Verfahrensinformation

Gegenstand der Revisionsverfahren ist das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Mai 2022 - 3 S 3180/19 -.


Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltschutzvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan „Oberer Kittel/Wüstes Stück" der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2019 mit späteren Änderungen. Dieser setzt für ein ca. 3 Hektar großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Antragsgegnerin im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet mit einer Grundflächenzahl von 0,4 und zwei zulässigen Vollgeschossen fest. Der Bebauungsplan wurde nicht im Regelverfahren, sondern im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt. Zur Begründung des Normenkontrollantrags macht der Antragsteller geltend, der Bebauungsplan hätte nicht ohne Umweltprüfung erlassen werden dürfen, denn § 13b BauGB sei mit der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (RL 2001/42/EG - SUP-Richtlinie) nicht vereinbar und daher wegen des Vorrangs des Europarechts unanwendbar. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen nach § 13b BauGB nicht gegeben bzw. erweise sich der Bebauungsplan jedenfalls als abwägungsfehlerhaft. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen. Er hält § 13b BauGB für unionsrechtskonform, geht davon aus, dass das Aufstellungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde und der Bebauungsplan, jedenfalls in seiner letzten Fassung, auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden ist.


Der Antragsteller hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt, sich aber darauf beschränkt, die Unionsrechtswidrigkeit des § 13b BauGB zu rügen. Der 4. Revisionssenat wird daher (nur) zu prüfen haben, ob § 13b BauGB mit den Vorgaben aus Art. 3 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 7 SUP-Richtlinie im Einklang steht.


Pressemitteilung Nr. 59/2023 vom 18.07.2023

§ 13b BauGB ist mit Unionsrecht unvereinbar

Freiflächen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde dürfen nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Dieser setzt für ein ca. 3 ha großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Gemeinde im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet fest. Der Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen. Die Durchführung des beschleunigten Verfahrens begegne keinen Bedenken. § 13b BauGB sei mit der SUP-Richtlinie vereinbar, seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor.


Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Der Plan leidet an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Er ist zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Die Vorschrift verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL). Der nationale Gesetzgeber hat sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden. Diese muss nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber darf sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.


Diesem eindeutigen und strengen Maßstab wird § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollen, erlaubt § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – sind nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gilt schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.


§ 13b BauGB darf daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin hätte somit nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte, Verfahrensmangel hat die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge.


BVerwG 4 CN 3.22 - Urteil vom 18. Juli 2023

Vorinstanz:

VGH Mannheim, VGH 3 S 3180/19 - Urteil vom 11. Mai 2022 -


Urteil vom 18.07.2023 -
BVerwG 4 CN 3.22ECLI:DE:BVerwG:2023:180723U4CN3.22.0

Vereinbarkeit des § 13b BauGB mit Unionsrecht

Leitsatz:

§ 13b BauGB ist mit Art. 3 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) unvereinbar.

  • Rechtsquellen
    BauGB § 2 Abs. 4, § 2a Satz 2 Nr. 2, § 13 Abs. 3 Satz 1, § 13a Abs. 2 Nr. 1, §§ 13b, 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
    Richtlinie 2001/42/EG Art. 1, Art. 3 Abs. 1 bis 5

  • VGH Mannheim - 11.05.2022 - AZ: 3 S 3180/19

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 18.07.2023 - 4 CN 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:180723U4CN3.22.0]

Urteil

BVerwG 4 CN 3.22

  • VGH Mannheim - 11.05.2022 - AZ: 3 S 3180/19

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Prof. Dr. Decker,
Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Antragstellers wird das auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2022 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geändert. Der Bebauungsplan Oberer Kittel/Wüstes Stück vom 27. Februar 2019, geändert durch Beschlüsse vom 16. Dezember 2020 sowie vom 16. März 2022, ist unwirksam.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Oberer Kittel/Wüstes Stück der Antragsgegnerin.

2 Der ursprünglich am 27. Februar 2019 beschlossene und am 22. November 2019 bekanntgemachte, aufgrund zweier ergänzender Verfahren mit Beschlüssen vom 16. Dezember 2020 und vom 16. März 2022 geänderte, Bebauungsplan überplant ein ca. 3 Hektar großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Antragsgegnerin; er setzt ein allgemeines Wohngebiet mit einer Grundflächenzahl von 0,4 fest. Im Nordosten grenzt das Bebauungsplangebiet auf einer Länge von ca. 260 m unmittelbar an ein Wohngebiet an. Im Nordwesten wird der Geltungsbereich durch die Panoramastraße begrenzt. Auf der gegenüberliegenden Seite dieser Straße befindet sich ein Waldgebiet. Im Südwesten verläuft die Grenze des Plangebiets entlang der K 4161. Der Bebauungsplan wurde nicht im Regelverfahren, sondern im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung erlassen.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen: § 13b BauGB sei unionsrechtskonform, die Voraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB seien hier gegeben und Ausschlussgründe gemäß § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a Abs. 1 Satz 4 und 5 BauGB lägen nicht vor. Das Aufstellungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden und der Bebauungsplan, jedenfalls in seiner letzten Fassung, auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

