Beschluss vom 14.12.2021 -
BVerwG 9 BN 3.21ECLI:DE:BVerwG:2021:141221B9BN3.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.12.2021 - 9 BN 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:141221B9BN3.21.0]

Beschluss

BVerwG 9 BN 3.21

  • OVG Koblenz - 22.04.2021 - AZ: OVG 1 C 11821/19

In der Normenkontrollsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Dezember 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. April 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen einer allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

2 Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 2. August 2006 - 9 B 9.06 - NVwZ 2006, 1290 Rn. 5 und vom 10. August 2017 - 9 B 68.16 - juris Rn. 27). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

3 a) Die Frage,
ob eine im Rahmen des § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG zu berücksichtigende besondere landwirtschaftliche Erschließungsfunktion generell ausscheidet, wenn straßenverkehrsbehördlich nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO von vornherein nicht ermessensfehlerfrei das Verkehrszeichen "Verbot für Fahrzeuge" bzw. "Verbot der Einfahrt" mit dem Zusatzzeichen "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" verfügt werden kann, weil zwischenzeitlich eine öffentliche Widmung als Gemeindestraße erfolgt ist,
war für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Es hat sich nicht mit der Frage straßenverkehrsbehördlicher Anordnungen nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, die möglicherweise aus der zwischenzeitlich erfolgten Widmung als Gemeindestraße resultieren, befasst. Dies zeigt sich schon daran, dass sich Ausführungen hierzu an keiner Stelle im Urteil finden. Vielmehr hat es ausgeführt, dass das Rechtsschutzinteresse für das Antragsbegehren nicht dadurch entfällt, dass zeitlich nach dem Satzungsbeschluss und der öffentlichen Bekanntmachung der Satzung der streitbefangene Teil des Nebenastes der "Römerstraße" als Gemeindestraße dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist (Hervorhebung nicht im Original). Dass es dem Gericht für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Satzung entscheidend auf diesen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ankam, zeigt sich auch deutlich an anderer Stelle im Urteil (etwa UA S. 11 unten und S. 14 Mitte). Am Ende (UA S. 14 f.) bleibt nochmals ausdrücklich dahingestellt, "ob die angefochtene Satzung auch deshalb der Aufhebung bedarf, weil weder zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch zum Zeitpunkt der die formale Wirksamkeit begründenden Veröffentlichung der Aufhebungssatzung der streitbefangene Nebenast der 'Römerstraße' als Gemeindestraße für den öffentlichen Verkehr gewidmet war".

4 b) Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage,
ob die Nutzungsvorteile, welche die Umsetzung des Flurbereinigungsplans über Jahrzehnte hinweg den Flurbereinigungsteilnehmern und ihren Rechtsnachfolgern gebracht hat, im Rahmen des Abwägungsvorgangs bei Erlass einer Satzung im Sinne des § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG berücksichtigt werden dürfen,
zuzulassen. Auch diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, denn das Oberverwaltungsgericht hat die streitgegenständliche Satzung entscheidungstragend wegen eines offensichtlichen Mangels im Abwägungs vorgang für unwirksam erklärt; worin es das Ermittlungsdefizit sieht, hat es im Einzelnen begründet. Lediglich in Form eines obiter dictum weist das Gericht abschließend darauf hin, dass - soweit die Antragsgegnerin weiterhin an ihrer Absicht festhalte, das flurbereinigungsrechtliche Sonderregime aufzuheben - dies zunächst einer umfassenden Sachverhaltsermittlung sowie einer Abwägung zwischen dem Interesse am Erhalt des Weges und dem gegenläufigen öffentlichen Interesse bedürfe. Allenfalls in diesem Zusammenhang nimmt das Gericht auf die die Beschwerde interessierende Abwägungsentscheidung Bezug, indem es ausführt, dass das Erhaltungsinteresse allenfalls dann zurückstehen müsse, wenn den von dem Weg Begünstigten ein angemessener - unter Umständen finanzieller - Ausgleich geboten und in der Satzung festgesetzt wird und ihnen der Verzicht auf ihren konkreten Erschließungsvorteil unter Berücksichtigung dieses Ausgleichs zumutbar ist. Auf die von der Beschwerde ausdrücklich im Zusammenhang mit dieser Abwägungsentscheidung als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage kommt es daher allenfalls dann an, wenn sich die Antragsgegnerin nochmals dazu entschließen sollte, den durch den Flurbereinigungsplan geschaffenen Wirtschaftsweg aufzuheben. Die tragende Erwägung einer dem streitgegenständlichen Satzungsbeschluss zugrunde liegenden unvollständigen Sachverhaltsermittlung wird damit jedoch nicht in Frage gestellt.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.