Verfahrensinformation

Die Klägerin, eine im früheren Kreis Artern im Bezirk Halle gelegene kreisangehörige Gemeinde, war Rechtsträgerin mehrerer Grundstücke, auf denen ab 1968 eine Deponie für Hausmüll, Sperrmüll und Bauschutt aus ihrem Einzugsgebiet betrieben wurde. Mit Ablauf des 30. Juni 1991 wurde die Deponie stillgelegt. 1996 wurden die Grundstücke der Beigeladenen zu 3, deren Aufgabe es ist, ehemals volkseigene land- und forstwirtschaftliche Flächen zu privatisieren, zugeordnet. Auf Antrag der Beigeladenen zu 3 hob die Beklagte 2018 die Zuordnung der Grundstücke an diese auf und ordnete sie der Klägerin zu. Das Verwaltungsgericht hat den Zuordnungsbescheid mit der Begründung aufgehoben, die Klägerin sei nicht die richtige Zuordnungsberechtigte. Die Grundstücke seien derjenigen Körperschaft zuzuordnen, die am 1. Oktober 1989 für die Entsorgung des auf der Deponie gelagerten Mülls zuständig gewesen sei. Das seien die Kreise und nicht die kreisangehörigen Gemeinden gewesen, wie sich aus § 43 Abs. 3 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik ergebe. Dagegen richten sich die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1, in deren Kreisgebiet die Klägerin seit 1. Juli 1994 eingegliedert ist.


Urteil vom 16.02.2022 -
BVerwG 8 C 3.21ECLI:DE:BVerwG:2022:160222U8C3.21.0

Zuordnung einer Siedlungsmülldeponie

Leitsatz:

Verwaltungsvermögen ist nach Art. 21 Abs. 1 und 2 EV ungeachtet späterer Zuständigkeitsänderungen dem Verwaltungsträger zuzuordnen, der am 1. Oktober 1989 für die mit dem Vermögenswert bestimmungsgemäß wahrgenommene Aufgabe zuständig war.

  • Rechtsquellen
    EV Art. 21 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2
    VwGO § 42 Abs. 2
    VwVfG § 22 Satz 2 Nr. 2
    VZOG § 1 Abs. 1, § 1 Abs. 6
    TreuhG § 11 Abs. 2, § 11 Abs. 3 Spiegelstrich 3
    KomVerf DDR § 2
    GöV DDR § 43 Abs. 3, § 69 Abs. 3 Satz 2

  • VG Gera - 23.03.2021 - AZ: 6 K 944/18 Ge

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.02.2022 - 8 C 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:160222U8C3.21.0]

Urteil

BVerwG 8 C 3.21

  • VG Gera - 23.03.2021 - AZ: 6 K 944/18 Ge

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2022
durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 23. März 2021 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich gegen Ziffer III.1. des Bescheides des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 11. April 2018 richtet. Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.
  2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte die im erstinstanzlichen Verfahren angefallenen zur Hälfte, die im Revisionsverfahren angefallenen tragen die Beklagte und der Beigeladene zu 1 zu je 1/4; die Klägerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der im Revisionsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen die Vermögenszuordnung von drei auf ihrem Gebiet liegenden Flurstücken.

2 Diese wurden seit 1968 zum Betrieb einer Abfalldeponie genutzt. Spätestens seit 1983 standen sie im Eigentum des Volkes in Rechtsträgerschaft der Klägerin. Mit Verträgen vom 26. Juli 1983 und vom 30. September 1989 regelten der Rat der Stadt B., der VEB Stadtwirtschaft und Dienstleistungen A. und die LPG (P) Wilhelm Pieck B. den Betrieb der Abfalldeponie. Der VEB Stadtwirtschaft und Dienstleistungen A. wurde als Betreiber bestätigt. Die Abfalldeponie sollte der Ablagerung von Hausmüll, Sperrmüll und Bauschutt dienen. Die Ablagerung von Wasserschadstoffen und Industriemüll war verboten. Der Rat der Stadt stellte dem VEB die drei verfahrensgegenständlichen Flurstücke für den Betrieb der Deponie kostenlos zur Verfügung. Nach Schließung der Abfalldeponie sollten die Flurstücke rekultiviert und der LPG zur Verfügung gestellt werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 1991 übernahm die Klägerin den Betrieb der Abfalldeponie. Mit Ablauf des 30. Juni 1991 wurde die Deponie stillgelegt.