4 Mit seiner Revision rügt der Antragsteller, dass § 13b BauGB unionsrechtswidrig sei und nicht habe angewendet werden dürfen. Der Verzicht auf eine Umweltprüfung und einen Umweltbericht sei folglich verfahrensfehlerhaft. Der Fehler führe zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.

5 Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.

6 Die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Nach ihrer Auffassung steht § 13b BauGB mit Unionsrecht im Einklang.

II

7 Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Bebauungsplan Oberer Kittel/Wüstes Stück vom 27. Februar 2019, geändert durch die Beschlüsse vom 16. Dezember 2020 sowie vom 16. März 2022, ist unwirksam. Er leidet an Verfahrensfehlern, die nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich sind und zu seiner Unwirksamkeit führen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

8 1. Der Bebauungsplan durfte nicht ohne Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 BauGB) und Umweltbericht (§ 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB) erlassen werden. Die Vorschriften über das beschleunigte Verfahren nach § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a BauGB tragen dieses Vorgehen nicht. § 13b BauGB ist unionsrechtswidrig und deswegen nicht anwendbar, weil er die Überplanung von Außenbereichsflächen auf der Grundlage einer unzulässigen Typisierung ohne Umweltprüfung zulässt.

9 Nach § 13b Satz 1 BauGB, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Mobilisierung von Bauland (Baulandmobilisierungsgesetz) vom 14. Juni 2021 (BGBl. I S. 1802) gilt § 13a BauGB bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB von weniger als 10 000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Durch den Verweis auf § 13a BauGB kann das nach dieser Vorschrift auf Flächen im Siedlungsbereich beschränkte beschleunigte Verfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 - 4 CN 9.14 - BVerwGE 153, 174 Rn. 22 ff. und zuletzt vom 25. April 2023 - 4 CN 5.21 - juris Rn. 15 ff., m. w. N.) für die Überplanung von bestimmten Außenbereichsflächen nutzbar gemacht werden. Damit ist u. a. eine Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 BauGB) nicht erforderlich (§ 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB), womit auch die Pflicht zur Erstellung eines Umweltberichts entfällt.

10 Diese Regelung wird den Anforderungen der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30) - SUP-Richtlinie - nicht gerecht.

11 a) Die SUP-Richtlinie verfolgt gemäß Art. 1 das Ziel, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden. Zu diesem Zweck bestimmt Art. 3 Abs. 1 SUP-Richtlinie, dass die unter Art. 3 Abs. 2 bis 4 SUP-Richtlinie fallenden Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung nach Art. 4 bis 9 SUP-Richtlinie unterzogen werden. Während Art. 3 Abs. 2 SUP-Richtlinie Pläne und Programme zum einen anhand der UVP-Pflichtigkeit der damit ermöglichten Projekte (Art. 3 Abs. 2 Buchst. a SUP-Richtlinie) und zum anderen anhand der Erforderlichkeit einer Prüfung nach Maßgabe der FFH-Richtlinie (Art. 3 Abs. 2 Buchst. b SUP-Richtlinie) bezeichnet, die grundsätzlich einer Umweltprüfung unterzogen werden müssen, ist gemäß dem Vorbehalt nach Art. 3 Abs. 3 SUP-Richtlinie eine Umweltprüfung bei Plänen und Programmen der vorgenannten Art, die lediglich die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen oder nur geringfügige Änderungen vorsehen, nur dann erforderlich, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Entsprechendes gilt nach Art. 3 Abs. 4 SUP-Richtlinie für andere Pläne und Programme. Sowohl bei Plänen und Programmen nach Art. 3 Abs. 3 als auch bei solchen nach Abs. 4 SUP-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten diese Entscheidung gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 SUP-Richtlinie entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze zu treffen. Sie müssen in jedem Fall die einschlägigen Kriterien des Anhangs II berücksichtigen, um sicherzustellen, dass Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, von der Richtlinie erfasst werden (Art. 3 Abs. 5 Satz 2 SUP-Richtlinie).

