Beschluss vom 20.12.2022 -
BVerwG 8 B 28.22ECLI:DE:BVerwG:2022:201222B8B28.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.12.2022 - 8 B 28.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:201222B8B28.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 28.22

  • VG Halle - 11.02.2022 - AZ: 1 A 161/20 HAL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 11. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ihres Vaters. Dessen Rechtsvorgängerin, Frau M. L., wurde mit besatzungsrechtlicher Anordnung vom 30. April 1945 aufgefordert, das ihr gehörende Wohnhaus in der A.-Straße in Z. zu räumen. Das Grundstück wurde von der sowjetischen Armee genutzt und anschließend an die Firma SAG Hydrierwerke Z. vermietet. M. L. verstarb 1953 und wurde vom Vater der Klägerin und drei weiteren Miterben jeweils zu gleichen Teilen beerbt. Eine Miterbin lebte im Bundesgebiet. Ihr Erbanteil wurde in staatliche Verwaltung genommen. Der staatliche Verwalter vermietete das Grundstück im Jahr 1954 an die staatliche Musikschule Z. Der Vater der Klägerin erhob als Grundstücksverwalter und Vertreter der Erbengemeinschaft erfolglos Klage auf Rückerstattung von grundstücksbezogenen Reparaturkosten. Im Mai 2018 beantragte die Klägerin die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung ihres Vaters unter anderem wegen der staatlichen Verwaltung des Grundstücks A.-Straße in Z., insbesondere wegen der zweimaligen Vermietung dieses Grundstücks durch den staatlichen Verwalter, sowie wegen der Berufungsverhandlung vom 25. Mai 1978 in dem wegen Rückerstattung von grundstücksbezogenen Reparaturkosten geführten Prozess. Diesen Antrag lehnte das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 26. Februar 2020 ab. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen.

2 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

3 Die Frage:
Sind Urteile des Obersten Zivilgerichts der DDR, die bereits vor der hoheitlichen Maßnahme der DDR-Behörden vorlagen, als Entscheidungen für die verwaltungsrechtliche Rehabilitation heranzuziehen, wenn sie sich im Einzelfall konkret auswirken?,
kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre.

4 Soweit die Klägerin die verwaltungsrechtliche Rehabilitation ihres Vaters wegen der staatlichen Verwaltung des Grundstücks A.-Straße und insbesondere wegen der zweimaligen Vermietung dieses Grundstücks durch den staatlichen Verwalter begehrt, hat das Verwaltungsgericht schon die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG verneint, weil alle Maßnahmen des staatlichen Verwalters vom Vermögensgesetz erfasst würden.

5 Soweit die Klägerin die verwaltungsrechtliche Rehabilitation ihres Vaters wegen der Berufungsverhandlung vom 25. Mai 1978 begehrt, hat das Verwaltungsgericht bereits das Vorliegen einer nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz allein rehabilitierungsfähigen hoheitlichen (Eingriffs-)Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG verneint, weil das Verfahren bis zur Zurücknahme der Berufung prozessordnungsgemäß geführt worden sei. Auf die Richtigkeit der im Verfahren geäußerten Rechtsauffassungen und deren Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des Obersten Zivilgerichts der DDR kam es aus seiner Sicht nicht an (vgl. UA S. 20).

6 Aus denselben Gründen kann die Frage:
Führt eine hoheitliche Maßnahme einer staatlichen Stelle in der DDR, deren Auswirkung im Gegensatz zu einer Entscheidung des Obersten Zivilgerichts der DDR ist, zu einer mit den tragenden Grundsätzen des Rechtsstaats schlichtweg unvereinbaren Folge, die noch immer unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirkt?,
ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.