Beschluss vom 20.12.2022 -
BVerwG 8 B 30.22ECLI:DE:BVerwG:2022:201222B8B30.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.12.2022 - 8 B 30.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:201222B8B30.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 30.22

  • VG Greifswald - 06.04.2022 - AZ: 2 A 1985/21 HGW

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 6. April 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern restituierte 1996 das Grundstück W.straße .../F.straße ... in G. an den Kläger. Mit Bescheid vom 16. Januar 2003 sprach es ihm außerdem einen Anspruch auf Schadensersatz wegen zweckwidriger Verwendung der Einnahmen aus dem Grundstück während der staatlichen Verwaltung in Höhe von 2 560,24 € zu. Weitergehende Schadensersatzansprüche wegen entgangener Mieteinnahmen und unterlassener Instandhaltungsmaßnahmen lehnte es ab. Die dagegen vom Kläger eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.

2 Im Oktober 2021 beantragte der Kläger die Bescheidung der für den Zeitraum 1981 bis 1994 geltend gemachten und aus seiner Sicht bislang nicht beschiedenen Schadensersatzansprüche gemäß § 13 VermG. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, da über alle Ansprüche rechtskräftig entschieden sei.

3 Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, da die Klage unbestimmt und damit unzulässig sei. Der Kläger habe auch auf gerichtlichen Hinweis nicht klargestellt, zu welcher Art des von ihm beantragten "Folgebescheides" der Beklagte verpflichtet werden solle.

4 Das Verwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die ohne Erfolg bleibt. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt zwar vor. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist jedoch im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO analog).

5 1. Der Kläger macht zu Recht der Sache nach geltend, das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Bestimmtheit der Klage überspannt und damit gegen § 82 Abs. 1 VwGO verstoßen.

6 Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Letzterer ist schon dann hinreichend im Sinne der Vorschrift bezeichnet, wenn der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, angegeben wird (BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 13 Rn. 12). Bei dem Erfordernis eines bestimmten Klageantrags nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO handelt es sich um eine Sollvorschrift. Ein Antrag ist bestimmt, wenn Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes benannt werden. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt und der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie dem Beklagten eine präzise Verteidigung erlaubt. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalls ab (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - NVwZ 2014, 64 Rn. 54). Der Antrag muss jedoch nicht juristisch ausformuliert sein (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 82 Rn. 10). Vielmehr reicht es aus, wenn das Ziel der Klage aus der Klageerhebung, der Klagebegründung oder den im Verfahren abgegebenen Erklärungen hinreichend erkennbar ist (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2017 - 7 C 31.15 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 3 Rn. 26).

7 Gemessen hieran genügt die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dem Bestimmtheitserfordernis. Sie hat einen Sachverhalt angegeben, über den das Gericht entscheiden soll, und damit den Gegenstand des Klagebegehrens im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezeichnet. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich auch ein hinreichend bestimmter Antrag entnehmen. Er begehrt vom Beklagten die Feststellung eines Schadensersatzspruchs wegen Pflichtverletzungen des staatlichen Verwalters gemäß § 13 VermG für den Zeitraum vom 9. September 1981 bis zum 30. Juni 1994. Die Höhe dieses Anspruchs soll aus den "verbrieften" Mieteinnahmen für das streitgegenständliche Grundstück im genannten Zeitraum abzüglich der während dieser Zeit getätigten Instandhaltungsaufwendungen ermittelt werden (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 5. Februar 2022).

8 2. Das Urteil erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (analog § 144 Abs. 4 VwGO, der im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden ist). Die Klage ist aus anderen als vom Verwaltungsgericht angenommenen Gründen unzulässig.

9 Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn der Kläger kann seine Rechtsstellung durch das Verfahren nicht verbessern.

