 <207>). Da der Antragsteller gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BBG mit Ablauf des Tages aus dem Beamtenverhältnis entlassen war, an dem ihm das endgültige Nichtbestehen der gemäß § 41 Abs. 1 und § 46 MDBNDVerfSchVDV i. V. m. § 17 Abs. 3 Nr. 2 BLV vorgeschriebenen Zwischenprüfung bekanntgegeben worden ist, hatte er im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1970 - 8 C 146.67 - BVerwGE 35, 141 <142>) keinen dienstlichen Wohnsitz mehr. Örtlich zuständig ist damit das Verwaltungsgericht Düsseldorf, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen bürgerlichen Wohnsitz hatte.

16 Der Rechtsstreit ist daher an das Verwaltungsgericht Düsseldorf zu verweisen (vgl. § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG); die Beteiligten sind hierzu angehört worden.

17 Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Schlussentscheidung vorbehalten.