12 Bei der Umsetzung dieser Vorgaben ist den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum eingeräumt. Dieses Ermessen ist jedoch eingeschränkt. In der Sache müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sämtliche Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung unterzogen werden (EuGH, Urteile vom 22. September 2011 - C-295/10 [ECLI:​EU:​C:​2011:​608] - Rn. 46, 53, vom 10. September 2015 - C-473/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​582] - Rn. 47 und vom 21. Dezember 2016 - C-444/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​978] - Rn. 53; siehe auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 8. September 2016 im Verfahren - C-444/15 - Rn. 42). Während demnach die Erreichung des in Art. 3 Abs. 1 SUP-Richtlinie normierten Ziels strikt vorgegeben ist, können die Mitgliedstaaten bei den Modalitäten, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, eine Auswahl unter den in der Richtlinie aufgezählten Varianten - Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder Kombination von beiden - treffen. Wenn durch die in Art. 3 Abs. 5 SUP-Richtlinie genannten Mechanismen gewährleistet sein soll, dass kein Plan, der voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat, der Umweltprüfung entzogen wird (EuGH, Urteil vom 22. September 2011 - C-295/10 - Rn. 53), sind für die Artfestlegung strenge Maßstäbe zu beachten. Diese sind nur dann gewahrt, wenn angesichts der nach Maßgabe der einschlägigen Kriterien nach Art. 3 Abs. 5 Satz 2 SUP-Richtlinie i. V. m. Anhang II der Richtlinie für die Art des Plans geltenden qualitativen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass erhebliche Umweltauswirkungen "a priori", d. h. von vornherein, nicht eintreten werden (EuGH, Urteil vom 18. April 2013 - C-463/11 [ECLI:​EU:​C:​2013:​247] - Rn. 39). Bei der Artfestlegung muss danach durch die - weite und umfassende - Umschreibung der Voraussetzungen gewährleistet sein, dass für jeden möglichen Einzelfall erhebliche Umweltauswirkungen durch den Plan ausgeschlossen sind (vgl. auch Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge vom 19. Dezember 2012 im Verfahren - C-463/11 - Rn. 51). Eine Artfestlegung, mit der das Ziel des Art. 3 Abs. 1 SUP-Richtlinie lediglich im Wege einer typisierenden bzw. pauschalierenden Betrachtungsweise, d. h. im Allgemeinen und regelhaft, aber zugleich verbunden mit der Hinnahme von Ausnahmen, erreicht wird, ist unzulänglich.

13 Mit diesen Anforderungen ist § 13b BauGB nicht vereinbar. Die Rechtslage ist durch die vorstehend aufgezeigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinreichend geklärt (sog. acte éclairé), sodass es einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht bedarf (siehe zuletzt EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​EU:​C:​2021:​799], Consorzio Italian Management - Rn. 31 m. w. N.).

14 b) Der Gesetzgeber hat sich - abgesehen von der auf das Habitatrecht bezogenen Einzelfallprüfung nach § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a Abs. 1 Satz 5 Alt. 1 BauGB - dafür entschieden, gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 SUP-Richtlinie bestimmte Arten von Plänen festzulegen. Diese sind - neben dem zeitlichen Anwendungsbereich der Vorschrift, der für die Beurteilung von Umweltauswirkungen von vornherein unbeachtlich ist - durch eine quantitative (Grundflächenbegrenzung) und zwei qualitative (Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss der überplanten, im Außenbereich gelegenen Fläche an im Zusammenhang bebaute Ortsteile) Voraussetzungen gekennzeichnet. Das ist jedoch unzureichend. Denn bei den so umschriebenen Plänen können erhebliche Umweltauswirkungen nicht in jedem Fall - und im Übrigen, soweit ersichtlich, auch nicht in der Regel - ausgeschlossen werden. Der von § 13b BauGB ermöglichte Zugriff auf Außenbereichsflächen schließt auch bei einer flächenmäßig begrenzten Wohnbebauung in der Nachbarschaft zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil nicht aus, dass mittels des beschleunigten Verfahrens Bebauungspläne erlassen werden können, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben werden. Das gilt schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit (vgl. Anhang II der SUP-Richtlinie Nr. 1 Spiegelstrich 1, 3 und 4). So können etwa Wiesenflächen in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen (z. B. Feuchtwiese, Magerwiese) Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bieten und somit zur Artenvielfalt beitragen. Davon ist auch bei Streuobstwiesen und bei bewaldeten Flächen auszugehen, selbst wenn diese keinem besonderen naturschutzrechtlichen Schutzregime (vgl. § 20 Abs. 2 BNatSchG) unterliegen. Der Umstand, dass sich die überplanbaren Außenbereichsflächen an einen bebauten Ortsteil anschließen müssen, führt auf kein anderes Ergebnis. Das folgt schon daraus, dass die bereits vorhandene Bebauung nichts über die umweltrelevanten Eigenschaften der sich anschließenden Außenbereichsflächen aussagt. Auf eine vermeintliche Prägung durch die benachbarte Bebauung und einen damit einhergehenden Verlust der Schutzwürdigkeit kann nicht abgestellt werden. Zudem können gerade besonders schützenswerte Flächen im Außenbereich die Grenze für eine Siedlungstätigkeit markieren.

