Verfahrensinformation



Der von der Bundesnetzagentur mit Entscheidung vom 14. Februar 2020 festgelegte Trassenkorridor für den Abschnitt D (vom Raum Schwandorf bis zum Netzverknüpfungspunkt Isar) der als Erdkabel auszuführenden Höchstspannungsgleichstromleitung Wolmirstedt-Isar (sog. SuedOstLink) führt u.a. über das Gebiet der beiden klagenden Gemeinden. Eine dieser Gemeinden und der dritte Kläger, ein Landwirt in einem anderen Ort, sind Eigentümer von im Trassenkorridor gelegenen Grundstücken. Zur Sicherung der nun anstehenden Planfeststellung hat die Bundesnetzagentur mehrere Veränderungssperren erlassen. Von drei dieser Veränderungssperren werden Teile der Gemeindegebiete der klagenden Gemeinden sowie Grundstücke der Kläger erfasst. Die betreffenden Grundstücke werden jeweils von möglichen Trassenvarianten in Anspruch genommen und sollen deswegen einstweilen von einer Bebauung oder sonstigen Veränderung freigehalten werden. Die Kläger machen mit ihren Klagen, für die das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich zuständig ist, geltend, dass ihre Interessen nicht zutreffend gewürdigt worden und die Veränderungssperren folglich ihnen gegenüber unverhältnismäßig seien. Eine Gemeinde will die von der Veränderungssperre erfassten Grundstücke für eine Trinkwassergewinnungsanlage nebst Wasserschutzgebiet, die andere will ihr Grundstück für ökologische Ausgleichsmaßnahmen für ein geplantes Bauvorhaben nutzen. Der Landwirt will auf einem seiner Grundstücke eine Hähnchenmastanlage errichten. Alle drei Kläger haben während des Klageverfahrens bei der Bundesnetzagentur erfolglos die Aufhebung der Veränderungssperren beantragt. Gegen die ablehnenden Bescheide haben sie ebenfalls Klage erhoben.


Beschluss vom 08.11.2021 -
BVerwG 4 A 12.20ECLI:DE:BVerwG:2021:081121B4A12.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.11.2021 - 4 A 12.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:081121B4A12.20.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 12.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. November 2021
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
als Berichterstatter nach § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

Die Beiladung der ... GmbH (Beigeladene zu 2) wird aufgehoben.

Gründe

1 Die durch Beschluss vom 19. Oktober 2020 erfolgte Beiladung ist weder notwendig (§ 65 Abs. 2 VwGO) noch erweist sie sich gemäß § 65 Abs. 1 VwGO als zweckmäßig.

2 Nach § 65 Abs. 2 VwGO sind Dritte notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist dann der Fall, wenn die begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig und unmittelbar in Rechte der Dritten eingegriffen wird, d.h. ihre Rechte gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2021 - 9 A 13.20 - NVwZ 2021, 1312 m.w.N.). Das kann die (ehemalige) Beigeladene zu 2 bei einem Streit um die Aufhebung einer Veränderungssperre nach § 16 NABEG in einem Abschnitt des Gesamtvorhabens nach Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG, in dem diese nicht Vorhabenträgerin gemäß § 3 Nr. 9 NABEG ist, nicht geltend machen. Auf die Beiladung in den Verfahren, in denen die Aufhebung der Bundesfachplanungsentscheidung gemäß § 12 NABEG für zwei Abschnitte des sog. SuedOstLink bzw. hierauf bezogener vorläufiger Rechtsschutz begehrt worden ist, kann sich die (ehemalige) Beigeladene zu 2 nicht berufen. Denn ungeachtet einer Abschnittsbildung gemäß § 5 Abs. 8 NABEG, die sich bei der örtlichen Festlegung von Koppelpunkten nicht zuletzt auch an den Regelzonen der beteiligten Übertragungsnetzbetreiber orientiert (siehe etwa Abschnitt C), sind für den SuedOstLink in all seinen Abschnitten immer die beiden für den nördlichen Teil einerseits bzw. den südlichen Teil andererseits zuständigen Übertragungsnetzbetreiber gemeinsam als Vorhabenträger aufgetreten.

