Beschluss vom 20.02.2023 -
BVerwG 1 WB 36.22ECLI:DE:BVerwG:2023:200223B1WB36.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.02.2023 - 1 WB 36.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:200223B1WB36.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 36.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 20. Februar 2023 beschlossen:

  1. Soweit der Antragsteller im Verfahren BVerwG 1 WB 36.22 Ansprüche auf Schmerzensgeld wegen Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn und auf Schadensersatz wegen erlittener Karrierenachteile geltend macht, wird der Rechtsstreit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB 5.23 weitergeführt.
  2. Für das Verfahren BVerwG 1 WB 5.23 ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten unzulässig. Das Verfahren wird an das Verwaltungsgericht München verwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 16. April 2021 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 9. Juni 2022 dem Senat vorgelegt. Unter dem 30. Dezember 2022 hat der Antragsteller in der Sache beantragt,
den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 23. Mai 2022 aufzuheben,
festzustellen, dass die Ablehnung seines Versetzungsantrags nicht hätte erfolgen dürfen,
den Dienstherrn zu verpflichten, ihn auf einem Dienstposten, z. B. ..., dessen Voraussetzungen er erfüllt, zu verwenden,
den Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn anzuerkennen, damit er diesen geltend machen kann, und
den Anspruch auf Schadensersatz wegen erlittener Karrierenachteile anzuerkennen, damit er diesen geltend machen kann.

2 Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass wegen der Anträge betreffend Schmerzensgeld und Schadensersatz mangels Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte eine Verweisung an das (allgemeine) Verwaltungsgericht München in Betracht kommt, und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Es hat den Antragsteller auch darauf hingewiesen, dass im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, anders als beim Wehrdienstsenat, Gerichtsgebühren erhoben werden.

3 Der Antragsteller stimmt der Verweisung dieser Anträge an das Verwaltungsgericht München zu. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung ist für den Anspruch auf Schmerzensgeld das Verwaltungsgericht München und für den Anspruch auf Schadensersatz das Landgericht Bonn zuständig.

4 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

5 Der Senat entscheidet über die Verfahrenstrennung und über die Verweisung des Rechtsstreits in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2020 - 1 WB 71.19 , 1 WB 2.20 - juris Rn. 5).

6 Der Antragsteller macht kumulativ mehrere Ansprüche geltend, für die unterschiedliche Rechtswege eröffnet sind. Soweit er Schmerzensgeld wegen Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn und Schadensersatz wegen erlittener Karrierenachteile begehrt (vierter und fünfter Sachantrag), ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten nicht eröffnet. Dieser Teil des Rechtsstreits ist deshalb nach § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 93 Satz 2 VwGO abzutrennen, unter einem neuen Aktenzeichen weiterzuführen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 1 WBO an das Verwaltungsgericht München zu verweisen.

7 Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) entscheiden die Wehrdienstgerichte, wenn die Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnittes des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Für Streitigkeiten über einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der in § 31 Abs. 1 SG geregelten Fürsorgepflicht des Dienstherrn verbleibt es damit bei der Zuständigkeit der (allgemeinen) Verwaltungsgerichte gemäß § 82 Abs. 1 SG und § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2010 - 1 WB 7.10 - Rn. 17 m. w. N.). Dies gilt auch für den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch. Denn für den beamtenrechtlichen - und entsprechend für den soldatenrechtlichen - Schadensersatzanspruch ist der Schadensbegriff maßgebend, der den §§ 249 ff. BGB zugrunde liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 - BVerwGE 122, 65 <75> m. w. N.). Nachdem durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) § 847 BGB aufgehoben und der Ersatz von immateriellen Schäden in die allgemeine Schadensersatzvorschrift des § 253 Abs. 2 BGB überführt worden ist, kommt grundsätzlich auch die Prüfung von Schmerzensgeld im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SG) in Betracht.

8 Der Anregung des Bundesministeriums der Verteidigung, den Rechtsstreit unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung in einem Punkt an das Landgericht Bonn (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG, § 17 ZPO) zu verweisen, ist nicht zu folgen. Sie würde zu einer uneffektiven und kostentreibenden weiteren Aufspaltung des Verfahrens führen und widerspräche dem vom Antragsteller erklärten Willen.

9 Der Rechtsstreit ist daher, soweit der Antragsteller Schadensersatz und Schmerzensgeld begehrt, an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen. Dies ist nach § 45 und § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des (bayerischen) Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 20. Juni 1992 (GVBl S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2022 (GVBl S. 148) das Verwaltungsgericht München. Denn der Antragsteller wird dienstlich ... in München geführt und hat daher in München seinen dienstlichen Wohnsitz (§ 52 Nr. 4 Satz 1 Alt. 1 VwGO). Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG ist dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten sein Standort. § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (BVerwG, Beschluss vom 28. September 2016 - 1 WB 43.15 - juris Rn. 42 m. w. N.). Soweit es, weil der Antragsteller vorläufig des Dienstes enthoben ist, auf dessen (privaten) Wohnsitz ankäme (§ 52 Nr. 4 Satz 1 Alt. 2 VwGO), liegt auch dieser im Bezirk des Verwaltungsgerichts München.