Verfahrensinformation



Gegenstand der bereits vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision ist die Frage, ob für Polizeivollzugsbeamte im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen ihrer dienstlichen Tätigkeit auch höhere Anforderungen an ihre gesundheitliche Eignung zu stellen sind.


Der 1997 geborene Kläger begann im Oktober 2017 als Beamter auf Widerruf seine Ausbildung bei der Hochschule der Polizei. Im Juli 2019 erlitt er einen Schlaganfall. Bei den anschließenden Untersuchungen wurden beim Kläger ein Hirnsubstanzdefekt sowie eine Faktor-V-Leiden-Mutation in heterozygotischer Form festgestellt. Nach der Einschätzung des polizeiärztlichen Dienstes erhöht eine solche Mutation das relative Thromboserisiko um das Fünf- bis Zehnfache. Der von der Polizei mit der Untersuchung beauftragte Neurologe konnte jedoch die Begutachtung des Klägers aufgrund eigener schwerer Erkrankung nicht mehr vollenden. Nach seiner Genesung bestand der Kläger alle Modulprüfungen seines Studiengangs; auch die geforderten Sportleistungen erbrachte er. Dementsprechend schloss der Kläger den Bachelor-Studiengang Polizeidienst erfolgreich ab. Die Polizei lehnte allerdings die Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe mit der Begründung ab, dass der Kläger im Sinne der "PDV 300 nicht mehr polizeidienstfähig" sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.


Das Verwaltungsgericht hat die behördlichen Bescheide aufgehoben und das Land verpflichtet, den Kläger unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Polizeivollzugsdienst einzustellen. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Einstellung in den Polizeivollzugsdienst noch einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Land als Dienstherr die gesundheitliche Eignung eines Bewerbers für den Polizeivollzugsdienst auch ohne das Vorliegen aktueller Symptome oder Einschränkungen verneine, wenn ein, bezogen auf die Normalbevölkerung, erheblich erhöhtes Risiko für künftige Einschränkungen der Polizeidienstfähigkeit festgestellt werden könne. Ein solches Risiko ergebe sich beim Kläger allerdings nicht aus dem bei ihm als Folge des Schlaganfalls vom Juli 2019 festgestellten kleinen Hirnsubstanzdefekt. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden müsse oder er infolge einer chronischen Erkrankung über Jahre hinweg eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen werde. Eine Polizeidienstuntauglichkeit sei allerdings dann anzunehmen, wenn bei einem Bewerber das deutlich erhöhte Risiko für den Eintritt einer solchen Erkrankung bestehe, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen - z.B. Einsatz einer Schusswaffe oder das Führen eines Kraftfahrzeugs mit Sonderrechten - eine Gesundheitsgefahr für den Polizeivollzugsbeamten selbst oder für Dritte darstellen könne. Beim Kläger sei das Risiko, bei einer zu seiner Dienstlaufbahn gehörenden Einsatzsituation einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, gegenüber der Normalbevölkerung deutlich (Faktor 380) erhöht.


Pressemitteilung Nr. 8/2025 vom 13.02.2025

Gesundheitliche Eignung von Bewerbern für den Polizeidienst

Die gesundheitliche Eignung für den Polizeidienst ist anzunehmen, wenn die Bewerber den besonderen Anforderungen dieses Dienstes genügen. Dies gilt nicht nur für den aktuellen Gesundheitszustand, sondern auch für künftige Entwicklungen, die angesichts einer bekannten Vorerkrankung zu erwarten sind. Bei einem gegenwärtig voll polizeidienstfähigen Bewerber kann die gesundheitliche Eignung aber nur verneint werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt der Polizeidienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger erlitt während seiner Ausbildung zum Polizeikommissar im Beamtenverhältnis auf Widerruf einen Schlaganfall, konnte aber mangels fortdauernder gesundheitlicher Beeinträchtigungen sein Studium an der Hochschule der Polizei einschließlich der geforderten Sportleistungen erfolgreich abschließen. Die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe lehnte das Land u.a. mit der Begründung ab, der Kläger sei wegen der erhöhten Gefahr eines weiteren Schlaganfalls nicht mehr uneingeschränkt polizeidienstfähig.