10 Über die im Zeitraum vom 9. September 1981 bis zum 30. Juni 1994 vereinnahmten Mieten, auf die sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bezieht, ist bereits mit Bescheid vom 16. Januar 2003 bestandskräftig entschieden worden. Die Rechtsmittel des Klägers hiergegen sind erfolglos geblieben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - III ZR 303/07 - NJW-RR 2009, 89). Zu einer erneuten Entscheidung über die Mieteinnahmen ist der Beklagte nicht verpflichtet. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger die Mieteinnahmen nicht direkt, sondern lediglich als Rechnungsposten des geltend gemachten Anspruchs fordert.

11 Unabhängig davon kann der Kläger die Mieteinnahmen auch deshalb nicht - auch nicht als bloßen Rechnungsposten - erfolgreich zum Gegenstand seiner Klage machen, weil der Schadensersatzanspruch nach § 13 VermG voraussetzt, dass die staatliche Verwaltung des Vermögensgegenstands bei Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 29. September 1990 noch bestand (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - III ZR 303/07 - NJW-RR 2009, 89 f.). Das war hier in Bezug auf das streitgegenständliche Grundstück nicht der Fall. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist es bereits vor 1990 in Volkseigentum überführt worden. Aus diesem Grund scheiden die Mieteinnahmen auch als Gegenstand eines auf das Verwalterkonto bezogenen Schadensersatzanspruchs nach § 13 VermG aus (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG und BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - III ZR 303/07 - NJW-RR 2009, 89 <90>).

12 Sollte das Vorbringen des Klägers so zu verstehen sein, dass er jedenfalls hilfsweise auch das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens begehrt, bestünde auch hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis. Ein Wiederaufnahmegrund ist weder geltend gemacht, noch sonst erkennbar.

13 3. Angesichts der Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung kommt es auf die weiteren vom Kläger geltend gemachten Verfahrensrügen nicht mehr an.

14 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Beschluss vom 07.07.2023 -
BVerwG 8 B 17.23ECLI:DE:BVerwG:2023:070723B8B17.23.0

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    BVerwG, Beschluss vom 07.07.2023 - 8 B 17.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:070723B8B17.23.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 17.23

  • VG Greifswald - 06.04.2022 - AZ: 2 A 1985/21 HGW

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juli 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2022 - 8 B 30.22 - wird verworfen.
  2. Die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2022 - 8 B 30.22 - wird von Amts wegen geändert und der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren auf 19 190,08 € festgesetzt.
  3. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten trägt die Kosten für das Rügeverfahren. Von einer Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

Gründe

1 Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 hat der Senat den Streitwert im Verfahren - 8 B 30.22 - gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5 000 € festgesetzt. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 25. Januar 2023 zugestellt worden. Am 22. März 2023 hat er im eigenen Namen ausdrücklich Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 20. Dezember 2022 erhoben, mit der er die Heraufsetzung des Streitwerts auf wenigstens 56 880,15 € begehrt.

2 1. Die Anhörungsrüge ist zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist.

3 Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat eine Anhörungsrüge nach § 152a Abs. 1 VwGO erhoben. In seiner Antragsbegründung bezieht er sich ausschließlich auf diese Rügemöglichkeit nach der Verwaltungsgerichtsordnung und bringt damit zum Ausdruck, dass er allein von dieser Gebrauch machen will. Das steht einer Umdeutung seines anwaltlichen Vorbringens in eine Rüge gemäß § 69a GKG entgegen (vgl. BFH, Beschluss vom 21. November 2007 - X S 30/07 - juris Rn. 4).

4 2. Der Senat hat die Anhörungsrüge zum Anlass genommen, die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 20. Dezember 2022 von Amts wegen zu überprüfen. Das führt zur Änderung der Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG. Der Streitwert ist für das Beschwerdeverfahren auf 19 190,08 € festzusetzen.

