Beschluss vom 14.12.2021 -
BVerwG 5 C 3.20ECLI:DE:BVerwG:2021:141221B5C3.20.0

Umzugskostenvergütungszusage kein rein begünstigender Verwaltungsakt

Leitsatz:

Die Klagebefugnis für eine Anfechtungsklage gegen die Zusage der Umzugskostenvergütung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Umzugskostenvergütungszusage um einen rein begünstigenden Verwaltungsakt handelt (Änderung der Rechtsprechung).

  • Rechtsquellen
    VwGO § 92 Abs. 3 Satz 1, § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 161 Abs. 2, § 173 Satz 1
    ZPO § 269 Abs. 3 Satz 1
    BUKG § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 10 Abs. 3
    VwVfG § 48 Abs. 1 und 2

  • VG Bremen - 24.04.2018 - AZ: VG 6 K 1466/16
    OVG Bremen - 11.12.2019 - AZ: OVG 2 LB 251/19

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.12.2021 - 5 C 3.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:141221B5C3.20.0]

Beschluss

BVerwG 5 C 3.20

  • VG Bremen - 24.04.2018 - AZ: VG 6 K 1466/16
  • OVG Bremen - 11.12.2019 - AZ: OVG 2 LB 251/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Dezember 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Preisner
beschlossen:

  1. Das Revisionsverfahren wird eingestellt.
  2. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 11. Dezember 2019 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 24. April 2018 sind wirkungslos.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Die noch nicht rechtskräftigen Urteile des Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts sind für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).

2 Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne das erledigende Ereignis bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Beschluss vom 3. April 2017 - 1 C 9.16 - NVwZ 2017, 1207 Rn. 7 m.w.N.). Danach entspricht es - unbeschadet der von der Beklagten abgegebenen Kostenübernahmeerklärung - billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

3 Auf den Hinweis des Senats vom 8. November 2021, dass er die Klage anders als die Vorinstanzen für zulässig und aufgrund der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachen auch für begründet hält, hat die Beklagte die Klägerin durch die Rücknahme der allein angefochtenen Umzugskostenvergütungszusage in der Versetzungsverfügung vom 3. November 2015 sowie die Aufhebung der Entscheidung vom 29. Januar 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 29. März 2016 in vollem Umfang klaglos gestellt. Die Beklagte wäre - wie der Senat in der Hinweisverfügung vom 8. November 2021 dargelegt hat - in der Sache auch voraussichtlich unterlegen, weil die Klage gegen die Umzugskostenvergütungszusage zulässig und die Zusage der Umzugskostenvergütung in der Versetzungsverfügung vom 3. November 2015 rechtswidrig gewesen ist.

4 Die der Sache nach von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage erwies sich nach Auffassung des Senats als zulässig. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen fehlte ihr nicht die Klagebefugnis. Soweit dem die bisherige Rechtsprechung entgegensteht, wonach es sich bei der Zusage der Umzugskostenvergütung um einen Verwaltungsakt handele, der rein begünstigend und deshalb nicht anfechtbar sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Januar 1989 - 6 C 47.86 - BVerwGE 81, 149; ebenso unter teilweise wörtlicher Wiedergabe der Gründe BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1993 - 10 C 3.91 - Buchholz 264 LUmzugskostenR Nr. 4 und vom 21. Dezember 1998 - 10 A 2.95 - juris sowie Beschlüsse vom 19. Dezember 1997 - 10 B 2.96 - juris und vom 20. Juli 2006 - 2 B 13.06 - juris), hält der Senat daran nicht fest. Die Umzugskostenvergütungszusage aus Anlass einer Versetzung aus dienstlichen Gründen ist kein ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt. Ihre Erteilung kann wegen der damit verbundenen einschränkenden rechtlichen Auswirkungen auf die Gewährung von Trennungsgeld sowie der individualschützenden Wirkung der Ausschlussgründe in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BUKG mit einer Verletzung der Rechte des Adressaten einhergehen.

5 Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin war nach Ansicht des Senats auch begründet. Die Umzugskostenvergütungszusage in der Versetzungsverfügung vom 3. November 2015 ist, wie die Beklagte mit ihrer Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 und 2 VwVfG selbst anerkannt hat, auch rechtswidrig gewesen und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die ledige Klägerin, die für die Dauer eines Jahres nach B. versetzt wurde, verfügte nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sowohl in der F.straße als auch in der H.straße in R. über eine berücksichtigungsfähige Wohnung im Sinne des § 10 Abs. 3 BUKG. Damit war der auch in ihrem Interesse bestehende Ausschlusstatbestand des Vorliegens besonderer, der Durchführung des Umzugs entgegenstehender Gründe, für die Zusage einer Umzugskostenvergütung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BUKG) erfüllt. Dieser wird von der Beklagten insoweit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in den Ziffern 112 f. i.V.m. Ziffer 104 ff. des Zentralerlasses B-2213/6 interpretiert. Dass die Wohnung in der F.straße von der Beklagten nicht förmlich anerkannt worden war, war unerheblich, weil § 10 Abs. 3 BUKG keine entsprechenden Anforderungen stellt und eine "Anerkennung" der Wohnung nichts über das Bestehen eines schützenswerten Interesses hinsichtlich des Verbleibs am Wohnort besagt. Ebenso wenig kam es im Fall der Klägerin darauf an, dass sie die Wohnung in der H.straße möglicherweise in Kenntnis von der beabsichtigten Versetzung angemietet hatte, weil sie vor dem Umzug bereits über eine Wohnung im Sinne von § 10 Abs. 3 BUKG am Dienstort verfügte, die im Rahmen der Prüfung des Vorliegens "besonderer Gründe" gleichermaßen zu berücksichtigen war.

6 Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.