3 Im Dezember 1995 beantragte die Klägerin die Zuordnung der Flurstücke. Mit Sammelzuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996 ordnete der Präsident der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben diese unbeschadet möglicher Rechte Dritter, insbesondere nach § 1 Abs. 1 und § 11 VZOG, der Beigeladenen zu 3 zu. Im August 1998 nahm die Klägerin ihren Zuordnungsantrag zurück und beantragte, die Flurstücke dem Beigeladenen zu 1 zuzuordnen. Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen nahm nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 11. April 2018 seinen Sammelzuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996 hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Flurstücke zurück (Ziffer III.1.) und ordnete diese der Klägerin zu (Ziffer III.2.).

4 Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid mit Urteil vom 23. März 2021 insgesamt aufgehoben. Zwar hätten die Flurstücke von Amts wegen zugeordnet werden dürfen, weil die Klägerin deren Zuordnung ablehne. Abgesehen davon sei ein öffentliches Interesse wegen der jedenfalls potenziell von den Grundstücken ausgehenden Umweltgefahr anzunehmen. Die Klägerin sei jedoch nicht zuordnungsberechtigt. Bei den Flurstücken habe es sich am 1. Oktober 1989 und auch noch am 3. Oktober 1990 um Verwaltungsvermögen gehandelt. Die mit ihnen erfüllte Aufgabe der Ablagerung örtlichen Siedlungsmülls sei in die Verwaltungskompetenz der Länder gefallen. Nach dem insoweit mit dem Grundgesetz zu vereinbarendem einfachen Recht seien für diese Aufgabe am 1. Oktober 1989 nach § 43 Abs. 3 und § 69 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der DDR - GöV DDR - vom 4. Juli 1985 (GBl. DDR I S. 213) die Räte der Kreise zuständig gewesen, am 3. Oktober 1990 dagegen nach § 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung DDR - KommVerf DDR) vom 17. Mai 1990 (GBl. DDR I S. 255) die Gemeinden. Weiche die Zuständigkeit am zweiten Stichtag von der am ersten ab, komme es maßgeblich auf die Zuständigkeit am 1. Oktober 1989 an. Die in Ziffer III.1. des Bescheides vom 11. April 2018 verfügte teilweise Rücknahme des Sammelzuordnungsbescheides vom 18. Juni 1996 müsse wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit der Zuordnung der verfahrensgegenständlichen Flurstücke an die Klägerin ebenfalls aufgehoben werden.

5 Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor, ein öffentliches Interesse an der Zuordnungsentscheidung bestehe schon, weil die zuordnungsberechtigte Klägerin die Zuordnung ablehne. Auf drohende Umweltgefahren komme es dagegen nicht an. Die Flurstücke seien der Klägerin zuzuordnen, weil der Betrieb von Siedlungsmülldeponien mit örtlichem Charakter am 3. Oktober 1990 eine Verwaltungsaufgabe der Gemeinden gewesen sei.