Das Verwaltungsgericht hat das Land verpflichtet, den Kläger unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Polizeidienst einzustellen. Nach den medizinischen Feststellungen des Sachverständigen betrage das Risiko eines erneuten Schlaganfalls bis zum Erreichen der Altersgrenze rund 35 %. Auf die Berufung des Landes hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Bei Polizeibeamten seien wegen der besonderen Einsatzlagen besondere Anforderungen zu stellen. Bewerber für den Polizeidienst seien auch dann wegen fehlender Polizeidienstfähigkeit abzulehnen, wenn bei ihnen das gegenüber der Normalbevölkerung deutlich erhöhte Risiko für den Eintritt einer solchen Erkrankung bestehe, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für den Beamten selbst oder für Dritte darstellen könne. Dies sei beim Kläger wegen der im Vergleich zur Normalbevölkerung 380-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schlaganfalls bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres der Fall.


Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Berufung des Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Für die Beurteilung der Frage, ob aktuell gesundheitlich geeignete Bewerber voraussichtlich wegen einer Vorerkrankung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze polizeidienstunfähig werden, ist kein anderer Prognosemaßstab anzuwenden als bei Bewerbern für den allgemeinen Verwaltungsdienst. In beiden Fallgruppen gilt der Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d. h. eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 %. Diese Voraussetzung ist ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erfüllt. Auch die Annahme einer bereits gegenwärtig eingeschränkten Polizeidienstfähigkeit im Hinblick auf die möglichen Folgen eines "Rückfalls" während eines Polizeieinsatzes überdehnt die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern. Ein strengerer Maßstab für den Polizeidienst kann ohne gesetzgeberische Vorgabe nicht angelegt werden.


BVerwG 2 C 4.24 - Urteil vom 13. Februar 2025

Vorinstanzen:

VG Trier, VG 7 K 3052/21.TR - Urteil vom 15. November 2022 -

OVG Koblenz, OVG 2 A 10587/23.OVG - Urteil vom 17. Januar 2024 -


Urteil vom 13.02.2025 -
BVerwG 2 C 4.24ECLI:DE:BVerwG:2025:130225U2C4.24.0

Gesundheitliche Anforderungen an Bewerber für den Polizeidienst

Leitsätze:

1. Für die Beurteilung der Frage, ob aktuell gesundheitlich geeignete Bewerber voraussichtlich wegen einer Vorerkrankung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze polizeidienstunfähig werden, ist kein anderer Prognosemaßstab anzuwenden als bei Bewerbern für den allgemeinen Verwaltungsdienst.

2. Die Beweislast für seine aktuelle gesundheitliche Eignung trägt der Bewerber. Dagegen trägt der Dienstherr die Beweislast für die Voraussetzungen der Prognose, der Bewerber werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze polizeidienstunfähig.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 33 Abs. 2
    BeamtStG § 26 Abs. 1
    LBG RP §§ 112, 117 und 118
    LbVOPol RP §§ 3, 15 und 16

  • VG Trier - 15.11.2022 - AZ: 7 K 3052/21.TR
    OVG Koblenz - 17.01.2024 - AZ: 2 A 10587/23.OVG

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 13.02.2025 - 2 C 4.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:130225U2C4.24.0]

Urteil

BVerwG 2 C 4.24

  • VG Trier - 15.11.2022 - AZ: 7 K 3052/21.TR
  • OVG Koblenz - 17.01.2024 - AZ: 2 A 10587/23.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2024 wird aufgehoben.
  2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts T. vom 15. November 2022 wird zurückgewiesen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Gegenstand des Verfahrens sind die gesundheitlichen Anforderungen an einen Bewerber für den Polizeidienst.

