Verfahrensinformation

Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung im Abschnitt Asbeck - Haddorfer See. Die Leitung ist rund 33,5 km lang und gehört zum südlichen Teil des Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein. Das im Außenbereich der Gemeinde Metelen belegene Grundstück der Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 15.20 ist nur etwa 70 m von der Leitungstrasse entfernt. Sie machen – ebenso wie die Gemeinde Metelen (Verfahren BVerwG 4 A 16.20) – geltend, dass die Trassenwahl im Bereich Metelen abwägungsfehlerhaft sei. Eine großräumigere östliche Umgehung des Siedlungsbereichs von Metelen oder eine Erdkabelvariante seien vorzugswürdig. Der Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 17.20 ist Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke im Bereich Wettringen, die für Maststandorte und Schutzstreifen der Leitung in Anspruch genommen werden. Er wendet sich gegen die konkrete Art und Weise der Trassenführung im Bereich seiner Grundstücke. Die Parallelführung der geplanten und einer bereits vorhandenen 380-kV-Leitung belaste ihn übermäßig; demgegenüber sei eine gemeinsame Führung der beiden Leitungen auf den neu zu errichtenden Masten geboten.


Pressemitteilung Nr. 67/2022 vom 10.11.2022

Klagen gegen Höchstspannungsfreileitung im Bereich Metelen und Wettringen erfolglos

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute Klagen gegen eine Höchstspannungsfreileitung abgewiesen.


Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss genehmigt die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung im Abschnitt Asbeck - Haddorfer See. Die Leitung ist rund 33,5 km lang und gehört zum südlichen Teil des Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein.


Die Gemeinde Metelen und dort im Außenbereich in der Nähe der geplanten Leitung wohnende Kläger konnten mit ihren Einwänden gegen die Trassenwahl im Bereich Metelen nicht durchdringen. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich frei von beachtlichen Abwägungsfehlern gegen eine großräumigere östliche Umgehung des Siedlungsbereichs von Metelen oder eine Erdkabelvariante entschieden. Der Kläger, der in Wettringen Landwirtschaft mit Direktvermarktung ab Hof betreibt, kann nicht verlangen, dass im Bereich seiner Grundstücke auf eine Parallelführung der geplanten mit einer bereits vorhandenen 380-kV-Leitung verzichtet wird und beide Leitungen gemeinsam auf den neu zu errichtenden Masten geführt werden.


BVerwG 4 A 15.20 - Urteil vom 10. November 2022

BVerwG 4 A 16.20 - Urteil vom 10. November 2022

BVerwG 4 A 17.20 - Urteil vom 10. November 2022


Urteil vom 10.11.2022 -
BVerwG 4 A 15.20ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A15.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.11.2022 - 4 A 15.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A15.20.0]

Urteil

BVerwG 4 A 15.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
am 10. November 2022 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.

2 Der Beschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsleitung im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See durch die beigeladene Übertragungsnetzbetreiberin fest. Die Trasse ist rund 33,5 km lang; auf ihr sollen 87 Masten neu errichtet werden. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des ca. 150 km langen Vorhabens Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer <Bl.> 4201). Dabei handelt es sich um den südlichen Teil des 181 km langen Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein, das in Nr. 5 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG - und darin zugleich als ein Pilotvorhaben für die Erdkabeltechnologie aufgeführt ist. Teilstrecken des Gesamtvorhabens sind dementsprechend bereits als Erdkabel verwirklicht worden bzw. planfestgestellt.

3 Die planfestgestellte Freileitung verläuft zunächst von Mast 115 bis Mast 170 in nördlicher, dann nordöstlicher Richtung und nutzt dabei im Wesentlichen den Trassenraum der 220-kV-Höchstspannungsfreileitung Wesel/Niederrhein - Ibbenbüren (Bl. 2304). Der Rückbau dieser 1928 errichteten Leitung ist aufgrund des (Ersatz-)Neubaus auf etwa 28 km Länge erforderlich. Er wird im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt, dort aber vorausgesetzt, und ist zum großen Teil schon vor dessen Erlass erfolgt. Die alte Leitungstrasse wird zur Entlastung von Hofstellen verschiedentlich kleinräumig verschoben. Ab Mast 148, nordöstlich der Ortslage Metelen, verschwenkt die Leitung in Richtung Nordosten, um Wohngebäude zu umgehen und Überspannungen zu vermeiden. Danach durchquert sie die Metelener Heide an deren Rand. Ab Mast 150 läuft sie gegen Norden wieder auf die vorhandene Trasse zu. Nach einer weiteren Ausschwenkung in nördlicher Richtung kehrt die Leitung ab Mast 158 zur Bestandstrasse zurück. Ab Mast 170 verlässt die Leitung den vorhandenen Trassenraum in nördlicher Richtung, von Mast 175 bis Mast 202 wird sie im Wesentlichen parallel mit der 380-kV-Freileitung Hanekenfähr - Gersteinwerk (Bl. 4307) zunächst nach Nordwesten und später nach Norden geführt.

4 Für den Bereich der Gemeinde Metelen ließ die Beigeladene sieben Freileitungsvarianten - darunter die die Kläger schonende Variante "Metelen II" – und vier Erdkabelvarianten - darunter die Erdkabelvariante 2 - näher untersuchen. In einem Ergänzungspapier wurde eine weitere Freileitungsvariante geprüft, die eine gegenüber der ursprünglich beantragten Variante leicht veränderte und Waldflächen in geringerem Umfang in Anspruch nehmende Trassenführung im Bereich von Mast 148 bis Mast 152 (Variante "Metelen I <modifiziert II>") vorsieht. Diese Variante liegt dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde. Die mit dieser Trassenführung verworfene Variante "Metelen II" umgeht den Siedlungsbereich von Metelen großräumiger bereits ab Mast 141 und durchschneidet die Metelener Heide. Die Erdkabelvariante 2 verläuft wie auch alle übrigen untersuchten Erdkabelvarianten im Bereich der Masten 138 und 153 zwischen den Kabelübergabestationen Süd und Nord.

5 Die Kläger sind Miteigentümer eines im Außenbereich der Gemeinde Metelen belegenen Grundstücks. Die Leitung verläuft dort mit einem geringen Versatz zu ihren Gunsten in der Bestandstrasse in einem Abstand von ca. 70 bis 76 m zum Wohngebäude. Die Entfernung zum Mast ... beträgt ca. 150 bis 155 m, die zum Mast ... ca. 240 m.