6 Der Beigeladene zu 1 macht mit seiner Revision geltend, es fehle schon an einem öffentlichen Interesse für eine Zuordnung von Amts wegen. Die Eigentumsverhältnisse an den verfahrensgegenständlichen Flurstücken seien seit deren Sammelzuordnung zur Beigeladenen zu 3 nicht mehr klärungsbedürftig gewesen. Eine - erneute - Zuordnung sei auch nicht zur Klärung der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit für die Deponie erforderlich. Diese folge nämlich nicht aus dem Eigentum an den streitgegenständlichen Flurstücken, sondern aus dem Betrieb der Deponie. Die Zuordnungsberechtigung der Klägerin ergebe sich aus der Zuständigkeit zum Stichtag des 3. Oktober 1990. Dafür spreche vor allem der Sinn und Zweck von Art. 21 Abs. 1 und 2 EV. Die Vorschrift diene der aufgabenangemessenen Ausstattung von Verwaltungsträgern. Derjenige Verwaltungsträger, dem die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zugewiesen sei, solle über die dafür erforderlichen Vermögensgegenstände verfügen. Bei Veränderungen der Aufgabenzuständigkeit zwischen dem 1. Oktober 1989 und dem 3. Oktober 1990 komme es auf die am 3. Oktober 1990 bestehende Zuständigkeit an, damit der zu diesem Zeitpunkt zuständige Verwaltungsträger seine Aufgabe sinnvoll wahrnehmen könne. Am 3. Oktober 1990 seien die Gemeinden nach § 2 Abs. 2 KommVerf DDR für die Deponie örtlicher Siedlungsabfälle zuständig gewesen.

7 Die Beklagte und der Beigeladene zu 1 beantragen jeweils,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 23. März 2021 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8 Die Klägerin beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

9 Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

10 Die Beigeladenen zu 2 und 3 unterstützen jeweils das Revisionsvorbringen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Der Beigeladene zu 2 führt ergänzend aus, die Klägerin sei zuordnungsberechtigt, auch wenn die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung maßgeblich sein sollte. Sie habe nämlich an beiden Stichtagen die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die Deponiegrundstücke innegehabt.

II

11 Die zulässigen Revisionen sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage als unzulässig abweisen müssen, soweit sie sich gegen die teilweise Rücknahme des Sammelzuordnungsbescheides vom 18. Juni 1996 richtet (1.). Im Übrigen verletzt sein Urteil kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte durfte die verfahrensgegenständlichen Flurstücke von Amts wegen zuordnen (2.). Die Klägerin ist insoweit jedoch nicht zuordnungsberechtigt (3.).

12 1. Der Klägerin fehlt für die Anfechtung der teilweisen Rücknahme des Sammelzuordnungsbescheides vom 18. Juni 1996 die erforderliche Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO).

13 a) Die Teilrücknahme kann die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in eigenen Rechten verletzen. Ihre zuordnungsrechtliche Rechtsposition nach Art. 21 des Einigungsvertrages (EV) und § 1 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG) wird durch die Aufhebung der Sammelzuordnung oder deren Fortbestehen nicht berührt. Sammelzuordnungen sind keine Zuordnungsentscheidungen im Sinne dieser Vorschriften. Sie haben nur verwaltungstechnische Bedeutung und bestimmen über die Rechtsträgerschaft, hier die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Treuhandanstalt oder der Beigeladenen zu 3. Eine eigentumsrechtliche Zuordnung im Sinne des Vermögenszuordnungsgesetzes wird dadurch weder gehindert noch präjudiziert (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2007 - 3 C 27.06 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 58 Rn. 10 und vom 12. Dezember 2018 - 10 C 10.17 - Buchholz 428.2 § 1 VZOG Nr. 8 Rn. 17). Demgemäß ist der Sammelzuordnungsbescheid ausdrücklich unbeschadet möglicher Rechte Dritter, insbesondere nach § 1 Abs. 1, § 11 VZOG, ergangen.

14 b) Eine Klagebefugnis bezüglich der Teilrücknahme kann die Klägerin auch nicht aus dem Zusammenhang mit der Zuordnungsregelung in Ziffer III.2. des angegriffenen Bescheides herleiten. Entgegen dem angegriffenen Urteil sind beide Regelungen nicht untrennbar miteinander verknüpft. Da die Sammelzuordnung keine Zuordnung im Sinne des § 1 VZOG darstellt, hängen Rechtmäßigkeit und Aufhebbarkeit der Vermögenszuordnung an die Klägerin nicht vom Fortbestehen oder Wegfall der Sammelzuordnung ab. Die Teilrücknahme korrigiert lediglich die versehentliche Einbeziehung der Deponiegrundstücke in die Übertragung der Verwertungs- und Verfügungsbefugnis für die land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen.