2 Der ... geborene Kläger wurde ... unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeikommissar-Anwärter bei der Hochschule der Polizei in den Vorbereitungsdienst bei dem beklagten Land eingestellt. Im Juli 2019, im Alter von ... Jahren, erlitt er einen Schlaganfall durch eine Durchblutungsstörung. Bei den anschließenden Untersuchungen wurden ein Hirnsubstanzdefekt sowie eine Faktor-V-Mutation festgestellt. Die Ursache für den Schlaganfall konnte nicht eindeutig geklärt werden. Im Anschluss an seine Genesung konnte der Kläger den Bachelor-Studiengang "Polizeidienst" einschließlich der geforderten Sportleistungen erfolgreich abschließen. Allerdings lehnte der Beklagte die Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe mit der Begründung ab, er sei wegen der erhöhten Gefahr eines erneuten Schlaganfalls nicht mehr uneingeschränkt polizeidienstfähig. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Polizeivollzugsdienst einzustellen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Einstellung in den Polizeivollzugsdienst noch auf erneute Entscheidung über diesen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Aktuell lägen beim Kläger keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen mehr vor. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden müsse oder infolge einer chronischen Erkrankung über Jahre hinweg ausfallen und deshalb insgesamt eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen werde. Eine Polizeidienstuntauglichkeit sei allerdings auch dann anzunehmen, wenn bei einem Bewerber, bezogen auf die Normalbevölkerung, das deutlich erhöhte Risiko für den Eintritt einer solchen Erkrankung bestehe, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für den Polizeivollzugsbeamten selbst oder für Dritte darstellen könne. Das Risiko, bei einer zu seiner Dienstlaufbahn gehörenden Einsatzsituation einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, sei beim Kläger (mit 1,9 %/Jahr) gegenüber der Normalbevölkerung (0,005 %/Jahr) ganz deutlich (um das 380-fache) erhöht. Das Entsprechende gelte für die zusätzlich beim Kläger diagnostizierte Mutation nebst weiterer Faktoren für die Erhöhung des Risikos einer Thrombose.

4 Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts führe bereits die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe zur Verneinung der gesundheitlichen Eignung des Bewerbers, obwohl der Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht erreicht sei. Die Forderung, dass bei einem Bewerber für den Polizeidienst kein deutlich erhöhtes Risiko für den Eintritt einer Erkrankung bestehen dürfe, setze eine entsprechende gesetzliche Regelung voraus, an der es fehle.

5 Der Kläger beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2024 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts T. vom 15. November 2022 zurückzuweisen.

6 Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

7 Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht. Das Oberverwaltungsgericht vertritt die Auffassung, bei einem Bewerber für den Polizeidienst, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesundheitlich geeignet und bei dem weder die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit noch der Eintritt regelmäßiger und erheblicher krankheitsbedingter Ausfallzeiten überwiegend wahrscheinlich ist, sei zusätzlich zu prüfen, ob das deutlich erhöhte Risiko für den Eintritt solcher Erkrankungen besteht, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für den Polizeibeamten selbst oder für Dritte darstellen kann. Die Annahme einer solchen "dritten Prüfungs-Stufe" ist mit Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG sowie § 112 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz vom 20. Oktober 2010 (GVBl. 2010, 319 ‌- LBG RP) und § 3 Satz 1, § 15 Abs. 1 Nr. 4 und § 16 Abs. 5 der dortigen Laufbahnverordnung für den Polizeidienst vom 10. Mai 2016 (GVBl. 2016, 251, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2024, GVBl. 254 - LbVOPol RP) unvereinbar. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stellt sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8 1. Die gesundheitlichen Anforderungen, denen ein Bewerber genügen muss, richten sich nach den Aufgaben, die mit der angestrebten Laufbahn verbunden sind.

9 a) Nach Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 1995 - 1 BvR 1397/93 - BVerfGE 92, 140 <151>). Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2008 - 2 BvR 2571/07 - BVerfGK 14, 492 <496> Rn. 11). Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden.