6 Die Kläger machen geltend, die Variantenprüfung im Bereich Metelen sei rechtswidrig. Sowohl die Variante "Metelen II" als auch die Erdkabelvariante 2 erwiesen sich angesichts der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Rechtspositionen als eindeutig vorzugswürdig. Abzuwägende Belange seien unzutreffend erfasst und die Vorgaben aus § 2 Abs. 2 EnLAG nicht berücksichtigt worden.

7 Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 aufzuheben, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft,
hilfsweise
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft.

8 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

9 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

II

10 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten; sie können folglich weder dessen Aufhebung noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

11 1. Die Kläger, deren Grundstücke vom Planfeststellungsbeschluss nicht mit enteignungsgleicher Vorwirkung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG) in Anspruch genommen werden, haben keinen aus Art. 14 Abs. 3 GG abgeleiteten Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch), sondern können nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen privaten Belange rügen (BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 und vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 13). Maßgeblich für die Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m. w. N.).

12 2. Der Planfeststellungsbeschluss leidet zu Lasten der Kläger nicht an den von ihnen geltend gemachten Mängeln der Abwägung bei der Variantenprüfung für den Bereich Metelen.

13 a) Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73 und vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 17).

14 Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, und sich deshalb der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48).

15 b) Eine nach diesen Maßstäben insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung können die nicht enteignungsbetroffenen Kläger nicht verlangen. Sie sind grundsätzlich, wie bereits oben ausgeführt, auf die Rüge beschränkt, ihre geschützten Belange seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden. Diese gerichtliche Kontrolle kann allerdings zum einen hinsichtlich fremder Belange eine Ausdehnung in der Weise erfahren, als gleichgerichtete Interessen benachbarter Anlieger, die sinnvollerweise nur einheitlich mit den entsprechenden Belangen eines Betroffenen gewichtet werden können, in die Prüfung einzubeziehen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2007 - 9 B 14.06 - Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 11 Rn. 18; Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 128 und vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 47; zuletzt Beschluss vom 28. März 2020 - 4 VR 5.19 - juris Rn. 28). Die Rügebefugnis umfasst zum anderen wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung auch eine Überprüfung der den eigenen (Privat-)Belangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden Belange (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 279, vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 18 und vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 38). Dabei kann auch der Verstoß gegen eine Vorschrift von Bedeutung sein, die nicht den Interessen des Betroffenen, sondern insbesondere öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist. Zwar kann dies für sich genommen nicht zum Erfolg der Klage führen; denn der Kläger kann nicht geltend machen, dass die getroffene Entscheidung zu seinen Lasten gegen zwingendes objektives Recht verstößt. Mit dieser Feststellung hat es allerdings nicht sein Bewenden: Ein solcher Fehler kann nämlich materiell-rechtlich die Variantenprüfung infizieren, weil die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange fehlerhaft bewertet und mit der daraus folgenden Fehlgewichtung den geschützten Belangen des Betroffenen gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 53 f. und vom 24. November 2011 - 9 A 24.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 220 Rn. 29). Demnach sind im Allgemeinen nur solche Belange auch bei der Überprüfung der Abwägungsentscheidung auszuklammern, deren Geltendmachung ausschließlich einer Person zugewiesen ist, die sie im Prozess als eigene verteidigen kann; insoweit kann nichts anderes gelten als bei der Rügebefugnis von Enteignungsbetroffenen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 ff.).

16 3. Der Planfeststellungsbeschluss hat die Variantenprüfung in der Weise strukturiert, dass zunächst die Vor- und Nachteile der Antragstrasse im Vergleich zu anderen Freileitungstrassen geprüft, sodann - nach Bejahung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 EnLAG für einen ca. 6,6 km langen Leitungsabschnitt im Osten des Siedlungsbereichs von Metelen - mehrere Erdkabeltrassen der Antragstrasse gegenübergestellt werden, und zuletzt eine abschließende Gesamtabwägung unter besonderer Beachtung der als vorzugswürdig identifizierten Erdkabelvariante 2 vorgenommen wird.

17 a) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und den übrigen Freileitungsvarianten ermittelt der Planfeststellungsbeschluss - maßgeblich gestützt auf den im Auftrag der Beigeladenen erarbeiteten Variantenvergleich (Planunterlagen, Planänderung 5, Nr. 1.2 D5 <Variantenvergleich im Bereich Metelen>, Nr. 1.3 D5 <Ergänzungspapier - Variantenvergleich im Bereich Metelen mit Variante "Metelen I [modifiziert II]">) – zunächst für eine Reihe von Kriterien, nämlich technisch-wirtschaftliche Daten, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, kommunale Planungen, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz sowie Schutzgut Boden, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt sodann eine Gesamtabwägung.

18 Die Kläger rügen, dass insbesondere das Schutzgut Mensch, die Gesichtspunkte der Landesplanung und des Artenschutzes sowie die technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkte fehlerhaft - nicht zuletzt durch eine Beschränkung auf eine Grobprüfung - ermittelt und bewertet worden seien, was auf die Gesamtabwägung durchschlage. In deren Rahmen habe sich die von ihnen bevorzugte Trassenvariante "Metelen II" insbesondere bei zutreffender Bewertung des Schutzguts Mensch aufdrängen müssen.

19 aa) Eine Abwägungsfehleinschätzung durch eine fehlerhafte Ermittlung und Bewertung abwägungserheblicher Umstände ist durch das Vorbringen der Kläger nicht dargetan.

20 (1) Dies gilt zunächst für das Schutzgut Mensch.

21 (1.1) Die Kläger rügen zuvörderst, dass es dem Planfeststellungsbeschluss an einer nachvollziehbaren Bewertung hinsichtlich der Quantität und Qualität der Beeinträchtigungen der betroffenen Anwohner infolge der Unterschreitung des 200-Meter-Abstands nach Ziel Ziff. 8.2-4 Abs. 1 Spiegelstrich 2 des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen - LEP NRW - (GV. NRW. 2017 S. 122) fehle. Danach sind neue Höchstspannungsfreileitungen auf neuen Trassen so zu planen, dass ein Abstand von 200 m zu Wohngebäuden eingehalten wird, die im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB liegen. Zu Unrecht stelle der Planfeststellungsbeschluss lediglich einen zahlenmäßigen Vergleich an.