3 Im Gegensatz zur übergreifenden, das Gesamtvorhaben umfassenden Bundesfachplanungsentscheidung ist die Veränderungssperre nach § 16 NABEG besonders eng auf die anschließende Planfeststellung (§§ 18 ff. NABEG) bezogen. Hier tritt jeweils nur der örtlich zuständige Übertragungsnetzbetreiber als Vorhabenträger auf. Der andere Übertragungsnetzbetreiber - hier die (ehemalige) Beigeladene zu 2 - hat zwar ein auch rechtliches Interesse an der erfolgreichen Realisierung des Gesamtvorhabens. Das kann - im Gegensatz zu dem auch von der Beklagten angeführten Interesse eines jeden Übertragungsnetzbetreibers an einer Klärung der rechtlichen Maßstäbe des § 16 NABEG - eine Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO dem Grunde nach rechtfertigen. Die einfache Beiladung ist hier aber nicht geboten. Dabei sind im Rahmen dieser Entscheidung im wesentlichen Gesichtspunkte der Prozessökonomie ermessensleitend. Es ist indessen nicht ersichtlich, inwieweit die fehlende Erstreckung der Rechtskraft einer Entscheidung (§ 121 Nr. 1 VwGO) auf die (ehemalige) Beigeladene zu 2 zu Erschwernissen und Unzuträglichkeiten in späteren Rechtsstreitigkeiten führen könnte. Des Weiteren erscheint die Beiladung auch nicht etwa erforderlich, um den Streitstoff umfassend zu klären. Denn mit den für die anstehende Planfeststellung maßgeblichen Tatsachenfragen ist allein die Beigeladene zu 1 vertraut. Anderes behauptet auch die (ehemalige) Beigeladene zu 2 nicht, wenn sie - in Übereinstimmung mit ihrem prozessualen Vorgehen im Verfahren 4 VR 8.20 - betont, dass zu örtlich begrenzten Konflikten derjenige Vorhabenträger Stellung nimmt, auf dessen Regelzone sich der jeweilige Konflikt bezieht. Schließlich hindert die bereits aufgrund des Beiladungsbeschlusses erfolgte Bestellung eines Prozessbevollmächtigten die Aufhebung der Beiladung nicht; ein beachtlicher Vertrauenstatbestand erwächst daraus nicht.

Urteil vom 22.02.2022 -
BVerwG 4 A 12.20ECLI:DE:BVerwG:2022:220222U4A12.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 22.02.2022 - 4 A 12.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:220222U4A12.20.0]

Urteil

BVerwG 4 A 12.20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Decker, Dr. Hammer und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen eine zur Sicherung der Planfeststellung einer Höchstspannungsleitung erlassene Veränderungssperre, soweit ein Teil eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks betroffen ist.

2 Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) hat mit der Entscheidung zur Bundesfachplanung (§ 12 Abs. 2 NABEG) vom 14. Februar 2020 für den Abschnitt D (Raum Schwandorf bis Netzverknüpfungspunkt Isar) des Vorhabens Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG (Wolmirstedt-Isar; sog. SuedOstLink) einen raumverträglichen Trassenkorridor für die spätere Planfeststellung der als Erdkabel zu errichtenden Leitungen zur Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung festgelegt. Vorhabenträgerin für diesen Bereich ist die Beigeladene. Der Trassenkorridor quert im Süden der Gemarkung Nittenau das Anwesen des Klägers, der im Haupterwerb einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb führt. Südlich und westlich der Hofstelle (B.) mit Wohn- und Altenteilerhaus sowie Viehstallungen liegen - jeweils nach Süden hin ansteigend - die vom Kläger landwirtschaftlich genutzten Flurstücke Nr. a, b, c und d; das Flurstück Nr. c hat er gepachtet, die anderen stehen in seinem Eigentum. Benachbarte Grundstücke sind bewaldet oder teilweise als geschützte Biotope erfasst. Auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen verläuft von Nord nach Süd eine 380-kV-Freileitung.