10 b) Es obliegt dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2007 - 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 22 f.). Auf dieser Grundlage muss festgestellt werden, ob ein Bewerber, dessen Leistungsfähigkeit - etwa aufgrund eines chronischen Leidens - gemindert ist, den Anforderungen gewachsen ist, die die Ämter einer Laufbahn für die Dienstausübung stellen (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 12).

11 Die Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit (etwa im Hinblick auf das Leisten von Wechselschicht, das Tragen von schwerer Schutzausrüstung u. a.) kann der Dienstherr in Ausübung seiner Organisationshoheit auch in einer Verwaltungsvorschrift − wie der Polizeidienstvorschrift "Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit" (PDV 300) − konkretisieren. Kein Beurteilungsspielraum kommt dem Dienstherrn dagegen für die Frage zu, ob ein Bewerber den festgelegten Voraussetzungen genügt (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 19). In derartigen Verwaltungsvorschriften dürfen daher auch nicht Erkrankungen aufgelistet werden, die ungeachtet des Einzelfalls dazu führen, dass die Anforderungen des Polizeidienstes als nicht erfüllt anzusehen sind. Ob der Bewerber aufgrund einer Erkrankung den gesundheitlichen Anforderungen des angestrebten Amtes genügt oder nicht, ist vom Dienstherr im konkreten Fall zu prüfen und unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 8. November 2016 - 2 A 484/15 - juris Rn. 21; OVG Münster, Beschluss vom 11. Juli 2024 - 6 A 1476/22 - juris Rn. 8).

12 c) Die gesundheitliche Eignung für den Polizeidienst im beklagten Land setzt die "volle Verwendungsfähigkeit" voraus, grundsätzlich also die Einsatzbarkeit auf allen Dienstposten, die dem jeweiligen Statusamt entsprechen.

13 Allerdings definiert das Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz für die Fälle der Ernennung (§ 8 BeamtStG) die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern ausdrücklich weder für den allgemeinen Verwaltungsdienst noch für die besonderen Gruppen von Beamten, für die das Landesgesetz nach § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit regeln kann. Dies gilt für Polizeibeamte, für Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes und für Beamte des Justizvollzugs und des Abschiebungshaftvollzugs (§§ 112, 117 und 118 LBG RP).

14 Aufgrund dieser Ermächtigung bestimmt § 112 Abs. 1 LBG RP für die Beendigung des aktiven Dienstes als Polizeibeamter aber, dass Polizeibeamte dienstunfähig sind, wenn sie den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst nicht mehr genügen und nicht zu erwarten ist, dass sie ihre volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangen, es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt.

15 Aus dieser Regelung kann eine gesetzgeberische Leitentscheidung entnommen werden, aus der auch für die Begründung des Beamtenverhältnisses als Polizeibeamter die Forderung des Gesetzgebers nach voller Verwendungsfähigkeit abgeleitet werden kann. Mit der "vollen Verwendungsfähigkeit" eines Polizeibeamten ist zumindest seit dem Erlass des Bundespolizeibeamtengesetzes vom 19. Juli 1960 (BGBl. I S. 569) regelmäßig die Vorstellung verbunden, dass der Polizeibeamte zu "jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seiner Amtsbezeichnung entsprechenden Stellung verwendbar ist" (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 3. März 2005 - 2 C 4.04 - Buchholz 237.7 § 194 NWLBG Nr. 2). Hintergrund für diese Vorgabe ist die Möglichkeit des ständigen Wechsels der Beschäftigung, etwa in Stäben, in Schulen oder im Außendienst (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom November 1959, BT-Drs. III/1425 S. 11 zu § 4 BPolBG, allerdings wiederum in Bezug auf die Voraussetzungen der Polizeidienstunfähigkeit).