22 Diese Abstandsregel im Landesentwicklungsplan hat der Planfeststellungsbeschluss ebenso wie den auf im Innenbereich gelegene Wohngebäude und Anlagen vergleichbarer Sensibilität bezogenen Mindestabstand von 400 m nach Ziel Ziff. 8.2-4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 LEP NRW herangezogen, obwohl diese im Rahmen der landesplanerischen Bewertung keine Anwendung finden, weil die bei der Antragstrasse gegebene Nutzung vorhandener Trassen nicht als Trassenneubau im Sinne des Grundsatzes Ziff. 8.2-1 LEP NRW zu werten sei. Denn der Planfeststellungsbeschluss (S. 249 f., 348 f.) billigt diesen Abständen jedenfalls eine indizielle Bedeutung für die Qualität des Wohnumfelds zu; sie treten insoweit neben den fachrechtlich durch das Immissionsschutzrecht normierten Gesundheitsschutz.

23 Sowohl mit dem Wohnumfeld - insbesondere durch eine optisch bedrängende Wirkung - als auch mit der menschlichen Gesundheit sind private Belange angesprochen, deren Geltendmachung - wie oben ausgeführt - grundsätzlich dem jeweils Betroffenen vorbehalten ist. Allerdings können sich die Kläger insoweit auf eine Ausweitung ihres Rügepotenzials berufen, als benachbarte Anwohner in gleicher Weise von den negativen Auswirkungen des Vorhabens betroffen sind. Daraus folgt aber nicht, dass zugunsten der Kläger die Belange all derjenigen Anwohner zu berücksichtigen wären, die von Abstandsunterschreitungen auf dem gesamten vom Variantenvergleich erfassten Teilabschnitt des Vorhabens betroffen sind. Die insoweit berücksichtigungsfähige Nachbarschaft erstreckt sich vielmehr nur auf die Anwohner im Annäherungsabschnitt 7 von Mast 141 bis zum Mast 147. Nur bis zu diesem Mast ist der Verlauf aller Varianten deckungsgleich, während erst danach unterschiedliche Streckenvarianten geprüft worden sind. Diesen Endpunkt legt der Planfeststellungsbeschluss (S. 131) auch zugrunde, während der Beginn beim Mast 135 im Annäherungsabschnitt 6 zu früh ansetzt, denn die Variante "Metelen II" zweigt erst beim Mast 141 ab.

24 Ein Ermittlungsmangel ist nach Maßgabe dieses Prüfumfangs nicht ersichtlich. Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohnumfelds werden im Planfeststellungsbeschluss quantitativ durch die Gegenüberstellung der von Abstandsunterschreitungen durch die Antragstrasse einerseits und die Trassenvariante andererseits betroffenen Wohngebäude erfasst (PFB S. 131). Eine zu Lasten der Kläger nachteilige Bewertung liegt dem nicht zugrunde, wenn dabei festgestellt wird, dass die Anzahl der Abstandsunterschreitungen bei der Antragstrasse die bei der Trassenvariante um ein Mehrfaches übersteigt. Auch qualitativ werden solche Beeinträchtigungen, deren Gewicht mit der Nähe zur Leitung zunimmt, durch die in der Umweltstudie aufgeführten genauen Entfernungsangaben angemessen erfasst (PFB S. 215 f.).

25 Eine optisch bedrängende Wirkung als spezieller Ausschnitt einer visuellen Beeinträchtigung des allgemeinen Wohnumfelds kann allerdings allein durch den Hinweis darauf, dass insbesondere Leitungsmasten nur in Extremfällen eine erdrückende Wirkung hätten (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 89 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 69, 73), noch nicht als unbeachtlich eingestuft werden (so PFB S. 399). Denn die optisch bedrängende Wirkung ist bereits im Vorfeld einer erdrückenden Wirkung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 90 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 70). Zu ihrer Minimierung soll gerade auch die Abstandsregelung generalisierend beitragen. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 131) hat das erkannt, indem er eine Belastung schon durch die Nähe und deutliche Sichtbarkeit der Leitung samt Masten annimmt. Vor diesem Hintergrund hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 215 f.) eine Trassenführung, die den Abstand zu Wohnhäusern soweit möglich vergrößert, nachweislich als abwägungserheblich eingestuft. Denn gerade in dem Bereich, in dem die Antragstrasse sich eng an der Bestandstrasse orientiert, sind Verschwenkungen vorgenommen worden, durch die eine Optimierung der Entfernungen der Trassenachse zu den benachbarten Wohnhäusern erreicht werden soll (PFB S. 370 f.). Damit wird für die weit überwiegende Anzahl der betroffenen Gebäude der Abstand vergrößert.

26 Diese Sachverhaltsermittlungen waren entgegen der Auffassung der Kläger, die sich gegen eine Beschränkung auf eine Grobprüfung wenden, ausreichend. Auch im Bereich der Planungsalternativen muss die Planfeststellungsbehörde den Sachverhalt nur soweit klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Demnach ist sie befugt, Alternativen, die sich aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem früheren Verfahrensstadium auszuscheiden und bereits im Vorfeld einer solchen Entscheidung die angemessene Ermittlungstiefe zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 69 und vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 20, jeweils m. w. N.). Die Grobprüfung, die der Planfeststellungsbeschluss für die Prüfung dieser Trassenvariante für sich in Anspruch nimmt und für ausreichend erachtet, beschreibt keinen abstrakten Maßstab, sondern erfordert die je gesonderte Betrachtung der jeweils in Rede stehenden Prüfungspunkte. Sind die jeweils angestellten Ermittlungen geeignet, das Abwägungsergebnis zu tragen, ist die Bezeichnung des Prüfungsumfangs ohne Bedeutung.

27 Soweit die Wahrung eines angemessenen Abstands zur Leitungstrasse mit der Beeinträchtigung durch Lärmimmissionen und durch elektrische und magnetische Felder auch den Gesundheitsschutz im Blick hat, ist ein Ermittlungsdefizit gleichfalls nicht ersichtlich.