3 Nach Anhörung des Klägers, der Planungen zur Errichtung einer Hühnermastanlage mit 29 500 Plätzen auf dem Flurstück Nr. d geltend machte, hat die Bundesnetzagentur unter dem 14. Juli 2020 zur Sicherung der Bundesfachplanungsentscheidung eine Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 NABEG für die Flurstücke der Gemarkung N. mit den Nr. b, c, d und die südliche Teilfläche des Flurstücks Nr. a erlassen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Der Trassenkorridor werde durch bereits existierende konkurrierende Flächennutzungen und sonstige Planungshindernisse - ein Waldgebiet im westlichen Bereich und Gewässerkomplexe mit Ufersäumen als teilweise geschützte Biotope im östlichen Bereich - auf einen Passageraum von 100 m eingeengt. Die Errichtung einer Stallanlage auf dem Flurstück Nr. d, wie im Bauvorbescheid des Landratsamts vom 28. Mai 2020 in Aussicht gestellt, würde den Passageraum für die Vorzugstrasse schließen und die Trassierung folglich erheblich erschweren. Der Erlass der Veränderungssperre sei auch angemessen. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, dass die bauliche Inanspruchnahme der von der Veränderungssperre betroffenen Grundstücke bzw. Grundstücksteile für eine Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebs und zu dessen Existenzsicherung zwingend notwendig sei. Vielmehr werde eine Betriebserweiterung nicht generell ausgeschlossen. Dem Kläger stünden dafür weitere Flächen zur Verfügung. Er habe selbst insgesamt sechs mögliche Standorte für die geplante Errichtung des Stallgebäudes genannt, von denen fünf außerhalb des nun festgesetzten Geltungsbereichs der Veränderungssperre lägen. Insbesondere stünden auch Flächen des unmittelbar südlich der Hofstelle angrenzenden Flurstücks Nr. a zur Verfügung. Ein überwiegender Belang sei nicht deswegen anzunehmen, weil das zum Gegenstand des Bauvorbescheids gemachte Grundstück aus betrieblichen oder baulichen Gründen für die Errichtung des Stallgebäudes möglicherweise vorzugswürdig sei.

4 Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor: Aufgrund mehrerer Alternativtrassen werde die Trassierung der geplanten Leitung durch die angestrebte Nutzung des Flurstücks Nr. d nicht erheblich erschwert. Die Veränderungssperre sei auch unverhältnismäßig, soweit sie sich auf das vorgesehene Baugrundstück beziehe. Ohne die geplante Hühnermastanlage sei sein Landwirtschaftsbetrieb wegen der Notwendigkeit der Refinanzierung der in den letzten Jahren vorgenommenen erheblichen Investitionen nicht mehr existenzfähig. Auch habe er für den ins Auge gefassten Standort bereits umfangreiche Investitionen, wie z.B. die Beauftragung eines immissionsschutzrechtlichen Gutachtens, getätigt. Dieser Standort sei sowohl logistisch als auch wirtschaftlich der sinnvollste und attraktivste. "Vorsorglich" bestreitet der Kläger, dass ein vordringlicher Bedarf für die Errichtung der geplanten Leitung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 NABEG gegeben sei.

5 Gleichzeitig mit der Einreichung der Klagebegründung hat der Kläger am 30. September 2020 bei der Bundesnetzagentur die Aufhebung der Veränderungssperre nach § 16 Abs. 2 Satz 2 NABEG beantragt, soweit sie sich auf eine Teilfläche des Flurstück Nr. d bezieht. Dies hat die Bundesnetzagentur mit Bescheid vom 22. März 2021 abgelehnt; in den Gründen hat sie sich ausführlich mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage erhoben (- BVerwG 4 A 3.21 -) und ausgeführt, dass die Klage in das laufende Klageverfahren einbezogen werden solle, da es sich in der Sache um weitgehend identische Streitgegenstände handele.

6 Mit Beschluss vom 22. Februar 2022 hat der Senat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

7 Der Kläger beantragt,
die Veränderungssperre der Bundesnetzagentur vom 14. Juli 2020, soweit sie sich auf den in der Anlage markierten östlichen Teil des Grundstücks mit der Flurstücksnummer d der Gemarkung N. erstreckt, und den Bescheid der Bundesnetzagentur vom 22. März 2021 aufzuheben.

