Beschluss vom 14.09.2022 -
BVerwG 7 B 18.21ECLI:DE:BVerwG:2022:140922B7B18.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.09.2022 - 7 B 18.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:140922B7B18.21.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 18.21

  • VG Stuttgart - 29.01.2019 - AZ: 5 K 33/17
  • VGH Mannheim - 11.05.2021 - AZ: 10 S 709/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. September 2022
durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Mai 2021 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 800 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen die nachträgliche Anordnung der Leistung einer Sicherheit über 180 000 € in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eines Kreditinstituts oder einer Versicherung.

2 Die Klägerin betreibt eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung und zur Behandlung gefährlicher Abfälle, auf die sich die streitgegenständliche Anordnung einer Sicherheitsleistung bezieht. Die vormalige Betreiberin der Anlage hatte dem beklagten Land als Sicherheit für die Erfüllung ihrer Nachsorgepflichten gemäß § 5 Abs. 3 BImSchG eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft in Höhe von 180 000 € gestellt. Nach Übernahme des Betriebs bot die Klägerin eine Bürgschaft ihrer Konzernmutter an. Das Regierungspräsidium Stuttgart verpflichtete die Klägerin, eine Sicherheitsleistung in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder einer im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherung in Höhe von 180 000 € zu erbringen. Die von der Klägerin vorgeschlagene Konzernbürgschaft sei von ihrer Eignung als Sicherungsmittel im Hinblick auf die Insolvenzsicherheit und die administrative Handhabbarkeit einer Bankbürgschaft deutlich unterlegen.

3 Die Anfechtungsklage der Klägerin wies das Verwaltungsgericht ab. Die Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof hatte Erfolg. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG für den Erlass einer nachträglichen Anordnung einer Sicherheitsleistung vor, die Ermessensausübung sei aber fehlerhaft, weil sie nicht im Einklang mit den selbst formulierten Vollzugsgrundsätzen erfolgt sei. Der Beklagte habe sich auf abstrakte, vom Einzelfall losgelöste und auf alle Fälle von Konzernbürgschaft gleichermaßen übertragbare Erwägungen gestützt. Dies lege die Vermutung nahe, dass eine Konzernbürgschaft entgegen anderweitiger Beteuerungen ganz allgemein nicht habe akzeptiert werden sollen, was den Vollzugsgrundsätzen widerspreche. Da sich das Regierungspräsidium selbst an eine Einzelfallbetrachtung gebunden habe, bedürfe es keiner Entscheidung, ob ein vollständiger Ausschluss von Konzernbürgschaften rechtlich zulässig wäre.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II

5 Die Revision ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

6 Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2022 - 7 B 9.21 - juris Rn. 5). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.

7 Der Beklagte misst der Frage,
ob der vollumfängliche Ausschluss einer Konzernbürgschaft im Rahmen der behördlichen Entscheidung nach § 17 Abs. 4a BImSchG rechtlich zulässig ist,
grundsätzliche Bedeutung bei. Die Rechtsfrage ist aber nicht entscheidungserheblich.

8 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es bedürfe keiner Entscheidung, ob ein vollständiger Ausschluss von Konzernbürgschaften rechtlich zulässig wäre, da sich das Regierungspräsidium selbst an eine Einzelfallbetrachtung gebunden habe. Davon ausgehend ist die Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich.

9 Zur Zulassung der Revision können nur solche Rechtsfragen führen, die für das angegriffene Urteil entscheidungserheblich waren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 - 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 7 und vom 30. Januar 2018 - 9 B 20.17 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 52 Rn. 9) und sich voraussichtlich auch im Revisionsverfahren stellen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 9 B 11.06 - juris Rn. 3). Daran fehlt es, wenn die Vorinstanz Tatsachen nicht festgestellt hat, die vorliegen müssten, damit sich die aufgeworfene Rechtsfrage stellt (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 1999 - 8 B 66.99 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 32 S. 2). Eine Ausnahme gilt dann, wenn das Tatsachengericht für die aufgeworfene Rechtsfrage bedeutsame Tatsachen nicht festgestellt hat, weil es ausgehend von seiner Rechtsauffassung darauf nicht ankam (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62>). Gemessen an diesen Voraussetzungen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung.

10 Maßgeblich für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs war, dass nach seinen Feststellungen das Regierungspräsidium gemäß dem Protokoll der 41. Dienstbesprechung "Abfall" zwischen dem damaligen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr und den Regierungspräsidien vom 20./21. Oktober 2010 sein Ermessen für Fälle wie den vorliegenden an eine vorzunehmende Einzelfallbetrachtung gebunden und deshalb eine Konzernbürgschaft nicht von vornherein als Sicherungsmittel nach § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG ausgeschlossen hatte. Damit war die Frage, ob das Regierungspräsidium sein Ermessen alternativ auch dahingehend hätte selbst binden dürfen, eine Konzernbürgschaft allgemein auszuschließen, ohne Bedeutung für den Rechtsstreit. Auf diesen nicht entscheidungserheblichen Umstand hebt aber die Beschwerde ab. Der Verwaltungsgerichtshof hatte dagegen der Berufung aufgrund der fehlerhaften Ermessensausübung des Regierungspräsidiums im konkreten Einzelfall aufgrund seiner Selbstbindung an die Vollzugsgrundsätze im Hinblick auf das Auswahlermessen stattgegeben.

11 Im Hinblick auf die von der Beschwerde hilfsweise für den Fall, dass die Möglichkeit eines abstrakten Ausschlusses einer Konzernbürgschaft als Sicherungsmittel durch den Senat verneint werde, aufgeworfenen weiteren Fragen,
unter welchen Voraussetzungen eine Einzelfallprüfung tatsächlich erforderlich ist,
und
welche Anforderungen an eine entsprechende Einzelfallentscheidung zu stellen sind,
ist die Revision gleichfalls nicht zuzulassen. Der von der Beschwerde vorausgesetzte Bedingungseintritt ist bereits deshalb nicht gegeben, weil der Senat die Entscheidungserheblichkeit der ersten Rechtsfrage verneint. Im Übrigen ergeben sich die Maßstäbe für die Immissionsschutzbehörde gemäß § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG aus allgemeinen Regeln (vgl. § 40 LVwVfG) und auch kraft interner Bindung durch Verwaltungsvorschriften (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - BVerwGE 131, 11 Rn. 39). Die Auslegung von Textpassagen des insoweit maßgeblichen Protokolls der 41. Dienstbesprechung "Abfall" vom 20./21. Oktober 2010 durch den Verwaltungsgerichtshof ist hier indes kein der Revisionszulassung zugänglicher Gesichtspunkt. Die Beschwerde legt keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar und ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.