16 Die Vorgabe der umfassenden Verwendbarkeit eines Polizeibeamten lässt sich auch den Bestimmungen der § 3 Satz 1, § 15 Abs. 1 Nr. 4 und § 16 Abs. 5 LbVOPol RP entnehmen. Dabei kann für das vorliegende Verfahren wegen der gesetzlichen Vorgabe in § 112 LBG RP dahingestellt bleiben, ob § 25 Abs. 1 LBG RP insoweit als Grundlage für den Erlass einer Laufbahnverordnung ausreicht und die Laufbahnverordnung für den Polizeidienst dem Zitiergebot (Art. 110 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz) genügt.

17 § 3 Satz 1 LbVOPol RP bestimmt, dass Polizeibeamte in allen Bereichen des Polizeidienstes bei den Polizeibehörden und Polizeieinrichtungen verwendet werden können. § 15 Abs. 1 Nr. 4 LbVOPol RP nennt als Voraussetzung für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst, dass die Bewerber den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst genügen müssen (vgl. auch § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LbVOPol RP). Für Bewerber, wie den Kläger, die die Fachhochschulausbildung mit Bestehen der Laufbahnprüfung abgeschlossen haben und die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe anstreben, setzt § 16 Abs. 5 Satz 1 LbVOPol RP (mit der Bezugnahme auf die "sonstigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen") ebenfalls voraus, dass der Betreffende die besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst erfüllt.

18 2. Anhand dieser Anforderungen ist die gesundheitliche Eignung der Bewerber für den Polizeidienst zu beurteilen.

19 a) Für die vergleichende fachliche Eignung der Bewerber steht dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu, der vor allem die Gewichtung der Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG umfasst (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2004 ‌- 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <150 f.> und vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 45). Demgegenüber ist dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, ob der Bewerber den laufbahnbezogenen festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt. Über die gesundheitliche Eignung von Bewerbern im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG haben letztverantwortlich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein. Insoweit sind die Voraussetzungen, unter denen eine Einschränkung der aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen anzunehmen ist, nicht erfüllt (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - ‌BVerwGE 147, 244 Rn. 24 ff.).

20 Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Dies erfordert in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2007 - 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 22 f. und vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 11).

21 b) Die Bewertung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt bezieht sich nicht nur auf den gegenwärtigen Stand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <296>). Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann daher im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf verneint werden.

22 Solange der Gesetzgeber keinen kürzeren Prognosezeitraum bestimmt, erfasst die Prognose den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Das Lebenszeit- und das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichten den Dienstherrn zur lebenslangen Versorgung der Ruhestandsbeamten. Daher verleihen sie dem Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten einen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Durch die Festlegung der Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung und der Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand bringen Gesetz- und Verordnungsgeber zum Ausdruck, welche Lebensdienstzeit angemessen ist, um die Altersversorgung zu erdienen (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 13 ff.).

23 Dementsprechend kann der Dienstherr die gesundheitliche Eignung aktuell dienstfähiger Bewerber nur dann verneinen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen sind oder sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zu ihrer Pensionierung über Jahre hinweg wegen einer chronischen Erkrankung regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und damit eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen werden. Die wahrscheinlichen Fehlzeiten müssen in der Summe ein Ausmaß erreichen, das einer Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit etliche Jahre vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gleichkommt. In diesen Fällen ist das angemessene Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit voraussichtlich spürbar gestört. Dabei kann die gesundheitliche Eignung nur im Hinblick auf Erkrankungen, insbesondere chronische Erkrankungen verneint werden, nicht aber unter Berufung auf gesundheitliche Folgen, die mit dem allgemeinen Lebensrisiko, wie z. B. einem Unfall bei sportlichen Aktivitäten des Bewerbers, verbunden sind (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 26). Dieser Prognosemaßstab gilt für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, auf Probe und auf Widerruf gleichermaßen (BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 ‌- 2 B 17.18 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 118 Rn. 5). Mit der Prognose ist wegen des sich über Jahrzehnte erstreckenden Zeitraums eine ganz erhebliche Unsicherheit nicht nur hinsichtlich der künftigen gesundheitlichen Entwicklung verbunden, sondern auch im Hinblick auf den medizinischen Fortschritt. Diesen Schwierigkeiten soll durch den Prognosemaßstab Rechnung getragen werden.