8 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

9 Sie verteidigen die Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre.

II

10 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1, § 6 Satz 2 Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) i.d.F. von Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706 <722>), nunmehr § 6 Satz 2 Nr. 1 BBPlG i.d.F. von Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes und anderer Vorschriften vom 25. Februar 2021 (BGBl. I S. 298). Die ausdrückliche Erweiterung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zielt auf die Einbeziehung von Veränderungssperren im Vorfeld der Planfeststellung (BT-Drs. 19/9027 S. 20; BT-Drs. 19/7375 S. 77).

11 Die Klage ist mit dem Anfechtungsantrag, der sich sowohl auf die Veränderungssperre, insoweit beschränkt auf einen Teil eines der betroffenen Grundstücke des Klägers, als auch auf den Ablehnungsbescheid vom 22. März 2021 bezieht, zulässig, aber nicht begründet.

12 1. Das vom Kläger verfolgte Rechtsschutzziel, die geplante Hühnermastanlage ungeachtet der Planungen zum SuedOstLink ohne rechtliche Hindernisse kurzfristig realisieren zu können, kann er in sachdienlicher Weise durch einen Aufhebungsantrag erreichen (§ 88 VwGO). Denn entgegenstehende Belange der Betroffenen sind bereits beim Erlass der Veränderungssperre und nicht erstmals im Verfahren nach § 16 Abs. 2 Satz 2 NABEG zu würdigen (BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - NVwZ 2021, 1536 Rn. 26 ff.). Die Ermessensentscheidung, die sich an dem von der Veränderungssperre verfolgten Sicherungszweck messen lassen muss, kann ohne Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen gegenläufigen Nutzungsinteressen der Betroffenen nicht sinnvoll getroffen werden (vgl. auch Seidel, UPR 2021, 284 <286 f., 289>). Das Verfahren nach § 16 Abs. 2 Satz 2 NABEG und der darauf bezogene Rechtsstreit gehen hier folglich ins Leere. Mit der Klage gegen die Veränderungssperre hat es demnach sein Bewenden. Klarstellend ist die Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu beantragen.

13 2. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Veränderungssperre ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Deswegen ist es auch nicht geboten, den Ablehnungsbescheid zur Klarstellung aufzuheben.

14 a) Die in § 16 Abs. 1 Satz 1 NABEG geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der Veränderungssperre liegen vor.

15 aa) Ein vordringlicher Bedarf für die geplante Leitung ist gemäß § 2 Abs. 1 NABEG i.V.m. Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BBPlG und § 12e Abs. 4 Satz 1 EnWG bereits von Gesetzes wegen festgestellt. Die Verbindlichkeit dieser gesetzlichen Bedarfsfeststellung wird durch das Vorbringen des Klägers nicht in Zweifel gezogen.

16 (1) Der Kläger zeigt nicht auf, dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme des SuedOstLink in die Anlage zum Bundesbedarfsplangesetz die Grenzen seines weiten Gestaltungs- und Prognosespielraums überschritten haben könnte. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Feststellung des Bedarfs für ein Vorhaben nicht völlig frei. Würden in den Bedarfsplan Vorhaben aufgenommen, denen im Hinblick auf einen künftigen Bedarf jegliche Notwendigkeit fehlte, wäre dies vom gesetzgeberischen Spielraum nicht mehr gedeckt. Insoweit ist die fachgerichtliche Prüfung des gesetzlich festgelegten Bedarfs für ein Vorhaben aber auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (stRspr, BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 36 und vom 22. Juni 2017 - 4 A 18.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 7 Rn. 16). Ein anderer Maßstab folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Aufzählung der gesetzlichen Zwecke in § 1 Abs. 1 EnWG. Denn mit der Aufnahme in den Bundesbedarfsplan wird nach § 12e Abs. 4 Satz 1 EnWG neben dem vordringlichen Bedarf auch die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des betreffenden Vorhabens und folglich dessen Übereinstimmung mit den gesetzlichen Zielsetzungen festgestellt. Ungeachtet der unterschiedlichen gesetzlichen Formulierungen gilt insoweit nichts anderes als für die ausdrückliche Regelung in § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Energieleitungsausbaugesetzes - EnLAG - (siehe dazu etwa BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 34 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - NuR 2022, 115 Rn. 28 f.).

