Beschluss vom 13.12.2021 -
BVerwG 4 VR 2.21ECLI:DE:BVerwG:2021:131221B4VR2.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.12.2021 - 4 VR 2.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:131221B4VR2.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 VR 2.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Dezember 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller ist Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Flurstücks ... der Flur ..., Gemarkung E. Er wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 8. Oktober 2021, mit der das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (Ministerium) ihm - gestützt auf § 44 EnWG - aufgegeben hat, die auf dem Grundstück beabsichtigten Vorarbeiten zur Erstellung der für die Planfeststellung benötigten Unterlagen (Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung, Durchführung von Aufschlussbohrungen, Durchführung von Drucksondierungen, Nutzung des Grundstücks als vorübergehende Arbeits- und Abstellfläche) für einen Zeitraum von acht Wochen ab Vollziehbarkeit der Verfügung zu dulden (Nr. 1 des Bescheids), sowie gegen die von Gesetzes wegen sofort vollziehbare Androhung von Zwangsmaßnahmen (Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) für den Fall der Zuwiderhandlung (Nr. 3 und 4 des Bescheids).

2 Der Antragsteller hat beim Bundesverwaltungsgericht am 17. November 2021 Klage gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2021 erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

3 Der Antragsgegner und die Beigeladene sind dem Antrag entgegengetreten. Sie haben jeweils darauf hingewiesen, dass die Kampfmitteluntersuchung und die Aufschlussbohrungen abgeschlossen seien.

4 Mit Bescheid vom 23. November 2021 hat der Antragsgegner die Frist für die in der Verfügung vom 8. Oktober 2021 getroffenen Anordnungen mit Ausnahme der Vorarbeiten "Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung" und "Durchführung von Aufschlussbohrungen" bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. Der Antragsteller hat hiergegen bisher keine Klage erhoben.

II

5 Über den Antrag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, weil die Duldungsanordnung der Vorbereitung der Planfeststellung eines nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 6 Satz 1 BBPlG und Nr. 6 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG (Höchstspannungsleitung Conneforde - Landkreis Cloppenburg - Merzen/Neuenkirchen; Drehstrom, Nennspannung 380 kV; im Folgenden "Höchstspannungsleitung") in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallenden Vorhabens dient (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 4 VR 1.20 - Buchholz 451.17 § 44 EnWG Nr. 2 Rn. 6).

6 Der Antrag bezieht sich bei sachdienlichem Verständnis auf den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Verlängerungsbescheids. Ob es einer - hier noch unterbliebenen - ausdrücklichen und fristgerechten Einbeziehung des mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Verlängerungsbescheids in das anhängige Klageverfahren bedarf oder ob der Verlängerungsbescheid dem angefochtenen Ausgangsbescheid gleichsam automatisch angewachsen ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist die Klagefrist noch nicht abgelaufen (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 19 und vom 11. November 2020 - 8 C 22.19 - BVerwGE 170, 311; Beschluss vom 1. September 2020 - 4 B 12.20 - NVwZ-RR 2021, 87 Rn. 5) und ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch schon vor Klageerhebung statthaft.

7 A. Der Antrag ist unzulässig, soweit sich der Antragsteller gegen die Anordnung der Duldung der Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung und von Aufschlussbohrungen wendet. Diese Maßnahmen sind nach dem übereinstimmenden Vortrag des Antragsgegners und der Beigeladenen abgeschlossen. Damit hat sich die Verfügung vom 8. Oktober 2021 insoweit - und ungeachtet der Änderungen durch den Verlängerungsbescheid - erledigt. Das gilt auch für die auf diese Maßnahmen bezogenen Zwangsmittelandrohungen. Für einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 132).

8 B. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden (I.). Das erforderliche öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung (Nr. 1 des Bescheids) überwiegen das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (II.). Gleiches gilt in Bezug auf die Zwangsmittelandrohungen (Nr. 3 und 4 des Bescheids) (III.).

