Beschluss vom 15.09.2025 -
BVerwG 10 B 2.25ECLI:DE:BVerwG:2025:150925B10B2.25.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.09.2025 - 10 B 2.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:150925B10B2.25.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 2.25

  • VG Braunschweig - 03.12.2020 - AZ: 9 A 207/16
  • OVG Lüneburg - 14.01.2025 - AZ: 12 LB 98/24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 15. September 2025 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Löffelbein beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Januar 2025 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt den Zugang zu Unterlagen über die Musterzulassung eines zweisitzigen Ultraleichtflugzeugs. Mithilfe der Unterlagen möchte er klären, ob die Musterzulassung amtspflichtwidrig erteilt wurde.

2 Im Klageverfahren verweigerte das damalige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Vorlage von Seiten der Unterlagen der Musterprüfung, weil Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart würden. Das Bundesverwaltungsgericht stellte im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO die teilweise Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung fest. Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung zurück. Das Rechtsschutzbedürfnis sei aufgrund der teilweisen Vorlage der begehrten Unterlagen entfallen und der weitere Informationszugang würde zur Offenbarung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen über die Konstruktion und Herstellungsweise des streitgegenständlichen Flugzeugmusters führen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

3 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder greift die Divergenzrüge durch (1.) noch hat die Rechtssache die von dem Kläger angenommene grundsätzliche Bedeutung (2.).

4 1. Dass das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), hat der Kläger nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

5 Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder Bundesverfassungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 4 B 20.12 - juris Rn. 3 m. w. N.). Nach diesem Maßstab ist die vom Kläger geltend gemachte Abweichung nicht gegeben.

6 a) Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht weiche vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. -‌ (BVerfGE 115, 205 <230 f.>) ab, wonach als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden werden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Von solchen Tatsachen, Umständen und Vorgängen ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 34 unter 3.). Soweit die Beschwerde im Hinblick auf das "berechtigte Interesse" an der Nichtverbreitung meint, das Oberverwaltungsgericht habe ein Verweigerungsrecht der Beigeladenen angenommen, ohne dass es darauf ankomme, ob sie die Nutzungsrechte an den Unterlagen habe, also Rechtsträger der Nutzungsrechte sei, ist es gleichfalls nicht von dem abstrakten Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts abgewichen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Inhalt des Merkmals "berechtigtes Interesse" nicht näher bestimmt, insbesondere hat es nicht auf Nutzungsrechte des Rechtsträgers an Unterlagen abgehoben. Daher bedeutet es keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn das Oberverwaltungsgericht der Auffassung den Vorzug gibt, die nicht an bestehende Rechte an den Unterlagen anknüpft.

7 b) Auch soweit die Beschwerde eine Divergenz im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2019 - 20 F 11.17 - (Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 82 Rn. 13 und 15) geltend macht, wo es im Hinblick auf ein berechtigtes Interesse heißt, es sei eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen erforderlich und es komme darauf an, ob das Wissen bei der Herstellung von ähnlichen Modellen oder Fortentwicklungen "genutzt werden könnte", ist eine Divergenz nicht gegeben. Entgegen der Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht in diesem Beschluss der Beigeladenen kein Verweigerungsrecht zugestanden, weil diese Inhaberin der Musterzulassung war. Soweit es in dem Beschluss unter Randnummer 14 heißt, die einzureichenden Konstruktionsunterlagen enthielten technisches Wissen, das die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebs des Inhabers der Musterzulassung maßgeblich bestimmen könne, erfolgt keine weitergehende Definition des Merkmals berechtigtes Interesse, sondern es liegen fallbezogene Ausführungen hinsichtlich dort strittiger Prüfunterlagen vor.

8 Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass nur dem Inhaber der Rechte als Betroffenem gemäß § 6 Satz 2 IFG ein Verweigerungsrecht zusteht. Vielmehr besteht ein berechtigtes Interesse (BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2019 - 20 F 11.17 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 82 Rn. 13), wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Schutzzweck des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung des Betroffenen gegenüber den Marktkonkurrenten. Erforderlich ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen.

9 c) Schließlich liegt keine Divergenz vor, soweit es um das Merkmal der Wettbewerbsrelevanz der streitgegenständlichen Unterlagen geht. Die Beschwerde verneint die vom Oberverwaltungsgericht bejahte Wettbewerbsrelevanz. Damit legt die Beschwerde aber keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar, sondern rügt eine fehlerhafte Anwendung des Rechts. Allein mit dieser Rüge kann die Zulassung der Revision nicht herbeigeführt werden.

10 2. Die Revision ist auch nicht wegen der vom Kläger erhobenen Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

11 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 2023 - 2 B 18.23 - juris Rn. 20 m. w. N.). Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 2022 - 7 B 6.22 - juris Rn. 5 m. w. N.). Daran fehlt es hier.

12 Die vom Kläger aufgeworfene Frage,
ob die Verfassung den Bürger vor der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch einen Amtsträger schützt oder der missbräuchlich handelnde Amtsträger vor dem Bürger geschützt werden soll,
ist derart offen formuliert, dass ihre Beantwortung differenzierende Ausführungen im Stil eines Kommentars oder Lehrbuchs erforderte. Dies ist nicht Ziel eines Revisionsverfahrens (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2025 ‌- 10 B 22.24 - juris Rn. 7). Zudem würde sich die Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil sie für das angegriffene Urteil nicht entscheidungserheblich war.

13 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.