Beschluss vom 13.04.2022 -
BVerwG 20 F 9.21ECLI:DE:BVerwG:2022:130422B20F9.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.04.2022 - 20 F 9.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:130422B20F9.21.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 9.21

  • VGH Mannheim - 03.12.2021 - AZ: 14 S 3387/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 13. April 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und Dr. Henke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger (weitere) Auskunft über die beim Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zu seiner Person gespeicherten Daten.

2 Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurde ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Vorlage einer Sperrerklärung des Beigeladenen vom 3. November 2020 verweigert.

3 Auf Antrag des Klägers hat das Verwaltungsgericht das Verfahren zur Durchführung eines "In-Camera"-Verfahrens an den Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs abgegeben. Dieser hat den Antrag mit Beschluss vom 5. Februar 2021 mangels Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der geschwärzten und nicht vorgelegten Aktenbestandteile abgelehnt.

4 Das Verwaltungsgericht hat daraufhin am 8. Juni 2021 einen Beweisbeschluss zur Notwendigkeit einer Einsicht in bestimmte geschwärzte und bestimmte nicht vorgelegte Aktenbestandteile erlassen, woraufhin der Beigeladene unter dem 19. Oktober 2021 erneut eine Sperrerklärung in Bezug auf die vom Beweisbeschluss erfassten Aktenbestandteile abgegeben hat.

5 Auf den Antrag des Klägers hat der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 3. Dezember 2021 festgestellt, dass diese Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf vier bestimmte Zeilen auf Seite 85 der Verfahrensakte bezieht und nicht Nummerierungen, Aktenzeichen oder Angaben zum Verschlusssachengrad betrifft. Im Übrigen hat er den Antrag des Klägers abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

6 Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die weitgehende Ablehnung des Antrags des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 19. Oktober 2021 durch den Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs ist rechtlich nicht zu beanstanden.

7 1. Der Antrag ist insoweit zwar zulässig. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nunmehr die Entscheidungserheblichkeit der mit dem Beweisbeschluss angeforderten Aktenbestandteile ordnungsgemäß bejaht.

8 2. Der Antrag ist insoweit aber unbegründet. Der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs hat, soweit er den Antrag abgelehnt hat, das Vorliegen der mit der Sperrerklärung differenzierend auf die einzelnen gesperrten Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung rechtlich zutreffender Maßstäbe gewürdigt.

9 a) Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschlüsse vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4, vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. m.w.N. und vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19 m.w.N.). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzbehörde die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt vorzulegen.

10 Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen der Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 20 F 4.16 - juris Rn. 7). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 20 F 11.12 - juris Rn. 13). Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f. und vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 14).

11 b) Hiernach ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die geltend gemachten Weigerungsgründe insoweit bestehen. Von einer weiteren Begründung wird nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO abgesehen. Weitere (bloße) Teilschwärzungen kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2021 - 20 F 12.20 - juris Rn. 11 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für andernorts offengelegte und ohne den konkreten Sinnzusammenhang bedeutungslose Sätze und Satzteile auf Seite 63 der Verfahrensakte.

12 c) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofes hat zutreffend ausgeführt, dass der Beigeladene in seiner Sperrerklärung die gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen bezogen auf die einzelnen Aktenstücke abgewogen und so eine Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.

13 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.