15 Anders als im Rahmen der von § 13a BauGB privilegierten Innenentwicklung (vgl. EuGH, Urteil vom 18. April 2013 - C-463/11 - Rn. 39), lässt sich für eine − wie von § 13b BauGB ermöglichte − Außenentwicklung daher gerade keine Art von Plänen und Programmen definieren, die a priori voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat. Das gilt selbst dann, wenn es sich nur um eine "kleine Fläche" i. S. v. Art. 3 Abs. 3 SUP-Richtlinie handelt. Damit kann offenbleiben, welche Anforderungen an die Erheblichkeit von Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen zu stellen sind.

16 c) Die Kollision von nationalem mit Unionsrecht ist nach den Grundsätzen zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts (vgl. schon EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964 - C-6/64 [ECLI:​EU:​C:​1964:​66], Costa/E.N.E.L. -) aufzulösen. Bei einem Konflikt zwischen dem Unionsrecht und dem nationalen Recht ist es Sache des nationalen Gerichts, das innerstaatliche Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Unionsrechts auszulegen und anzuwenden; soweit eine solche unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, darf es entgegenstehende innerstaatliche Vorschriften nicht anwenden (EuGH, Urteile vom 18. März 2004 - C-8/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​161], Leichtle - Rn. 58, vom 13. Juli 2016 - C-187/15 [ECLI:​EU:​C:​2016:​550], Pöpperl - Rn. 43 ff. und zuletzt vom 24. Juli 2023 - C-107/23 [ECLI:​EU:​C:​2023:​606], PPU - Rn. 95).

17 Eine hiernach vorrangige unionsrechtskonforme Auslegung des § 13b BauGB scheidet aus. Es ist nicht Sache des Senats, eine eindeutige gesetzliche Regelung contra legem durch eine anderslautende zu ersetzen, um das gesetzgeberische Ziel einer Verfahrenserleichterung zu verwirklichen (zu den Grenzen der unionsrechtskonformen Auslegung vgl. EuGH, Urteile vom 24. Januar 2012 - C-282/10 [ECLI:​EU:​C:​2012:​33], Dominguez - Rn. 25 und vom 18. Januar 2022 - C-261/20 [ECLI:​EU:​C:​2022:​33], Thelen - Rn. 28).

18 Wegen der Unanwendbarkeit des § 13b BauGB geht der Verweis in Satz 1 auf § 13a BauGB ins Leere. Das gilt insgesamt und betrifft nicht nur § 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Das beschleunigte Verfahren zeichnet sich gerade durch den (nach § 13a Abs. 3 BauGB bekannt zu machenden) Verzicht auf eine Umweltprüfung aus (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB: "wird von der Umweltprüfung ... abgesehen"). Die übrigen in § 13a Abs. 2 BauGB vorgesehenen verfahrens- und materiell-rechtlichen Modifikationen knüpfen daran als begleitende Regelungen an und sind Teil eines Vereinfachungs- und Beschleunigungskonzepts für Bebauungspläne der Innenentwicklung.

19 2. Die Wahl des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13b Satz 1 i. V. m. § 13a Abs. 2 Nr. 1, § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB statt des gebotenen Regelverfahrens hat dazu geführt, dass es die Antragsgegnerin rechtswidrig unterlassen hat, eine Umweltprüfung im Sinne von § 2 Abs. 4 BauGB durchzuführen und nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB einen Umweltbericht zu erstellen, der als Teil der Begründung (§ 2a Satz 3 BauGB) nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit dem Entwurf öffentlich auszulegen und nach § 9 Abs. 8 BauGB der Begründung beizufügen ist. Hierin liegt ein gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlicher Verfahrensfehler, der nach § 4 Abs. 2 und 4 UmwRG auch vom Antragsteller gerügt werden kann.

20 Der Mangel der unterlassenen Umweltprüfung ist vom Antragsteller binnen der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB geltend gemacht worden (Schriftsatz vom 27. November 2019; vgl. auch UA S. 4 f.).

21 Der Verfahrensfehler führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.

22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.