17 Soweit sich der Kläger energiepolitische Vorstellungen und Einschätzungen eines Sachverständigen zu eigen macht, fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt, dass die hiervon abweichende gesetzgeberische Entscheidung evident unsachlich sein könnte. Nichts anderes gilt, soweit sich der Kläger auf Entwicklungsperspektiven der Wasserstoffwirtschaft bezieht (BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 VR 8.20 - NVwZ 2021, 1536 Rn. 16).

18 (2) Der nicht weiter erläuterte Verweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf verschiedene Vorschriften des Unionsrechts führt nicht auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit des vom nationalen Gesetzgeber angenommenen vordringlichen Bedarfs für das in Rede stehende Vorhaben.

19 Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Delegierten Verordnung (EU) 2020/389 der Kommission vom 31. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (ABl. L 74 S. 1) ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist in Anhang VII, Abschnitt B. (Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse) der SuedOstLink weiterhin sowohl unter (3) – Vorrangiger Korridor "Nord-Süd-Stromverbindungsleitungen in Mittelosteuropa und Südeuropa" (NSI East Electricity) – als auch unter (11) – Vorrangiges thematisches Gebiet "Stromautobahnen" – jeweils unter der Gliederungsnummer 3.12 verzeichnet. Die Kommission hat keinen Anlass gesehen, dieses Vorhaben gemäß Art. 5 Abs. 8 der Verordnung Nr. 347/2013 wegen fehlenden Einklangs mit Unionsrecht aus der Unionsliste zu streichen (Erwägungsgrund 10 Satz 2); dieser Entscheidung ist auch eine Kosten-Nutzen-Analyse seitens der Entscheidungsgremien der regionalen Gruppen vorausgegangen (siehe Erwägungsgrund 5 Satz 2; Anhang V der VO (EU) Nr. 347/2013).

20 Für einen Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz (ABl. L 328 S. 1) ist ebenfalls nichts dargetan. Die Verwirklichung der in Art. 4 der Verordnung genannten fünf Dimensionen der Energieunion, nämlich Sicherheit der Energieversorgung, Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Dekarbonisierung sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, erfordern nach Erwägungsgrund 38 auch den Ausbau der Stromverbindungen; dies soll jedoch insbesondere nach Maßgabe der Verordnung Nr. 347/2013 geschehen. Schließlich gibt es auch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass das Vorhaben mit der Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. L 158 S. 54) nicht vereinbar sein könnte. Nach Erwägungsgrund 60 sollen auch Investitionen in Großinfrastrukturen wie Gleichstromverbindungsleitungen stark gefördert werden, wobei es das ordnungsgemäße Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts sicherzustellen gilt. Auch diese Zielrichtung knüpft an den nach Maßgabe anderer Vorschriften festzulegenden Ausbau der Netzverbindungen an.

21 bb) Ein Sicherungsbedürfnis im Hinblick auf das eingeleitete Planfeststellungsverfahren (§§ 18 ff. NABEG) als Voraussetzung für die Veränderungssperre ist ebenfalls gegeben. Bei Umsetzung der Planungen des Klägers durch Errichtung der Hühnermastanlage besteht die Möglichkeit, dass die Trassierung des SuedOstLink im bindend festgelegten Trassenkorridor (§§ 4, 15 Abs. 1 Satz 1 NABEG) erheblich erschwert wird.

22 Eine erhebliche Erschwernis der Trassierung durch beabsichtigte bauliche oder sonstige erhebliche Veränderungen auf und an Grundstücken im Bereich der Vorschlagstrasse, denen durch die Rechtswirkungen der Veränderungssperre nach § 16 Abs. 1 Satz 2 NABEG begegnet werden soll, entfällt nicht deswegen, weil innerhalb des Trassenkorridors zumindest ernsthaft in Erwägung zu ziehende Trassenalternativen zur Verfügung stehen und folglich eine Realisierung des Leitungsvorhabens als solches nicht ausgeschlossen ist. Der Sicherungszweck der Veränderungssperre soll aber eine ordnungsgemäße Prüfung aller in Betracht kommenden Trassenvarianten und eine umfassende Abwägungsentscheidung ermöglichen. Dies schließt es aus, bereits im Rahmen der rechtlichen Bewertung der Veränderungssperre bestimmte Trassenalternativen im Wege einer nur überschlägigen und mangels ausreichender Untersuchungen letztlich unzureichenden Vorprüfung für vorzugswürdig und andere, denen Hindernisse entgegenstehen können, als entbehrlich einzustufen und für das weitere Verfahren auszuscheiden.