24 Der Anwendungsbereich der Prognose bis zur gesetzlichen Altersgrenze ist aber von vornherein begrenzt. Sie kommt lediglich hinsichtlich solcher Bewerber in Betracht, deren gesundheitliche Eignung zum jetzigen Zeitpunkt positiv feststeht. Sie dient dagegen nicht zur Begründung der Annahme der gesundheitlichen Eignung solcher Bewerber, die derzeit dauernd dienstunfähig sind, bei denen jedoch die begründete Aussicht der Gesundung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze besteht (OVG Bremen, Beschluss vom 30. Oktober 2024 - 2 B 128/24 - DÖD 2025, 11 Rn. 37).

25 Das Kriterium der überwiegenden Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass das betreffende Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 v. H. eintritt. Dies folgt auch aus dem dargelegten Zweck der Prognose. Sie betrifft lediglich aktuell dienstfähige Bewerber und soll dem Umstand Rechnung tragen, dass im Hinblick auf eine gesundheitliche Prädisposition oder eine bekannte Vorerkrankung ungewiss ist, ob die Dienstleistung des Bewerbers der Vorgabe des Gesetzgebers bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze genügen wird. Dementsprechend kann die Prognose einer Bewerbung nur entgegengehalten werden, wenn der Eintritt einer für die Beurteilung der Eignung relevanten Einschränkung der Dienstleistung des Bewerbers bis zur Altersgrenze wahrscheinlicher ist als ihr Ausbleiben.

26 c) Zwischen der Sachlage zum Zeitpunkt der Begründung des Beamtenverhältnisses und der Prognose für den Zeitraum bis hin zur gesetzlichen Altersgrenze ist im Hinblick auf die materielle Beweislast zu unterscheiden. Die Beweislast richtet sich in erster Linie nach dem anzuwendenden materiellen Recht; fehlen ausdrückliche Regeln, gilt der Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit zulasten des Beteiligten geht, der aus der fraglichen Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. März 1975 - 2 C 11.74 - BVerwGE 47, 365 <375> und vom 1. November 1993 - 7 B 190.93 -‌ Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 11).

27 Die gesundheitliche Eignung zum Zeitpunkt der Begründung des Beamtenverhältnisses ist eine Voraussetzung für die Einstellung. Dementsprechend ist der Bewerber mit dem Risiko belastet, wenn sich - ungeachtet der Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und nach Ausschöpfung aller ihm dazu möglichen Erkenntnismittel - nicht aufklären lässt, ob er aktuell in gesundheitlicher Hinsicht geeignet ist (BVerwG, Beschluss vom 11. April 2017 - 2 VR 2.17 - Buchholz 232.0 § 9 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 13).

28 Wie dargelegt, setzt die Anwendung der Prognose die derzeitige Dienstfähigkeit des Bewerbers voraus. Die auf die gesetzliche Altersgrenze bezogene Prognose kann dazu führen, dass die gesundheitliche Eignung des Bewerbers ungeachtet seines derzeitigen positiven Zustands im Hinblick auf eine nachteilige gesundheitliche Prädisposition oder eine bekannte Vorerkrankung zu verneinen ist. Da es sich bei der Prognose um einen Umstand handelt, der einem aktuell gesundheitlich geeigneten Bewerber entgegengehalten werden kann, trägt der Dienstherr insofern die Beweislast. Es geht zu seinen Lasten, wenn der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit oder der regelmäßigen erheblichen krankheitsbedingten Ausfallzeiten nicht gelingt.

29 3. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung gelten diese Maßstäbe auch für die gesundheitliche Eignung der Bewerber für den Polizeidienst. Bei der Beurteilung der Frage, ob aktuell gesundheitlich geeignete Bewerber voraussichtlich wegen einer Vorerkrankung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze polizeidienstunfähig werden, ist kein anderer Prognosemaßstab anzuwenden als bei Bewerbern für den allgemeinen Verwaltungsdienst.