28 Die Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm für Koronageräusche und die Grenzwerte der 26. BImSchV für elektrische und magnetische Felder (5 kV/m bzw. 100 µT) sind eingehalten (PFB S. 266 f. und 254). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 254) geht allerdings zu Recht davon aus, dass das Interesse an der Verschonung von jeglicher Belastung mit diesen Immissionen abwägungserheblich ist. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je mehr die Belastung an die Grenzwerte heranreicht und umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 39 und vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 - BVerwGE 159, 121 Rn. 53). Das hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 402, 253 f.) zutreffend erkannt und im Annäherungsabschnitt 7 bei dem Wohnhaus mit dem geringsten Abstand zur Leitung und folglich der höchsten Belastung die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte ermittelt. Die elektrische Feldstärke liegt mit 0,02 kV/m nur wenig über der Nachweisgrenze, und die magnetische Flussdichte, die sich mit zunehmendem Abstand vom Leiterseil überproportional verringert, erreicht mit 3,73 µT nicht einmal ein Zwanzigstel des Grenzwerts (PFB S. 132 Fn. 64). Die daraus folgende geringe Belastung der betroffenen Anwohner bedurfte keiner weiteren detaillierten Prüfung mehr und musste als solche nicht als maßgebliche Beeinträchtigung des Schutzguts Mensch gewichtet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 44 f.). Bei der Anwendung des der Vorsorge dienenden und als solches nicht drittschützenden Minimierungsgebots des § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV (BVerwG, Urteil vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 48; siehe dazu PFB S. 258 ff.) ist insoweit nach Nr. 3.1 Abs. 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen.

29 Zu Recht hat der Planfeststellungsbeschluss bei der Bewertung dieser Beeinträchtigungen auch die Vorbelastung durch die bislang schon im Trassenraum verlaufende Hochspannungsfreileitung berücksichtigt. Die Planfeststellungsbehörde ist verpflichtet, in ihrer Abwägung tatsächliche und rechtliche Vorbelastungen in den Blick zu nehmen und zu bewerten, ohne dass sie sich in der Abwägung zwingend für eine vorbelastete Trasse entscheiden müsste. Die Vorbelastung reduziert im Grundsatz die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Schutzgüter aufgrund des bisherigen tatsächlichen Zustands und deren Gewicht in der Abwägung. Insbesondere schließt der Wegfall der plangegebenen Vorbelastung die Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung als Abwägungselement nicht aus, welche die Situationsgebundenheit der betroffenen Grundstücke mitbestimmt. Denn die tatsächliche Gebietsprägung entfällt nicht durch die Veränderung der rechtlichen Situation (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 74 m. w. N.). Es kommt folglich nicht darauf an, dass die Bestandsleitung bereits einige Jahre vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses außer Betrieb genommen und jedenfalls teilweise schon abgebaut worden war. Die Betriebseinstellung hat auf die genehmigungsrechtliche Lage keinen Einfluss. Auch in Bezug auf die tatsächliche Situation ist sie ohne Bedeutung, weil sie nichts daran ändert, dass die Leitung und insbesondere die Masten als ein das Landschaftsbild und das Wohnumfeld mitbestimmendes und störendes Element weiterhin vorhanden sind (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - a. a. O. Rn. 75). In welchem Umfang auch die Masten bereits beseitigt waren, ist unbeachtlich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, inwieweit sich die bisherige Trasse weiterhin im Landschaftsbild - etwa durch deutlich erkennbare Schutzstreifen in Waldgebieten - abbildet und insoweit noch Raumwirkung entfaltet oder nicht. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die planfestgestellte Leitung während der gesamten langjährigen Planung als Ersatzneubau für die Leitung Bl. 2304 vorgesehen war. Auch wenn der Rückbau dieser Leitung im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt ist, war ein Konnex zwischen Rückbau und Neubau gleichwohl immer offensichtlich, sodass - abgesehen von dem jedenfalls nur kurzen Zeitraum zwischen Abbau der alten Leitung und neuer Planfeststellung - auch aus der Perspektive eines betroffenen Anwohners niemals der Eindruck entstehen bzw. dieser eine berechtigte Erwartung hegen konnte, mit der Betriebseinstellung und dem Rückbau der alten Leitung sei die Umgebung der bisherigen Trasse in einen hiervon gänzlich unberührten Zustand zurückversetzt worden. Für eine rechtlich beachtliche Zäsur fehlt es daher an jeglichem Anhaltspunkt.

30 (1.2) Soweit der Planfeststellungsbeschluss (S. 132) beim Variantenvergleich darauf abstellt, dass die Variante "Metelen II" wegen der größeren Inanspruchnahme privaten Eigentums infolge der längeren Trasse und der größeren Anzahl an Maststandorten der Antragstrasse insoweit unterlegen sei, folgt auch daraus kein Rechtsverstoß zu Lasten der Kläger. Die mit dem Verzicht auf eine Trassenvariante verbundene Schonung privater Rechtsgüter stärkt das Gewicht der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange, und eine hierauf bezogene Fehleinschätzung kann demnach im Wege der Abwägungskontrolle von den Betroffenen gerügt werden.

31 Die von den Klägern beanstandete Zuordnung dieser Belastungen zum Schutzgut Mensch ist dabei in der Sache ohne Bedeutung. Die Berücksichtigung der Inanspruchnahme privaten Eigentums geht zwar über die Begrifflichkeiten des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung hinaus, an die der Planfeststellungsbeschluss zumindest terminologisch anknüpft (siehe PFB S. 64). § 2 Abs. 1 Nr. 1 UVPG stellt die menschliche Gesundheit zwar in den Vordergrund des Schutzguts Mensch, beschränkt sich darauf aber nicht. Auch sonstige soziale oder ökonomische Folgen, die sich unterhalb der Schwelle der Gesundheitsbeeinträchtigung auf das Wohlbefinden des Menschen auswirken, sind von Bedeutung. Dies gilt insbesondere für soziale Beziehungen, soweit sie sich in städtebaulichen Strukturen niederschlagen (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 bis 4 BauGB; siehe hierzu Appold, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, 5. Aufl. 2018, § 2 UVPG Rn. 33 ff.). Die hier in Rede stehenden Eigentumsbeeinträchtigungen dürften in dieser Hinsicht irrelevant sein. An diese rechtlichen Vorgaben ist die Planfeststellungsbehörde bei der Strukturierung des Abwägungsmaterials im Rahmen der Variantenprüfung aber nicht gebunden. Im Übrigen ändert sich an der Abwägung allein durch eine andere Einordnung und die Verwendung eines eigenständigen Prüfungspunktes nichts.

32 (1.3) Bei der Gegenüberstellung der mit den Varianten jeweils verbundenen Belastungen verkennt der Planfeststellungsbeschluss keine rechtlichen Maßstäbe, wenn er die Variante "Metelen II" beim Schutzgut Mensch als (nur) leicht vorteilhaft einstuft. Diese Wertung ist Teil seiner planerischen Gestaltungsfreiheit.

