Beschluss vom 21.09.2022 -
BVerwG 4 B 13.22ECLI:DE:BVerwG:2022:210922B4B13.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.09.2022 - 4 B 13.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:210922B4B13.22.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 13.22

  • OVG Greifswald - 16.11.2021 - AZ: 5 K 588/20 OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. September 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Hammer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 16. November 2021 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, mit der sich der Kläger lediglich insoweit gegen das angefochtene Urteil wendet, als es die Klage - bezogen auf Maßnahmen betreffend die landseitige russische Förderungs-, Leitungs- und Gaseinspeisungsinfrastruktur - als unbegründet abgewiesen hat, ist unzulässig. Sie verfehlt die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung und Bezeichnung der in Anspruch genommenen Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO stellt.

2 1. Die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen,
ob aus dem Vorhabenbezug im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG a. F. bzw. § 2 Abs. 2 Satz 1 UVPG für die Betrachtung von Treibhausgasemissionen jedenfalls mit Blick auf Leitungsvorhaben folgt, dass mittelbare Umweltauswirkungen auch Treibhausgasemissionen sein können, die zwar außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets freigesetzt werden, der Betrieb eines (Leitungs)Vorhabens innerhalb des deutschen Hoheitsgebiets jedoch ohne diese Freisetzung der Treibhausgasemissionen außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets schlechterdings nicht möglich ist, mithin ein notwendig funktionell untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Betrieb eines innerstaatlichen (Leitungs)Vorhabens und der Freisetzung der Treibhausgasemissionen außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets besteht,
und
ob Vorstehendes jedenfalls dann gilt, wenn die Freisetzung der Treibhausgasemissionen nicht nur außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets, sondern auch außerhalb des Geltungsbereichs des Unionsrechts erfolgt,
des Weiteren,
ob das in Art. 20a GG enthaltene Klimaschutzgebot und/oder das materiell-rechtliche Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG darstellen,
und
ob die grundsätzliche Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 20a GG oder § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG bzw. gegen Art. 20a GG i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG besteht, wenn im Rahmen einer behördlichen Abwägungsentscheidung erhebliche Treibhausgasemissionen, die außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets freigesetzt werden können, aber mit dem Betrieb eines (Leitungs)Vorhabens innerhalb des deutschen Hoheitsgebiets in einem notwendig funktionell untrennbaren Zusammenhang stehen, überhaupt unberücksichtigt bleiben,
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Denn die Beschwerde legt nicht dar, dass die Fragen - wie für den Erfolg einer Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geboten - angesichts der hier vorliegenden Mehrfachbegründung entscheidungserheblich und folglich klärungsfähig sind (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 17, 90 <91> und vom 26. November 2020 - 4 BN 19.20 - KommJur 2021, 52 <53> m. w. N.).

3 Das Oberverwaltungsgericht hat das auf die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses für den Bau und den Betrieb der Gasversorgungsleitung NordStream 2 im Abschnitt des deutschen Küstenmeeres um eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Durchführung von Gefahrerforschungsmaßnahmen betreffend Methanemissionen im Bereich der landseitigen russischen Einrichtungen zur Förderung und zum Transport des Erdgases gerichtete Klagebegehren jedenfalls auch unter Verweis auf das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip abgewiesen: Der Beklagte habe keine Befugnis, hoheitliche Anordnungen für Anlagen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates zu erlassen; dies gelte auch für eine Verpflichtung der Beigeladenen durch eine deutsche Behörde, dort solche Maßnahmen vorzunehmen oder durch andere Stellen auch nur unternehmensinternen vornehmen zu lassen.

4 Diese Erwägungen, gegen die die Beschwerde Zulassungsgründe nicht vorbringt, beziehen sich nicht nur auf ein Einschreiten nach § 49 EnWG (UA S. 25 f.); nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts stehen sie auch einem Vorgehen auf der Grundlage des Vorbehalts unter A.1.3.1 des Planfeststellungsbeschlusses entgegen (UA S. 26 unter Ziff. 2). Dies zieht die Beschwerde nicht in Zweifel. Soweit das Oberverwaltungsgericht sich in Bezug auf den Regelungsgehalt des Vorbehalts auch zur Reichweite des Vorhabenbezugs bei Leitungsvorhaben verhält (UA S. 30 f.) und die Beschwerde im Anschluss daran die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit mittelbarer Umweltauswirkungen auf fremdem Hoheitsgebiet aufwirft, geht dies an dem für die Ablehnung des Klagebegehrens auch tragenden Begründungsstrang vorbei. Denn die möglicherweise gebotene Berücksichtigung von Umweltauswirkungen auf fremdem Territorium bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ist strikt von der Frage zu trennen, ob hierfür benötigte Erkenntnisse im Wege hoheitlicher, auf das fremde Hoheitsgebiet bezogene Anordnungen gewonnen werden können. Nur das ist Gegenstand der Klage.

5 Aus diesen Gründen kommt es auch auf die zum Klimaschutzgebot aufgeworfenen Fragen nicht an.

6 2. Mit der Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) dringt die Beschwerde ebenso wenig durch. Denn der Kläger legt insoweit nicht dar, dass die Entscheidung auf den behaupteten Gehörsverstößen beruhen kann.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.