30 a) Ist der Bewerber im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung gesundheitlich in der Lage, in allen Bereichen des Polizeidienstes verwendet zu werden, ist er gegenwärtig voll polizeidienstfähig. Ein erhöhtes Risiko künftiger Verwendungseinschränkungen genügt dann nicht, um die volle Verwendbarkeit und damit die gesundheitliche Eignung des Bewerbers im aktuellen Zeitpunkt zu verneinen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 22. Januar 2014 - 7 K 117/13 - juris Rn. 28 f. in Bezug auf ein Brustimplantat). Ob sich eine bei dem Bewerber vorhandene, derzeit nicht akute gesundheitliche Vorbelastung während der künftigen Amtstätigkeit realisieren könnte, ist keine Frage der aktuellen gesundheitlichen Eignung, sondern der prognostischen Beurteilung künftiger Entwicklungen (a. A. OVG Münster, Urteil vom 30. November 2017 - 6 A 2111/14 - juris Rn. 103 für Risiken aus einer bereits erlittenen Kreuzbandruptur, Beschlüsse vom 15. Oktober 2020 - 6 B 1296/20 - juris Rn. 14 für mögliche Folgen einer Nahrungsmittelallergie und vom 15. August 2023 - 6 B 684/23 - juris Rn. 15 ff. für die Veranlagung zur Harnsteinbildung). Bei einem gegenwärtig voll polizeidienstfähigen Bewerber kann die gesundheitliche Eignung aber nur verneint werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt der Polizeidienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 16). Ein strengerer Maßstab gerade für den Polizeidienst kann den normativen Vorgaben nicht entnommen werden.

31 Die vom Berufungsgericht angenommene "dritte Stufe" für die Prüfung der gesundheitlichen Eignung eines Bewerbers für den Polizeidienst mit dem zugrunde gelegten Maßstab des "deutlich erhöhten Risikos für den Eintritt einer solchen Erkrankung, deren Auftreten in besonderen Einsatzlagen eine Gesundheitsgefahr für den Beamten selbst oder für Dritte darstellen könne", entspricht im Übrigen nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Angesichts des Umstands, dass bei gesundheitlicher Ungeeignetheit des Bewerbers dessen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgender Bewerbungsverfahrensanspruch unmittelbar untergeht, reicht die bloße Angabe, dass die Wahrscheinlichkeit eines - erneuten - Auftretens des medizinisch relevanten Vorfalls, hier des Schlaganfalls, beim Bewerber gegenüber der Normalbevölkerung erhöht ist - hier die 380-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit - nicht aus.

32 Der Maßstab ist auch nicht sachgerecht, weil aus der erhöhten Wahrscheinlichkeit gegenüber der Normalbevölkerung für sich genommen noch keine Rechtfertigung für die Versagung einer Einstellung folgt. Denn hieraus folgt nicht zwingend das tatsächliche Risiko eines Rezidivs, wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt.

33 b) Besonderheiten für den Polizeidienst ergeben sich indes daraus, dass ein (bereits eingestellter) Polizeibeamter, der polizeidienstunfähig wird, weil er nicht mehr für alle Verwendungen − etwa im Außendienst − einsatzfähig ist, nicht in den Ruhestand versetzt wird, wenn es einen Dienstposten im Polizeidienst gibt − etwa im Innendienst −, den er noch ausüben kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 B 97.13 - NVwZ 2015, 439 Rn. 10 m. w. N.). Dementsprechend ist bei der Prognosebeurteilung nicht darauf abzustellen, ob der Bewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden wird. Maßgeblich für die Einstellung in die Laufbahn des Polizeidienstes ist vielmehr die Polizeidienstfähigkeit und damit die "volle Verwendbarkeit" auf grundsätzlich allen amtsangemessenen Dienstposten.

34 4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht i. S. v. § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Auf der Grundlage der den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Gesundheitszustand des Klägers kann diesem die gesundheitliche Eignung für das zunächst angestrebte Beamtenverhältnis auf Probe wie auch für das spätere Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht abgesprochen werden.