33 (2) Gegen die Bewertung im Planfeststellungsbeschluss, die Antragstrasse sei der Trassenvariante unter raumordnerischen und landesplanerischen Gesichtspunkten vorzuziehen, wenden sich die Kläger ebenfalls ohne Erfolg.

34 (2.1) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 129) stellt darauf ab, dass die von den Klägern bevorzugte Trassenvariante gegen den Grundsatz der Bündelung und Nutzung vorhandener Leitungstrassen verstößt (Ziff. 8.2-1 LEP NRW) und darüber hinaus wegen der damit verbundenen erstmaligen Abstandsunterschreitung zu Wohngebäuden in Konflikt mit dem Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW gerät. Unbeachtlich ist insoweit, dass der vom beigeladenen Vorhabenträger vorgelegte Variantenvergleich Ziff. 8.2-1 LEP NRW zu Unrecht als Ziel bezeichnet. Denn der insoweit maßgebliche Planfeststellungsbeschluss (S. 401) geht von der zutreffenden Einordnung aus. Was das Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW betrifft, geht der Einwand fehl, es habe im Hinblick auf die dort eröffneten Ausnahmemöglichkeiten einer vertieften Untersuchung bedurft. Dies gilt insbesondere für die von den Klägern ohne jegliche Substantiierung behauptete - und auch sonst nicht ersichtliche - Gewährleistung eines gleichwertigen vorsorgenden Schutzes der Wohnumfeldqualität. Denn die Feststellung, die Antragstrasse, für die Ziff. 8.2-4 LEP NRW wegen der Errichtung in einem bestehenden Trassenraum nicht einschlägig ist (PFB S. 129, 249 f.), sei insoweit konfliktärmer, ist nicht zu beanstanden.

35 (2.2) Bei den landesplanerischen Vorgaben in Ziff. 7.2-3 und 7.3 -1 LEP NRW, die die möglichste Schonung von Gebieten zum Schutz der Natur und das Gebot der Walderhaltung vorgeben, hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 13o) ausgehend von den erforderlichen Querungslängen in den jeweiligen Gebieten die Antragstrasse wiederum als vorzugswürdig bewertet, weil deren Trassenführung geringere Einbußen an den geschützten Landschaftsbestandteilen zur Folge hat. Mit dem Einwand, diese Bewertung sei schon deswegen nicht tragfähig, weil es an einer näheren Betrachtung der Qualität der Eingriffe fehle, dringen die Kläger nicht durch. Denn zum einen ist nichts dafür ersichtlich, dass insoweit Quantität und Qualität einer Beeinträchtigung geschützter Gebiete bzw. von Waldflächen nicht korrelieren (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - juris Rn. 37). Zum anderen ist die Beeinträchtigung von Waldflächen ungeachtet einer weiteren Qualifizierung derselben zu minimieren. Auch mit dem Verweis auf Ausführungen im Erläuterungsbericht (Planunterlagen Anl. 1) zur Betroffenheit von Natur und Landschaft (Abschnitt 10.3.21.2, S. 117 f.) wird eine unzulängliche Ermittlung und Bewertung nicht aufgezeigt. Soweit dort im Zusammenhang mit Eingriffen in Wald- und Gehölzbestände sowie in das Landschaftsbild die Möglichkeit einer Kompensation erwähnt wird, bleibt festzuhalten, dass die Kompensation von Eingriffen durch Ersatz- oder Ausgleichsmaßnahmen oder Ersatz in Geld gegenüber der Vermeidung oder der Minimierung des Eingriffs immer nachrangig ist. Dies ist bei der Abwägungsentscheidung im Rahmen der Variantenprüfung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <348 f.>).

36 (3) In Bezug auf den Natur- und Artenschutz macht der Planfeststellungsbeschluss (S. 132 f.) die Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse ebenfalls - wie bereits in Bezug auf die Landesplanung - an der unterschiedlichen Querungslänge in Waldbereichen und in Bereichen zum Schutz der Natur sowie der Anzahl der durchquerten gesetzlich geschützten Biotope und der Biotope des LANUV-Biotopkatasters fest. Er verweist auf die größere Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen, bei der längeren Querung von Waldbereichen insbesondere wegen der dort nachgewiesenen Fledermausarten, im Bereich der Offenlandquerung wegen deutlich mehr kollisionsgefährdeter Vogelarten; demgegenüber sei das Konfliktpotenzial bei der Antragstrasse bei wenigen und konzentrierten Fundpunkten um den Bereich des Baggersees bei Mast 148 deutlich geringer. Der Planfeststellungsbeschluss verkennt zwar nicht, dass die Verbotstatbestände nicht zwingend eintreten würden; träfe das zu, schiede die Trassenvariante wegen eines Verstoßes gegen zwingendes Recht von vornherein aus. Ohne Rechtsverstoß geht er jedoch davon aus, dass es einer vertieften Betrachtung der Machbarkeit von und des Aufwands für Vermeidungsmaßnahmen nicht bedurfte. Denn wie schon bei der landesplanerischen Bewertung gilt auch hier, dass die Minimierung artenschutzrechtlicher Risiken Vorrang hat.

37 (4) Schließlich machen die Kläger zu Unrecht geltend, dass entgegen der Auffassung im Planfeststellungsbeschluss (S. 129) unter technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht von einer deutlichen Nachteiligkeit der Trassenvariante auszugehen sei. Bezogen auf die Gesamtlänge des planfestgestellten Abschnitts fielen weder die Mehrlänge dieser Trasse noch die erhöhte Anzahl von Masten ins Gewicht. Diese Argumentation verkennt, dass sich die Bewertung des Trassenvergleichs jedenfalls in der Regel nur auf den Bereich beziehen kann, in dem sich die Trassenverläufe unterscheiden. Ob ausnahmsweise anderes zu gelten hat, wenn der betroffene Bereich - anders als hier - bezogen auf das gesamte planfestgestellte Vorhaben von völlig untergeordneter Bedeutung ist, kann dahinstehen.

38 bb) Die Gesamtabwägung ist auf dieser Grundlage von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die gegenteilige Ansicht der Kläger beruht letztlich auf einer Gewichtung des Schutzguts Mensch, die alle gegenläufigen Belange in den Hintergrund zu drängen geeignet ist; das ist allerdings rechtlich nicht zwingend vorgegeben. Die Trassenvariante "Metelen II" drängt sich schon bei einem ersten Blick auf das Kartenwerk nicht als diejenige auf, die eindeutig alle Belange zum schonendsten Ausgleich bringt; dagegen spricht schon die erstmalige Inanspruchnahme naturnaher Gebiete in einem nicht unbeträchtlichen Umfang.

