Beschluss vom 22.02.2022 -
BVerwG 4 A 8.21ECLI:DE:BVerwG:2022:220222B4A8.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.02.2022 - 4 A 8.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:220222B4A8.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 8.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Februar 2022
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Decker
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Der Kläger trägt 2/3, der Beklagte und die Beigeladene je 1/6 der Kosten des Verfahrens. Von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger 2/3, im Übrigen trägt die Beigeladene ihre Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Januar 2022 das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widersprochen. Der Rechtsstreit ist folglich in der Hauptsache erledigt (§ 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Auf diese Rechtsfolge ist der Beklagte vom Gericht hingewiesen worden.

2 Das Verfahren ist deshalb entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Der bisherige Sach- und Streitstand ist dabei zu berücksichtigen. Hiernach entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens wie aus dem Tenor ersichtlich zwischen den Beteiligten zu verteilen.

3 Gegenstand des Verfahrens war ausschließlich der Bescheid des Beklagten vom 8. Oktober 2021, mit welchem dem Kläger - gestützt auf § 44 EnWG - aufgegeben worden ist, die auf seinem Grundstück Flurstück ... der Flur ..., Gemarkung ..., von der Beigeladenen beabsichtigten Vorarbeiten zur Erstellung der für die Planfeststellung benötigten Unterlagen (Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung, Durchführung von Aufschlussbohrungen, Durchführung von Drucksondierungen, Nutzung des Grundstücks als vorübergehende Arbeits- und Abstellfläche) für einen Zeitraum von acht Wochen ab Vollziehbarkeit der Verfügung zu dulden (Nr. 1 des Bescheids). Die Duldungsanordnung war mit der Androhung von Zwangsmaßnahmen (Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) für den Fall der Zuwiderhandlung (Nr. 3 und 4 des Bescheids) verbunden. Der Bescheid vom 23. November 2021, mit welchem der Beklagte die Frist für die in der Verfügung vom 8. Oktober 2021 getroffenen Anordnungen mit Ausnahme der Vorarbeiten "Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung" und "Durchführung von Aufschlussbohrungen" bis zum 31. Dezember 2021 verlängert hat, ist nicht beklagt worden.

4 Die Klage hätte voraussichtlich nur in Bezug auf die Zwangsmittelandrohungen Erfolg gehabt.

5 a) Wie der Senat in seinem Eilbeschluss vom 13. Dezember 2021 - 4 VR 2.21 - (BeckRS 2021, 39913) im Einzelnen dargelegt hat, waren die Duldungsanordnungen von § 44 Abs. 1 Satz 2 EnWG gedeckt. Das gilt auch für die zu diesem Zeitpunkt bereits erledigten Vorarbeiten "Durchführung einer Kampfmitteluntersuchung" und "Durchführung von Aufschlussbohrungen". Die Klage war folglich insoweit unbegründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

6 b) Hinsichtlich der Zwangsmittelandrohungen wäre die Klage indessen voraussichtlich erfolgreich gewesen. Denn diese erweisen sich als rechtswidrig. Nach § 70 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (NVwVG) in der Fassung vom 14. November 2019 (Nds. GVBl. S. 316) i.V.m. § 70 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) in der Fassung vom 19. Januar 2005 (Nds. GVBl. S. 9), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2019 (Nds. GVBl. S. 428), sind Zwangsmittel, möglichst schriftlich, anzudrohen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 NPOG) und müssen sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen (§ 70 Abs. 3 Satz 1 NPOG). Gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Im Falle einer Zwangsgeldandrohung bedeutet das, dass für den Betroffenen erkennbar ist, für welchen Verstoß gegen welche einzelne Pflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (vgl. u.a. BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 - 1 A 10.95 - NVwZ 1998, 393 <394>; OVG Lüneburg, Urteil vom 21. Januar 1999 - 1 L 2065/96 - BRS 62 Nr. 114 S. 502). Für die Zwangsgeldandrohung konkretisiert § 70 Abs. 5 NPOG das Bestimmtheitsgebot zudem insoweit, als das Zwangsgeld in bestimmter Höhe anzudrohen ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. November 2021 - 1 ME 136/21 - juris Rn. 10). Diesen Vorgaben genügt die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 3 des Bescheids nicht. Sie bezieht sich auf die unter Nr. 1 des Bescheids getroffene Duldungsanordnung. Diese umfasst aber insgesamt vier Maßnahmen, womit es einer Zwangsgeldandrohung in Bezug auf jede einzelne Maßnahme bedurft hätte; die Ausweisung eines einheitlichen Zwangsgeldes über 1 000 € ist folglich rechtswidrig. Bedenken begegnet auch die Androhung eines Zwangsgeldes "pro Tag". Die §§ 64 ff. NPOG enthalten keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für eine der Durchsetzung einer Verfügung dienende Zwangsgeldandrohung "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" (OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 13 ME 86/10 - NordÖR 2010, 507; siehe auch BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 - 1 A 10.95 - NVwZ 1998, 393 zu §§ 11, 13 VwVG). Nichts anderes kann für eine Androhung "pro Tag" gelten. Die Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall der Erfolglosigkeit der Festsetzung von Zwangsgeld (Nr. 4 des Bescheids) ist zwar als solches gemäß § 70 Abs. 3 Satz 2 NPOG möglich. Sie ist aber der Zwangsgeldandrohung nachgeordnet und daher von dieser abhängig. Damit führt die Rechtswidrigkeit letzterer auch zur Rechtswidrigkeit der Androhung des weiteren Zwangsmittels.

7 Die Entscheidung über die Beteiligung der Beigeladenen an den Verfahrenskosten bzw. über die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten beruht auf § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

8 Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.