Beschluss
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. August 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
beschlossen:
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Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 12. April 2023 - 5 PKH 1.23 - wird zurückgewiesen.
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Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Senat kann über die mit Schreiben der Antragstellerin vom 8. Mai 2023 gegen seinen Beschluss vom 12. April 2023 erhobene Anhörungsrüge in der Sache entscheiden, nachdem die Anträge der Antragstellerin auf Ablehnung der an dem Beschluss vom 12. April 2023 beteiligten Richterin und der beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit mit Beschluss vom 6. Juli 2023 - 5 PKH 2.23 (5 PKH 1.23 ) - abgelehnt sowie die Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit gegen die an dem Beschluss vom 6. Juli 2023 beteiligten Richterinnen und Richter sowie die dagegen erhobene Anhörungsrüge mit Beschluss vom 16. August 2023 verworfen wurden.
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Die innerhalb der gesetzlichen Frist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO erhobene Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob die Anforderungen an die Zulässigkeit der Anhörungsrüge im Hinblick auf die Beachtung der Darlegungserfordernisse (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO) gewahrt sind. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet, weil der Senat den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt hat.
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1. Mit seinem Beschluss vom 12. April 2023 hat der Senat den Antrag der Antragstellerin, ihr für eine gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2023 einzulegende "Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde" Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, als unzulässig abgelehnt, weil die genannten Rechtsmittel nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg boten (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Denn Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe können durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht nur in den Fällen angefochten werden, die § 152 Abs. 1 VwGO anführt. Zu diesen Entscheidungen gehörte der angefochtene Beschluss nicht, mit dem die Beschwerde der Antragstellerin gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen worden war.
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Die Antragstellerin macht mit ihrer Anhörungsrüge vom 8. Mai 2023 sinngemäß geltend, der Senat habe verkannt, dass sie mit ihrem Schreiben vom 4. Februar 2023 keine Beschwerde eingelegt habe, sondern hier das Meistbegünstigungsprinzip angewandt werden müsse. Sie habe in den Vorinstanzen ein isoliertes Prozesskostenhilfeersuchen mit beigefügtem Klageentwurf eingereicht. Durch förmliche Zustellung der ablehnenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts seien diese unzulässig in materielle Rechtskraft erwachsen. Die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe erwachse im Falle seiner Unanfechtbarkeit aber nicht in materielle Rechtskraft. Sie habe außerdem keine Klage erhoben, sodass ein Urteil, das in der Hauptsache ergehe, nichtig und damit wirkungslos sei. Ein solches Nicht- oder Scheinurteil erwachse nicht in materielle Rechtskraft, sei aber formeller Rechtskraft fähig, sodass dem Betroffenen nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dagegen sowohl derjenige Rechtsbehelf zustehe, der nach Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft sei, als auch dasjenige Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form ergangenen Entscheidung zulässig wäre.
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Der Senat hat den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht, wie in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO vorausgesetzt, in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (stRspr, vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>). Die Gerichte sind allerdings nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (stRspr, vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <368>). Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Gerichte können sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach ihrem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 8 m. w. N.). Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 8 m. w. N.). Insbesondere vermittelt der Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (stRspr, vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 7. Juni 2017 - 5 C 5.17 D (5 C 10.15 D) - juris Rn. 8 m. w. N.).
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Gemessen daran kommt eine Gehörsverletzung schon deshalb nicht in Betracht, weil das Vorbringen der Antragstellerin, dessen Nichtberücksichtigung durch den Senat sie beanstandet, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt entscheidungserheblich war und zu einer anderen Entscheidung des Senats hätte führen können. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine "Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde" oder ein anderes Rechtsmittel gegen den angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2023 waren gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO schon deshalb nicht gegeben, weil ein solches Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts war nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar, weil die Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe, die Gegenstand des Verfahrens war, nicht zu den in § 152 Abs. 1 VwGO genannten Ausnahmen gehört. Für diese rechtliche Würdigung war das Vorbringen der Antragstellerin nicht entscheidungserheblich.
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Das gilt zunächst, soweit den Ausführungen der Antragstellerin bei verständiger Würdigung auch die Rüge zu entnehmen sein sollte, die Vorinstanzen hätten in dem von ihr ohne anwaltliche Unterstützung betriebenen isolierten prozesskostenhilferechtlichen Verfahren auch die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung geprüft, statt sich - was ihrer Ansicht nach richtig gewesen wäre - auf die Prüfung der Voraussetzungen der Bedürftigkeit zu beschränken. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist, und ist überdies unzutreffend. Denn nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO hängt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe neben den wirtschaftlichen Voraussetzungen immer auch davon ab, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies gilt auch im Rahmen eines isolierten Prozesskostenhilfeverfahrens, und zwar auch dann, wenn der Antragsteller nicht anwaltlich vertreten ist, wenngleich in einem solchen Fall geringere Anforderungen an die Darlegung der Gründe bestehen, auf die das Rechtsschutzgesuch gestützt wird. Die Gründe müssen in diesem Fall soweit dargelegt werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich darauf, ob die Begründung des Prozesskostenhilfeantrags die Erfolgsaussichten in groben Zügen erkennen lässt (BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2018 - 5 PKH 8.17 D - Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 48 Rn. 2). Soweit sich die Rüge der Antragstellerin auch auf die Prüfung der Erfolgsaussichten der noch einzulegenden "Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde" in dem angegriffenen Beschluss des Senats vom 12. April 2023 beziehen sollte, wäre die Anhörungsrüge darüber hinaus schon deshalb nicht begründet, weil die Antragstellerin sich damit gegen die inhaltliche Richtigkeit dieser Entscheidung wenden würde, was eine Gehörsverletzung nicht begründen kann. Denn das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte - wie bereits ausgeführt - nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen.
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Soweit das Vorbringen der Antragstellerin dahin zu verstehen ist, dass die Prozesskostenhilfeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts durch die förmliche Zustellung rechtswidrig in materielle Rechtskraft erwachsen sei, hindert dies ebenfalls weder den Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung gemäß § 152 Abs. 1 VwGO noch ist diese Rechtsauffassung zutreffend. Die Zustellung ist gemäß § 56 Abs. 1 VwGO unter anderem bei Entscheidungen vorgeschrieben, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, die gemäß § 57 Abs. 1 VwGO erst mit der Zustellung beginnt. Insofern ist die Zustellung bei anfechtbaren Entscheidungen Voraussetzung dafür, dass diese nach Ablauf der Anfechtungsfrist in materielle Rechtskraft erwachsen können. Sie vermag jedoch nicht die Rechtskraft einer nicht materiell rechtskraftfähigen Entscheidung zu bewirken. Etwas anderes ergibt sich nicht deshalb, weil es sich bei dem angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, wie die Antragstellerin offenbar meint, um ein Scheinurteil über die Klage handeln würde, für die sie Prozesskostenhilfe beantragt hat. Mit der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ist keine Entscheidung über das Klagebegehren verbunden, für das Prozesskostenhilfe beantragt wurde. Es handelt sich vielmehr, wie oben dargestellt, lediglich um eine inzidente Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage im Rahmen der Entscheidung über Prozesskostenhilfe.
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2. Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).