39 cc) Vor diesem Hintergrund dringen die Kläger auch nicht mit ihrer Rüge durch, der Planfeststellungsbeschluss habe eine geringe Modifikation der Variante "Metelen II" durch Verschwenkung aus der Bestandstrasse zwischen Mast 143 und 144, die eine erstmalige Annäherung an bislang unbelastete Wohngebäude vermeide, nicht geprüft. Zu den einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen gehören allerdings neben den vom Vorhabenträger eingebrachten und den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Planfeststellungsverfahrens vorgeschlagen werden (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <342>; Beschluss vom 24. April 2009 - 9 B 10.09 - NVwZ 2009, 986 Rn. 5). Auf eine vertiefte Prüfung konnte die Planfeststellungsbehörde hier aber verzichten. Dahinstehen kann folglich, auf welche auch technischen Schwierigkeiten eine solche Variante stieße und ob sie - abgesehen vom Konflikt mit dem Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW - jegliche neue Belastung von Anwohnern vermeiden könnte. Denn der Planfeststellungsbeschluss (S. 401) stellt nachvollziehbar darauf ab, dass sich allein durch eine Einstufung der Vorteilhaftigkeit der Variante in Bezug auf das Schutzgut Mensch angesichts der ansonsten unveränderten Bewertung der übrigen Belange an der Gesamtabwägung nichts ändert.

40 b) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und der unter vier Erdkabelvarianten als vorzugswürdig ermittelten Erdkabelvariante 2 (PFB S. 194 ff.) stellt der Planfeststellungsbeschluss wiederum die zum Vergleich anstehenden Trassen zunächst hinsichtlich verschiedener Kriterien - technisch-wirtschaftliche Gesichtspunkte, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz, Boden, Wasser, Landschaftsschutz, Kultur und sonstige Sachgüter - gegenüber und bewertet jeweils, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt eine Gesamtabwägung (PFB S. 166 ff.).

41 Die Kläger machen ohne Erfolg geltend, dass bei zutreffender Bewertung von einer deutlichen Vorzugswürdigkeit der Erdkabelvariante 2 auszugehen sei.

42 aa) Hinsichtlich des Schutzguts Mensch hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 169 ff.) die Belastung der Anwohner der Antragstrasse - soweit die Kläger sich hierauf berufen können - und daraus im Gegenschluss folgend deren Entlastung bei Verwirklichung der Erdkabelvariante 2 zutreffend erkannt. Dem stellt der Planfeststellungsbeschluss allerdings Gesichtspunkte gegenüber, die zu Lasten der Erdkabelvariante 2 ins Feld geführt werden können. Soweit der Planfeststellungsbeschluss länger anhaltende und großflächig auftretende baubedingte Schallemissionen bei der Erdkabelvariante 2 erwähnt, ist nicht ersichtlich, dass diese bei der Bewertung des Schutzguts Mensch maßgeblich ins Gewicht fallen. Denn der Planfeststellungsbeschluss (S. 170) hält ausdrücklich fest, dass bei beiden Varianten die erheblich unter den maßgeblichen Grenz- bzw. Richtwerten liegenden Immissionen für die Betroffenen zumutbar seien.

43 Was die Inanspruchnahme privater Grundflächen angeht, bringen die Kläger gegen die Feststellung, dass für die Antragstrasse 2 025 m² für Maststandorte, für die Erdkabelvariante 2 zur Errichtung der Kabelübergabestationen demgegenüber 11 000 m² Fläche in Anspruch genommen werden (PFB S. 170), in der Sache nichts vor. Der vom Planfeststellungsbeschluss (S. 170 f.) vorgenommenen unterschiedlichen Gewichtung der Nutzungsbeschränkungen in den Schutzstreifen für Freileitungen einerseits und für Erdkabel andererseits setzen die Kläger substantiiert ebenso wenig etwas entgegen. Sie ziehen nicht in Zweifel, dass eine Überbauung eines Erdkabels von vornherein ausscheidet. Die Bebauungsmöglichkeiten im Schutzstreifen einer Freileitung stellen sich indessen durch die Ausgestaltung der Dienstbarkeit und Unterbauungsvereinbarungen flexibler dar.

44 Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass die angesichts der anerkannten Entlastungswirkung vorgenommene Einstufung der Erdkabelvariante 2 als - lediglich – "vorzugswürdig" unangemessen ist und nur eine "deutliche" Vorzugswürdigkeit der objektiven Bedeutung der verschiedenen Belange gerecht wird.

45 bb) In Bezug auf den Natur- und Artenschutz, wozu auch die Waldinanspruchnahme zählt, stuft der Planfeststellungsbeschluss (S. 171 ff.) die Antragstrasse "potenziell" als vorzugswürdig ein. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

46 Der Einwand der Kläger gegen die Bewertung in Bezug auf die Waldinanspruchnahme ist insoweit unbeachtlich. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 172 f.) legt dar, dass insoweit zwischen quantitativer und qualitativer Inanspruchnahme zu unterscheiden ist. Die Erdkabelvariante 2 nimmt zwar eine geringere Waldfläche in Anspruch als die Antragstrasse, gleichwohl geht mit der Erdverkabelung dauerhaft mehr Wald verloren. Dessen ungeachtet bleibt es bei einer qualitativen Betrachtungsweise insoweit bei der Einstufung der Erdkabelvariante 2 als vorteilhaft; denn diese Eingriffe konzentrieren sich auf kleinere und nicht auf größere zusammenhängende Waldbereiche.

47 Bei der artenschutzrechtlichen Betrachtung geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 173) davon aus, dass bei der Erdkabelvariante 2 höhere Beeinträchtigungen während der Bauphase zu erwarten seien. Entgegen der Auffassung der Kläger ist nicht davon auszugehen, dass der Planfeststellungsbeschluss diese temporäre Beeinträchtigung gegenüber der Anfluggefahr für Vögel bei der Antragstrasse überbewertet hat. Die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss sind vielmehr so zu verstehen, dass die Anfluggefahr durch die bauzeitlichen Beeinträchtigungen bei der vergleichenden Bewertung ausgeglichen wird und insoweit ein Gleichstand zwischen den Varianten gegeben ist.