15 2. Die Beklagte durfte die verfahrensgegenständlichen Flurstücke nach § 1 Abs. 1 und Abs. 6 VZOG i. V. m. Art. 21 EV von Amts wegen zuordnen, weil diese Vermögenswerte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VZOG zuordnungsfähig waren und das erforderliche öffentliche Interesse an einer Zuordnung von Amts wegen vorlag (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 14 ff.).

16 a) Zum Stichtag des 1. Oktober 1989 handelte es sich bei den verfahrensgegenständlichen Flurstücken um volkseigenes Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV, weil sie der öffentlichen Aufgabe der Abfallbeseitigung dienten. Die Flurstücke sind nicht gemäß § 11 Abs. 2 des Treuhandgesetzes (TreuhG) am 1. Juli 1990 im Rahmen der Umwandlung des VEB Stadtwirtschaft und Dienstleistungen A. in eine GmbH kraft Gesetzes aus dem zuordnungsfähigen Vermögen ausgeschieden. Als kreisgeleiteter Betrieb unterlag dieser VEB keiner Umwandlung (§ 11 Abs. 3 Spiegelstrich 3 TreuhG). Bei Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 dienten die Vermögenswerte auch weiterhin der Abfallbeseitigung.

17 b) Das Verwaltungsgericht hat das öffentliche Interesse für eine Zuordnung der verfahrensgegenständlichen Vermögenswerte von Amts wegen zu Recht bejaht. Dieses ist anzunehmen, wenn die Eigentumsverhältnisse zur aufgabenangemessenen Ausstattung der Verwaltungsträger nach dem Beitritt geklärt werden müssen. Dafür genügt, dass mehrere Prätendenten um die Zuordnung streiten oder der potenziell Zuordnungsberechtigte eine Zuordnung ablehnt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 16). Einer von dem betreffenden Vermögenswert ausgehenden Gefahr bedarf es dagegen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 16).

18 Vorliegend ist die Klägerin als frühere Rechtsträgerin der streitgegenständlichen Flurstücke potenziell zuordnungsberechtigt. Sie hat deren Zuordnung abgelehnt, indem sie ihren Zuordnungsantrag zurückgenommen und die Zuordnung an den Beigeladenen zu 1 beantragt hat. Gegen das hieraus folgende öffentliche Interesse an einer Zuordnung von Amts wegen kann nicht eingewandt werden, der Sammelzuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996 habe die Frage der Zuordnung der streitgegenständlichen Flurstücke bereits geklärt. Wie ausgeführt, änderte jener Bescheid lediglich die Rechtsträgerschaft ohne Prüfung der äußeren Zuordnungsrechtslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2002 - 3 C 27.06 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 58 Rn. 10).

19 3. Wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, ist die in Ziffer III.2. des Bescheides geregelte Zuordnung der Deponiegrundstücke jedoch materiell rechtswidrig. Die Klägerin ist gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2 EV i. V. m. § 1 Abs. 1 VZOG nicht zuordnungsberechtigt, weil sie zum 1. Oktober 1989 nicht für die mit den Grundstücken widmungsgemäß wahrgenommene Aufgabe der Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle zuständig war.