35 a) Bei der Bestimmung der "besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeidienst" ist wiederum das Postulat der umfassenden Verwendbarkeit der Polizeibeamten zu berücksichtigen. Es sind sämtliche denkbaren Einsatzszenarien und die sich daraus ergebenden besonderen gesundheitlichen Anforderungen zu beachten.

36 Einzubeziehen sind danach insbesondere die physischen und psychischen Belastungen infolge des Einsatzes im Außendienst, der Bewältigung von Gefahrensituationen, der Tätigkeit im Wechselschichtdienst, der Mehrarbeit aufgrund zwingender dienstlicher Erfordernisse, des Tragens einer schweren Schutzausrüstung samt Schutzhelm, der Verwendung bei geschlossenen Einsätzen, z. B. bei gewalttätigen Demonstrationen oder Fußballspielen, des Führens von Dienstkraftfahrzeugen unter Inanspruchnahme von Wege- und Sonderrechten, von mehrtägigen geschlossenen Einsätzen mit einer Einsatzhundertschaft bei auswärtiger Unterbringung und Verpflegung, der Anwendung unmittelbaren Zwangs mittels körperlicher Gewalt gegen Widerstand leistende Personen und des Einsatzes der eigenen Dienstwaffe (vgl. hierzu auch Ziff. 1.2 der PDV 300).

37 Bei der Beauftragung des Arztes hat der Dienstherr, um die Verwertbarkeit des ärztlichen Gutachtens zu gewährleisten, diesen auf die aus den denkbaren Einsatzszenarien folgenden besonderen gesundheitlichen Anforderungen des Polizeidienstes hinzuweisen. Bei seinem Gutachten zur gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers muss der Arzt die besonderen Belastungen des Polizeidienstes berücksichtigen.

38 b) Zunächst hat das Oberverwaltungsgericht unter Berufung auf das vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegte neurologische Gutachten sowie das vom Verwaltungsgericht eingeholte neurologische Sachverständigengutachten festgestellt, dass beim Kläger aktuell keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen, die aus dem Hirninfarkt vom Juli 2019 resultieren. Trotz des auf den Hirninfarkt zurückzuführenden kleinvolumigen Substanzdefekts ist die aktuelle körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt. Dies wird auch dadurch belegt, dass der Kläger im Anschluss an die Ablehnung seiner Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe als Polizeibeamter den Eingangstest für ein Sportstudium an der Deutschen Sporthochschule in Köln bestanden hat.

39 Unter Bezugnahme auf die oben dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des Senats zur Prognose bis hin zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze hat das Berufungsgericht ferner festgestellt, es bestünden keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig und in einem erheblichen Umfang krankheitsbedingt ausfallen. Das mit 35 v. H. angenommene Risiko eines erneuten Schlaganfalls bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, der zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit führen könnte, reicht für die Annahme der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nicht aus. Das Entsprechende gilt für die Feststellung zum Risiko eines erstmaligen epileptischen Anfalls bis zum Erreichen der Altersgrenze mit 13 v. H. und zur Gefahr einer tiefen Beinvenenthrombose bzw. Lungenembolie mit 6,6 v. H. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht in Bezug auf das Risiko eines erneuten Schlaganfalls auch festgestellt, dass ein Infarkt-Rezidiv nicht zwangsläufig zu einer dauerhaften Einschränkung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des Betroffenen führen muss.

40 Schließlich hat das Berufungsgericht auch festgestellt, dass die genannten besonderen Belastungen und Stresssituationen des Polizeidienstes, die in Nr. 1.2 der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift PDV 300 aufgeführt sind, die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schlaganfalls nicht erhöhen. Gegen diese tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts, die das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindet, hat der Beklagte eine Gegenrüge (vgl. GmS-OGB, Beschluss vom 16. März 1976 - GmS-OGB 1/75 - BVerwGE 50, 369 <375>) nicht erhoben.

41 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.