48 Eine inkonsistente und methodisch angreifbare Bewertung ist schließlich nicht darin zu sehen, dass die Auswirkungen der Bauzeitbeschränkung als einer artenschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahme in die Bewertung einfließen (so PFB S. 173). Denn eine Maßnahme, mit der eine artenschutzrechtliche Konfliktlage bewältigt werden soll, und die zugleich die Umsetzung des Vorhabens erschwert, ist nicht nur bei den technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten einzustellen - wie auch hier geschehen –, sondern wirkt sich zugleich auf die Gewichtung der Variante aus. Eine unzulässige "Doppelverwertung" liegt darin nicht.

49 Die daraus folgende Einschätzung, die Antragstrasse sei "potenziell" als vorzugswürdig anzusehen (PFB S. 173), ist noch hinreichend bestimmt. Angesichts der Ausführungen, dass beide Varianten insoweit eng beieinanderliegen, soll die gewählte Formulierung ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass die Antragsvariante insoweit leicht vorzugswürdig ist.

50 cc) In raumordnungsrechtlicher und landesplanerischer Hinsicht stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 167 ff.) als Fazit fest, dass die Erdkabelvariante 2 insoweit gegenüber der Antragstrasse insgesamt keine Vorzüge aufweist. Sie gehe mit geringeren Beeinträchtigungen von Waldbereichen und Bereichen zum Schutz der Natur einher. Allerdings sei sie aufgrund von erheblichen Nachteilen im technisch-wirtschaftlichen Bereich sowie aufgrund von Konflikten mit weiteren Belangen keine verträgliche und verhältnismäßige Alternative; die Erdkabelvariante 2 sei somit weniger geeignet als die Antragstrasse.

51 Die Kläger beanstanden, dass damit entgegen der ausdrücklich als Ziele der Raumordnung bezeichneten Vorgaben nach Ziff. 7.3-1 und 7.2 -3 LEP NRW die Inanspruchnahme der geschützten Bereiche unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG weggewogen werde. Der Berücksichtigung dieses Einwands steht allerdings nicht entgegen, dass die Kläger sich mangels Drittschutzes der landesplanerischen Bestimmungen auf eine Verletzung dieser Vorschriften - gegebenenfalls als zwingendes Recht - nicht berufen können. Im Rahmen der Abwägungskontrolle können sie deren Berücksichtigung bei der Prüfung der das Vorhaben stützenden Belange indessen verlangen.

52 Der Einwand der Kläger, dass der Planfeststellungsbeschluss die Verbindlichkeit der landesplanerischen Vorschriften mit ihren zielförmigen Festlegungen verkenne, geht fehl. Beide Bestimmungen erlauben ausnahmsweise einen Eingriff in die geschützten Flächen und Gebiete bei Beschränkung auf das unbedingt erforderliche Maß unter der Voraussetzung, dass die Planung nicht an anderer Stelle realisierbar ist. Ob es sich dabei um Ziele der Raumordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG handelt, die abschließend abgewogen sind und folglich durch Abwägung nicht überwunden werden können (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 56 ff. und vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - BVerwGE 138, 301 Rn. 7), richtet sich nach dem materiellen Gehalt der Planaussage. Dabei können auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, die Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erfüllen, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen einer Ausnahme mit hinreichender Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit selbst festlegt (BVerwG, Urteile vom 16. Dezember 2010 - 4 C 8.10 - a. a. O. Rn. 8 und vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 88). Diesen Anforderungen an eine verbindliche Zielvorgabe werden die Bestimmungen nicht gerecht. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme sind ungeachtet der zunächst strikt scheinenden Formulierung ("nicht realisierbar", "unbedingt erforderliche Maß") gerade mit dem Verweis auf eine anderweitige Realisierbarkeit des Vorhabens auf Verhältnismäßigkeitserwägungen bezogen. Denn es kann nicht angenommen werden, dass jeweils allein die technische Machbarkeit unter Beachtung zwingenden Rechts den Ausschlag geben soll. Dies wird durch die Erläuterungen zum Landesentwicklungsplan bestätigt. Danach darf eine angestrebte Nutzung nicht innerhalb eines regionalplanerisch festgelegten Waldbereichs oder eines anderweitig geschützten Gebiets realisiert werden, wenn für den mit der Planung verfolgten Zweck eine zumutbare Alternative besteht (LEP NRW, Erläuterungen zu Ziff. 7.2-3 Abs. 2, zu Ziff. 7.3-1 Abs. 11). Diese Zumutbarkeitserwägungen sprechen für die Einordnung als Grundsatz der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG, der in der Abwägungsentscheidung (nur) zu berücksichtigen ist (vgl. zur Vorgängervorschrift OVG Münster, Urteile vom 22. September 2015 - 10 D 82/13.NE - ZfBR 2016, 52 <54> und vom 17. Januar 2019 - 2 D 63/17.NE - juris Rn. 91).

53 Danach begegnen die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses keinen rechtlichen Bedenken. Stehen zwei Varianten zur Wahl, die jeweils geschützte Gebiete beanspruchen, kommt es auf den Größenvergleich erst dann maßgeblich an, wenn die Alternativen nicht in eine Rangfolge gebracht werden können. Die Realisierbarkeit des Vorhabens ist wiederum wertend zu bestimmen, um so eine verträgliche und verhältnismäßige Alternative zu ermitteln. Folglich ist dem Grunde nach nichts dagegen zu erinnern, wenn der Planfeststellungsbeschluss (S. 168) den Längenvergleich nicht als entscheidendes Kriterium heranzieht, sondern auch andere Gesichtspunkte einfließen lässt, wobei mit "weiteren" – hier unbenannten - Belangen ersichtlich die im Variantenvergleich erörterten Belange gemeint sind. Diese Möglichkeit der Bewältigung des Zielkonflikts ist in den entsprechenden Vorschriften angelegt.

54 dd) Schließlich zeigen die Kläger nicht auf, dass die Bewertung der Variante im Planfeststellungsbeschluss (S. 174) als "zu bevorzugen" in Bezug auf den Schutz der Landschaft und die landschaftsorientierte Erholung rechtsfehlerhaft ist. Nach ihrer Auffassung ist die Erdkabelvariante 2 in dieser Hinsicht vielmehr unter diesem Gesichtspunkt als "deutlich vorzugswürdig" einzustufen. Die Berücksichtigung sowohl der Vorbelastung als auch der Belastung durch die Kabelübergabestationen erweist sich jedoch insoweit nicht als unvertretbar.