20 a) Nach Art. 21 Abs. 1 EV wurde das Vermögen der DDR, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben diente, Bundesvermögen, sofern es nicht nach seiner Zweckbestimmung am 1. Oktober 1989 überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach dem Grundgesetz von Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Trägern öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen waren. Soweit Verwaltungsvermögen nach der genannten Vorschrift nicht zu Bundesvermögen wurde, stand es gemäß Art. 21 Abs. 2 EV mit Wirksamwerden des Beitritts demjenigen Träger öffentlicher Verwaltung zu, der nach dem Grundgesetz für die Verwaltungsaufgabe zuständig war. Danach bestimmt der Stichtag des 1. Oktober 1989 den Zuordnungsempfänger von Verwaltungsvermögen (BVerwG, Urteile vom 28. September 1995 - 7 C 57.94 - BVerwGE 99, 283 <285> und vom 11. November 1999 - 3 C 34.98 - BVerwGE 110, 61 <63 f.>; Beschlüsse vom 28. Oktober 1996 - 3 B 149.96 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 17 S. 25 f. und vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 1 und 4). Bezogen auf diesen Zeitpunkt sind die mit dem Vermögenswert wahrgenommene öffentliche Aufgabe und die Zuständigkeit für deren Wahrnehmung nach dem Grundgesetz zu bestimmen. Auf den Stichtag des 3. Oktober 1990 kommt es dagegen für die (weitere) Zugehörigkeit des Vermögensgegenstandes zum Verwaltungsvermögen an, weil vor Wirksamwerden des Beitritts daraus ausgeschiedenes Vermögen nicht (mehr) nach Art. 21 EV zuordnungsfähig ist. Außerdem bezeichnet der 3. Oktober 1990 den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs aufgrund der Zuordnung. Sofern der Vermögensgegenstand auch am 3. Oktober 1990 noch Verwaltungsvermögen war, steht mit dem am 1. Oktober 1989 bei Zugrundelegung der Rechtsordnung des Grundgesetzes zuständig gewesenen Verwaltungsträger dieser als Eigentümer vom Beitrittszeitpunkt an fest (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 3 C 34.98 - BVerwGE 110, 61 <64>; Beschluss vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 1).

21 Das gilt auch dann, wenn sich die Zuständigkeit für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe, welcher der zuzuordnende Vermögenswert seiner Widmung nach dient, nach dem 1. Oktober 1989 bis zum Wirksamwerden des Beitritts geändert hat. Ziel der in Art. 21 EV enthaltenen Stichtagsregelung war es, das Vermögen des Einheitsstaates DDR, wie er zu diesem Zeitpunkt bestand, sachgerecht auf die drei Ebenen Zentralstaat, Länder und Kommunen aufzuteilen (vgl. BT-Drs. 11/7760 S. 365). Dabei sollten Verschiebungen des öffentlichen Vermögens, die im letzten Jahr der Existenz der DDR stattgefunden hatten, nicht berücksichtigt werden, weil man viele davon als rechtlich zweifelhaft ansah (vgl. Schmidt/Leitschuh, RVI, Stand März 2021, Art. 21 EV Rn. 7 m. w. N.; Lange, DtZ 1991, 329 <331>; BVerwG, Beschluss vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 4). Als mithin pauschalierende, aber gleichwohl von keiner Ausnahme durchbrochene und mithin strikt anzuwendende Vorschrift betrifft die Stichtagsregelung des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV damit auch solche Fälle, für die ein anderes Ergebnis ebenso sachgerecht oder womöglich sogar sachgerechter gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2000 - 3 B 149.00 - juris Rn. 4).

22 b) Die Klägerin war am 1. Oktober 1989 nicht für die mit den streitgegenständlichen Flurstücken wahrgenommene Aufgabe zuständig.

23 Das Verwaltungsgericht ist revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass diese Flurstücke am 1. Oktober 1989 als Deponie zur Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle dienten. Für die Bestimmung der für die Zuordnungsentscheidung maßgeblichen Aufgabenerfüllung kommt es wegen des normativen Gehalts jeder Aufgabenzuweisung auf die widmungsgleiche Zweckbestimmung des zuzuordnenden Vermögenswertes und nicht auf dessen faktische, möglicherweise rechtswidrige und allenfalls geduldete Nutzung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 19). Dass die verfahrensgegenständlichen Flurstücke am 1. Oktober 1989 dazu bestimmt waren, der Ablagerung von Siedlungsabfällen zu dienen, ergibt sich aus den Nutzungsverträgen zwischen dem Rat der Stadt B., dem VEB Stadtwirtschaft und Dienstleistungen A. und der LPG (P) Wilhelm Pieck B. vom 26. Juli 1983 und vom 30. September 1989. Das Verwaltungsgericht hat ihnen revisionsrechtlich fehlerfrei entnommen, dass auf der Deponie nur Hausmüll, Sperrmüll und Bauschutt, nicht hingegen Wasserschadstoffe und Industriemüll abgelagert werden durften. Nach den revisionsrechtlich bindenden Tatsachenfeststellungen zum in den Einzugsbereich einbezogenen Gebiet "Naherholung K." ist außerdem davon auszugehen, dass die Deponiegrundstücke ausschließlich zur Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle – einschließlich des stadtnahen, zum K. hin gelegenen Naherholungsgebiets - bestimmt waren.

