Beschluss vom 16.12.2022 -
BVerwG 8 B 38.22ECLI:DE:BVerwG:2022:161222B8B38.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.12.2022 - 8 B 38.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:161222B8B38.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 38.22

  • VG Cottbus - 27.01.2022 - AZ: 1 K 487/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 27. Januar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Kläger wenden sich gegen die Rückübertragung eines Grundstücks an die Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Rückübertragung des Vermögenswertes lägen vor. Der Ausschlussgrund des redlichen Erwerbs nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG stehe der Rückübertragung nicht entgegen. Der Rechtserwerb der Kläger sei nach § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG unredlich gewesen. Die Enteignung des Vermögenswertes im Juli 1985 habe in mehrfacher Hinsicht offensichtlich gegen das Baulandgesetz der DDR verstoßen. Darin komme eine gezielte, sittlich anstößige Manipulation zum Ausdruck. Der Kläger zu 2 habe den Verstoß gegen das Baulandgesetz kennen müssen; diese Kenntnis müsse sich die Klägerin zu 1 zurechnen lassen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2 Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kläger, die Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend machen, hat keinen Erfolg.

3 1. Das Vorbringen der Kläger, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt bezüglich der Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG nicht hinlänglich aufgeklärt, weil es die Vernehmung der angebotenen Zeugen K., F., J. und M. unterlassen habe, führt nicht auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht. Wird die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO geltend gemacht, muss der Rechtsmittelführer substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 8 C 13.19 - Buchholz 428.2 § 1 VZOG Nr. 9 Rn. 26). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

4 Die Kläger legen nicht dar, inwiefern das Ergebnis der vermissten Zeugenvernehmung zu einer für sie günstigeren Entscheidung hätte führen können. Das Verwaltungsgericht hat die Vernehmung der im Schriftsatz der Kläger vom 17. Januar 2020 benannten Zeugen für nicht relevant gehalten, weil es die Behauptungen, die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen Grundstücks an die Kläger und die Genehmigung zur Errichtung eines Eigenheimes sei auf der Grundlage von ordnungsgemäß gefassten Beschlüssen des Rates der Gemeinde erfolgt, die Grundstückszuweisung und die Baugenehmigungen seien in öffentlicher Sitzung der Gemeindevertretung besprochen und beschlossen worden, ohne dass der Kläger zu 2 Einfluss ausgeübt habe, sowie die weitere Behauptung, erst nach Beginn der Bauarbeiten und dem Ausschachten der Baugrube habe sich herausgestellt, dass das Kleinwohnhaus nicht in den Bau habe eingebunden werden können, als wahr unterstellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Soweit die Beschwerdebegründung das Absehen von einer Vernehmung der benannten Zeugen zu den weiteren Umständen der Beauftragung des Wertgutachtens im Jahr 1984, der Kreditausgabe und des Beschlusses über die Inanspruchnahme des Grundstücks nach dem BauLG im Jahr 1985 sowie der Verleihung des dinglichen Nutzungsrechts im Jahr 1987 rügt, haben die Kläger nicht dargelegt, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihnen günstigeren Entscheidung hätte führen können. Ebenso wenig legen sie dar, weshalb sich der Vorinstanz die vermisste Zeugenvernehmung zu diesen Umständen hätte aufdrängen müssen, obwohl die anwaltlich vertretenen Kläger in Kenntnis des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der gerichtlichen Hinweise dazu keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben.

5 2. Die von den Klägern gerügte überlange Verfahrensdauer stellt keinen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar. Verfahrensmängel in diesem Sinne sind grundsätzlich nur Verstöße gegen das Prozessrecht, also Fehler, die die Vorinstanz bei der Handhabung ihres Verfahrens begeht. Mängel des dem Verwaltungsprozess vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens sind dafür grundsätzlich ohne Bedeutung, es sei denn, sie haben sich auf das gerichtliche Verfahren unmittelbar ausgewirkt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 1994 - 3 B 12.94 - NVwZ-RR 1995, 113, vom 27. Juni 1994 - 6 B 17.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 3 und vom 1. Juni 1995 - 5 B 30.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 7). Die Rüge der Kläger, die beklagte Behörde habe rechtswidrig über einen Zeitraum von 17 Jahren Ermittlungen in Bezug auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt unterlassen, betrifft das vorangegangene Verwaltungsverfahren und stellt keinen Mangel des gerichtlichen Verfahrens dar. Unabhängig davon, ob das Vorbringen in der Sache zutrifft, legen die Kläger auch nicht dar, dass und inwiefern sich das behauptete Versäumnis der Behörde auf das gerichtliche Verfahren ausgewirkt haben könnte. Soweit die Beschwerde darüber hinaus geltend macht, das behauptete Versäumnis der Behörde stelle eine Beweisvereitelung dar, die zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten der Kläger hätte führen müssen, betrifft diese Rüge das sachliche Recht und zeigt ebenfalls keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 3 GKG.