9 I. Zu Unrecht rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

10 Das Ministerium hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet. Der aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO folgenden formellen Pflicht, das besondere Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist es nachgekommen (zu den Anforderungen siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 - 1 DB 26.01 - juris Rn. 6). Es hat sich - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht auf formelhafte Wendungen zurückgezogen, sondern eine Reihe von Gründen angeführt, warum die Duldungsanordnung im konkreten Einzelfall sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft vollzogen werden muss. So hat das Ministerium zunächst das besondere öffentliche Interesse an der zügigen Verwirklichung der Höchstspannungsleitung in den Blick genommen, dessen vordringlicher Bedarf in einem Bedarfsplan ausgewiesen sei, und darauf verwiesen, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BBPlG für Vorhaben im Geltungsbereich des Bundesbedarfsplangesetzes ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Die hierdurch ausgewiesene Dringlichkeit beziehe sich auch auf vorausgehende und begleitende Vorarbeiten. Die Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit des Vorhabens werde zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Planfeststellungsunterlagen bereits weitgehend erstellt seien und alsbald eingereicht werden sollten. Demgegenüber träten die Interessen des Antragstellers zurück, die notwendigen Untersuchungen zu verhindern. Diese Ausführungen werden der Informationsfunktion, die dem Begründungserfordernis im Hinblick auf den Adressaten, insbesondere im Interesse der Einschätzung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten zukommt, ebenso gerecht wie der Warnfunktion gegenüber der Behörde selbst, durch die ihr der Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung vor Augen geführt wird. Ob die Begründung die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch inhaltlich trägt, bedarf im Zusammenhang mit dem formellen Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keiner Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2020 - 4 VR 4.20 - juris Rn. 10).

11 II. Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO gebotene Interessenabwägung geht hinsichtlich der Duldungsanordnung (Nr. 1 des Bescheids) zu Lasten des Antragstellers. Das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Durchführung der (verbliebenen) Vorarbeiten überwiegen das private Interesse des Antragstellers, von Vorarbeiten auf seinem Grundstück vorerst verschont zu bleiben, weil sich die Duldungsverfügung - nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung - als rechtmäßig (1.) und ihre Vollziehung als eilbedürftig erweist (2.). Es besteht daher kein Anlass, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

12 1. Die Duldungsanordnung ist von § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG gedeckt.

13 a) Für den Erlass der Duldungsanordnung war das Ministerium nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG i.V.m. Ziffer 11.1.5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten des Arbeitsschutz-, Immissionsschutz-, Sprengstoff-, Gentechnik- und Strahlenschutzrechts sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz) vom 27. Oktober 2009 (Nds. GVBl. S. 374), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 26. August 2021 (Nds. GVBl. S. 618), zuständig.

14 b) Der sinngemäß gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Ausweislich der vorgelegten Behördenakte ist der Antragsteller von der Beigeladenen mit Schreiben vom 16. März 2021 von der Aufnahme der Vorarbeiten in Kenntnis gesetzt worden; das genügt den Anforderungen des § 44 Abs. 2 EnWG. Der Antragsgegner hat den Antragsteller zudem zum beabsichtigten Erlass einer Duldungsanordnung rechtzeitig angehört.

15 c) Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG liegen vor.

16 Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung eines Vorhabens oder von Unterhaltungsmaßnahmen notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen sowie sonstige Vorarbeiten durch den Träger des Vorhabens oder von ihm Beauftragte zu dulden. Weigert sich der Verpflichtete, Maßnahmen nach dieser Vorschrift zu dulden, so kann nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG die zuständige Behörde auf Antrag des Trägers des Vorhabens gegenüber dem Eigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten die Duldung dieser Maßnahmen anordnen.

