Beschluss vom 21.03.2023 -
BVerwG 4 BN 47.22ECLI:DE:BVerwG:2023:210323B4BN47.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.03.2023 - 4 BN 47.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:210323B4BN47.22.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 47.22

  • OVG Lüneburg - 06.10.2022 - AZ: 1 KN 13/22

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. März 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet. Der Rechtssache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung zu, die die Antragstellerin ihr beimisst.

2 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die in dem angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden kann, sofern dies über den Einzelfall hinaus zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts beiträgt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

3 Hiernach führt die Frage,
Ist der erneute Erlass einer Veränderungssperre in dem Fall, in dem der Aufstellungsbeschluss des neuen Bebauungsplans mit dem Ziel, nur die im Normenkontrollverfahren beanstandeten Festsetzungen zu ändern und es im Übrigen bei den bisherigen Festsetzungen zu belassen, mit dem grundrechtlichen Eigentumsschutz vereinbar oder muss zusätzlich zur Vermeidung von Abwägungsfehlern mit Blick auf Art. 14 GG eine Neugewichtung der Eigentumsbelange von der Gemeinde mit Blick auf die Überschreitung der zeitlichen Grenze der Veränderungssperre von drei Jahren erfolgen?,
nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist, wenn sie nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ausführungen in der Beschwerdebegründung wohlwollend und sachdienlich verstanden wird, bereits geklärt; ein neuerlicher Klärungsbedarf wird nicht aufgezeigt.

4 Auch wenn die Beschwerde bereits die auf die unterschiedlichen Fallkonstellationen bezogenen Begrifflichkeiten nicht zur Kenntnis nimmt, zielt die Frage ersichtlich auf die Abgrenzung des erneuten Erlasses einer Veränderungssperre, die unter anderem an der Vorschrift des § 17 Abs. 3 BauGB zu messen ist, von dem Erlass einer neuen, geänderten Veränderungssperre, die sich nach §§ 16, 17 Abs. 1 BauGB richtet. Das entscheidet sich nach der vom Oberverwaltungsgericht zutreffend herangezogenen Rechtsprechung des beschließenden Senats nach der Planung, die durch die Veränderungssperre gesichert werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 4 BN 11.07 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 28 Rn. 4 f.). Zur Sicherung einer neuen Planung kann die Gemeinde - ungeachtet vorheriger und abgeschlossener Planungen - gemäß § 14 Abs. 1 BauGB eine neue Veränderungssperre beschließen. Eine solche neue Planung liegt verfahrensmäßig vor, wenn die Gemeinde nach der gerichtlichen Unwirksamkeitserklärung eines Bebauungsplans einen neuen Planaufstellungsbeschluss erlässt. Materiell bezieht sich die Veränderungssperre bereits dann auf eine neue Planung, wenn die Gemeinde für das (gesamte) Gebiet eines wegen der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen insgesamt für unwirksam erklärten Bebauungsplans einen neuen Aufstellungsbeschluss fasst mit dem Ziel, nur die im Normenkontrollverfahren beanstandeten Festsetzungen zu ändern und es im Übrigen bei den bisherigen Festsetzungen zu belassen.

5 Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass es einer weiteren und für eine fallübergreifende Betrachtung geeigneten Differenzierung in Bezug auf die mit der neuen Planung geänderten Festsetzungen bedürfte, die schon ausweislich der festgestellten Gesamtunwirksamkeit von wesentlicher Bedeutung für die Umsetzung der planerischen Vorstellungen der Gemeinde waren. Sie legt bereits in keiner Weise dar, dass die neben dem Ausfertigungsmangel vom Oberverwaltungsgericht im Normenkontrollurteil über den "alten" Bebauungsplan (Urteil vom 7. Oktober 2021 - 1 KN 92/19) bezeichneten materiell-rechtlichen Mängel als so geringfügig einzuordnen seien, dass bei der planerischen Zielsetzung, sie zu heilen, nicht mehr von einer "neuen" Planung die Rede sein könnte. Der Verweis auf eine obergerichtliche Entscheidung (VGH München, Urteil vom 24. November 2008 - 1 N 08.14 0 - BayVBl 2009, 369 <juris Rn. 25>) führt schon deswegen nicht auf einen weiteren oder erneuten Klärungsbedarf, weil jegliche Festsetzung in einem Bebauungsplan Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <191 f.>; BVerwG, Urteil vom 1. September 2016 - 4 C 2.15 - NVwZ 2017, 720 Rn. 17). Die von der Beschwerde erwähnte Kommentierung (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2019, § 17 Rn. 58) belegt ebenso wenig einen weitergehenden Klärungsbedarf; denn sie nimmt die Entscheidung des beschließenden Senats (BVerwG, Beschluss vom 29. März 2007 - 4 BN 11.07 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 28) – ebenso wie andere Literaturstellen (siehe etwa Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2022, § 17 Rn. 60; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 17 Rn. 16; Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand April 2022, § 17 Rn. 13; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 17 Rn. 6; Schiller, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 9. Aufl. 2022, Rn. 21.112) – zustimmend zur Kenntnis.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.