24 Am maßgeblichen Stichtag des 1. Oktober 1989 war nicht die Klägerin für den Betrieb der Siedlungsmülldeponie auf den verfahrensgegenständlichen Flurstücken zuständig.

25 Die nach Art. 83 GG in die Verwaltungskompetenz der Länder fallende Beseitigung von Siedlungsmüll und von hausmüllähnlichen, nicht zum Sonderabfall zählenden Gewerbeabfällen stellt nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes eine kommunale Aufgabe dar (BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 3 C 13.97 - Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 17 S. 35 <38 f.>, vom 11. November 1999 - 3 C 34.98 - BVerwGE 110, 61 <63 f.> und vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 18). Ob sie den Gemeinden oder den Kreisen zugewiesen ist, richtet sich mangels näherer verfassungsrechtlicher Regelung nach dem grundgesetzkonformen einfachen Recht. Danach fiel der Betrieb von Deponien zur Ablagerung örtlicher Siedlungsabfälle im Beitrittsgebiet zum 1. Oktober 1989 kraft spezialgesetzlicher, mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vereinbarer Regelung nicht in die Zuständigkeit der Gemeinden, sondern in die der Kreise (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 23 f.). Nach § 43 Abs. 3 des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen in der DDR - GöV DDR - vom 4. Juli 1985 (GBl. DDR I S. 213) waren die Räte der Kreise für die Müll- und Fäkalienabfuhr in ihrem jeweiligen Territorium sowie in Zusammenarbeit mit den Räten der Städte und Gemeinden für eine geordnete Mülldeponie verantwortlich. Die Abfallbeseitigungszuständigkeit der Räte der kreisangehörigen Städte und Gemeinden beschränkte sich demgegenüber nach § 69 Abs. 3 Satz 2 GöV DDR auf die Straßenreinigung und die Mitwirkung "bei der Organisierung" der geordneten Mülldeponie und Fäkalienabfuhr. Der Deponiebetrieb selbst zählte nicht zu den gemeindlichen Aufgaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 24).

26 Auf die Frage, ob der örtlich zuständige Rat des Kreises die ihm danach rechtlich obliegende Aufgabe der Siedlungsmülldeponie am 1. Oktober 1989 tatsächlich wahrgenommen hat, kommt es nicht an. Art. 21 EV soll das Verwaltungsvermögen des Zentralstaates DDR sachgerecht auf die Ebenen Zentralstaat, Länder und Kommunen aufteilen und demjenigen Verwaltungsträger zuweisen, der am 1. Oktober 1989 die mit dem jeweiligen Vermögenswert bestimmungsgemäß wahrgenommene Aufgabe zu erfüllen hatte (vgl. BT-Drs. 11/7760 S. 365). Wer sie tatsächlich erfüllt hat, ist dagegen nicht maßgeblich. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2018 - 10 C 3.17 - (Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 38 Rn. 26) ist nichts anderes zu entnehmen. Es stellt nicht auf den fehlenden Vollzug einer Kompetenzänderung, sondern auf die Unvollständigkeit ihrer normativen Regelung ab.

27 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG; wegen des Gegenstandswertes wird auf Satz 2 dieser Vorschrift hingewiesen.