17 aa) Anordnungen nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG setzen - anders als der Antragsteller meint - die vorherige Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens nicht voraus. Das legt schon der Wortlaut nahe ("zur Vorbereitung der Planung"). Sie können daher auch schon vor Antragstellung ergehen (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2020 - 4 VR 1.20 - Buchholz 451.17 § 44 EnWG Nr. 2 Rn. 15). Für die Erarbeitung der Antragsunterlagen kommt ihnen besondere Bedeutung zu.

18 bb) Bei den (noch) zugelassenen Maßnahmen auf Flurstück ... der Flur ... (Durchführung von Drucksondierungen; Nutzung als vorübergehende Arbeits- und Abstellfläche, um beispielsweise erforderliche Geräte, Fahrzeuge, Werkzeuge und Materialien an- und abzutransportieren) handelt es sich um Vorarbeiten im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG.

19 Sie dienen nach dem Antrag der Beigeladenen vom 17. August 2021 sowie dem Verlängerungsantrag vom 9. November 2021 der für die Realisierung des Vorhabens erforderlichen Baugrunduntersuchung. Mit den Drucksondierungen wird die Tragfähigkeit des Baugrundes ermittelt. Diese Untersuchungen tragen dem Umstand Rechnung, dass im Rahmen der Erarbeitung der für die Planfeststellung erforderlichen Unterlagen der bevorzugte Leitungsverlauf und alternative Leitungsverläufe in den Blick genommen werden müssen, um die Trassenwahl vorzubereiten. Die Vorarbeiten dienen somit gerade dazu, festzustellen, ob auf dem Grundstück des Antragstellers der geplante Mast Nr. 35 errichtet werden kann. Dass dies von vornherein ausgeschlossen wäre, wie der Antragsteller behauptet, ist nicht ersichtlich.

20 cc) Die noch anstehenden Maßnahmen sind nach Art und Umfang notwendig und auch im Übrigen verhältnismäßig.

21 Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EnWG muss der Grundstückseigentümer nur notwendige Vorarbeiten dulden. Dies bestimmt sich auch nach dem Zeitpunkt oder dem Verfahrensstadium, in dem die Vorarbeiten durchgeführt werden sollen. Die Behörde muss daher die für die Anordnung sprechenden Gründe darlegen können. Das gilt umso mehr, je stärker die Maßnahmen in das Eigentum am Grundstück eingreifen (BVerwG, Beschluss vom 7. August 2002 - 4 VR 9.02 - Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 1 S. 3).

22 Ausweislich der Begründung der Duldungsanordnung verspricht sich die Beigeladene von den Vorarbeiten detaillierte Informationen über den Baugrund. Mit Hilfe der Vorarbeiten sollen bodenphysikalische Eigenschaften verifiziert werden. Nur durch sichere Kenntnis der tatsächlichen Beschaffenheit und damit der Tragfähigkeit des Untergrundes könnten Mastfundamente richtig geplant werden. Damit ist die Notwendigkeit der in der Duldungsanordnung bezeichneten Vorarbeiten hinreichend begründet. Das gilt mit Blick auf den Verlängerungsbescheid vom 23. November 2021 umso mehr, als es für den Abschluss dieser Prüfung nur noch der Drucksondierungen bedarf. Dafür, dass diese Maßnahmen, die nach ihrer Eingriffsintensität nicht über das Maß dessen hinausgehen, was einem Grundstückseigentümer im Allgemeinen auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 EnWG zuzumuten ist (BVerwG, Beschlüsse vom 17. August 2017 - 9 VR 2.17 - Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 6 Rn. 15 und vom 27. Oktober 2020 - 7 VR 4.20 - NVwZ 2021, 572 Rn. 17), im Übrigen nicht angemessen und damit nicht verhältnismäßig sind, bestehen für den Senat keine Anhaltspunkte. Die von dem Antragsteller insoweit erhobenen Bedenken sind unbegründet.