23 cc) Die Bundesnetzagentur hat das ihr eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie hat die Verhältnismäßigkeit der Veränderungssperre zu Recht bejaht und dabei insbesondere überwiegende Belange des von der Veränderungssperre betroffenen Klägers zutreffend als zwingende, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegende Ermessensgrenze geprüft und solche Belange ohne Rechtsverstoß verneint.

24 Die Bundesnetzagentur hat im Rahmen der Bewertung der Angemessenheit der Veränderungssperre die wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des Klägers nicht unzutreffend gewürdigt. Dabei ist sie zu Recht davon ausgegangen, dass die Möglichkeit zur Erweiterung eines Betriebs insbesondere dann einen gewichtigen Belang darstellt, wenn die Existenz des Betriebs davon abhängt. Hier kann offenbleiben, ob - wie der Kläger vorträgt - insbesondere die Refinanzierung von in den Jahren 2011 bis 2014 getätigten Investitionen (erst oder gerade) im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld und angesichts der spezifischen betrieblichen Verhältnisse eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion von der Milchviehhaltung auf die Hühnermast zwingend erfordert. Denn auch wenn diese betriebswirtschaftliche Entscheidung dem Grunde nach und zugleich in ihrer zeitlichen Dimension nicht weiter hinterfragt wird, ist damit ein Belang, der das mit der Veränderungssperre verfolgte Sicherungsinteresse überwiegt, nicht dargetan. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Erweiterungspläne nur auf einem der von der Veränderungssperre erfassten Grundstücke, insbesondere auf dem östlichen Teil des Flurstücks Nr. d, realisiert werden könnten. Eine für den Kläger optimale Standortwahl kann einen Vorrang vor dem gegenläufigen öffentlichen Interesse nicht beanspruchen.

25 Die Beklagte führt im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Klägers im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren der Bundesfachplanung und bei der Anhörung vor Erlass der angefochtenen Veränderungssperre aus, dass er selbst mehrere mögliche Standorte für die geplante Mastanlage benannt habe, von denen fünf außerhalb des Geltungsbereichs der Veränderungssperre liegen. Es ist auch weiterhin nicht dargetan, dass eine entsprechende Bebauung dieser Grundstücke aus Rechtsgründen - etwa wegen der vom Kläger erwähnten Baubeschränkungen in dem Schutzstreifen der bestehenden Freileitung, aufgrund naturschutzrechtlicher Erwägungen wegen benachbarter Biotope oder wegen der Wahrung der Interessen von Nachbarn - scheitern müsste. Dies gilt insbesondere auch für das an die Hofstelle im Süden angrenzende Flurstück Nr. a, dessen nördlicher Teil entgegen ursprünglicher Überlegungen vom Geltungsbereich der Veränderungssperre ausgenommen worden ist. Zwar sind bei der Genehmigung einer Hühnermastanlage vor allem wegen Geruchs- und Aerosolemissionen bestimmte Abstände zu schutzwürdiger benachbarter Wohnbebauung einzuhalten, wobei hier wohl auch ein nördlich der Hofstelle gelegenes Wohnhaus zu beachten ist. Es ist aber insbesondere angesichts des geänderten Betriebskonzepts, das mit einer Reduzierung des Großviehbestands verbunden ist, nicht ersichtlich, dass der geplante Stall unter Beachtung der entsprechenden Vorgaben nicht auf dem Flurstück Nr. a errichtet werden könnte. Bei der Anhörung hat der Kläger zwar insoweit auf die Gefahr verwiesen, dass die auf dem Dach des bestehenden Stallgebäudes montierte Photovoltaikanlage bei Nutzung des Nachbargrundstücks verschattet werden könnte und er sich dann Schadensersatzansprüchen seines Vertragspartners ausgesetzt sehe. Ungeachtet der Bedeutung dieses Einwands ist aufgrund der Höhe des geplanten Stalles und der Größenverhältnisse des möglichen Baugrundstückes, auf dem mehrere Standorte vorstellbar sind, eine relevante Beeinträchtigung durch eine verminderte Sonneneinstrahlung nicht ersichtlich.

26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.