5 Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bei der Ausübung des Ermessens kommt es auf das objektiv zu beurteilende Interesse des Klägers an. Der Umfang der Sache, der Arbeitsaufwand des Gerichts sowie die wirtschaftliche Situation des Klägers können daher bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt werden (BVerwG, Beschluss vom 15. September 2015 - 9 KSt 2.15 - Buchholz 360 § 52 GKG Nr. 17 Rn. 3). Die Bedeutung der Sache für den Kläger ergibt sich regelmäßig auch aus seinem wirtschaftlichen Interesse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2003 - 7 KSt 4.03 - NVwZ-RR 2003, 904; Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, § 52 GKG Rn. 3; Hofmann-Hoeppel/Luber/Schäfer, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 52 GKG Rn. 12). Die Festsetzung des Auffangwerts von 5 000 € nach § 52 Abs. 2 GKG kommt nur in Betracht, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Das ist erst dann der Fall, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Bestimmung ausgeschöpft wurden (Elzer, in: Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl. 2023, § 52 GKG Rn. 19; vgl. auch Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, § 52 GKG Rn. 6; Hofmann-Hoeppel/Luber/Schäfer, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, § 52 GKG Rn. 18 ff. - jeweils m. w. N. zur Rspr).

6 Hier bietet der Sach- und Streitstand nach dem Vorbringen der Beteiligten - auch - im Rügeverfahren genügende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts. Der Kläger hat zwar bewusst keinen bezifferten Antrag gestellt und auch keine konkreten Angaben zu dem nach seiner Auffassung zu seinen Gunsten durch den Beklagten festzusetzenden Betrag gemacht. Gleichwohl lässt sich sein wirtschaftliches Interesse beziffern. Der Kläger hat vom Beklagten die Feststellung eines Schadensersatzspruchs wegen Pflichtverletzungen des staatlichen Verwalters gemäß § 13 VermG für den Zeitraum vom 9. September 1981 bis zum 30. Juni 1994 für ein in seinem Eigentum stehendes Hausgrundstück begehrt. Die Höhe dieses Anspruchs soll aus den "verbrieften" Mieteinnahmen für das streitgegenständliche Grundstück im genannten Zeitraum abzüglich der während dieser Zeit getätigten Instandhaltungsaufwendungen ermittelt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2022 - 8 B 30.22 - juris Rn. 7). Jedenfalls die als Rechnungsposten begehrten Mieteinnahmen lassen sich für den genannten Zeitraum dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2008 - III ZR 303/07 – (NJW-RR 2009, 89) entnehmen, da über diese in dem genannten Verfahren rechtskräftig entschieden wurde. Sie belaufen sich danach für den gesamten Zeitraum der staatlichen Verwaltung und danach bis zum 30. Juni 1994 auf 111 260,30 €. Hiervon sind 34 500 € für den Zeitraum bis zum 9. September 1981 abzuziehen, die der Kläger nicht (mehr) geltend macht. Im Hinblick auf den Umstand, dass von den sich so ergebenden 76 760,30 € noch die nicht näher bezifferten Instandhaltungsaufwendungen abzuziehen sind und der Kläger lediglich die Bescheidung seines Schadensersatzbegehrens beantragt hat, ist der für ihn sich ergebenden wirtschaftlichen Bedeutung der Sache mit einem Viertel von 76 760,30 €, mithin 19 190,08 €, angemessen Rechnung getragen. Gegenteilige Anhaltspunkte sind auch der Stellungnahme des Klägers zum Antrag und zur Höhe des wirtschaftlichen Interesses nicht zu entnehmen.

7 Eine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG kommt nicht in Betracht, da das Verfahren in der Hauptsache bereits abgeschlossen ist. Zwar wird unter bestimmten Umständen eine Änderung des vorinstanzlichen Streitwerts durch das Rechtsmittelgericht auch noch nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz für möglich gehalten. Das betrifft jedoch lediglich die Fälle, in denen das Rechtsmittelgericht die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz bereits zuvor geändert hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2021 - 4 BN 61.20 - juris Rn. 9) oder in denen ein statthafter Rechtsbehelf gegen die Streitwertfestsetzung erhoben worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. August 2013 - 7 KSt 1.13 - juris Rn. 2). Beides ist hier nicht der Fall.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 21 Abs. 1 GKG.