23 (1) Soweit der Antragsteller eine irreversible Verdichtung des fruchtbaren Ackerbodens durch das Befahren seines Grundstücks mit Transportmitteln und Raupengeräten bzw. in der Anlage 3 des Antrags aufgelisteten Maschinen und Bohrgeräten befürchtet und sich hierdurch in der Planung der landwirtschaftlichen Nutzung der Fläche bzw. der Frucht- und Nachsaatfolge eingeschränkt sieht, fehlt es an jeglicher Substantiierung. Der Antragsteller übersieht zudem § 44 Abs. 3 EnWG. Danach hat der Träger des Vorhabens eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, wenn durch eine Maßnahme nach § 44 Abs. 1 EnWG dem Eigentümer unmittelbare Vermögensnachteile (z.B. durch Beschädigungen an der Fläche) entstehen. Hierauf hat der Antragsgegner im Bescheid vom 8. Oktober 2021 (S. 5) zutreffend hingewiesen.

24 (2) Die Notwendigkeit der in der Duldungsanordnung genannten Maßnahmen ist auch nicht deshalb zweifelhaft, weil - wie der Antragsteller behauptet - das gesamte Bauvorhaben nicht erforderlich ist und der Netzentwicklungsplan bzw. die Bundesfachplanungsentscheidung beanstandet würden. Der Einwand ist nicht substantiiert. Hiermit könnte der Antragsteller aber auch im Verfahren um eine Duldungsanordnung nicht gehört werden, weil dies auf eine - unzulässige - vorbeugende Unterlassungsklage hinausliefe. Solche Einwendungen können nur Gegenstand eines gegen den Planfeststellungsbeschluss gerichteten Klageverfahrens sein (BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2020 - 4 VR 4.20 - juris Rn. 26 m.w.N.). Auch mit dem Vortrag, der Antragsteller werde einem Maststandort auf seinem Grundstück widersprechen, kann er hier nicht durchdringen. Insofern ist er auf das Planfeststellungsverfahren zu verweisen.

25 (3) Dafür, dass die Dauer der Maßnahme von acht Wochen ab Vollziehbarkeit der Duldungsanordnung bzw. aufgrund der Verlängerung bis 31. Dezember 2021 unverhältnismäßig sein könnte, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

26 dd) Schließlich ist auch die Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Bescheid lässt erkennen, dass die Duldungsanordnung notwendig und angemessen erscheint, um auf der Grundlage der noch ausstehenden Vorarbeiten einen schnellen, sicheren und zuverlässigen Bau der Höchstspannungsleitung zu gewährleisten. Angesichts der kraft Gesetzes bestehenden Duldungspflicht, der ausdrücklichen Weigerung des Antragstellers, und der Geringfügigkeit der verbliebenen Eingriffe in sein Eigentum waren weitere Erwägungen nicht veranlasst.

27 2. An der Ausnutzung der Duldungsanordnung besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Dieses wird dadurch indiziert, dass es sich bei der Höchstspannungsleitung um ein Projekt des vordringlichen Bedarfs handelt, für das der Gesetzgeber in § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG die sofortige Vollziehbarkeit der Planfeststellung angeordnet hat. Diese Grundentscheidung ist auch bei den der Ausarbeitung der Planunterlagen dienenden Vorarbeiten zu berücksichtigen (z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Oktober 2020 - 7 VR 4.20 - NVwZ 2021, 572 Rn. 20 und vom 4. Dezember 2020 - 4 VR 4.20 - juris Rn. 33). Dass es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles gleichwohl an der Dringlichkeit fehlt, hat der Antragsteller nicht dargetan.

28 Auch die Beigeladene hat ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung. Aufgrund des vorliegenden Eilverfahrens hat sie die bereits laufenden Vorarbeiten eingestellt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nur noch die Drucksondierungen durchzuführen sind und diese Arbeiten - innerhalb der verlängerten Frist - nur am 16. Dezember 2021 durchgeführt werden können, ist der Beigeladenen ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar.