55 c) Bei der Gesamtabwägung hat die Planfeststellungsbehörde die Antragstrasse sowohl gegenüber der Variante "Metelen II" als auch gegenüber der Erdkabelvariante als vorzugswürdig eingeschätzt (PFB S. 196 f.). Zur Begründung hat sie sich auf die bereits zuvor bei der vergleichenden Betrachtung aufgezeigten Erkenntnisse bezogen. Sie hat dabei hervorgehoben, dass die beantragte Freileitungsvariante aus technisch-wirtschaftlichen Aspekten deutlich vorteilhafter sei, mit der Realisierung der Erdkabelvarianten keine deutlichen Vorteile für das Schutzgut Mensch verbunden seien, sich mit Blick auf den Natur- und Artenschutz durch die Erdkabelvarianten umfangreiche Beeinträchtigungen ergäben, und schließlich mit den Erdkabelvarianten ganz erhebliche Eingriffe in die Schutzgüter Boden und Wasser einhergingen. Beide Varianten lägen in der Bewertung nicht weit voneinander entfernt. Da sich die Antragstrasse am verträglichsten darstelle und die Erdkabelvariante 2 im direkten Vergleich insgesamt keine zwingenden Vorteile mit sich bringe, habe sich die Planfeststellungsbehörde für die Antragstrasse entschieden.

56 Gegen diese Erwägungen wenden sich die Kläger ohne Erfolg. Sie sind der Auffassung, dass die Abwägung den in § 2 Abs. 2 EnLAG zum Ausdruck kommenden Vorgaben nicht gerecht werde; der gezielten Auswahl der Auslösekriterien in § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG sei die Wertung zu entnehmen, dass wohnhausnahe oder landschaftlich besonders wertvolle Bereiche erdverkabelt werden sollten. Dem ist so nicht zu folgen.

57 Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG ist im Falle des Neubaus auf Verlangen der für die Zulassung des Vorhabens zuständigen Behörde bei einem Vorhaben nach § 2 Abs. 1 EnLAG eine Höchstspannungsleitung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel zu errichten und zu betreiben, wenn - u. a. – bestimmte Abstände zu Wohngebäuden im Bebauungsplanbereich oder im unbeplanten Innenbereich - 400 m – (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnLAG) bzw. zu Wohngebäuden im Außenbereich - 200 m – (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EnLAG) unterschritten werden. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor, entscheidet die Planfeststellungsbehörde in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens darüber, ob statt einer Freileitung eine Erdverkabelung vom Vorhabenträger verlangt wird. Die Norm eröffnet nur die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG nicht gegebene Möglichkeit, auch die Errichtung, den Betrieb oder die Änderung eines Erdkabels planfeststellen zu können; darin erschöpft sich grundsätzlich ihr Regelungsgehalt (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 16.16 - NVwZ-RR 2017, 768 Rn. 95). Dieses Ermessen ist nicht in der Weise intendiert, dass das Auslösekriterium im Zusammenwirken mit dem Erfordernis eines geeigneten Abschnitts nach § 2 Abs. 2 Satz 2 EnLAG in der Regel die Entscheidung für ein Erdkabel nach sich ziehen müsste. Vielmehr gebietet § 2 Abs. 2 EnLAG eine offene Abwägung, in die alle abwägungserheblichen Belange Eingang finden müssen. Diese Abwägung muss jedoch dem Gesetzeszweck Rechnung tragen. Wenn danach in bestimmten Pilotprojekten Erdkabel im Drehstrombereich auf Höchstspannungsebene ungeachtet der mit ihnen verbundenen Erschwernisse und Nachteile erprobt werden sollen, um sie als technische Alternative zu etablieren, dürfen Argumente, die allgemein gegen das Erdkabel vorgebracht werden können, nicht ein solches Gewicht erhalten, dass der Erprobungszweck letztlich infrage gestellt würde. Dies gilt insbesondere für das Kostenargument. Denn dem Gesetzgeber stand vor Augen, dass ein Erdkabel deutlich teurer als eine Freileitung ist, und er hat deswegen u. a. die Ausgleichsregelung nach § 2 Abs. 5 EnLAG geschaffen (vgl. auch Füßer/Gresse, NVwZ 2021, 1094 <1099>). Die höheren Kosten können - ebenso wie etwa der größere zeitliche Aufwand für die Errichtung eines Erdkabels - nur dann ins Feld geführt werden, wenn für die Erprobung gleichwohl Raum bleibt.

58 Hiernach ist die Abwägungsentscheidung nicht zu beanstanden. Sie benennt die grundsätzlich gegen eine Erdverkabelung sprechenden Argumente wie den größeren Zeit- und Kostenaufwand zwar an erster Stelle und betont deren Bedeutung ("insbesondere"). Gleichwohl kann nicht festgestellt werden, dass die Planfeststellungsbehörde damit die gesetzlichen Vorgaben verfehlt. Zum einen ist die Ermöglichung der Erprobung von Erdkabeln nicht beschränkt auf die jeweils einzelnen Abschnitte eines gesetzlich benannten Pilotvorhabens, sondern auf das Gesamtvorhaben - hier die Leitung Dörpen/West - Niederrhein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EnLAG) – bezogen. Bislang sind bei dieser Leitung in anderen Planfeststellungsabschnitten bereits drei Erdkabelstrecken festgesetzt worden. Im Abschnitt 2 (Bredenwinkel - Borken Süd) und im Abschnitt 3 (Borken Süd - Nordvelen) sind jeweils mehr als 3 km lange Erdkabeltrassen fertiggestellt und im Probebetrieb. Im Abschnitt 5A (Legden Süd - Pkt. Asbeck) ist ein etwa 5 km langer Erdkabelabschnitt als sogenannte Hybridlösung (ca. 2 km Tunnelbauwerk und anschließend Verlegung in offener Bauweise) im Bau. Die Planfeststellungsbehörde hat sich folglich dem gesetzlichen Anliegen nicht verschlossen. Zum anderen hat die Planfeststellungsbehörde nicht allein auf die technisch-wirtschaftlichen Aspekte abgestellt, sondern in einer Gesamtbetrachtung weitere Gesichtspunkte herangezogen, die - wie nicht zuletzt die beim Schutzgut Wasser aufgezeigten Schwierigkeiten (PFB S. 174) – in Anknüpfung an die konkreten örtlichen Gegebenheiten gegen eine zusätzliche Erprobung gerade im angefochtenen Planfeststellungsabschnitt sprechen.

59 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.