29 III. Auch in Bezug auf die Zwangsmittelandrohungen (Nr. 3 und 4 des verfahrensgegenständlichen Bescheids) überwiegen das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit.

30 Nach § 70 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (NVwVG) in der Fassung vom 14. November 2019 (Nds. GVBl. S. 316) i.V.m. § 64 Abs. 4 Satz 1 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) in der Fassung vom 19. Januar 2005 (Nds. GVBl. S. 9), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2019 (Nds. GVBl. S. 428), haben Rechtsbehelfe u.a. gegen die Androhung von Zwangsmitteln (vgl. § 65 Abs. 1 NPOG) keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist damit statthaft (vgl. § 64 Abs. 4 Satz 2 NPOG).

31 Zwangsmittel sind, möglichst schriftlich, anzudrohen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 NPOG) und müssen sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen (§ 70 Abs. 3 Satz 1 NPOG). Gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Im Falle einer Zwangsgeldandrohung bedeutet das, dass für den Betroffenen erkennbar ist, für welchen Verstoß gegen welche einzelne Pflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (vgl. u.a. BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 - 1 A 10.95 - Buchholz 452.00 § 93 VAG Nr. 1 S. 8; OVG Lüneburg, Urteil vom 21. Januar 1999 - 1 L 2065/96 - BauR 1999, 882). Für die Zwangsgeldandrohung konkretisiert § 70 Abs. 5 NPOG das Bestimmtheitsgebot zudem insoweit, als das Zwangsgeld in bestimmter Höhe anzudrohen ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. November 2021 - 1 ME 136/21 - juris Rn. 10).

32 Diesen Vorgaben genügt die Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 des Bescheids) nach dem Erlass des Verlängerungsbescheids. Sie stellt nicht mehr, wie noch im Ausgangsbescheid, auf eine Duldungsanordnung ab, die mehrere Maßnahmen umfasst; insoweit wäre eine Zwangsgeldandrohung für jede einzelne Maßnahme erforderlich gewesen. Nunmehr bezieht sich die Zwangsgeldandrohung jedoch nur noch auf die Duldung der Drucksondierung. Diese bildet mit der gesondert erwähnten Nutzung des Grundstücks als Arbeits- und Abstellfläche für die benötigten Geräte und Fahrzeuge eine einheitliche Maßnahme. Denn die Drucksondierung kann nur nach Befahren der landwirtschaftlichen Flächen des Antragstellers vorgenommen werden. Die Androhung eines Zwangsgeldes "pro Tag" begegnet vor diesem Hintergrund letztlich auch keinen durchgreifenden Bedenken. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die §§ 64 ff. NPOG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für eine der Durchsetzung einer Verfügung dienende Zwangsgeldandrohung "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" (OVG Lüneburg, Urteil vom 20. April 2016 - 11 LB 29/15 - Nds. VBl. 2016, 312 = juris Rn. 61; Beschluss vom 29. April 2019 - 12 ME 188/18 - DVBl. 2020, 433 <Rn. 27>; siehe auch BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 - 1 A 10.95 - Buchholz 452.00 § 93 VAG Nr. 1 zu §§ 11, 13 VwVG; ferner Tilmanns, in: Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2020, § 13 Rn. 84 sowie Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 12. Aufl. 2021, § 13 Rn. 4c) oder - wie hier - einer Androhung "pro Tag" enthalten. Angesichts des Umstandes, dass sich die Zwangsgeldandrohung jedenfalls in der Fassung des Verlängerungsbescheids nur noch auf die Drucksondierung bezieht, für die nach den Angaben der Beigeladenen nur ein Tag benötigt wird, kann die Androhung dahingehend ausgelegt werden, dass sie der Durchsetzung der Drucksondierung an diesem Tag dient.

33 Die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall der Erfolglosigkeit der Festsetzung von Zwangsgeld (Nr. 4 des Bescheids) ist als solche gemäß § 70 Abs. 3 Satz 2 NPOG möglich.

34 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.